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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 18.04.2000
Aktenzeichen: 1 ABR 28/99
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 98
Leitsätze:

1. Vereinbaren mehrere Arbeitgeber die gemeinsame Durchführung von Maßnahmen der Berufsbildung, ohne daß einzelne Arbeitgeber insoweit einen beherrschenden Einfluß hätten, so haben die Betriebsräte der betroffenen Betriebe bei der Durchführung der Bildungsmaßnahmen kein Mitbestimmungsrecht nach § 98 Abs. 1 BetrVG.

2. Die Betriebsräte haben jedoch in entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 1 BetrVG beim Abschluß der Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Arbeitgeber insoweit mitzubestimmen, als Regelungen über die spätere Durchführung der Bildungsmaßnahmen getroffen werden.

Aktenzeichen: 1 ABR 28/99 Bundesarbeitsgericht 1. Senat Beschluß vom 18. April 2000 - 1 ABR 28/99 -

I. Arbeitsgericht Minden - 1 BV 41/98 - Beschluß vom 10. November 1998

II. Landesarbeitsgericht Hamm - 13 TaBV 155/98 - Beschluß vom 1. Juni 1999


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

1 ABR 28/99 13 TaBV 155/98

Verkündet am 18. April 2000

Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Beschlußverfahren

mit den Beteiligten

1. Antragsteller und Rechtsbeschwerdeführer,

2. Beschwerdeführerin,

hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Anhörung vom 18. April 2000 durch den Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dr. Wißmann, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Rost und Hauck sowie die ehrenamtlichen Richter Blanke und Dr. von Platen beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 1. Juni 1999 - 13 TaBV 155/98 - wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen !

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, inwieweit dem Betriebsrat bei der Ausbildung von Krankenpflegern Mitbestimmungsrechte nach § 98 BetrVG zustehen.

Die Arbeitgeberin betreibt ein auf Herz- und Diabeteskrankheiten spezialisiertes Krankenhaus. Sie stellt Auszubildende für den Beruf des Krankenpflegers ein, ist aber nicht in der Lage, selbständig die volle Ausbildung durchzuführen. Es fehlen wesentliche Fachrichtungen, die zu vermitteln sind. Deshalb und aus Kostengründen hat die Arbeitgeberin mit vier weiteren Krankenhausträgern - darunter der Zweckverband Krankenhaus B (in der Folge: Zweckverband) - am 1. Juli 1996 einen Kooperationsvertrag abgeschlossen "mit dem Ziel, Ausbildungsplätze für die Ausbildung in der Krankenpflege und in der Krankenpflegehilfe anzubieten". In der Präambel heißt es dazu weiter:

"Dieses Ziel soll durch eine praktische Ausbildung in den beteiligten Krankenhäusern und eine theoretische Ausbildung in einer Verbundkrankenpflegeschule, deren Unterricht durch hauptamtliche Lehrkräfte des Zweckverbandes Krankenhaus B und nebenamtliche Lehrkräfte der Kooperationspartner, insbesondere der Krankenhausbetriebsgesellschaft B gestaltet wird, erreicht werden."

Gem. § 1 Kooperationsvertrag ist Träger der Verbundkrankenpflegeschule der Zweckverband. Als Ausbildungsträger fungieren der Zweckverband und die Arbeitgeberin für die von ihnen jeweils eingestellten Auszubildenden. Die drei weiteren beteiligten Krankenhäuser stellen selbst keine Auszubildenden ein. Alle Partner des Kooperationsvertrages sind aber an der Führung und Finanzierung der Krankenpflegeschule beteiligt.

Gem. § 2 Kooperationsvertrag verpflichten sich die Ausbildungsträger, die theoretische Ausbildung aller Auszubildenden an der Verbundkrankenpflegeschule durchzuführen. Die an der Schule beschäftigten hauptamtlichen Lehrkräfte werden vom Zweckverband eingestellt; die anderen am Kooperationsvertrag beteiligten Partner stellen bei Bedarf zusätzliche Lehrkräfte zur Verfügung (§ 5 und § 2 Nr. 3 Kooperationsvertrag). Die praktische Ausbildung erfolgt in den beteiligten Krankenhäusern nach einem von der Schulleitung aufgestellten und vom Schulausschuß genehmigten Ausbildungsplan.

