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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 19.06.2001
Aktenzeichen: 1 ABR 48/00
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BetrVG, ArbZG


Vorschriften:

ArbGG § 83 a
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 3
BetrVG § 76
BetrVG § 87
ArbZG § 6 Abs. 5
Wird der Betrieb stillgelegt, erledigt sich ein anhängiges Beschlußverfahren zur Anfechtung eines Einigungsstellenspruchs über den künftigen Ausgleich der Belastungen durch Arbeit zur Nachtzeit (§ 6 Abs. 5 ArbZG).
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

1 ABR 48/00

Verkündet am 19. Juni 2001

In dem Beschlußverfahren

hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts in der Sitzung vom 19. Juni 2001 durch den Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts Prof. Dr. Wißmann, den Richter am Bundesarbeitsgericht Hauck, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Schmidt, die ehrenamtlichen Richter Blanke und Dr. Brocker beschlossen:

Tenor:

1. Das Verfahren wird wegen Erledigung eingestellt.

2. Es wird festgestellt, daß der Beschluß des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2000 - 5 TaBV 7/00 - und der Beschluß des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 7. Dezember 1999 - 8 BV 24/99 - wirkungslos sind.

Von Rechts wegen!

Gründe:

A. Die Beteiligten haben über die Wirksamkeit der Beschlußfassung einer Einigungsstelle zur Regelung eines Ausgleichs für die Belastungen durch Arbeit zur Nachtzeit (§ 6 Abs. 5 ArbZG) gestritten.

Die Arbeitgeberin betrieb ein Restaurant. Antragsteller ist der dort gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin wandte kraft Tarifbindung die Tarifverträge für die Arbeitnehmer/innen der Systemgastronomie (ua. den Bundesmanteltarifvertrag vom 6. November 1996 für die Systemgastronomie) an. Sie zahlte den im Restaurant in Wiesbaden beschäftigten Arbeitnehmern für die Tätigkeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr früh einen freiwilligen Nachtarbeitszuschlag von 15 % des jeweiligen Tarifentgelts. Im MTV für die Systemgastronomie (§ 4 Nr. 2.1) ist hierzu geregelt:

"Entsprechend dem besonderen Charakter des Gaststättengewerbes gelten die Sonntage und die Nachtarbeit als zuschlagsfreie Arbeitstage/Arbeitszeit. Davon kann nur einzelvertraglich im Rahmen der jeweils geltenden steuerlichen Bestimmungen abgewichen werden.

Die Entlohnung der Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit sowie die zusätzliche Freizeit für geleistete Arbeit an Feiertagen richtet sich ausschließlich nach den Bestimmungen dieses Tarifvertrages. Soweit tariflich eine Öffnungsklausel vorhanden ist, kann einzelvertraglich vom Tarifvertrag nach dem Günstigkeitsprinzip abgewichen werden. Grundlohn im Sinne des Einkommensteuergesetzes ist der jeweils geltende tarifliche Stundenlohn."

Der Betriebsrat beabsichtigte, mit der Arbeitgeberin eine Betriebsvereinbarung über den Ausgleich für die Belastungen durch Arbeit zur Nachtzeit abzuschließen. Auf seinen Antrag wurde mit Beschluß des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 30. März 1999 (- 8 BV 3/99 - ) eine Einigungsstelle zur Regelung dieser Frage gebildet, die am 9. Juni 1999 und 7. Juli 1999 tagte. In der Sitzung vom 7. Juli 1999 wurde über einen Betriebsvereinbarungsentwurf des Betriebsrats verhandelt und zunächst ohne den Vorsitzenden mit zwei Stimmen für und zwei Stimmen gegen den Vorschlag gestimmt. Nach Unterbrechung und Wiedereintritt in die Verhandlungen vor der Einigungsstelle erklärte der Betriebsrat, den bisher gestellten Antrag nicht aufrechtzuerhalten. Er stellte nunmehr einen modifizierten Antrag. Dieser wurde, nachdem die erste Abstimmung ohne den Einigungsstellenvorsitzenden ein Patt ergeben hatte, im zweiten Abstimmungsgang abgelehnt. Nachdem sodann sowohl die Arbeitnehmer- wie auch die Arbeitgeber-Seite erklärt hatte, im vorliegenden Einigungsstellenverfahren keine weiteren Anträge stellen zu wollen, stellte der Einigungsstellenvorsitzende fest, daß das Verfahren damit beendet sei.

Hiergegen wendet sich der Betriebsrat. Er meint, das Einigungsstellenverfahren sei noch nicht beendet. Eine Regelung sei auch ohne den von ihm in der Einigungsstelle vorgeschlagenen Freizeitausgleich möglich und nötig, da er ohne die Feststellung, was ein angemessener Ausgleich im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG sei, von seinen Mitbestimmungsrechten bezüglich der Dienstplangestaltung keinen Gebrauch machen könne. Hierbei handele es sich um eine Rechtsfrage, über die die Einigungsstelle als Vorfrage mitentscheiden müsse. Da auch eine tarifliche Regelung nicht entgegen stehe, überschreite die Einigungsstelle ihre Zuständigkeit nicht.

