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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 03.05.2006
Aktenzeichen: 1 ABR 2/05
Rechtsgebiete: BetrVG, TVG, BGB
Vorschriften:
BetrVG § 99 | |
TVG § 1 Abs. 2 | |
BGB § 126 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS
Verkündet am 3. Mai 2006
In dem Beschlussverfahren
hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Anhörung vom 3. Mai 2006 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft und Linsenmaier sowie die ehrenamtlichen Richter Prof. Dr. Wohlgemuth und Frischholz beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26. November 2004 - 4 TaBV 50/04 - wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe:
A. Die Beteiligten streiten über die zutreffende Umgruppierung einer Arbeitnehmerin.
Die Arbeitgeberin ist eine Fluggesellschaft. Sie beschäftigt weitaus mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer. Der beteiligte Betriebsrat ist die für ihren Betrieb K gewählte Arbeitnehmervertretung.
Bis zum 31. Oktober 2001 galt für das Bodenpersonal der Arbeitgeberin der zwischen ihr und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft abgeschlossene "Vergütungstarifvertrag Nr. 9" (VTV Nr. 9). Dieser sah zwölf Vergütungsgruppen mit je zwölf Dienstaltersstufen vor. Die Eingruppierung der Mitarbeiter erfolgte nach der überwiegend ausgeübten Tätigkeit. Mit Wirkung zum 1. Juli 2002 vereinbarte die Arbeitgeberin mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) für die Mitarbeiter des Bodenpersonals den "Entgelttarifvertrag Nr. 1" (ETV Nr. 1). Dieser sieht sechs Entgeltgruppen (A bis F) vor, die in je fünf Stufen (Gruppe F: 3) unterteilt sind. Die Merkmale der Vergütungsgruppen lauten auszugsweise:
" ...
Entgeltgruppe C
Mitarbeiter, die Aufgaben und Tätigkeiten ausführen, für die eine abgeschlossene, einschlägige Ausbildung nach einem anerkannten Berufsbild erforderlich ist.
An die Stelle einer abgeschlossenen, einschlägigen Ausbildung können auch gleichermaßen verwertbare, einschlägige Kenntnisse und Fähigkeiten treten.
...
Entgeltgruppe F
Mitarbeiter, die Aufgaben und Tätigkeiten ausführen, für die ein abgeschlossenes Fachhochschul- oder Hochschulstudium erforderlich ist. An die Stelle eines abgeschlossenen Fachhochschul- oder Hochschulstudiums können auch vergleichbare Kenntnisse und Fähigkeiten treten, die den Mitarbeiter befähigen, diese Tätigkeiten auszuüben."
Nach § 2 Abs. 2 ETV Nr. 1 erfolgt die Eingruppierung der Mitarbeiter in die jeweilige Entgeltgruppe "nach den Inhalten der Tätigkeit und der damit verbundenen abgeforderten Qualifikation".
Zur Überführung der Gehälter aus der alten in die neue Vergütungsstruktur schlossen die Tarifvertragsparteien einen "Überleitungstarifvertrag" (ÜTV). Darin trafen sie ua. folgende Regelungen:
"§ 2 Bewertung der einzelnen Stellen
Die Eingruppierung der einzelnen Stellen in die neue Entgeltstruktur ergibt sich aus der als Anlage 1 beigefügten Tabelle. Zukünftig kann sich die Eingruppierung der Stellen, z.B. infolge von Neubewertungen, ändern.
...
§ 8 Überleitungstabelle
Die erstmalige Eingruppierung und Einstufung der einzelnen Mitarbeiter in der neuen Struktur sowie ihr neues Grundgehalt sind im einzelnen in einer diesem Tarifvertrag als Anlage 2 beigefügten Tabelle festgelegt."
Die Anlage 1 zum ÜTV ordnet sämtliche Stellen des Bodenpersonals in Abhängigkeit von der bisherigen Eingruppierung den einzelnen Entgeltgruppen des neuen ETV Nr. 1 zu. In der Anlage 2 sind die Mitarbeiter des Bodenpersonals sämtlicher Betriebe der Arbeitgeberin in einer Tabelle mit ihrer jeweiligen Stammkostenstelle, der zugehörigen Abteilung, ihrer Funktion, dem Beschäftigungsbetrieb, dem Eintrittsdatum sowie altem und neuem Gehalt anonymisiert aufgeführt.
