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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 27.09.2005
Aktenzeichen: 1 ABR 32/04
Rechtsgebiete: BPersVG, Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut, Unterzeichnungsprotokoll


Vorschriften:

BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 15
BPersVG § 75 Abs. 3 Einleitungssatz
BPersVG § 82 Abs. 1
Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut Art. 56 Abs. 9
Unterzeichnungsprotokoll zu Art. 56 Abs. 9 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut Abs. 1 letzter Satz
Unterzeichnungsprotokoll zu Art. 56 Abs. 9 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut Abs. 6
Die Betriebsvertretung hat darüber mitzubestimmen, wie in Dienststellen der amerikanischen Stationierungsstreitkräfte bei der Weiterleitung und Befolgung des Vernehmungsersuchens eines Ermittlers von Diskriminierungsvorwürfen an zivile Beschäftigte verfahren werden soll.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

1 ABR 32/04

Verkündet am 27. September 2005

In dem Beschlussverfahren

hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Anhörung vom 27. September 2005 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft und Linsenmaier sowie die ehrenamtlichen Richter Wisskirchen und Buschmann für Recht erkannt:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Bundesrepublik Deutschland gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Februar 2004 - 5 TaBV 66/03 - wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht bei der an Arbeitnehmer gerichteten Anweisung, sich Befragungen durch besondere Ermittler zu unterziehen.

Die Antragstellerin ist die Betriebsvertretung der zivilen Beschäftigten des Zentrallagers G des Army & Air Force Exchange Service (AAFES). Diese Organisation der amerikanischen Streitkräfte ist dem amerikanischen Verteidigungsministerium unterstellt und hat ihren Hauptsitz in Dallas/Texas. Das europäische Hauptquartier befindet sich in Mainz. Die Bundesrepublik Deutschland ist am Verfahren nach Maßgabe von Abs. 9 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut als Prozessstandschafterin für die amerikanischen Streitkräfte beteiligt.

In den Vereinigten Staaten ist als Bundesbehörde eine sog. Antidiskriminierungskommission (Equal Employment Opportunity Commission - EEOC) eingerichtet. Bei ihr können amerikanische Arbeitnehmer wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz etwa auf Grund Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Alter, Abstammung oder Behinderung eine förmliche Beschwerde anbringen. Der EEOC obliegt die Untersuchung der behaupteten Vorfälle. Über das entsprechende Vorgehen und Verfahren verhalten sich Bestimmungen des Code of Federal Regulations (CFR). Dessen § 1614 Abschn. 108 lautet in deutscher Übersetzung:

"§ 1614.108 Untersuchung von Beschwerden

(a) Die Untersuchung von Beschwerden ist von der Dienststelle durchzuführen, gegen die sich die Beschwerde richtet.

(b) ... (Die) Dienststelle (hat) einen objektiven und angemessenen Tatsachenbericht zu erstellen, aufgrund dessen eine Entscheidung bezüglich der in der schriftlichen Beschwerde vorgebrachten Behauptungen getroffen werden kann. ...

(c) ...

(1) Der Beschwerdeführer, die Dienststelle und jedweder Beschäftigter einer Bundesbehörde hat die schriftlichen und mündlichen Beweise beizubringen, die der Ermittler für notwendig erachtet.

...

(3) Wenn der Beschwerdeführer oder die Dienststelle, gegen die die Beschwerde eingereicht wurde, oder die Beschäftigten der Dienststelle es versäumen, ohne das Vorliegen von triftigen Gründen vollständig und in angemessener Zeit auf die Anforderungen von Dokumenten, Berichten, vergleichenden Unterlagen, Statistiken, eidesstattlichen Versicherungen oder Zeugenanwesenheiten zu antworten, kann der Ermittler in seinem Untersuchungsbericht festhalten, dass der Entscheider bzw. die Kommission ... unter angemessenen Umständen die folgenden Maßnahmen ergreifen sollte: ...

(d) Jede Untersuchung wird von Ermittlern durchgeführt werden, die angemessene Sicherheitsprüfungen durchlaufen haben. Die Kommission wird der Dienststelle auf ihr Verlangen hin den Namen eines solchen Ermittlers nennen . ..."

