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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.09.2004
Aktenzeichen: Verg W 5/04
Rechtsgebiete: GWB, VOL/A


Vorschriften:

GWB § 97 Abs. 5
GWB § 97 Abs. 7
GWB § 98 Nr. 2
GWB § 114 Abs. 2
VOL/A § 8 Nr. 1
VOL/A § 8 Nr. 2 Abs. 1 a
VOL/A § 21 Nr. 1 Abs. 3
VOL/A § 21 Nr. 2
VOL/A § 25
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

Verg W 5/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 14.09.2004

Verkündet am 14.09.2004

In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren)

betreffend die Vergabe der technischen Betriebsführung der I... GmbH in F... ,

hat der Vergabesenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14.9.2004 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ...

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluß der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 26. April 2004 - VK 7/04 - wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Die Auftraggeberin ist eine GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Mikroelektronik und Informationstechnologie, insbesondere zur Förderung der Innovation bei den Hochtechnologien. Das Land Brandenburg ist Alleingesellschafter. In den aus bis zu zehn Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrat als Überwachungsorgan entsenden

a) das Land Brandenburg zwei Mitglieder, darunter den Vorsitzenden,

b) die Bundesrepublik Deutschland zwei Mitglieder, darunter den stellvertretenden Vorsitzenden,

c) die Gesellschafterversammlung bis zu vier Mitglieder,

d) die Belegschaft bis zu zwei Mitglieder.

Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung.

Die Auftraggeberin schrieb u.a. im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Gemeinschaften vom 23. Oktober 2003 die technische Betriebsführung, vor allem das Installieren und Bedienen der technischen Gebäudeausrüstung und der Medienversorgungsanlagen und Medienentsorgungsanlagen für das Equipment der I... GmbH im offenen Verfahren für die Dauer von drei Jahren aus. Kernstück des I... ist ein Reinraum der Klasse 1 nach US-Federal Standard 209 D (900 m2), der vom Bieter unter Produktionsregime zu betreiben ist. Zur technischen Betriebsführung gehören ferner drei Laborgebäude mit Bürobereichen, bestehend aus drei Etagen, ein Verwaltungsbereich (insgesamt 7.300 m2 Hauptnutzfläche) und Außenanlagen.

Unter Nr. III 2.1.2 der Bekanntmachung wurden im Rahmen der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit u.a. der Nachweis einer Service-Niederlassung mit Zugriffszeit von maximal 30 Minuten gefordert.

Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot bezüglich der Kriterien Preis, Referenzen, technische Betriebsführung, Qualifikation und Erfahrung des Personals, Gesamtpersonalkonzept und Qualitätsmanagement/Qualitätssicherung erteilt werden. Nebenangebote/Alternativvorschläge waren im Zusammenhang mit der Abgabe eines Hauptangebotes (Punkt II.1.10 der Vergabebekanntmachung) zugelassen.

Unter Nr. 0.2 - Arbeitszeitregime - der Anlage "Leistungsbeschreibung" zur Ausschreibung wurde unter dem Gewerk Alarmierung/Gefahrenabwehr vorgeschrieben, daß täglich von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr bei definierten Störungen (Havarien) qualifiziertes Personal des Auftragnehmers spätestens 30 Minuten nach Alarmierung vor Ort sein und mit der Behebung der Störung begonnen haben muß.

Unter Nr. 0.3 - Personalregime - der Anlage "Leistungsbeschreibung" zur Ausschreibung wurde festgelegt, daß die technische Betriebsführung im kontinuierlichen 3-Schichtbetrieb mit Betreiberpersonal durchgängig vor Ort zu realisieren ist.

Sowohl die Antragstellerin aus auch die Beigeladene gaben Angebote ab. Bei der Submission am 17. Dezember 2003 lag das Angebot der Beigeladenen bezüglich der Grundpositionen zentrales Management und technische Betriebsführung rechnerisch vor dem Angebot der Antragstellerin.

