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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: Verg W 6/07
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 69 Abs. 1
GWB § 116
GWB § 120 Abs. 2
GWB § 128 Abs. 4 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

Verg W 6/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

betreffend: Vergabe von Bodenbelagsarbeiten - Verlegung von textilen Bodenbelägen und Linoleum in 3 neuen Bürogebäuden und Sozialräumen von Werkstatthallen P... - P...., 2. BA, Neubau, Los 15

hat der Vergabesenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke

am 11. Dezember 2007

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Auftraggeberin gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 16.5.2007 - 1 VK 13/07 - wird zurückgewiesen.

Die Auftraggeberin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 1.200,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Auftraggeberin ist eine GmbH, die sich der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft widmet. Ihre alleinige Gesellschafterin ist die Landeshauptstadt P....

Die Auftraggeberin schrieb Bodenbelagsarbeiten im Rahmen eines Neubaus im Offenen Verfahren europaweit aus. Nebenangebote waren zugelassen. In einem Formblatt, das Bestandteil der Verdingungsunterlagen war, wies die Auftraggeberin darauf hin, dass Nebenangebote die in der Anlage EVM Erg Neb-247EG genannten Mindestanforderungen erfüllen müssten. Diese Anlage war jedoch nicht Bestandteil der Verdingungsunterlagen.

Die Antragstellerin gab ein Haupt- und ein Nebenangebot ab. Mit ihrem Hauptangebot lag sie preislich auf Platz 2, das Nebenangebot lag unter demjenigen des preisgünstigsten Bieters.

Die Auftraggeberin, die mit der Prüfung und der Auswertung der Angebote ein Planungsbüro beauftragt hatte, teilte der Antragstellerin mit, auf ihr Angebot könne der Zuschlag nicht erteilt werden, da ein niedrigeres Hauptangebot vorgelegen habe. Das Nebenangebot sei technisch nicht gleichwertig.

Die Antragstellerin rügte die Feststellung der Auftraggeberin, ihr Nebenangebot sei qualitativ minderwertig und leitete mit dieser Begründung mit Schreiben vom 22.3.2007 ein Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer ein. Ziel ihres Nachprüfungsverfahrens war die Erteilung des Zuschlags auf ihr Nebenangebot.

Die Vergabekammer wies die Antragstellerin mit Schreiben vom 10.4.2007 darauf hin, dass ihr Nebenangebot schon deshalb nicht gewertet werden könne, weil die Auftraggeberin es unterlassen habe, Mindestanforderungen anzugeben. Die Vergabekammer fragte aus Kostengründen an, ob die Antragstellerin ihr Nachprüfungsbegehren weiter verfolgen wolle.

Mit Schriftsatz vom 19.4.2007 trug die Antragstellerin unter Berufung auf das Oberlandesgericht Rostock vor, im vorliegenden Fall sei es nicht erforderlich gewesen, Mindestanforderungen zu benennen. Aus der Traunfellner-Entscheidung des EuGH lasse sich das Erfordernis der Definition und Bekanntmachung von technischen Mindestanforderungen als zwingende Voraussetzung für die Wertbarkeit von Nebenangeboten nicht ableiten. Hilfsweise beantragte die Antragstellerin, festzustellen, dass die Auftraggeberin durch die fehlende Angabe von Mindestanforderungen für Nebenangebote Vergabevorschriften verletzt habe, weshalb dem an sich günstigsten Nebenangebot der Antragstellerin der Zuschlag nicht erteilt werden könne.

Am 9.5.2007 bestellten sich für die bis dahin nicht anwaltliche vertretene Auftraggeberin deren Verfahrensbevollmächtigte. Sie trugen für die Auftraggeberin vor, dass der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg haben könne, weil das Nebenangebot nicht gleichwertig sei. Im Übrigen habe die Antragstellerin entgegen den Bedingungen in den Verdingungsunterlagen nicht schon mit der Angebotsabgabe ein Muster und ein Prüfzeugnis zum Nachweis der Gleichwertigkeit des Nebenangebotes mit eingereicht. Schon mangels Vollständigkeit habe das Nebenangebot der Antragstellerin nicht gewertet werden können.