Der Kooperationsvertrag sieht als Entscheidungsorgane eine Mitgliederversammlung (§ 3) sowie einen Schulausschuß (§ 4) vor. Beschlüsse beider Gremien bedürfen an sich der Einstimmigkeit; kommt eine einstimmige Entscheidung nicht zustande, genügt in einer neu anzuberaumenden Sitzung allerdings die Mehrheit der anwesenden Stimmen. In der Mitgliederversammlung hat jeder Partner eine Stimme, im Schulausschuß hat die Arbeitgeberin - wie der Zweckverband - drei von 16 Stimmen.

Gem. § 6 Kooperationsvertrag erfolgt die Auswahl der Auszubildenden anhand der vom Schulausschuß beschlossenen Kriterien und Modalitäten im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen; die Einstellung selbst erfolgt durch den jeweiligen Ausbildungsträger. Die Arbeitgeberin hat das Recht, ca. 1/3 der Ausbildungsplätze zu belegen (das sind ca. 10 bis 12 Auszubildende pro Jahrgang), die restlichen 2/3 werden vom Zweckverband genutzt.

Der (Muster-) Ausbildungsvertrag sieht eine Probezeit von sechs Monaten vor. Das Ausbildungsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen und Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes ausgebildet werden, vom 28. Februar 1986 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.

Im Februar 1998 erfuhr der Antragsteller, daß an der Krankenpflegeschule eine Leistungsüberprüfung der Auszubildenden zum Abschluß der Probezeit durchgeführt wurde. Der Antragsteller machte gegenüber der Arbeitgeberin vergeblich ein Mitbestimmungsrecht geltend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, daß ihm hinsichtlich der Durchführung der Ausbildung auf der Grundlage des Kooperationsvertrages Mitbestimmungsrechte nach § 98 BetrVG zustehen. Es handele sich auch bei den an der Krankenpflegeschule absolvierten oder von dieser organisierten Ausbildungsteilen um betriebliche Maßnahmen. Ob die Arbeitgeberin einen beherrschenden Einfluß auf die Durchführung dieser Maßnahmen habe, sei unerheblich, denn sie sei alleinige Ausbildungsträgerin und bleibe auch während des Unterrichts voll verantwortlich für die Auszubildenden. Die Schule sei nicht einem Dritten vergleichbar, dem die Ausbildung übertragen worden sei. Überdies habe die Arbeitgeberin einen beherrschenden Einfluß auf die an der Schule durchgeführten Maßnahmen, so daß auch deshalb nicht von einer außerbetrieblichen Maßnahme gesprochen werden könne. Der Arbeitgeberin stehe neben dem Zweckverband eine Sonderstellung auch deshalb zu, weil sie Ausbildungsträger sei und ein Drittel der Kapazität nutzen könne. Jedenfalls in Bezug auf die eigenen Auszubildenden habe sie den maßgeblichen Einfluß.

Der Betriebsrat hat beantragt

festzustellen, daß ihm hinsichtlich der Durchführung der Ausbildung der Auszubildenden der Arbeitgeberin im Bereich der Krankenpflege auf der Grundlage des Kooperationsvertrages vom 1. Juli 1996, an dem neben der Arbeitgeberin als Vertragspartner die A-Klinik B, die G-Klinik B, die J B, sowie der Zweckverband Krankenhaus B beteiligt sind, Mitbestimmungsrechte gem. § 98 BetrVG zustehen,

hilfsweise, festzustellen, daß ihm bei Leistungsüberprüfungen der Auszubildenden im Bereich der Krankenpflege zum Zwecke der Feststellung der "erfolgreichen" bzw. "nicht erfolgreichen" Beendigung der Probezeit im Rahmen des Ausbildungsverhältnisses ein Mitbestimmungsrecht zusteht.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

Sie hat den Hauptantrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses insoweit als unzulässig angesehen, als er auch die im eigenen Betrieb durchgeführte praktische Ausbildung erfasse; insoweit sei das Mitbestimmungsrecht im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben unbestritten. Soweit die Ausbildung an der Schule oder in den anderen Krankenhäusern durchgeführt werde, handele es sich um eine außerbetriebliche Maßnahme, so daß ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entfalle. Sie, die Arbeitgeberin, habe keinen beherrschenden Einfluß auf die Durchführung der Ausbildung an der Verbundkrankenpflegeschule. Das machten schon die Stimmenverhältnisse deutlich. Die Leistungsüberprüfung sei allein von der Schule durchgeführt worden und gehöre daher zum außerbetrieblichen Teil der Ausbildung.

Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag des Betriebsrats stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat beide Anträge abgewiesen. Es hat die an der Schule stattfindende Ausbildung als außerbetriebliche Maßnahme angesehen. Die Arbeitgeberin habe weder rechtlich noch tatsächlich einen beherrschenden Einfluß auf die Durchführung dieses Teiles der Ausbildung.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine Anträge weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats war zurückzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat Haupt- und Hilfsantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Der Hauptantrag ist unbegründet.

1. Er ist zulässig. Hiervon ist im Ergebnis auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen, wenn es den Antrag ohne nähere Auseinandersetzung mit der Zulässigkeit als unbegründet abgewiesen hat.

a) Der Antrag bedarf allerdings der Auslegung. Der Betriebsrat begehrt die allgemeine Feststellung, daß ihm hinsichtlich der Durchführung der Ausbildung auf der Grundlage des Kooperationsvertrages Mitbestimmungsrechte gem. § 98 BetrVG zustehen. Der Wortlaut erfaßt Maßnahmen sowohl der betriebspraktischen Ausbildung wie der theoretischen Unterrichtung an der Krankenpflegeschule. Aus der Anbindung an die "Grundlage des Kooperationsvertrages" ergibt sich keine Beschränkung auf den theoretischen Teil der Ausbildung, der an der Schule selbst durchgeführt wird. Die Schulleitung ist nach dem Kooperationsvertrag auch an der praktischen Ausbildung beteiligt. Diese erfolgt in den beteiligten Krankenhäusern gem. § 2 Nr. 4 Kooperationsvertrag nämlich nach dem von der Schulleitung aufgestellten und vom Schulausschuß genehmigten Ausbildungsplan. Allgemeine Regelungen über den Ausbildungsablauf sind aber typischerweise Gegenstand des Mitbestimmungsrechts bei Durchführung der Berufsbildung iSd. § 98 Abs. 1 BetrVG - immer im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben (vgl. nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl. § 98 Rn. 6).

Zwar war streitauslösend eine Zwischenprüfung an der Schule. Eigentlicher Streitpunkt zwischen den Beteiligten ist aber die Frage, ob Maßnahmen, die von der Schule vorgegeben werden, der Arbeitgeberin als "betriebliche" Maßnahmen zuzurechnen sind, oder ob es sich um - mitbestimmungsfreie - "außerbetriebliche" Maßnahmen handelt. Der Antrag ist daher dahin auszulegen, daß der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht geltend macht bei der Durchführung aller Teile der Ausbildung, die ihre Grundlage im Kooperationsvertrag haben - also alle Maßnahmen, die von der Schulleitung festgelegt werden sollen, auch soweit sie die betriebspraktische Ausbildung betreffen (so etwa neben § 2 Nr. 4 auch § 4 Nr. 5 c des Kooperationsvertrages - Genehmigung des Einsatzplanes).

Auslegungsbedürftig ist der Antrag aber auch insoweit, als der Betriebsrat "Mitbestimmungsrechte nach § 98 BetrVG" geltend macht. § 98 BetrVG kennt unterschiedliche Beteiligungsrechte, nämlich in Abs. 1 bei Bildungsmaßnahmen, in Abs. 2 bei der Bestellung und Ablösung von Ausbildern, in Abs. 3 bei der Auswahl von Teilnehmern an Bildungsmaßnahmen. Wollte man den Antrag dahin verstehen, daß der Betriebsrat es sozusagen in das Belieben des Gerichts stellt, welche "Mitbestimmungsrechte" zu prüfen und festzustellen sind, wäre der Antrag unzulässig, weil zu unbestimmt und letztlich auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens gerichtet.