Die Beteiligten streiten über die zutreffende Einreihung der Mitarbeiterin L in das neue Vergütungssystem. Frau L verfügt über eine kaufmännische Ausbildung und ist seit Mitte 1992 bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Im Januar 2001 hatte sie sich erfolgreich auf die neu eingerichtete Stelle "Assistent/in (Boden) Sicherheitspilot" beworben. Sie war zuletzt in VergGr. 10 VTV Nr. 9 mit einem Monatsgehalt von 2.820,80 Euro brutto eingruppiert. Nach der Stellenbeschreibung waren seinerzeit eine "betriebswirtschaftliche Ausbildung (zB Diplom Betriebswirt/in, Wirtschaftsingenieur) bzw. gleichwertige durch langjährige Berufserfahrung im Flugbetrieb erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten" erforderlich. In der Anlage 1 zum ETV Nr. 1 ist die Stelle einer "Assistentin (...Sicherheitspilot)" mit "Entgeltgruppe C 2.150 bis 3.050 Euro" ETV Nr.1 bewertet. Nach der Stellenbeschreibung der Arbeitgeberin mit Stand vom 1. Juli 2002 sind nunmehr eine "abgeschlossene kaufmännische Ausbildung mit betriebswirtschaftlicher Ausrichtung bzw. gleichwertige durch langjährige Berufserfahrung im Flugbetrieb erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten" Voraussetzung. In die Anlage 2 zum ETV Nr. 1 wurde Frau L als "Nr. 16" mit der Funktionsbezeichnung "Assistentin Sicherh.Pilot" mit Entgeltgruppe C Stufe 5 und mit einem neuen Gesamtgehalt von 3.050,00 Euro brutto aufgenommen.
Mit einem auf den 30. September 2002 datierten Schreiben bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zur Umgruppierung von Frau L nach Maßgabe der Anlagen zum ETV Nr. 1. Wann dieses Schreiben dem Betriebsrat zuging, steht nicht fest. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung mit Schreiben vom 9. Oktober 2002. Er begründete dies damit, dass die "maßgebliche Tätigkeitsbeschreibung den Voraussetzungen der Entgeltgruppe F (entspreche)" und Frau L deshalb dort richtig eingruppiert sei.
Die Arbeitgeberin hat daraufhin das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet. Sie hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe seine Zustimmung zur Umgruppierung von Frau L zu Unrecht verweigert. Diese sei in die neue Entgeltgruppe C eingruppiert. Das ergebe sich aus den beiden Anlagen zum Überleitungstarifvertrag und folge auch aus den allgemeinen Entgeltgruppenmerkmalen des ETV Nr. 1 entsprechend der alten wie der neuen Stellenbeschreibung.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Mitarbeiterin S L in die Entgeltgruppe C Stufe 5 des Entgelttarifvertrags Nr. 1 für die Mitarbeiter ihres Bodenpersonals zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, Frau L sei in Entgeltgruppe F ETV Nr. 1 eingruppiert. Das ursprüngliche Stellenprofil für die Tätigkeit der "Assistent(in) Sicherheitspilot" habe einen Hochschulabschluss verlangt. Die Arbeitgeberin habe die Tätigkeitsanforderungen nicht einseitig ändern können. Der Umstand, dass die Arbeitsplätze in der Anlage 1 zum Überleitungstarifvertrag bestimmten Entgeltgruppen zugeordnet seien, schränke sein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG nicht ein.
Die Vorinstanzen haben dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben und die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt dieser sein Begehren weiter, den Antrag der Arbeitgeberin abzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das von der Arbeitgeberin mit ihrem Antrag in der Sache verfolgte Anliegen ist berechtigt. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Frau L in Entgeltgruppe C Stufe 5 ETV Nr. 1 gilt entweder bereits als erteilt oder ist zu ersetzen. Welche Alternative materiell-rechtlich gegeben ist, vermag der Senat allerdings mangels Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht auch auf der Grundlage der Erklärungen der Beteiligten nicht zu entscheiden.
Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zwecks weiterer 14 Aufklärung bedarf es gleichwohl nicht. Sie hätte Folgen allenfalls für den Wortlaut des Beschlusstenors. Unterschiedliche Auswirkungen auf die subjektive und objektive Rechtskraft und auf die Gestaltungswirkung des gerichtlichen Beschlusses sind mit einer unterschiedlichen Fassung des Tenors - einmal entsprechend § 99 Abs. 4 BetrVG, das andere Mal entsprechend § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG - nicht verbunden. Unter diesen Umständen verbietet sich eine Zurückverweisung jedenfalls aus prozessökonomischen Gründen.
I. Der Antrag bedarf der Klarstellung. Seinem Wortlaut nach ist er auf die Erteilung der Zustimmung zu einer Eingruppierung gerichtet. Bei dem hier fraglichen Vorgang handelt es sich dagegen um eine Umgruppierung. Eingruppierung ist die erstmalige, Umgruppierung die Änderung der Einreihung in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung (BAG 6. August 2002 - 1 ABR 49/01 - BAGE 102, 135, zu B I 1 der Gründe). Anlass für eine Änderung der bisherigen Einreihung kann auch die Änderung des bislang geltenden Vergütungsschemas bei unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers sein. Das ist hier der Fall. Die im Betrieb bereits beschäftigte und bislang nach Maßgabe des VTV Nr. 9 eingruppierte Frau L soll in das Vergütungsschema des neuen ETV Nr. 1 eingereiht werden. Dementsprechend ist der Antrag auf die Ersetzung der Zustimmung zu einer Umgruppierung gerichtet.
II. Das zulässige Begehren der Arbeitgeberin ist in der Sache begründet. Die Zustimmung des Betriebsrats gilt entweder nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt oder ist nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen.
Welche Alternative materiell-rechtlich gegeben ist, hängt davon ab, ob der Betriebsrat die Verweigerungsfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gewahrt hat. Formale Gründe stehen der Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nicht entgegen. Sie wahrt das Schriftlichkeitserfordernis des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und ist unter Angabe von Gründen erfolgt, die sich einem der Verweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG - der Nr. 1 des gesetzlichen Katalogs - unschwer zuordnen lassen.
1. Möglicherweise gilt die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Mitarbeiterin L wegen Fristversäumnis als erteilt. Das Landesarbeitsgericht ist zwar von der Einhaltung der Frist zur Verweigerung der Zustimmung ausgegangen. Diese Annahme ist aber auf der Grundlage der Erklärungen der Beteiligten nicht berechtigt. Erforderliche weitere Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen.
a) Das Anhörungsschreiben der Arbeitgeberin ist datiert auf den 30. September 2002.
Wann es dem Betriebsrat zugegangen ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt und keiner der Beteiligten vorgetragen. Damit ist nicht auszuschließen, dass dies noch am 30. September 2002 geschah. Das Verweigerungsschreiben des Betriebsrats vom 9. Oktober 2002 hätte die Arbeitgeberin dann mit der Folge der Zustimmungsfiktion erst nach Ablauf der Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG erreicht.
b) Die Erklärung der Beteiligten in den mündlichen Anhörungen vor dem Landesarbeitsgericht und dem Senat haben diese Ungewissheit nicht beseitigt. Danach wurde von ihnen noch vor Ablauf der gesetzlichen Wochenfrist Einvernehmen darüber erzielt, dass dem Betriebsrat wegen der großen Zahl von Parallelfällen länger als eine Woche Zeit für seine Entscheidung belassen werden sollte. Wie lange genau sich diese Zeitspanne bemaß, haben die Beteiligten nicht erklärt. Damit kann von einer wirksamen Fristverlängerung nicht ausgegangen werden.
