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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.12.2007
Aktenzeichen: Verg W 23/07
Rechtsgebiete: GWB, VOB/A, VgV


Vorschriften:

GWB § 107 Abs. 3 S. 1
GWB § 118
VOB/A § 9
VOB/A § 9 Nr. 5
VOB/A § 9 Nr. 10 n.F.
VOB/A § 9 Abs. 5
VOB/A § 25 Nr. 1 b
VgV § 13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

Verg W 23/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

betreffend Lieferung und Einbau von Holztüren für den Neubau Behandlungstrakt und Bettenhaus zur Auflösung der Außenstandorte, Hauptmaßnahme Teil 1, Gebäude 4 und 11

hier: Antrag nach § 118 GWB

hat der Vergabesenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke

am 14. Dezember 2007

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 7. November 2007 (VK 42/07) wird zurückgewiesen.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, sich bis zum 10. Januar 2008 zu erklären, ob die sofortige Beschwerde zurückgenommen wird.

Gründe:

I.

Die Auftraggeberin hat europaweit die Lieferung und den Einbau von Holztüren für den Neubau (Behandlungstrakt und Bettenhaus) des Klinikums in C... im offenen Verfahren am 24.7.2007 ausgeschrieben. Zuschlagskriterium sollte gemäß Nr. IV.2.1. der Vergabebedingungen der niedrigste Preis sein. Alternativangebote bzw. Nebenangebote waren nach Nr. II.1.9. nicht zugelassen. Änderungen an den Verdingungsunterlagen waren verboten.

Unter Nr. 01.03, S.23 des Leistungsverzeichnisses forderte die Auftraggeberin zwei Objektbänder, Material Edelstahl, geprüft nach EN 1935, Edelstahl Klasse 14 gegossen (nicht gerollt). Das angebotene Fabrikat sollte in einem Eintragungsfeld "Bietereintrag" bezeichnet werden.

Die Antragstellerin gab am 27.7.2007 ihr Angebot ab. Für die geforderten Objektbänder gab sie den Hersteller "S..." an. Das Angebot der Antragstellerin war das preislich niedrigste.

Die Auftraggeberin schloss die Antragstellerin nach § 25 Nr. 1 b VOB/A von der weiteren Wertung aus, weil das Fabrikat "S..." der ausgeschriebenen Qualität "gegossen" nicht gleichwertig sei.

Mit Schreiben vom 21.9.2007 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin gemäß § 13 VgV, dass die H... GmbH den Zuschlag erhalten solle.

Mit Schreiben vom 21.9.2007 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung. Zwar seien die Bänder des Unternehmens S... gerollt, der Produktionsvorgang dürfe jedoch nicht in die Bewertung einfließen.

Die Auftraggeberin wies die Rüge der Antragstellerin mit Schreiben vom 25.9.2007 mit der Begründung zurück, die Antragstellerin habe nicht nachgewiesen, dass die von ihr angebotenen Bänder den nach der Leistungsbeschreibung geforderten Bändern gleichwertig seien. Es fehlten die Prüfung und Zulassung nach EN 1935 Bandklasse 14. Die Antragstellerin habe keine gegossene Bandrolle angeboten; die von ihr angebotenen Bänder enthielten deshalb auch keine kugellagerlaufende Lagertechnik.

Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 26.9.2007 mit, die EN-Zertifizierung mit der geforderten Bandklasse liege vor. Kugellagerlaufende Lagertechnik sei nicht gefordert worden.

Die Antragstellerin leitete am 5.10.2007 das Nachprüfungsverfahren ein. Sie hat die Ansicht vertreten, es liege ein Verstoß gegen § 9 Nr. 5 VOB/A vor. Die von ihr angebotenen Objektbänder seien in technischer Hinsicht den nach den Verdingungsunterlagen geforderten gleichwertig.

Die Antragstellerin hat beantragt,

das Nachprüfungsverfahren einzuleiten.