Mit Schreiben vom 8. und 16. Januar 2004 forderte die von der Auftraggeberin mit der Angebotsprüfung beauftragte D... ...gesellschaft ... mbH (D... ) die Beigeladene u.a. auf, eine Service-Niederlassung mit einer Zugriffszeit von maximal 30 Minuten nachzuweisen und die angebotene Stundenzahl sowie die Schichtplanung zu erklären. Die Beigeladene antwortete schriftlich am 15. und 22. Januar 2004 und gab an, daß durch eine 24-stündige Besetzung des Gebäudes eine Zugriffszeit von 30 Minuten gesichert sei und daß für die von ihr für das Betreiberpersonal vorgesehene 12-Stunden-Schicht eine Sondergenehmigung nach dem Arbeitszeitgesetz erforderlich sei.

Das Protokoll über das Gespräch zwischen der Auftraggeberin und der Beigeladenen vom 28. Januar 2004 enthält unter dem Punkt Bemerkungen/Festlegungen folgende Feststellungen:

- Im Störfall (Havarie) garantiert M..., daß Mitarbeiter von M... oder eingewiesene Nachauftragnehmer mit den für den Störfall geforderten Qualifikation innerhalb von 30 Minuten vor Ort sein werden.

- Das Angebot vom M... geht von einem 2-Schicht-Modell á 12 Stunden je Schicht, aus. Zum Betreiben dieses 2-Schicht-Modells á 12 Stunden je Schicht ist eine Sondergenehmigung der zuständigen kommunalen Behörden notwendig. Wird diese Sondergenehmigung von den zuständigen kommunalen Behörden erteilt, dann werden die Leistungen in einem 2-Schicht-Modell á 12 Stunden je Schicht erbracht. Wird diese Sondergenehmigung von der zuständigen kommunalen Behörde nicht erteilt, dann wird der Bieter M... dieselben Leistungen in einem kontinuierlichen 3-Schicht-System á 8 Stunden je Schicht erbringen. Durch die Nutzung dieses 3-Schicht-Systems á 8 Stunden je Schicht entstehen dem Auftraggeber I... keine zusätzlichen Kosten. Der angebotene Pauschalpreis bleibt unverändert.

In dem Bericht der D... vom 9. Februar 2004 über die Angebotsprüfung und Vergabeempfehlung wurde festgestellt, daß die Bieter im Rahmen der Leistungsfähigkeit die geforderten Nachweise erbracht hätten. Unter dem Punkt Bewertung des Gesamtkonzepts heißt es wie folgt: "Der Bieter M... hat ein kontinuierliches 2-Schicht-System (2 x 12 Stunden je Tag) angeboten. Diese Variante bedarf der Zustimmung der zuständigen kommunalen Behörden. Wird diese Zustimmung der zuständigen kommunalen Behörden erteilt, wird der Bieter die Leistungen in einem 2-Schicht-System erbringen. Wird die Zustimmung der zuständigen kommunalen Behörden nicht erteilt, wird der Bieter die Leistungen in einem durchgehenden 3-Schicht-System erbringen, ohne daß dadurch dem Auftraggeber zusätzliche Kosten entstehen werden. Der Festpreis bleibt unverändert. Das Angebot eines kontinuierlichen 2-Schicht-Systems weicht zwar von der Leistungsbeschreibung ab, jedoch werden dadurch weder Menge und Qualität der Leistungen noch der angebotene Festpreis geändert. Eine Änderung in der Art und Weise der Ausführung der Leistung durch den Bieter im Vergleich zur Leistungsbeschreibung ist zumal bei einer einen Festpreis fordernden Funktionalausschreibung - kein Grund, das Angebot von der Wertung auszuschließen, da durch die Abweichung im Schicht-System Länge und Qualität der Leistungen wie gefordert erbracht werden."

Die D... schlug auf Grund ihrer Angebotsprüfung der Auftraggeberin vor, den Auftrag der Beigeladenen zu erteilen.

Mit Schreiben vom 10. Februar 2004 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Beigeladene. Sie bestritt in diesem Zusammenhang, daß die Beigeladene die Forderungen aus der Leistungsbeschreibung, insbesondere in Bezug auf das vorgegebene Arbeitszeit- und Personalregime bei der darzustellenden Kalkulation vollständig eingehalten habe. Ihr sei keine Service-Niederlassung der Beigeladenen mit dementsprechenden Fachpersonal am Standort der Leistungserbringung bekannt. Nach den Vergabekriterien solle der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgen. Eine Bewertung nur nach dem Gebot eines niedrigeren Preises scheide daher aus. Mit weiterem Rügeschreiben vom 16. Februar 2004 wurde durch die Antragstellerin bemängelt, daß ihr im Rahmen des Informationsschreibens Preis, Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots nicht mitgeteilt worden seien.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2004 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer gestellt.

Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 5 und 7 GWB geltend gemacht, weil das Vergabeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.

Darüber hinaus hat sie ihr Vorbringen in ihrem Rügeschreiben vom 12. und 16. März 2004 vertieft.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. die Auftraggeberin anzuweisen, der Antragstellerin den Zuschlag auf ihr Angebot vom 16. Dezember 2003 zu erteilen,

hilfsweise,

2. die Auftraggeberin anzuweisen, das Angebot der Antragstellerin vom 16. Dezember 2003 nicht auf Grund der im Schreiben der Antragstellerin vom 10. Februar 2004 genannten Gründe von der Wertung auszuschließen,

hilfsweise,

3. für den Fall, daß der Auftrag schon vergeben worden sein sollte oder sich das Vergabeverfahren auf sonstige Weise erledigt haben sollte bzw. noch erledigen sollte, gemäß § 114 Abs. 2 GWB festzustellen, daß eine Rechtsverletzung vorgelegen hat,

4. ersatzweise die Zuschlagserteilung an die Antragstellerin durch geeignete Maßnahmen selbst vorzunehmen.

Die Auftraggeberin hat der Vergabekammer mit Schreiben vom 20. Februar 2004 die Vergabeakten übersandt, ohne eine Antrag zu stellen.

Die Beigeladene hat beantragt,

1. die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen,

2. Akteneinsicht zu gewähren.

Die Beigeladene hat vorgetragen, es seien keine Gesichtspunkte ersichtlich, wonach ihr Angebot unauskömmlich sei. Das Erfordernis einer Service-Niederlassung mit einer Zugriffszeit von 30 Minuten sei erfüllt. Hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit und der Bewertung der Angebote hat sie auf die Vergabeempfehlung der D... Bezug genommen.

Die Entscheidungsfrist ist durch Verfügung des Vorsitzenden vom 1. März 2004 bis zum 30. April 2004 verlängert worden.

Die Entscheidung der Vergabekammer ist nach Verzicht aller Verfahrensbeteiligten auf eine mündliche Verhandlung nach Lage der Akten ergangen.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag für zulässig erachtet. Der öffentliche Dienstleistungsauftrag liege oberhalb des Schwellenwertes von 200.000 und sei dem Land Brandenburg zuzurechnen. Die I... GmbH sei öffentliche Auftraggeberin im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB. Die Antragstellerin habe die beabsichtigte Vergabeentscheidung unverzüglich mit Schreiben vom 12. und 16. Februar 2004 gerügt und ihren Antrag mit der Nichtbeachtung vergaberechtlicher Bestimmungen, aus der ihr ein Schaden - keine Chance auf Zuschlagserteilung - erwachse.

Der Antrag sei auch begründet. Der Auftraggeber habe bei der Wertung der Angebote gegen § 97 Abs. 1 und 7 i.V.m. § 25 VOL/A verstoßen. Die Beigeladene habe ihrem Angebot ein 2-Schicht-System (2 x 12 Stunden je Tag) zugrunde gelegt, das von den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses abweiche. Diese Feststellung habe auch die D... im Rahmen ihrer Angebotsprüfung auf der Grundlage des Schreibens der Beigeladenen vom 22. Januar 2004 und des Aufklärungsgespräches mit der Beigeladenen vom 28. Januar 2004 getroffen. Das fragliche Angebot der Beigeladenen könne auch nicht in ein Nebenangebot umgedeutet werden, da es ausdrücklich als Hauptangebot abgegeben worden sei. Eine Umdeutung in ein Nebenangebot widerspräche der Zielsetzung des § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A. Eine Qualifizierung als Nebenangebot, das lediglich gegen § 21 Nr. 2 VOL/A verstoße, komme nur in Betracht, wenn aus einer Erklärung der Beigeladenen oder aus der äußeren Gestaltung des Angebotes erkennbar sei, daß der Bieter ein Nebenangebot habe abgeben wollen. Das sei nicht der Fall.