aa) Die Betriebsparteien können zwar die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG 21 durch Vereinbarung eines späteren Beginns und/oder eines späteren Endes einvernehmlich verlängern (vgl. BAG 16. November 2004 - 1 ABR 48/03 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 44 = EzA BetrVG 2001 § 99 Einstellung Nr. 2, zu B II 2 der Gründe mwN). Sie können diese Frist jedoch nicht völlig aufheben. Vielmehr muss das Fristende anhand der getroffenen Abreden eindeutig bestimmbar sein. Andernfalls wäre die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit eines Eintretens der Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG dauerhaft ausgeschlossen; die gesetzliche Grundentscheidung für ein beschleunigtes innerbetriebliches Verfahren bliebe gänzlich unbeachtet. Das ist mit dem Rechtssicherheitsinteresse gerade von Arbeitgeber und Betriebsrat selbst und im Übrigen mit den Belangen der betroffenen Arbeitnehmer nicht vereinbar.
bb) Den Erklärungen der Beteiligten lässt sich eine klare Bestimmung des Fristendes 22 nicht entnehmen. Zwar haben sie übereinstimmend vorgetragen, dass die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG noch während ihres frühestens am 1. Oktober 2002 beginnenden Laufs einvernehmlich von ihnen verlängert worden sei. Sie haben sich aber auch auf Nachfrage des Senats außerstande gesehen zu erklären, bis zu welchem genauen Zeitpunkt das Ende der Frist hinausgeschoben wurde.
c) Von einer Fristwahrung kann auch nicht deshalb ausgegangen werden, weil die Arbeitgeberin zu Protokoll der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht erklärt hat, sie rüge eine mögliche Fristversäumnis durch den Betriebsrat ausdrücklich nicht. Die Einhaltung der Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist von Amts wegen und nicht nur auf Rüge des Arbeitgebers hin zu prüfen. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass es nach der Rechtsprechung des Senats gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 BetrVG verstoßen kann, wenn sich - umgekehrt - der Arbeitgeber auf die Fristversäumnis beruft, obwohl er auf Grund eigenen Verhaltens eine Fristeinhaltung durch den Betriebsrat verhindert hat (vgl. dazu BAG 20. Juni 1978 - 1 ABR 65/75 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 20, zu B II 2 der Gründe).
2. Das Begehren der Arbeitgeberin hat auch bei Fristwahrung durch den Betriebsrat Erfolg. In diesem Fall ist dessen Zustimmung zur Umgruppierung von Frau L antragsgemäß zu ersetzen. Verweigerungsgründe bestehen für den Betriebsrat wegen der tariflichen Beschränkung des Raums für eine Mitbestimmung nach § 99 BetrVG nicht. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
a) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG besteht in den Fällen der Ein- und Umgruppierung in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage.
Die korrekte Einreihung des Arbeitnehmers in einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung ist keine ins Ermessen des Arbeitgebers gestellte, rechtsgestaltende Maßnahme, sondern Rechtsanwendung. Die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG soll dazu beitragen, dass dabei möglichst zutreffende Ergebnisse erzielt werden. Sie dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Vergütungsordnung und damit der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie der Transparenz der Vergütungspraxis (BAG 28. April 1998 - 1 ABR 50/97 - BAGE 88, 309, zu B I 1 der Gründe mwN).
b) Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG reicht nicht weiter als die Notwendigkeit zur Rechtsanwendung durch den Arbeitgeber. Wo es der Anwendung abstrakter Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsordnung auf die mit einer konkreten Arbeitsstelle verbundenen Tätigkeitsaufgaben zur korrekten Einreihung des Arbeitnehmers nicht bedarf, besteht kein Erfordernis der Beurteilung der Rechtslage durch den Arbeitgeber und damit kein Erfordernis der Mitbeurteilung durch den Betriebsrat.