Die Auftraggeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen,

sowie

für den Fall des Obsiegens der Auftraggeberin festzustellen, dass der Antrag der Antragstellerin von Anfang an unzulässig und unbegründet gewesen sei.

Soweit die Antragstellerin sich wegen der Forderung "gegossen, nicht gerollt" auf eine Verletzung von § 9 V VOB/A berufe, sei das Vorbringen verspätet. Das von ihr angebotene Produkt sei nicht gleichwertig.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 7.11.2007 den Nachprüfungsantrag verworfen. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, es fehle an einer rechtzeitigen Rüge hinsichtlich der im Leistungsverzeichnis enthaltenen Anforderung "gegossen (nicht gerollt)" bzw. hinsichtlich des Fehlens des Zusatzes "oder gleichwertiger Art". Die Rügeobliegenheit der Antragstellerin habe mit dem Zeitpunkt der Angebotserstellung eingesetzt. Sie sei nicht erst in dem Zeitpunkt entstanden, in dem die Antragstellerin Kenntnis von einem zweifelsfreien Verstoß erlangt habe, weil sie den Sachverhalt gekannt habe, der aus ihrer subjektiven Sicht den Schluss auf einen Vergaberechtsverstoß erlaubt habe und der es bei vernünftiger Betrachtung als gerechtfertigt habe erscheinen lassen, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden. Die Rechtslage sei eindeutig gewesen. Diese positive Kenntnis habe die Antragstellerin bei Angebotserstellung gehabt. Die geforderte Eigenschaft "gegossen (nicht gerollt)" sei offensichtlich gewesen; der Zusatz "oder gleichwertig" habe gefehlt. Zudem hätten die Verdingungsunterlagen den Hinweis auf die Unzulässigkeit von Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthalten. Es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin bei Angebotserstellung festgestellt habe, dass nur ein Hersteller Türbänder im Gussverfahren herstelle und ferner, dass sie dies jedenfalls laienhaft als fehlerhaft angesehen habe.

Gegen diesen ihr am 9.11.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 22.11. 2007 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit welcher sie zugleich um Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde nachsucht.

II.

Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde ist zurückzuweisen, da das Rechtsmittel voraussichtlich keinen Erfolg hat ( § 118 I S. 3, II S. 1 GWB).

Der Nachprüfungsantrag ist teils unzulässig, im Übrigen unbegründet.

1. Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen das Gebot der produkt- und verfahrensmäßigen Neutralität (§ 9 Nr. 10 VOB/A) rügt. Die Antragstellerin hat nicht gemäß § 107 III 1 GWB unverzüglich nach Kenntnis des Verstoßes gegen Vergabevorschriften gerügt. Von der positiven Kenntnis der Antragstellerin vom gerügten Verstoß im Zeitpunkt der Angebotserstellung muss jedenfalls deshalb ausgegangen werden, weil sie sich sonst treuwidrig der Erkenntnis des Vergaberechtsverstoßes verschlossen hätte.

a) Die Antragstellerin hat der Ausschreibung bzw. dem ihr übersandten Leistungsverzeichnis entnehmen können, dass die Auftraggeberin in Nummer 01.03. des Leistungsverzeichnisses (dort s. 23) Objektbänder fordert, die unter anderem die Eigenschaft "gegossen (nicht gerollt)" aufweisen.

b) Zwar erschließt sich bei der hier geforderten laienhaften Bewertung bei bloßer Lektüre des Leistungsverzeichnisses noch nicht, dass durch den Verweis auf das Herstellungsverfahren "gegossen" unter Verstoß gegen § 9 Nr. 10 VOB/A (n.F.) ein bestimmtes Unternehmen begünstigt wird, nämlich dasjenige, welches nach unstreitigem Vortrag im Nachprüfungsverfahren allein gegossene Objektbänder herstellt, das Unternehmen E.... Diese Kenntnis erlangte die Antragstellerin unter Zugrundelegung ihrer Angaben erst aufgrund ihrer Recherchen am 8.10.2007.