Die Beigeladene habe ihrem Angebot auch keinen Nachweis einer Service-Niederlassung mit einer Zugriffszeit von maximal 30 Minuten beigefügt. Darüber hinaus bestünden schwerwiegende Bedenken gegen das von der Beigeladenen in Aussicht gestellte Personalkonzept für die technische Betriebsführung.

Gegen diese ihr am 29.4.2004 zugestellte Entscheidung wendet sich die Beigeladene mit der am 13.5.2004 eingelegten sofortigen Beschwerde.

Die Beigeladene ist der Auffassung, sie habe keine Veränderungen an den Ausschreibungsinhalten vorgenommen. Sie habe ihre Leistungen im Rahmen der ausgeschriebenen Funktionalität "Gewährleistung einer täglich 24-stündigen technischen Betriebsführung an allen Tagen des Jahres" angeboten. Eine Abweichung von der funktionalen Beschreibung liege nicht vor. Eine Veränderung liege insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt des angebotenen Schichtbetriebes vor. Die Beigeladene habe ihre Leistungen als modifiziertes Drei-Schicht-System und damit ausschreibungskonform angeboten.

Sie, die Beigeladene, sei auch leistungsfähig und habe nachgewiesen, daß eine ServiceNiederlassung vorhanden sei bzw. sein werde. Die Bedenken der Vergabekammer gegen ihr Personalkonzept seien unbegründet.

Die Beigeladene beantragt,

1. den Beschluß der Vergabekammer des Landes Brandenburg (VK 7/04) vom 26. April 2004 aufzuheben und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,

hilfsweise,

2. den Beschluß der Vergabekammer des Landes Brandenburg (VK 7/04) vom 26. April 2004 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen,

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluß. Die Auftraggeberin hat keinen Antrag gestellt.

Der Senat hat durch Beschluß vom 27.5.2004 die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde der Beigeladenen bis zur Entscheidung über die Beschwerde angeordnet. Er hat außerdem durch Beschluß vom 3.9.2004 der Beigeladenen Einsicht in die Vergabeakten gewährt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 116, 117 GWB).

Sie ist aber unbegründet.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zulässig. Das wird von der Beigeladenen in der Beschwerde auch nicht angegriffen.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Zu Recht hat die Vergabekammer die Auftraggeberin verpflichtet, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.

1. Das Angebot der Beigeladenen ist auf der ersten Wertungsstufe nach § 25 Nr. 1 I d VOL/A auszuschließen. Die Beigeladene hat gemäß § 21 Nr. 1 III VOL/A Änderungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen.

a) Ausgeschrieben worden ist u.a. unter Punkt 0.2 "Arbeitszeitregime" für das Gewerk "Technische Betriebsführung": "täglich 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr; ..." (Vergabeordner Abgabestand Teil 1/2 S. 255). Erläuternd heißt es auf der nachfolgenden Seite 256 unten im ersten Satz: "Die Technische Betriebsführung ist im kontinuierlichen 3-Schichtbetrieb mit Betreiberpersonal durchgängig vor Ort zu gewährleisten."

b) Die Beigeladene hat demgegenüber nach der Schichtplanung Technik von Montag bis Freitag durchgehend Tagschichten, außerdem Spät- und Frühschichten und an den Wochenenden (jeweils Sonnabend und Sonntag) nur Spät- und Frühschichten angeboten.

Die Beigeladene hat damit keinen in der Ausschreibung geforderten 3-Schichtbetrieb angeboten.

Gefordert worden ist kein "modifiziertes" 3-Schichtsystem, sondern ein kontinuierlicher 3-Schichtbetrieb. Diese Formulierung ist auszulegen. Auch Leistungsbeschreibungen sind der Auslegung zugänglich, wobei als Maßstab die Auffassung eines unbefangenen, verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Bieters zugrunde zu legen ist (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 5.12.2001, Verg 32/01 - "Sprachliche Vorbereitungskurse"). Dabei ist der objektive Empfängerhorizont im Sinne der Gesamtheit der Bieter maßgebend. Der Wortlaut der Leistungsbeschreibung ist dabei besonders wichtig (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 14.3.2001, Verg 32/00 - "Rechner am Arbeitsplatz").