Der Antrag ist aber dahin auszulegen, daß es dem Betriebsrat um die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts nach § 98 Abs. 1 BetrVG geht. § 98 Abs. 3 BetrVG scheidet schon der Sache nach aus, weil es nicht um eine Auswahl von Arbeitnehmern für die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen gehen kann; die in Betracht kommenden Auszubildenden stehen fest. Auch die Mitbestimmung nach § 98 Abs. 2 BetrVG ist nicht gemeint. Die Bestellung oder Abberufung von Lehrkräften ist im gesamten Verfahren nicht angesprochen worden. Dies und der mit der Umschreibung des Mitbestimmungsrechts in § 98 Abs. 1 BetrVG im wesentliche identische Wortlaut des Antrages führen zu der Annahme, daß der Betriebsrat nur Mitbestimmungsrechte nach dieser Vorschrift geltend machen will - nämlich "bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung". Der Betriebsrat hat diese Sichtweise in der Anhörung vor dem Senat auch bestätigt.

b) Mit diesem Inhalt ist der Antrag bestimmt genug. Es besteht auch ein hinreichendes Feststellungsinteresse. Der Streit zwischen Betriebspartnern über das Bestehen und den Umfang von Beteiligungsrechten kann nach ständiger Senatsrechtsprechung im Wege eines Feststellungsverfahrens geklärt werden. Die Beteiligten streiten nach wie vor über die Frage, ob Maßnahmen auf der Grundlage des Kooperationsvertrages überhaupt mitbestimmungspflichtig iSd. § 98 Abs. 1 BetrVG sein können, oder ob es sich hierbei um außerbetriebliche Maßnahmen handelt, für die ein Mitbestimmungsrecht schon dem Grunde nach entfällt. Dieser Streit kann durch eine entsprechende Feststellung geklärt werden.

2. Der Hauptantrag ist jedoch unbegründet. Das Mitbestimmungsrecht nach § 98 Abs. 1 BetrVG bei der Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen ist zwar entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil es sich vorliegend um außerbetriebliche Bildungsmaßnahmen handeln würde. Es ist aber bei der hier gewählten Form der gemeinschaftlichen betrieblichen Ausbildung ausschließlich bezogen auf die einen solchen Ausbildungsverbund begründende Vereinbarung der beteiligten Ausbildungsbetriebe.

a) Gem. § 98 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen.

aa) Als Maßnahmen der Berufsbildung sind insbesondere die Maßnahmen anzusehen, die dem Arbeitnehmer Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln sollen, welche zur Ausfüllung eines Arbeitsplatzes und einer beruflichen Tätigkeit dienen sollen; dazu zählt vorrangig die Berufsausbildung. Um eine solche geht es im vorliegenden Fall. Unerheblich ist dabei, daß die Ausbildung in der Krankenpflege nicht den Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes unterliegt (§ 107 BBiG), sondern sich nach dem Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege (Krankenpflegegesetz) vom 4. Juni 1985 (BGBl. I S 893) richtet.

Bei den Auszubildenden handelt es sich trotz der Bezeichnung als "Schüler" um Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs. 1 BetrVG, sie gehören also zu der vom Betriebsrat repräsentierten Belegschaft. Entscheidend ist insoweit, daß eine betriebspraktische Ausbildung erfolgt, welche die rein schulische überwiegt oder ihr zumindest gleichwertig ist (siehe dazu nur Senat 28. Juli 1992 - 1 ABR 22/92 - AP BetrVG 1972 § 87 Werkmietwohnungen Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 87 Werkswohnung Nr. 8, zu C I 1 der Gründe mwN). Dies ist bei Auszubildenden für den Beruf der Krankenpflege der Fall (Senat, aaO), wie im übrigen auch die von der Arbeitgeberin dargelegten Anteile verdeutlichen - 46 Wochen Blockunterricht stehen 100 Wochen Praxiseinsatz gegenüber.

bb) Das Mitbestimmungsrecht besteht nur bei Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung. In diesem Zusammenhang wird der Begriff "betrieblich" nach ständiger Senatsrechtsprechung nicht räumlich, sondern funktional verstanden. Entscheidend ist nicht, an welchem Ort die Maßnahme durchgeführt wird. Eine betriebliche - im Unterschied zur außerbetrieblichen - Maßnahme liegt dann vor, wenn sie vom Arbeitgeber getragen oder veranstaltet und für seine Arbeitnehmer durchgeführt wird. Träger oder Veranstalter der Maßnahme ist der Arbeitgeber dann, wenn er die Maßnahme allein durchführt oder - bei Zusammenarbeit mit Dritten - auf Inhalt und Durchführung der Maßnahme rechtlich oder tatsächlich einen beherrschenden Einfluß hat. Führt dagegen ein Dritter in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber eine Berufsbildungsmaßnahme durch, auf die der Arbeitgeber keinen beherrschenden Einfluß hat, liegt keine betriebliche Maßnahme vor.