Die im Beschwerdefall eingesetzten Ermittler (EEO-Investigators/EEO-Ermittler) haben die Aufgabe, den Sachverhalt aufzuklären. Dazu vernehmen sie den Beschwerdeführer, den Arbeitgeber und andere Zeugen, sichten Dokumente und Ähnliches. Die Dienststelle und die dort Beschäftigten haben sie dabei zu unterstützen. Das Ermittlungsverfahren wird durch die Vorlage eines Ermittlungsberichts abgeschlossen.

Zumindest bis März 2004 beschäftigte AAFES eigene EEO-Ermittler. Der für das Zentrallager G zuständige Investigator hatte seinen Dienstsitz in Mainz und unterstand der AAFES-Zentrale in Dallas. In den Jahren 2001 und 2002 erschien der Ermittler mehrfach im Zentrallager und verlangte im Zuge seiner Ermittlungen auch die Vernehmung von Zivilbeschäftigten, die deutschem Arbeitsrecht unterlagen. Diese wurden vom zuständigen Personalleiter angewiesen, sich in der Dienststelle zum vorgegebenen Ort und Zeitpunkt einer Befragung zu unterziehen.

Die Betriebsvertretung machte Ende Mai 2002 gegenüber dem Dienststellenleiter ein Mitbestimmungsrecht bei der Erteilung solcher Anweisungen an die zivilen Beschäftigten geltend. Der Dienststellenleiter lehnte die Aufnahme von Verhandlungen ab. Mit dem vorliegenden Verfahren verfolgt die Betriebsvertretung ihr Begehren weiter. Sie hat die Auffassung vertreten, die betreffenden Anweisungen an die Beschäftigten berührten Fragen der Ordnung der Dienststelle iSv. § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG.

Die Betriebsvertretung hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass Weisungen von Dienstvorgesetzten der Dienststelle AAFES G gegenüber dort tätigen unter deutsches Recht fallenden Zivilbeschäftigten, sich Verhören bzw. Befragungen durch als "EEO-Investigator" für die US-Streitkräfte tätige Personen zu unterziehen, der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Ziffer 15 BPersVG in Verbindung mit dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut unterliegen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, ein Mitbestimmungsrecht der Betriebsvertretung sei wegen des Vorrangs gesetzlicher Regelungen des Code of Federal Regulations ausgeschlossen. Der Dienststelle verbleibe angesichts dieser sie verpflichtenden Bestimmungen kein Spielraum für eigene Regelungen. Im Übrigen fehle den fraglichen Anordnungen der kollektive Bezug.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Betriebsvertretung abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Bundesrepublik die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Betriebsvertretung steht bei Regelungen zur Umsetzung von Befragungsersuchen eines EEO-Ermittlers in der Dienststelle ein Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG zu. Dieses ist nicht durch den Vorrang gesetzlicher Vorschriften ausgeschlossen.

I. Am Verfahren ist das G Distribution Center AAFES nicht beteiligt. Nach Abs. 9 des Unterzeichnungsprotokolls (UP) zu Art. 56 Abs. 9 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) ist statt ihrer die Bundesrepublik beteiligt (vgl. BAG 7. November 2000 - 1 ABR 55/99 - BAGE 96, 200, zu B III 1 der Gründe mwN).

II. Der Antrag der Betriebsvertretung ist zulässig.

1. Der Antrag bedarf der Auslegung. Die Betriebsvertretung begehrt die Feststellung, dass Weisungen von Dienstvorgesetzten gegenüber den dem deutschem Personalvertretungsrecht unterfallenden Zivilbeschäftigten der Dienststelle, sich Verhören oder Befragungen durch die EEO-Ermittler zu unterziehen, ihrer Mitbestimmung unterliegen.