Der Betriebsrat hat beantragt:

1.1 Es wird festgestellt, daß der Spruch der Einigungsstelle zur Regelung des Ausgleichs für Arbeit zur Nachtzeit vom 07.07.1999 unwirksam ist.

1.2 Es wird festgestellt, daß die Feststellung des Vorsitzenden in der Einigungsstellensitzung vom 07.07.1999, daß das Verfahren beendet sei, unwirksam ist.

2. Es wird festgestellt, daß den bei der Antragsgegnerin beschäftigten Nachtarbeitnehmern für Arbeit zur Nachtzeit ein Freizeitausgleich in Höhe von 24 Minuten je geleistete Stunde Arbeit zur Nachtzeit zusteht, sofern der Ausgleich durch Gewährung von Freizeit erfolgt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Einigungsstellenverfahren sei wirksam abgeschlossen worden. Da § 4 Nr. 2.1 MTV eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG enthalte, stehe § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats entgegen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen.

Die Arbeitgeberin hat den Betrieb zum 31. Dezember 2000 stillgelegt und das Restaurant geschlossen. Die Belegschaft, so auch die Betriebsratsmitglieder, ist zum 31. Dezember 2000 ausgeschieden. Der Betriebsrat, der mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde zunächst seine Anträge weiterverfolgte, hat darauf das Verfahren für erledigt erklärt. Die Arbeitgeberin hat der Erledigungserklärung des Betriebsrats nicht zugestimmt.

B. Das Verfahren ist auf Grund der Betriebsstillegung zum 31. Dezember 2000 erledigt. Es ist daher einzustellen und gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO festzustellen, daß die Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts und des Arbeitsgerichts wirkungslos sind.

I.1. Auch im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren kann in den Rechtsmittelinstanzen das Verfahren für erledigt erklärt werden. Erklärt der Antragsteller des Beschlußverfahrens - wie hier der Betriebsrat - das Verfahren für erledigt und stimmen dem die übrigen Beteiligten - hier die Arbeitgeberin - nicht zu, hat das Gericht lediglich zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist oder nicht (BAG 26. April 1990 - 1 ABR 79/89 - BAGE 65, 105). Liegt ein erledigendes Ereignis vor, ist das Verfahren einzustellen. Darauf, ob der Antrag von Anfang an zulässig und begründet war, kommt es nicht an (BAG 27. August 1996 - 3 ABR 21/95 - AP ArbGG 1979 § 83 a Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 83 a Nr. 4; 26. April 1990 - 1 ABR 79/89 - aaO).

2. Voraussetzung für die Einstellung des Verfahrens ist zunächst eine wirksame Erledigungserklärung in der Rechtsmittelinstanz (BAG 27. August 1996 - 3 ABR 21/95 - aaO). Eine solche liegt vor. Da die Rechtsbeschwerde zulässig und das Verfahren damit wirksam in die Rechtsbeschwerdeinstanz gelangt ist (BAG 28. Juni 1994 - 1 ABR 59/93 - BAGE 77, 165), konnte die Erledigungserklärung in der Rechtsbeschwerdeinstanz erfolgen.

3. Ein erledigendes Ereignis liegt vor.

Ein solches Ereignis ist gegeben, wenn nach der Rechtshängigkeit des Antrags tatsächliche Umstände eingetreten sind, auf Grund derer der Antrag jedenfalls jetzt als unbegründet oder unzulässig abgewiesen werden müßte (BAG 26. April 1990 - 1 ABR 79/89 - aaO).

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Durch die Stillegung des Betriebes ist ein erledigendes Ereignis in diesem Sinne eingetreten. Die Einigungsstelle, deren Entscheidungen im vorliegenden Verfahren angefochten sind, war zur Regelung über den Ausgleich für die Belastungen durch Arbeit zur Nachtzeit gebildet. Eine solche Regelung könnte aber keine Wirkung mehr haben, da der Betrieb stillgelegt ist und weitere Nachtarbeit demzufolge nicht mehr anfällt. Daß eine Regelung der Einigungsstelle - auch rückwirkend - noch irgendeine Bedeutung haben könnte, ist von den Beteiligten nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Eine Entscheidung des vorliegenden Verfahrens hätte demnach keine Rechtswirkung mehr; sie liefe auf ein Rechtsgutachten hinaus. Hierfür fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Die Anträge des Betriebsrats wären daher nunmehr unzulässig. Damit sind Umstände eingetreten, auf Grund derer die Anträge des Betriebsrats jedenfalls jetzt abgewiesen werden müßten (BAG 26. April 1990 - 1 ABR 79/89 - aaO).

II. In entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO (Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 83 a Rn. 14) war die Wirkungslosigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen auszusprechen.

Ende der Entscheidung

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