Die Vergabekammer hat im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 16.5.2007 den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen, die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt und die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeberin für nicht erforderlich erklärt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Nebenangebot der Antragstellerin habe wegen fehlender Mindestanforderungen nicht gewertet werden dürfen. Darüber hinaus habe die Auftraggeberin zu Recht die Gleichwertigkeit des von der Antragstellerin als Nebenangebot angebotenen Bodenbelages verneint. Den Nachweis der Gleichwertigkeit habe die Antragstellerin bei Angebotsabgabe nicht erbracht. Der für den Fall der Unbegründetheit gestellte Feststellungsantrag sei unstatthaft. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeberin sei nicht erforderlich, weil die Auftraggeberin nur zu auftragsbezogenen Fragen des materiellen Vergaberechts vorgetragen habe. Vertiefte Kenntnisse im Recht des Vergabenachprüfungsverfahrens seien nicht erforderlich gewesen.

Gegen diesen Beschluss, ihr zugestellt am 21.5.2007, hat die Auftraggeberin durch bei Gericht am 4.6.2007 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Auftraggeberin meint, für sie sei die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren notwendig gewesen. Sie habe zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung davon ausgehen dürfen, dass sich im Nachprüfungsverfahren nicht nur einfach gelagerte rechtliche oder technische Fragen stellen würden. Vielmehr habe sie angesichts des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 19.4.2007 befürchten müssen, sich mit bislang streitigen, im europäischen Gemeinschaftsrecht wurzelnden Fragen konfrontiert zu sehen. Sie sei keine Verwaltungseinheit, sondern eine GmbH, die weder über eine Rechtsabteilung noch über juristisch ausgebildete Mitarbeiter verfüge.

Die Auftraggeberin beantragt,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten seitens der Auftraggeberin in dem Verfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hält die Entscheidung der Vergabekammer zur fehlenden Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Auftraggeberin für richtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf die Vergabeakten Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Auftraggeberin war zurückzuweisen.

I. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Die Entscheidung der Vergabekammer kann gemäß § 116 GWB auch lediglich im Kostenpunkt angegriffen werden. Der Senat entscheidet hier über im Einverständnis der Parteien im schriftlichen Verfahren, §§ 120 Abs. 2, 69 Abs. 1 GWB.

II. Die sofortige Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Antragstellerin ist nicht verpflichtet, die der Auftraggeberin durch die Einschaltung ihrer Verfahrensbevollmächtigten entstandenen Auslagen zu tragen. Diese Auslagen waren nicht notwendig gemäß § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB. Die Auftraggeberin hat sie deshalb selbst zu tragen.

Die Frage, wann die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig ist, kann nicht schematisch beantwortet werden. Es ist eine Entscheidung geboten, die den Umständen des Einzelfalles Rechnung trägt. Entscheidend ist, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, hieraus die für eine sinnvolle Rechtsverteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und entsprechend gegenüber der Vergabekammer vorzutragen (BGH, Beschluss vom 26.9.2006, X ZB 14/06, zitiert nach Juris Rn 61). Es ist hier davon auszugehen, dass die Auftraggeberin auch selbst in der Lage gewesen wäre, sich erfolgreich gegen den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zur Wehr zu setzen.

Die Vergabekammer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in einem Fall, bei dem sich die Streitpunkte auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazu gehörenden Vergaberegeln konzentrieren, der öffentliche Auftraggeber die erforderlichen Sach- und Rechtskenntnisse in seinem originären Aufgabenkreis organisieren muss und daher auch im Nachprüfungsverfahren keines anwaltlichen Bevollmächtigten bedarf.