a) Mit ihrem Antrag geht es der Betriebsvertretung nicht um ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Frage, ob die Zivilbeschäftigten sich überhaupt einer solchen Befragung zu unterziehen haben. Sie will auch nicht über den Inhalt und die Art der Befragungen selbst mitbestimmen. Es geht ihr allein um die Mitbestimmung bei der Ausgestaltung derjenigen Weisungen, die der Umsetzung des Befragungsersuchens eines EEO-Ermittlers dienen. Die Betriebsvertretung will nicht über das "Ob", sondern über den Inhalt solcher Weisungen mitbestimmen. Dies folgt aus Wortlaut und Begründung des Antrags und wurde von der Betriebsvertretung in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt.

b) Der Antrag ist auf die Feststellung gerichtet, dass ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung genereller Regelungen zur Umsetzung eines Befragungsersuchens besteht. Die Betriebsvertretung will nicht unabhängig vom Bestehen solcher allgemeinen Regelungen lediglich im konkreten Einzelfall mitbestimmen. Dies zeigt die Verwendung des Ausdrucks "Weisungen", der durch seine Mehrzahl-Form auf die Erfassung aller entsprechenden Fälle zielt. Es geht der Betriebsvertretung um die Aufstellung allgemeiner Verfahrensregelungen. Sie nimmt ein Mitbestimmungsrecht bei der Frage in Anspruch, wie und mit welchen Maßgaben eine von der Dienststellenleitung getroffene Entscheidung, Zivilbeschäftigte zur Teilnahme an der Befragung durch einen EEO-Ermittler aufzufordern, gegenüber den in der Dienststelle beschäftigten Arbeitnehmern umgesetzt wird.

2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt und auch im Übrigen zulässig.

a) Die Anforderungen des auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anzuwendenden § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Das erforderliche besondere Feststellungsinteresse der Betriebsvertretung ist nicht deshalb entfallen, weil - wie von der Bundesrepublik in der Rechtsbeschwerdeinstanz behauptet - die Zentrale von AAFES und deren nachgeordnete Dienststellen eigene EEO-Ermittler seit einiger Zeit nicht mehr beschäftigen. Für das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses hinsichtlich der begehrten Feststellung kommt es nicht darauf an, welcher amerikanischen Behörde die Ermittler organisations- und dienstrechtlich zugeordnet sind. Es genügt für den erforderlichen Zukunftsbezug des Antrags, dass bei einem entsprechenden Anlass auch weiterhin bestimmte Personen als EEO-Ermittler Befragungen in der Dienststelle vornehmen. Dass dies künftig nicht mehr zu erwarten stehe, hat die Bundesrepublik nicht behauptet.

b) Die Betriebsvertretung ist antragsbefugt. Sie nimmt eigene personalvertretungsrechtliche Rechte in Anspruch. Ob diese, falls sie überhaupt gegeben sind, statt dessen der Stufenvertretung zustehen, wie die Bundesrepublik meint, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrags.

III. Der Antrag ist begründet.

1. Das in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht steht der örtlichen Betriebsvertretung des Zentrallagers G und nicht nach § 82 Abs. 1 BPersVG in Verb. mit Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS der Stufenvertretung zu. Gemäß § 82 Abs. 1 BPersVG ist die Stufenvertretung nur in solchen Angelegenheiten zu beteiligen, in denen die Dienststelle nicht zur Entscheidung befugt ist. Entscheidungsbefugt ist die Dienststelle, wenn sie eine Entscheidung mit Wirkung nach außen treffen darf. Dabei liegt eine selbständige Entscheidung auch dann vor, wenn sie sich, ohne dass eine eigene Gestaltungsmöglichkeit bestünde, in der Zustimmung zu oder der Ablehnung von andernorts getroffenen Entscheidungen erschöpft (BAG 9. Februar 1993 - 1 ABR 33/92 - BAGE 72, 211, zu B II 1 b der Gründe mwN; BVerwG 7. August 1996 - 6 P 29/93 - PersR 1996, 493, zu II 2 a der Gründe).

Im Streitfall wird die Entscheidung, an der die Betriebsvertretung beteiligt werden möchte, selbständig vom Leiter der örtlichen Dienststelle und nicht von übergeordneten Stellen getroffen. Allein der Dienststellenleiter befindet darüber, unter welchen Modalitäten die zivilen Beschäftigten dem Befragungsersuchen eines EEO-Ermittlers nachzukommen haben.