Diese Differenzierung entspricht Sinn und Zweck der §§ 96 bis 98 BetrVG. Das Beteiligungsrecht bei betrieblichen und außerbetrieblichen Maßnahmen ist unterschiedlich, weil ein echtes Mitbestimmungsrecht nur denkbar ist, soweit der Arbeitgeber die Maßnahmen gestalten kann. Bei außerbetrieblichen Maßnahmen, deren Inhalt und Form von Dritten bestimmt werden, müßte ein Mitbestimmungsrecht daran scheitern, daß dessen Adressat - der Arbeitgeber - keine Gestaltungsmacht hat (Senat 4. Dezember 1990 - 1 ABR 10/90 - BAGE 66, 292; Senat 12. November 1991 - 1 ABR 21/91 - AP BetrVG 1972 § 98 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 98 Nr. 8; vgl. auch BAG 13. März 1991 - 7 ABR 89/89 - BAGE 67, 320).

b) Die Arbeitgeberin hat auf die Durchführung der einzelnen nach dem Kooperationsvertrag der Krankenpflegeschule zugewiesenen Maßnahmen keinen beherrschenden Einfluß in diesem Sinne. Die Organisation des theoretischen Unterrichtes und die Planung der praktischen Ausbildung in den einzelnen Krankenhäusern obliegen der Schulleitung bzw. dem Schulausschuß, der die Unterrichtsplanung und den Einsatzplan genehmigt (§ 4 Nr. 5 b und c Kooperationsvertrag). Die Entscheidung dieser Gremien kann die Arbeitgeberin nicht so beeinflussen, daß sie ein bestimmtes Ergebnis erzwingen könnte, die Schulleitung also praktisch der "verlängerte Arm" (Oetker Die Mitbestimmung der Betriebs- und Personalräte bei der Durchführung von Berufsbildungsmaßnahmen 1986 S 96) der Arbeitgeberin wäre. Sie hat im Schulausschuß nur drei von 16 Stimmen und kann eine Entscheidung auch nicht durch ein Vetorecht verhindern. Einstimmigkeit der Entscheidung ist nur bei der ersten Abstimmung vorgesehen; kommt sie nicht zustande, ist eine neue Sitzung anzuberaumen, in der dann mit Mehrheit der anwesenden Stimmen entschieden wird. Entsprechendes gilt auch für die Mitgliederversammlung, in der die Arbeitgeberin eine von fünf Stimmen hat.

Die Arbeitgeberin hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch keinen tatsächlich beherrschenden Einfluß auf die nach dem Kooperationsvertrag in die Zuständigkeit der Schule fallenden Maßnahmen. Sie ist nicht Trägerin der Schule; das ist vielmehr der Zweckverband. Dieser stellt auch die leitende Unterrichtskraft und die hauptamtlichen Lehrkräfte ein. Der Zweckverband nutzt 2/3 der Ausbildungskapazität der Schule. Nach den nicht bestrittenen Angaben der Arbeitgeberin trägt er 64 % der Kosten der Kooperation gegenüber einem Anteil von 25 % der Arbeitgeberin (11 % entfallen auf die drei weiteren beteiligten Träger).

c) Vorliegend besteht allerdings die Besonderheit, daß die Arbeitgeberin die Berufsausbildung nicht etwa einem Dritten zur selbständigen Durchführung übertragen und damit aus der Hand gegeben hat. Vielmehr hat sie sich insoweit mit anderen Arbeitgebern zusammengetan. Eine Vergemeinschaftung der Entscheidung in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten durch mehrere Arbeitgeber führt nicht zum Wegfall des Mitbestimmungsrechts nach § 98 Abs. 1 BetrVG. Dieses verlagert sich jedoch von der Durchführung der einzelnen Maßnahmen auf den Abschluß der Vereinbarung, auf welcher die gemeinsame Ausbildung beruht.