Ein solches Erfordernis der Rechtsanwendung fehlt, wenn schon die Urheber der Vergütungsordnung selbst die betreffende Stelle mit bindender Wirkung für den Arbeitgeber in ihr abstraktes Vergütungsschema eingereiht haben. Ihre Einreihung ist in einem solchen Fall für die Betriebsparteien und die Arbeitnehmer selbst dann maßgeblich, wenn die Anwendung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führen würde. Ebenso wie mit der Angabe von konkreten Tätigkeitsbeispielen für abstrakte Tätigkeitsmerkmale (vgl. dazu BAG 8. Februar 1984 - 4 AZR 158/83 - BAGE 45, 121, 125; 18. November 2004 - 8 AZR 540/03 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 88, zu II 2 der Gründe) legen die Urheber der Vergütungsordnung auf diese Weise eigenständig und mit bindender Wirkung für die Betroffenen fest, dass die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der betreffenden Entgeltgruppe durch den Inhaber der Stelle erfüllt sind.
c) Im Streitfall haben die Parteien des Überleitungstarifvertrags zum ETV Nr. 1 die Stelle einer "Assistent(in) Sicherheitspilot" verbindlich der Entgeltgruppe C des ETV Nr. 1 zugeordnet. Dies folgt aus § 2 des Überleitungstarifvertrags und der ihm beigefügten Anlage
aa) § 2 des Überleitungstarifvertrags und die Anlage 1 stellen eigenständige tarifliche Regelungen dar, die normative Wirkung entfalten.
(1) Die Schriftformerfordernisse des § 1 Abs. 2 TVG sind auch hinsichtlich der Anlage 1 erfüllt. Selbst wenn diese nicht körperlich mit der Haupturkunde verbunden und auch nicht eigens unterzeichnet worden sein sollte, nimmt sie an der Schriftform des § 126 BGB teil.
Für deren Wahrung reicht es aus, wenn die sachliche Zusammengehörigkeit von unterzeichneter Haupturkunde und Anlage zweifelsfrei feststeht (BGH 29. September 1999 - XII ZR 313/98 - NJW 2000, 354, zu 3 a aa (1) der Gründe). Dies ist anzunehmen, wenn der Tarifvertrag in seinem Wortlaut unmittelbar oder mittelbar auf die Anlage Bezug nimmt (BAG 9. November 1956 - 1 AZR 421/54 - BAGE 3, 174). Das ist hier der Fall. Auf die Anlage 1 wird in § 2 Überleitungstarifvertrag ausdrücklich verwiesen. Die Anlage selbst ist auf jeder Seite überschrieben mit "Anlage 1 zu dem Überleitungstarifvertrag zu dem Entgelttarifvertrag Nr. 1 ...".
(2) § 2 und die übrigen Bestimmungen des Überleitungstarifvertrags samt Anlage 1 sind nicht lediglich eine unverbindliche Interpretation des ETV Nr. 1 durch die Tarifvertragsparteien. Ebenso wenig sind sie bloße Hinweise auf deren an anderer Stelle zum Ausdruck gekommenen Regelungswillen. Sie haben eigenständigen normativen Charakter. Das ergibt die Auslegung.
(a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags richtet sich nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Deren Anwendung setzt dabei nicht voraus, dass die Normqualität der auszulegenden tariflichen Bestimmungen bereits feststeht. Es geht darum, wie Dritte - Tarifunterworfene und Gerichte - die Bestimmungen zu verstehen haben. Die Frage nach ihrem Inhalt und die Frage, ob es sich um Normen handelt, lassen sich nicht trennen. Beide sind nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung zu beantworten (BAG 26. August 1998 - 5 AZR 740/97 - BAGE 89, 330, zu II 1 der Gründe; Kamanabrou RdA 1997, 22).
Auszugehen ist vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck der tariflichen Regelungen zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Regelungswerk ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelung, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern kann. Bleiben im Einzelfall gleichwohl Zweifel, können die Gerichte ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge auf weitere Kriterien zurückgreifen, wie etwa auf die Entstehungsgeschichte und die bisherige Anwendung der Regelung in der Praxis. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 29. September 2004 - 1 ABR 29/03 - BAGE 112, 87, zu B III 2 b aa der Gründe; 22. Juli 2003 - 1 AZR 496/02 -, zu II 1 der Gründe).
(b) Danach stellen die Bestimmungen des Überleitungstarifvertrags und zumindest die Anlage 1 normative Regelungen dar.