"Kontinuierlich" hat die Wortbedeutung "ohne Veränderung oder Bruch, fortdauernd, lückenlos zusammenhängend, gleichmäßig sich fortsetzend" und ist Synonym für "fortwährend, stetig, unaufhörlich, unentwegt, ununterbrochen". Wenn die Auftraggeberin nicht lediglich (irgend) ein 3-Schichtsystem verlangt hat, sondern die Technische Betriebsführung im kontinuierlichen 3-Schichtbetrieb, so muß das 3-Schichtsystem durchgehend - einschließlich der Wochenenden - gefahren werden. Für dieses Verständnis spricht der Umstand, daß die für die Auftraggeberin die Angebotsprüfung vornehmende D... das von der Beigeladenen angebotene System als durchgehendes 2-Schichtsystem angesehen hat.

Dem steht nicht entgegen, daß nach den von der Beigeladenen vorgelegten Amtlichen Mitteilungen der Bundesanstalt für Arbeit 1/96 als Wesensmerkmal von Schichtsystemen mit "kontinuierlicher" Arbeitsweise der Einschluß von Nachtarbeit und Wochenendarbeit verstanden wird.

Darin ist bereits nicht vom "kontinuierlichen" oder "diskontinuierlichen" Schichtsystem die Rede, sondern von Schichtsystemen mit kontinuierlicher oder diskontinuierlicher Arbeitsweise. Zudem bezeichnet der hier einschlägige Punkt B.III.1.a für Systeme mit Nachtarbeit und Wochenendarbeit als charakteristisches Merkmal der kontinuierlichen Arbeitsweise mit 3 Schichtbelegschaften die Verteilung der 24 Stunden eines jeden Tages - einschließlich der Wochenenden - auf 3 Schichtbelegschaften. Die Beigeladene plant jedoch an den Wochenenden nur zwei Schichtbelegschaften pro Tag einzusetzen. Der Begriff des "Dreischichtsystems" ist zudem ausdrücklich nur bei den Systemen mit Nachtarbeit ohne Wochenendarbeit, d.h., mit diskontinuierlicher Arbeitsweise angeführt.

Danach müßten die 24 Stunden eines Tages in drei mit verschiedenen Belegschaften zu besetzende Schichten eingeteilt sein. Bezogen auf ein "kontinuierliches Dreischichtsystem" in dem Sinne, daß Nacht- und Wochenendarbeit mit erfaßt werden, würde das bedeuten, das auch die 24 Stunden der Wochenendtage in drei mit verschiedenen Belegschaften zu besetzende Schichten einzuteilen wären.

Auch aus der Beantwortung der Fragen 2 und 3 im Schreiben der Beigeladenen vom 6.5.2004 durch das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin mit Schreiben vom 7.5.2004 ergibt sich lediglich, daß die 3 Schichten des Tages nicht acht Stunden, sondern unterschiedlich lang sein und sich außerdem überlagern können. Auch danach muß aber ein Tag in drei mit unterschiedlichen Belegschaften zu besetzende Schichten eingeteilt sein.

Vergeblich beruft sich die Beigeladene darauf, daß sie ihre Leistungen im Rahmen der ausgeschriebenen Funktionalität "Gewährleistung einer täglich 24-stündigen technischen Betriebsführung an allen Tagen des Jahres" angeboten habe. Selbst wenn eine funktionale Leistungsbeschreibung i.S. des § 8 Nr. 2 I a VOL/A anzunehmen wäre, ist jedenfalls hinsichtlich der technischen Betriebsführung von der Auftraggeberin zwingend ein kontinuierlicher 3-Schichtbetrieb vorgegeben worden. Aus der Formulierung "... ist im kontinuierlichen 3-Schichtbetrieb ... zu gewährleisten" ergibt sich der zwingende Charakter dieser Vorgabe. Sie muß demzufolge eingehalten werden, damit das Angebot wertungsfähig ist. Die Auftraggeberin ist im übrigen auch befugt, solche zwingende Vorgaben bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung zu machen (vgl. Senat, Beschluß vom 19.9.2003, Verg W 4/03 - "Polizeifachhochschule II", VergabeR 2004, 69, 74 l. Sp. unten).