2. Der örtlichen Betriebsvertretung steht das in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht gem. § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG in Verb. mit Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS und Abs. 6 UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS zu.

a) Nach Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS gelten für die Betriebsvertretung der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe oder einem zivilen Gefolge die für die zivilen Bediensteten bei der Bundeswehr maßgebenden Vorschriften des deutschen Rechts über die Personalvertretung, soweit sich aus dem UP nichts anderes ergibt. Eine Einschränkung dieser Rechte sieht das UP für den vorliegenden Fall nicht vor.

aa) Nach Abs. 6 (a) (vii) UP findet zwar die Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG - Regelungen zur Aufstellung von Sozialplänen - nicht statt und wird durch das Mitwirkungsverfahren ersetzt. Der übrige Mitbestimmungskatalog des § 75 Abs. 3 BPersVG unterliegt jedoch keiner Einschränkung.

bb) Eine Begrenzung des Mitbestimmungsrechts aus § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG folgt auch nicht aus Abs. 1 letzter Satz UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS. Nach dieser im Jahr 1994 aufgenommenen Ergänzung des UP "sorgt die Truppe dafür, dass dann, wenn Entscheidungen oberhalb der Ebene der obersten Dienstbehörde getroffen werden, die Betriebsvertretung ohne Verzögerung unterrichtet wird".

Die Bestimmung ist hier schon deshalb nicht einschlägig, weil die fragliche Entscheidung nicht von einer der obersten in Deutschland belegenen Dienstbehörde - dem Hauptquartier AAFES in Mainz - übergeordneten Stelle getroffen wird. Die Betriebsvertretung begehrt ihre Beteiligung an allgemeinen Verfahrensregeln, nach denen die Entscheidung des Dienststellenleiters, dass ein Beschäftigter sich einer Befragung zu unterziehen habe, in der Dienststelle umgesetzt wird. Über diese Verfahrensregelungen entscheidet nicht die amerikanische Zentrale von AAFES oder eine sonstige übergeordnete amerikanische Behörde, sondern der Dienststellenleiter. Auf die Frage, ob andernfalls durch Abs. 1 letzter Satz UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS ein grundsätzlich bestehendes Mitbestimmungsrecht der Betriebsvertretung in ein bloßes Unterrichtungsrecht umgewandelt wird, wie dies die Bundesrepublik annimmt, kommt es nicht an.

b) Regelungen zur Umsetzung des Befragungsersuchens eines EEO-Ermittlers in der Dienststelle unterfallen dem Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG. Nach dieser Vorschrift hat der Personalrat/die Betriebsvertretung mitzubestimmen über die "Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten".

aa) Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das dienstliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Beschäftigten. Es beruht darauf, dass die Beschäftigten ihre vertraglich geschuldete Leistung innerhalb einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation erbringen und deshalb dessen Weisungsrecht unterliegen. Das berechtigt den Arbeitgeber dazu, Regelungen vorzugeben, die das Verhalten der Beschäftigten in der Dienststelle beeinflussen und koordinieren sollen. Bei solchen Maßnahmen hat der Personalrat/die Betriebsvertretung mitzubestimmen. Dies soll gewährleisten, dass die Beschäftigten gleichberechtigt an der Gestaltung des dienstlichen Zusammenlebens teilhaben können (so für den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 32/01 - BAGE 101, 216, zu B I 2 a der Gründe mwN; 18. April 2000 - 1 ABR 22/99 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 33 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 27, zu B II 1 a der Gründe mwN).