Dafür spricht schon der Wortlaut. Die Tarifvertragsparteien haben ihr Regelungswerk ausdrücklich als "Tarifvertrag" bezeichnet. Laut § 1 seiner Bestimmungen "gilt (er) für alle vom ETV Nr. 1 erfassten Mitarbeiter des Bodenpersonals" der Arbeitgeberin. Im Einleitungssatz heißt es außerdem, der Tarifvertrag "(regele) die Überleitung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ... in die Entgeltstruktur des ETV Nr. 1". Mit solchen Begriffen bringen Tarifvertragsparteien regelmäßig einen Willen zur unmittelbaren, eigenständigen Regelung zum Ausdruck und verweisen nicht bloß auf einen anderenorts, hier etwa im ETV Nr. 1, formulierten Regelungswillen.
Ein normativer Charakter entspricht auch dem Zweck der Regelungen. Der Überleitungstarifvertrag soll offenkundig die möglichst reibungslose Einführung der neuen Entgeltstruktur in den Landbetrieben der Arbeitgeberin gewährleisten. Dazu wurden nach Maßgabe von § 2 seiner Regelungen iVm. der Anlage 1 die bereits vorhandenen Stellen durch die Tarifvertragsparteien selbst dem neuen Vergütungsschema zugeordnet. Ihren Zweck, Konflikte der Beteiligten über eine korrekte Anwendung des neuen Vergütungsschemas möglichst zu vermeiden, können § 2 Überleitungstarifvertrag und die Anlage 1 nur erfüllen, wenn sie bindende, dh. die Klärung von Rechtsanwendungsproblemen verbindlich vorweg nehmende, normative Regelungen darstellen.
(c) § 2 Überleitungstarifvertrag und die zu ihm ergangene Anlage 1 legen damit die Bewertung und Einordnung der von ihnen erfassten Stellen für die Betriebsparteien und die Arbeitnehmer verbindlich fest. Dies gilt jedenfalls für die Übergangszeit bis zu einer möglichen Neubewertung. Darauf, ob sich die Tarifvertragsparteien bei ihrer Stellenzuordnung in jeder Hinsicht an die von ihnen in § 2 und § 4 ETV Nr. 1 aufgestellten Grundsätze und Vorgaben gehalten haben, kommt es wegen der Selbständigkeit der normativen Regelungen des Überleitungstarifvertrags nicht an.
bb) Gegen die Wirksamkeit des Überleitungstarifvertrags und die Anlage 1 als normatives Regelungswerk bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Anders als der Betriebsrat gemeint hat, wird dadurch die Kompetenz der Betriebsparteien bei einer Ein- und Umgruppierung nach § 99 BetrVG nicht in rechtswidriger Weise beschnitten.
(1) Der Arbeitgeber hat gegenüber den Tarifvertragsparteien bei der Einführung eines betrieblichen Vergütungssystems keinen rechtlich begründeten Anspruch auf Belassung eines bestimmten, durch Subsumtion auszufüllenden Rechtsanwendungsbereichs. Dementsprechend hat der Betriebsrat keinen aus § 99 BetrVG ableitbaren Anspruch auf Eröffnung eines Bereichs für seine Mitbeurteilung. Ein Mindestumfang einer Beteiligung der Betriebsparteien ist gesetzlich nicht gewährleistet. Vielmehr ist der Umfang ihrer Beteiligung an Ein- und Umgruppierungen abhängig vom Grad der Konkretisierung, mit der die Tarifvertragsparteien selbst die Vergütung der Mitarbeiter geregelt haben. Diesen ist es auch angesichts des Mitbeurteilungsrechts des Betriebsrats nach § 99 BetrVG unbenommen, zusätzlich zu einer Vergütungsordnung mit abstrakten Vergütungsmerkmalen konkretere Regelungen zu treffen, die den andernfalls vorhandenen Beurteilungsspielraum von Arbeitgeber und Betriebsrat einengen. Dies gilt insbesondere für eine Übergangszeit.