aa) Es erschiene wertungswidersprüchlich, wäre die gemeinsame Durchführung der Berufsausbildung durch mehrere Arbeitgeber einer außerbetrieblichen Ausbildung gleichzuachten und deshalb mitbestimmungsfrei. Letztere wird nämlich dadurch gekennzeichnet, daß die Bildungsmaßnahmen von einem Träger gestaltet werden, der sich außerhalb des Einflußbereichs des Arbeitgebers befindet; seine Entscheidungen können deshalb mitbestimmungsrechtlich nicht dem Arbeitgeber zugerechnet werden.

Im Gegensatz hierzu bleibt bei der Vergemeinschaftung der Berufsausbildung durch mehrere Arbeitgeber bei diesen die Entscheidungsmacht über die Durchführung. Ein Unterschied zu der von den einzelnen Arbeitgebern eigenständig durchgeführten betrieblichen Ausbildung besteht nur insoweit, als die Bildungsmaßnahmen nicht vom jeweiligen Arbeitgeber allein gesteuert werden, sondern von allen beteiligten Arbeitgebern gemeinsam. Dabei bleibt die Entscheidungsbefugnis aber innerhalb des Bereichs der mitbestimmungspflichtigen Arbeitgeber.

bb) Ein Wertungswiderspruch kann allerdings nicht dadurch vermieden werden, daß bei einer solcherart von mehreren Arbeitgebern gemeinsam durchgeführten Ausbildung in unmittelbarer Anwendung des § 98 Abs. 1 BetrVG die einzelnen Bildungsmaßnahmen der Mitbestimmung unterworfen würden.

Mitbestimmungsrechte der einzelnen Betriebsräte hinsichtlich derjenigen Auszubildenden, die der Belegschaft des jeweiligen Betriebs angehören, kommen nicht in Betracht. Insoweit fehlt, wie bereits ausgeführt (a bb, b), dem einzelnen Arbeitgeber als Adressaten des Mitbestimmungsrechts die Gestaltungsmacht. Auch gegenüber der Gesamtheit der Arbeitgeber und den von diesen geschaffenen Steuerungsorganen (Schulleitung, Schulausschuß) scheidet eine Mitbestimmung bei Bildungsmaßnahmen nach § 98 Abs. 1 BetrVG aus. Es fehlt an einer Arbeitnehmervertretung, die legitimiert wäre, für Arbeitnehmer aller beteiligten Arbeitgeber die notwendigerweise einheitlichen Regelungen zu treffen.

cc) Danach erweist sich § 98 Abs. 1 BetrVG insoweit als lückenhaft. Die Vorschrift enthält kein Instrument, das die mit ihr bezweckte Einflußnahme des Betriebsrats auch dann gewährleisten würde, wenn mehrere Arbeitgeber mitbestimmungspflichtige Maßnahmen der beruflichen Bildung gemeinsam durchführen, ohne daß dabei einzelnen von ihnen ein bestimmender Einfluß zukäme.

Um die mit § 98 Abs. 1 BetrVG bezweckte Mitgestaltung des Betriebsrats zu ermöglichen, ist in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift ein Mitbestimmungsrecht dort anzuerkennen, wo der Arbeitgeber - noch eigenverantwortlich handelnd - Festlegungen für die spätere Durchführung von Bildungsmaßnahmen trifft. Danach muß das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats an derjenigen Maßnahme ansetzen, mit der sich der Arbeitgeber seiner eigenständigen Regelungsbefugnis begibt, also beim Kooperationsvertrag selbst. Mitbestimmungspflichtig entsprechend § 98 Abs. 1 BetrVG ist der Abschluß eines Vertrages über die gemeinsame Durchführung der betrieblichen Berufsbildung durch mehrere Arbeitgeber. Auf diese Weise haben die Betriebsräte die Möglichkeit, bei der Festlegung der Grundsätze der gemeinsamen Berufsbildung dafür zu sorgen, daß dem Zweck der Mitbestimmung nach § 98 Abs. 1 BetrVG Rechnung getragen wird. Dies kann durch vereinbarte Beteiligungsrechte der Betriebsräte geschehen, die der jeweiligen Kooperationsform angepaßt sind, beispielsweise durch Vertretung der Betriebsräte in den zur Leitung der Berufsausbildung vorgesehenen Organen oder durch Mitbestimmungsrechte, die ein von den Betriebsräten gemeinsam gebildetes Gremium gegenüber solchen Lenkungsorganen ausüben könnte.