Die Beigeladene kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, die Leistungsbeschreibung sei in diesem Punkt unklar gewesen. Allein darin, daß der Inhalt der Leistungsbeschreibung auslegungsfähig ist, liegt noch kein Verstoß gegen § 8 Nr. 1 VOL/A. Auch bei sorgfältiger Erstellung eines Leistungsverzeichnisses kann nie ausgeschlossen werden, daß geringe Unklarheiten auftreten, da jeder Begriff der Sprache auslegungsfähig ist und das genaue Verständnis stets vom Empfängerhorizont abhängt. Würde man bei jeder noch so geringen Unklarheit dem Auftraggeber die Verantwortung aufbürden, bestünde die Gefahr, daß die Bieter durch geschickte Argumentation nachträglich Unklarheiten in die Leistungsbeschreibung hineininterpretieren könnten, um Vorteile aus diesem "Fehler" der Vergabestelle bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses unverhältnismäßig zu erhöhen (VK Bund, Beschluß vom 14.11.2000, VK 1-35/00 - "Pfahlgründungsarbeiten"). Die Vergabestelle hat der Gefahr unbewußt erzeugter Unklarheiten dadurch Rechnung getragen, daß sie die Bieter aufgefordert hat, solche sofort mitzuteilen. Ihr oblag nach Nr. 1 der Bewerbungsbedingungen, bei ihrer Auffassung nach bestehenden Unklarheiten in den Vergabeunterlagen unverzüglich darauf hinzuweisen. Hat der Auftraggeber die Bieter aufgefordert, solche Unklarheiten sofort mitzuteilen, trifft die Bieter eine entsprechende Mitwirkungspflicht (VK Bund, Beschluß vom 14.11.2000, VK 1-35/00 - "Pfahlgründungsarbeiten"). Da die Beigeladene die beanstandete Unklarheit ohne Aufwand und noch vor Angebotserteilung hätte beseitigen können, muß sie sich die Folgen daraus zurechnen lassen.

Die Beigeladene kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß nach ihrer Überzeugung der nach der Ausschreibung verlangte kontinuierliche 3-Schichtbetrieb nur in ihrem Sinne zu verstehen war. Die Auftraggeberin verlangte nicht uneingeschränkt (irgend) ein 3-Schichtsystem, sondern einen kontinuierlichen 3-Schichtbetrieb. Danach konnte die Beigeladene in zweierlei Hinsicht nicht voraussetzen, daß auch ein Schichtsystem erfaßt wird, bei dem an Wochenenden nur im Zwei-Schichtbetrieb gearbeitet wird: Zum einen hinsichtlich der Einteilung der 24 Stunden der Wochenendtage in nur zwei, statt drei Schichten; zum anderen hinsichtlich des Einsatzes von nur zwei, statt drei Schichtbelegschaften je Wochenendtag. Das gilt um so mehr, als die Beigeladene selbst der Bezeichnung des von ihr angebotenen Arbeitszeitregime als "durchgehendes Zweischichtsystem" in dem Protokoll zum Bietergespräch vom 28.1.2004, das auch von ihrem Vertreter unterzeichnet worden ist, nicht widersprochen hat. Die Beigeladene hat das von ihr angebotene System nunmehr selbst als "modifiziertes" Dreischichtsystem angeboten. Das zugrundegelegt mußte sich die Beigeladene bei der Angebotserarbeitung aber zumindest die Frage stellen, ob die Modifizierung etwas an der Ausschreibungskonformität ihres Angebotes in diesem Punkt ändern könnte.

c) Das Angebot der Beigeladenen kann auch nicht in ein Nebenangebot umgedeutet werden. Zwar sind Nebenangebote zugelassen worden, jedoch nur im Zusammenhang mit der Abgabe eines Hauptangebotes (Punkt II.1.10 der Vergabebekanntmachung). Die Beigeladene hat dann jedoch kein wertbares Hauptangebot unterbreitet.

2. Das Angebot der Antragstellerin entspricht - auch in den erörterten Punkten - den Vorgaben der Ausschreibung. Ein anderes Angebot steht nicht mehr zur Debatte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

Ende der Entscheidung

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