(2) Darauf, ob in Tarifverträgen auch Einzelfallregelungen oder nur abstrakt-generelle Regelungen zulässig sind (vgl. - die Frage offenlassend - BAG 8. Juni 1983 - 4 AZR 593/80 - mwN), kommt es nicht an. § 2 Überleitungstarifvertrag und Anlage 1 sind keine in diesem Sinne auf einen Einzelfall beschränkte Regelungen. Sie ordnen bestimmte Stellen für alle potentiellen Stelleninhaber und damit für eine Vielzahl von Fällen bestimmten Entgeltgruppen des ETV Nr. 1 zu.
d) Die Zuordnung der Stelle "Assistent(in) Sicherheitspilot" zur Entgeltgruppe C des ETV Nr. 1 ist damit der Beurteilung der Betriebsparteien entzogen. Arbeitgeberin und Betriebsrat haben von dieser Zuordnung bei der Umgruppierung der Mitarbeiterin L auszugehen.
aa) Für die Verbindlichkeit der Stellenzuordnung durch die Tarifvertragsparteien kommt es entgegen der Ansicht des Betriebsrats nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin das bisherige Anforderungsprofil der Stelle "Assistent(in) Sicherheitspilot" inhaltlich geändert hat und ob sie dies ggf. einseitig hat tun können. Unstreitig haben die Tarifvertragsparteien die Stelle der Entgeltgruppe C in Kenntnis der aktuellen Stellenbeschreibung durch die Arbeitgeberin mit Stand 1. Juli 2002 zugeordnet. Demnach war ihnen bekannt, dass die Arbeitgeberin für die Erfüllung der Tätigkeitsanforderungen der Stelle eine abschließende kaufmännische Ausbildung mit betriebswirtschaftlicher Ausrichtung oder gleichwertige erworbene Kenntnisse für ausreichend hielt. Dieses Stellen- und Anforderungsprofil haben sich die Tarifvertragsparteien mit der Zuordnung der Stelle zur Entgeltgruppe C des ETV Nr. 1 zu eigen gemacht. Das ist für die Umgruppierung eines bisherigen und die Eingruppierung eines künftigen Stelleninhabers maßgeblich. Selbst wenn die Anforderungen an die Ausbildung des Stelleninhabers bei gleichgebliebenen Tätigkeitsaufgaben bislang höhere gewesen sein sollten, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Stellenzuordnung gem. § 2 Überleitungstarifvertrag in Verbindung mit der ihm beigefügten Anlage 1. Für einen darin liegenden Verstoß gegen höherrangiges Recht ist kein Anhaltspunkt erkennbar.
bb) Ob und ggf. welche individualrechtlichen Folgen die mögliche Änderung des Anforderungsprofils der Stelle hat, ist im Rahmen der Umgruppierung nach § 99 BetrVG nicht von Bedeutung. Ebenso wenig war darüber zu entscheiden, ob etwa die Arbeitgeberin künftig die Neubewertung einer Stelle und Umgruppierung eines Arbeitnehmers allein dadurch herbeiführen könnte, dass sie das jeweilige Stellen- und Anforderungsprofil ändert.
e) Danach ist die Mitarbeiterin L in Entgeltgruppe C Stufe 5 ETV Nr. 1 umgruppiert.
Angesichts der verbindlichen tariflichen Stellenbewertung ist die rechtsanwendende Beurteilung der Beteiligten auf die Frage beschränkt, ob Frau L die Stelle "Assistent(in) Sicherheitspilot" tatsächlich inne hat und die dort zu leistenden Tätigkeiten und Aufgaben der Stellenbeschreibung entsprechen. Beides ist zwischen ihnen unstreitig. Ob sich dies zugleich aus der Anlage 2 zum Überleitungstarifvertrag ergibt und ob auch der Anlage 2 angesichts der in ihr enthaltenen, weitgehend bloß tatsächlichen Angaben eigenständige normative Wirkung zukommt, braucht deshalb nicht entschieden zu werden.
Gegen die Richtigkeit der Einreihung von Frau L in die Stufe 5 der Entgeltgruppe C hat der Betriebsrat weder im Verweigerungsschreiben vom 9. Oktober 2002 noch im Laufe des Verfahrens Einwände erhoben.
Ende der Entscheidung
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