Das Mitbestimmungsrecht erfasst nur das bloße Arbeitsverhalten nicht. Dieses ist berührt, wenn der Arbeitgeber kraft seiner Organisations- und Leitungsmacht lediglich näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Mitbestimmungsfrei sind deshalb Anordnungen, mit denen nur die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird (zum Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vgl. BAG 25. Januar 2000 - 1 ABR 3/99 - BAGE 93, 276, zu B I 2 a aa der Gründe).

bb) Danach betreffen Regelungen darüber, mit welchen Maßgaben einem Befragungsersuchen von EEO-Ermittlern nachzukommen ist, das Ordnungsverhalten der Beschäftigten. Sie konkretisieren nicht die geschuldete Arbeitspflicht, sondern haben ein Verhalten außerhalb der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zum Gegenstand. Zwar mögen die Beschäftigten durch ihre Mitwirkung an der Aufklärung eines Diskriminierungsvorwurfs eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht erfüllen, diese ist aber dem Bereich des Ordnungsverhaltens iSv. § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG zuzuordnen. Der Bezug zur Ordnung in der Dienststelle entfällt entgegen der Auffassung der Bundesrepublik nicht deswegen, weil der EEO-Ermittler nicht Mitglied der Belegschaft ist, sondern von außen kommt und das Verhalten der Arbeitnehmer innerhalb der Dienststelle nicht zu beeinflussen vermag. Gegenstand des geltend gemachten Mitbestimmungsrechts der Betriebsvertretung ist nicht ein Verhalten des Ermittlers, sondern des Dienststellenleiters. Ebenso ist unerheblich, ob die Beschäftigten zu Wahrnehmungen über mögliche Diskriminierungen innerhalb oder außerhalb der eigenen Dienststelle befragt werden sollen.

cc) Der kollektive Bezug von Anordnungen zur Umsetzung eines Befragungsersuchens besteht unabhängig von der Anzahl der vergangenen und künftig zu erwartenden Vernehmungsfälle. Er beruht schon darauf, dass die betreffende Aufforderung des Dienststellenleiters sich an jedes Belegschaftsmitglied unabhängig von persönlichen Umständen richten kann, sobald ein Beschäftigter auch nur zufällig in einen Zusammenhang mit dem zu untersuchenden Sachverhalt geraten ist und deshalb vom EEO-Ermittler befragt werden soll. Auch wird bei der Art und Weise der Weiterleitung des Befragungsersuchens an die Beschäftigten seitens der Dienststellenleitung nicht nach persönlichen Umständen differenziert. Die Frage, wie bei der Weiterleitung und Befolgung eines Vernehmungsersuchens in der Dienststelle verfahren wird, betrifft die kollektiven Interessen der Beschäftigten auch deshalb, weil es um die Vermeidung von Störungen des gedeihlichen Zusammenlebens gerade durch die fragliche Anordnung der Dienststellenleitung selbst geht.

dd) Ein Mitbestimmungsrecht der Betriebsvertretung entfällt nicht deshalb, weil der Dienststellenleiter die Aufforderung eines EEO-Ermittlers, sich Befragungen zu unterziehen, lediglich als dessen Bote und ohne Ausübung des eigenen Direktionsrechts an die Beschäftigten weitergäbe (zur bloßen Weiterleitung von Anordnungen ermittelnder Polizeibeamter durch den Arbeitgeber vgl. BAG 17. August 1982 - 1 ABR 50/80 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 9, zu B II 2 der Gründe). Hier hat der Dienststellenleiter die betreffenden Weisungen jeweils im eigenen Namen und aus eigenem Recht kraft seiner Vorgesetztenstellung erteilt. Das entspricht dem Umstand, dass die EEO-Ermittler, anders als deutsche Polizeibeamte, kein originäres Vernehmungsrecht gegenüber den dem deutschen Arbeitsrecht unterfallenden Beschäftigten besitzen.

ee) Soweit die Bundesrepublik vorbringt, das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts könne zumindest im Einzelfall den Ermittlungserfolg gefährden, wenn der Ermittler mit dem Vernehmungsersuchen einen Überraschungseffekt erzielen wolle, mit dem sich eine von der Betriebsvertretung gewünschte Ankündigungsfrist gegenüber den Beschäftigten nicht vertrage, übersieht sie, dass auch dieses Anliegen des Ermittlers Gegenstand einer zu treffenden Verfahrensregelung sein kann. Entsprechende Wünsche des Ermittlers sind im Verhältnis von Dienststellenleitung und Betriebsvertretung Belange der Dienststelle, die bei der Aufstellung allgemeiner Regelungen - spätestens von der ggf. einzurichtenden Einigungsstelle - in angemessener Weise zu berücksichtigen sind.