Die Vergabestelle hatte hier das Nebenangebot der Antragstellerin wegen mangelnder Gleichwertigkeit mit dem Leitfabrikat nicht berücksichtigt. Auf den dagegen gerichteten Angriff der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren hatte die Vergabekammer mitgeteilt, dass der Nachprüfungsantrag schon deshalb keinen Erfolg haben könne, weil das Nebenangebot wegen der vom Auftraggeber unterlassenen Angaben zu Mindestbedingungen überhaupt nicht hätte berücksichtigt werden dürfen. Die Vergabekammer hat damit zum Ausdruck gebracht, dass - selbst wenn die Behauptung der Antragstellerin zur Gleichwertigkeit ihres Nebenangebots zutreffend wäre - sie auf ihr Nebenangebot den Zuschlag nicht erhalten könne und ihr nahe gelegt zu prüfen, ob sie das Nachprüfungsverfahren weiterverfolgen will.

Zwar hat die Antragstellerin diese Rechtsauffassung der Vergabekammer nicht geteilt und hierzu eine anders lautende Rechtsauffassung vertreten. Dies begründet jedoch für die Auftraggeberin keine Notwendigkeit, anwaltlichen Rat in Anspruch zu nehmen.

Für die Auftraggeberin war aufgrund des Hinweises der Vergabekammer erkennbar, dass die Antragstellerin schon aus Gründen, die von der Auftraggeberin selbst nicht gesehen worden waren, mit ihrem Nebenangebot keine Chance auf den Zuschlag und damit auch im Nachprüfungsverfahren keine Aussicht auf Erfolg haben konnte. Der Hinweis der Vergabekammer ließ erkennen, dass es auf die Frage, ob das Nebenangebot der Antragstellerin gleichwertig gewesen ist oder nicht, nicht einmal ankommen würde. Streng genommen hätte die Auftraggeberin diesen Hinweis der Vergabekammer zum Anlass nehmen können, überhaupt nichts weiter vorzutragen. Es war absehbar, dass auch ohne Vortrag der Vergabestelle der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen werden würde.

Dass die Antragstellerin diesen Hinweis nicht zum Anlass genommen hat, ihren Nachprüfungsantrag zurückzunehmen, kann eine Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Auftraggeberin nicht begründen.

Die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages waren erkennbar gering. Die Antragstellerin musste sich nicht mehr allein mit den sachlichen Argumenten der Auftraggeberin zur mangelnden Gleichwertigkeit ihres Nebenangebotes, sondern auch mit der Rechtsauffassung der Vergabekammer auseinandersetzen, dass auch ein gleichwertiges Nebenangebot ihrem Nachprüfungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen könne.

Nur für den Fall, dass die Antragstellerin die Vergabekammer von ihrer abweichenden Rechtsauffassung hätte überzeugen können, hätte die Auftraggeberin vortragen müssen. Erforderlich waren hierbei jedoch nur Ausführungen dazu, dass das Nebenangebot mangels Gleichwertigkeit nicht berücksichtigungsfähig war. Hierzu bedurfte es jedoch keiner anwaltlichen Hilfe. Dafür hatte die Auftraggeberin bereits den Sachverstand eines Planungsbüros in Anspruch genommen. Es hätte ausgereicht, dessen Überlegungen vorzutragen. Die Verfahrensbevollmächtigten der Auftraggeberin haben konsequenterweise auch keine rechtlichen Überlegungen vorgetragen, sondern nur sachliche Erwägungen zur Wertung, für die es anwaltlichen Rates nicht bedurft hätte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird durch das Kostenerstattungsinteresse der Auftraggeberin bestimmt. Dieses richtet sich nach den anwaltlichen Gebühren, die sich aus dem Streitwert des Nachprüfungsverfahrens errechnen. Der Streitwert für das Verfahren vor der Vergabekammer beträgt entsprechend § 50 Abs. 2 GKG 5 % der für das Nebenangebot geltenden Bruttoangebotssumme in Höhe von 232.628,58 €, d. h. 11.631,43 €. Hieraus ergeben sich die anwaltlichen Gebühren der Verfahrensbevollmächtigten der Auftraggeberin, die den Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmen.

Ende der Entscheidung

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