Dieses Mitbestimmungsrecht entsprechend § 98 Abs. 1 BetrVG bliebe allerdings auf die Modalitäten der gemeinsamen betrieblichen Ausbildung beschränkt. Dagegen obliegt allein dem Arbeitgeber die Entscheidung darüber, ob er sich überhaupt an einem derartigen Ausbildungsverbund beteiligen will (vgl. MünchArbR/Matthes § 343 Rn. 24).

d) Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob der im Streitfall zu beurteilende Kooperationsvertrag zu einer gemeinschaftlichen betrieblichen Ausbildung im vorstehenden Sinne führt. Auch wenn man hiervon ausgeht, bleibt es dabei, daß dem Betriebsrat keine Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der Durchführung der einzelnen Ausbildungsmaßnahmen auf der Grundlage des Kooperationsvertrages zustehen. Nur dieses Begehren ist aber Gegenstand des Hauptantrages.

II. Dementsprechend unbegründet ist auch der Hilfsantrag.

1. Der Hilfsantrag ist zulässig. Er ist dahin auszulegen, daß es um Leistungsüberprüfungen geht, die nicht von der Arbeitgeberin im Rahmen ihrer betriebspraktischen Ausbildung durchgeführt werden, sondern um Maßnahmen, die von der Schulleitung in ihrem Verantwortungsbereich nach dem Kooperationsvertrag angeordnet werden. Mit dieser Auslegung ist der Antrag bestimmt genug. Der Betriebsrat hat auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung (siehe B I 1 b der Gründe).

2. Der Antrag ist aber unbegründet. Wie unter B I 2 der Gründe im einzelnen dargelegt, kommt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Durchführung einzelner Ausbildungsmaßnahmen, zu denen eine Zwischenprüfung zählen kann, auch dann nicht in Betracht, wenn auf die hier zu beurteilende gemeinschaftliche Ausbildung auf der Grundlage des Kooperationsvertrages § 98 Abs. 1 BetrVG entsprechend anzuwenden ist.

Soweit der Betriebsrat die Auffassung vertreten hat, die Einführung von Zwischenprüfungen stelle sich als mitbestimmungspflichtige Einführung einer Auswahlrichtlinie iSv. § 95 Abs. 1 BetrVG dar, liegen für eine solche Annahme keine Anhaltspunkte vor. Dagegen spricht schon, daß es sich nicht um eine Maßnahme der Arbeitgeberin handelt, sondern um eine solche der Schulleitung. Die Arbeitgeberin hat im übrigen bereits erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, daß ihre Entscheidung über die Übernahme von Auszubildenden zum Ablauf der Probezeit nicht vom Ausgang der Leistungsüberprüfung abhängig ist, sondern als Einzelfallentscheidung getroffen wird unter Berücksichtigung aller individuellen Umstände. Schon deshalb liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme einer Richtlinie über eine personelle Auswahl vor. Außerdem handelt es sich nicht um eine Auswahl unter mehreren für eine Entlassung anstehenden Arbeitnehmern - hier Auszubildenden -, sondern um die Entscheidung, ob ein einzelner Auszubildender auf Grund seiner individuellen Leistungen über die Probezeit hinaus weiter ausgebildet werden soll oder nicht. Es geht insbesondere nicht um eine betriebsbedingte Kündigung, bei der allein nach wohl herrschender Auffassung Auswahlrichtlinien in Betracht kommen (vgl. etwa Kraft GK-BetrVG 6. Aufl. § 95 Rn. 36; KR-Etzel 5. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 158; MünchArbR/Matthes § 341 Rn. 23; Richardi BetrVG 7. Aufl. § 95 Rn. 37 - alle mit weiteren Nachweisen, auch zur Gegenmeinung).

Ende der Entscheidung

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