c) Das Mitbestimmungsrecht der Betriebsvertretung ist nicht durch den Einleitungssatz des § 75 Abs. 3 BPersVG ausgeschlossen.

aa) Allerdings hat danach der Personalrat/die Betriebsvertretung in den dort aufgeführten Fällen nicht mitzubestimmen, soweit bezüglich der fraglichen Angelegenheit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht. Der Gesetzes- und Tarifvorrang führt jedoch nur dann zum Ausschluss der Mitbestimmung, wenn die betreffende gesetzliche oder tarifliche Bestimmung die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit abschließend und zwingend regelt und deshalb auch die Interessen der Arbeitnehmer hinreichend geschützt sind, so dass sie eines weiteren Schutzes durch mitbestimmte Regelungen nicht bedürfen (BVerwG 17. Juni 1992 - 6 P 17/91 - BVerwGE 90, 228, zu II der Gründe; zum Einleitungssatz des § 87 Abs. 1 BetrVG vgl. BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 37/01 - BAGE 101, 203, zu B II 2 c cc der Gründe mwN; 21. September 1993 - 1 ABR 16/93 - BAGE 74, 206, zu B II 2 b der Gründe mwN). Überlässt die gesetzliche oder tarifliche Bestimmung die konkrete und abschließende Ausgestaltung einer Regelung der Dienststelle, unterliegt deren Entscheidung - selbst bei nur normvollziehenden Maßnahmen ohne Ermessensspielraum - der Mitbestimmung des Personalrats/der Betriebsvertretung (BVerwG 17. Juni 1992 - 6 P 17/91 - aaO).

bb) Entgegen der Auffassung der Bundesrepublik ist § 1614 Abschn. 108 CFR keine abschließende Regelung des Verfahrens bei Befragungsersuchen im Sinne des Einleitungssatzes von § 75 Abs. 3 BPersVG. Dabei braucht die Frage, ob amerikanische Rechtsvorschriften, die für amerikanische Bundesbehörden gelten, überhaupt als Sperrvorschriften im Sinne des Einleitungssatzes zu § 75 Abs. 3 BPersVG in Betracht kommen, hier nicht entschieden zu werden. Selbst wenn dies anzunehmen wäre, ist die Bestimmung in § 1614 Abschn. 108 CFR jedenfalls nicht abschließend. Es handelt sich um eine ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschrift. Sie bedarf zu ihrer Konkretisierung weiterer Maßnahmen durch die Dienststelle.

Die amerikanische Regelung schreibt zwar für die anzustellende Untersuchung eine Mitwirkungspflicht von Beschwerdeführer, Dienststelle und Beschäftigten vor. Sie verhält sich aber nicht darüber, wie die Betroffenen im Einzelfall ihrer Pflicht nachzukommen haben. Für die Umsetzung der allgemeinen Verpflichtung, Untersuchungen von Diskriminierungsvorwürfen zu unterstützen, trifft sie keine Vorgaben. Die Selbständigkeit der Entscheidung der Dienststelle entfällt nicht dadurch, dass diese nach § 1614 Abschn. 108 CFR verpflichtet ist, mit dem EEO-Ermittler zu kooperieren. Auch wenn ihr Handlungsspielraum durch die dem Ermittler eingeräumte Stellung eines unabhängigen Untersuchungsführers mit gesetzlich festgelegten Befugnissen eingeschränkt ist, führt dies nicht zum Verlust jeglicher Gestaltungsmöglichkeit. Bei der Ausgestaltung der Weisungen, die sie den Beschäftigten in Wahrnehmung ihrer Pflicht zur Kooperation erteilt, ist die Dienststelle frei. So sind Regelungen über die Einhaltung von Ankündigungs- und Ladungsfristen, über die Befugnis zur Hinzuziehung eines Rechtsbeistands und dergleichen mehr denkbar. Dem Erlass von generellen Regelungen steht dabei auch die von der Bundesrepublik angeführte Eilbedürftigkeit einer Vernehmung im Einzelfall nicht entgegen.

Ende der Entscheidung

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