c) Auch musste sich der Antragstellerin erst bei Erlangung der Kenntnis, dass nur ein Hersteller in Deutschland, nämlich das Unternehmen E... derartige Bänder im Gussverfahren herstellt, während andere namhafte Hersteller das Rollverfahren praktizieren, die weitere Erkenntnis aufdrängen, dass die Auftraggeberin in Verletzung des § 9 Nr. 10 VOB/A (n.F.) zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert habe. Nach § 9 Nr. 10 VOB/A darf grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Dementsprechend rügte die Antragstellerin selbst diesen Umstand als Verstoß gegen Vergabevorschriften, nachdem sie auf Grund der Mitteilung nach § 13 VgV Recherchen angestellt und nach ihrer Darstellung erst dann festgestellt hat, dass nur das Unternehmen E... gegossene Objektbänder anbietet.

d) Schließlich trägt die Auftraggeberin für eine behauptete frühere Kenntniserlangung die Darlegungs- und Beweislast.

e) Dennoch und unabhängig von Vorstehendem muss hier von einer positiven Kenntnis der Antragstellerin vom gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Zeitpunkt der Angebotserstellung schon unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des treuwidrigen Sich-Verschließens vor der Erkenntnis des Vergaberechtsverstoßes ausgegangen werden. Denn bei ordnungsgemäßem Vorgehen hätte die Antragstellerin spätestens bei Abfassung ihres Angebotes Ende Juli 2007 feststellen müssen, dass nur ein Hersteller die Bänder im Gussverfahren herstellt. Diese Erkenntnis hat die Antragstellerin nach ihrer Darstellung nur deshalb nicht zu diesem Zeitpunkt gewonnen, weil sie bei Erstellung des Angebotes die Vorgabe der Auftraggeberin betreffend "gegossen" ohne vorherige Rückfrage und ohne jeglichen Hinweis vergaberechtswidrig vollständig ignoriert hat. Bei Benennung des Herstellerunternehmens S... in Nummer 01.03 der Leistungsverzeichnisses hätte die Antragstellerin sich jedoch vorher vergewissern müssen, dass der Hersteller S... das Gussverfahren anwendet. Erstellt der Bieter unter Außerachtlassung der im Leistungsverzeichnis unmissverständlich gestellten Anforderungen sein Angebot nicht ordnungsgemäß und hätte er bei gebotener Sorgfalt die tatsächlichen Umstände feststellen müssen, die nach seiner Auffassung einen Verstoß gegen Vergabevorschriften begründen, dann verschließt er sich treuwidrig der Erkenntnis eines Vergabeverstoßes. Rügt er diesen Vergabeverstoß erst später, ist ein darauf gestützter Nachprüfungsantrag insoweit gemäß § 107 III 1 GWB unzulässig.

Die Antragstellerin kann danach mit der Rüge einer fehlerhafter Ausschreibung (§ 9 VOB/A) im Nachprüfungsverfahren nicht mehr gehört werden.

2. Der Nachprüfungsantrag ist im Übrigen unbegründet, soweit sich die Antragstellerin gegen ihren Ausschluss von der Wertung wendet.

Das Angebot der Antragstellerin entspricht nicht der von der Auftraggeberin geforderten Leistung. Nach dem Leistungsverzeichnis hatte die Auftraggeberin ausgeschlossen, dass auch gleichwertige Bänder angeboten werden. Das ergibt sich zum einen daraus, dass nicht ausdrücklich gestattet worden ist, etwas Gleichwertiges anzubieten. Zum anderen ergibt sich dies aus dem Umstand, dass die Auftraggeberin ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass keine gerollten Bänder angeboten werden dürfen. Die Frage, ob das angebotene Produkt gleichwertig im Sinne von § 9 VOB/A ist, stellt sich danach im Nachprüfungsverfahren nicht mehr, da die Antragstellerin es unterlassen hat, rechtzeitig den Verstoß gegen das Gebot der produkt- und verfahrensmäßigen Neutralität zu rügen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Sie ergeht zusammen mit der Hauptsacheentscheidung.

Ende der Entscheidung

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