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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: 1 ABR 5/01
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 76 Abs. 2
BetrVG § 76 Abs. 3
BetrVG § 76 Abs. 4
ZPO § 43
ZPO § 1036 Abs. 2
ZPO § 1037 Abs. 2
ZPO § 1037 Abs. 3
ArbGG § 49
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 6
1. Lehnt eine Betriebspartei den Vorsitzenden einer Einigungsstelle wegen Besorgnis der Befangenheit ab, bestimmt sich das weitere Verfahren entsprechend den Vorschriften der ZPO über die Ablehnung von Schiedsrichtern im schiedsgerichtlichen Verfahren.

2. Über die Ablehnung befindet die Einigungsstelle. Der Vorsitzende ist von der Teilnahme an der Beschlußfassung ausgeschlossen.


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

1 ABR 5/01

Verkündet am 11. September 2001

In dem Beschlußverfahren

hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Anhörung vom 11. September 2001 durch den Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts Prof. Dr. Wißmann, den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Hauck, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Schmidt, die ehrenamtlichen Richter Kehrmann und Frischholz beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. November 2000 - 13 TaBV 23/00 - aufgehoben.

Das Verfahren wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zur Änderung einer betrieblichen Altersversorgung.

Die Arbeitgeberin erstrebte eine Änderung der bei ihr bestehenden betrieblichen Altersversorgung. Für die damit in Zusammenhang stehenden Regelungsfragen wurde eine Einigungsstelle gebildet. Die Beteiligten einigten sich auf einen Richter aus der Arbeitsgerichtsbarkeit als unparteiischen Vorsitzenden und benannten je fünf Beisitzer.

In der 6. Sitzung der Einigungsstelle vom 17. September 1999 legten beide Beteiligten Entwürfe zur künftigen Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung vor. Dazu nahm der Einigungsstellenvorsitzende in einem mit Datum vom 2. Oktober 1999 versehenen Schreiben Stellung, verbunden mit einem Vorschlag zur Abänderung des Entwurfs der Arbeitgeberseite. Im Schreiben vom 11. Oktober 1999 äußerte der Gesamtbetriebsrat Bedenken, ob dieser Vorschlag die Interessen der Arbeitnehmer angemessen berücksichtige. Zugleich bat er den Einigungsstellenvorsitzenden um die Beantwortung einiger in dem Schreiben näher aufgeführten Fragen in der kommenden Sitzung der Einigungsstelle.

Nachdem sich der Vorsitzende hierzu in der 7. Einigungsstellensitzung am 13. Oktober 1999 geäußert hatte, lehnte ihn der Gesamtbetriebsrat wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Ausweislich des Einigungsstellenprotokolls soll er zur Begründung angeführt haben, die erbetene Stellungnahme sei unzulänglich gewesen. Der Vorsitzende habe ein vom Gesamtbetriebsrat vorgelegtes Gutachten vom 7. Oktober 1999 nicht als verspätet zurückweisen dürfen. Seine "inhaltliche Bezugnahme" zu den Vorschlägen der Arbeitnehmerseite sei unzureichend.

Der Einigungsstellenvorsitzende erklärte sich für nicht befangen. Daraufhin stimmte die Einigungsstelle über das Befangenheitsgesuch ab. Der Antrag erhielt im ersten Abstimmungsgang keine Mehrheit. Er wurde mit der Stimme des Einigungsstellenvorsitzenden im zweiten Abstimmungsgang abgelehnt. Anschließend beantragte der Gesamtbetriebsrat die Aussetzung des Einigungsstellenverfahrens bis zur gerichtlichen Entscheidung über das Ablehnungsgesuch. Dieser Antrag fand weder im ersten noch im zweiten Abstimmungsgang eine Mehrheit. Daraufhin erklärte der Gesamtbetriebsrat, er nehme nur unter Vorbehalt an der Fortsetzung des Einigungsstellenverfahrens teil. Im weiteren Verlauf der Einigungsstellensitzung stellte die Arbeitgeberin ihren modifizierten Antrag zur Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung zur Abstimmung. Der Antrag wurde im zweiten Abstimmungsgang mit der Stimme des Einigungsstellenvorsitzenden angenommen.

Der Gesamtbetriebsrat hält den Spruch der Einigungsstelle vom 13. Oktober 1999 wegen erheblicher Verfahrensmängel für unwirksam. Der Einigungsstellenvorsitzende habe mehrfach zur Besorgnis der Befangenheit Anlaß gegeben. Er habe sich an der Abstimmung über den gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag beteiligt. Seine Parteilichkeit folge auch daraus, daß er den Vorschlag der Arbeitgeberseite ungeprüft übernommen und mit nur geringfügigen Korrekturen als Kompromißvorschlag ausgegeben habe. Er sei auf die Anregungen des Gesamtbetriebsrats im Einigungsstellenverfahren nicht eingegangen; Hinweise auf fortbestehenden Beratungsbedarf habe er ignoriert. Der Einigungsstellenvorsitzende habe das vom Gesamtbetriebsrat vorgelegte Gutachten als verspätet zurückgewiesen, obwohl er es für tragfähig gehalten habe. Auch die Verfahrensleitung habe die Arbeitnehmerseite benachteiligt. Der erste und der zweite Abstimmungsgang seien ohne das Angebot einer Zwischenberatung aufeinander gefolgt. Dadurch hätten die Beisitzer der Arbeitnehmerseite ihre Argumente nicht mehr angemessen in das Einigungsverfahren einbringen können. Darüber hinaus sei der Einigungsstellenspruch auch rechts- und ermessensfehlerhaft.

Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt

festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle über die Abänderung von Leistungen zur betrieblichen Altersversorgung vom 13. Oktober 1999 rechtsunwirksam ist.

Die Arbeitgeberin beantragt, den Antrag abzuweisen.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, ein Befangenheitsgrund liege nicht vor. Unerheblich sei die Beteiligung des Einigungsstellenvorsitzenden an der Abstimmung über das Befangenheitsgesuch. Zum einen habe der Gesamtbetriebsrat dieses Abstimmungsverhalten nicht zum Gegenstand seiner Ablehnung gemacht. Zum anderen sei entscheidend der erste Abstimmungsgang, bei dem der Antrag keine Mehrheit gefunden habe. Das Einigungsstellenverfahren habe auch nicht bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Befangenheit ausgesetzt werden müssen. Ohnehin sei das Ablehnungsgesuch mangels Schriftform nicht ordnungsgemäß gestellt worden. Der Formfehler werde durch eine stichwortartige Wiedergabe der Ablehnungsgründe im Einigungsstellenprotokoll nicht geheilt.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstrebt die Arbeitgeberin die Abweisung des Antrags. Der Gesamtbetriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat keinen zur Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs führenden Verfahrensmangel festgestellt. Die Beteiligung des Einigungsstellenvorsitzenden an der Abstimmung über den Befangenheitsantrag im zweiten Abstimmungsgang begründet keinen wesentlichen Verfahrensfehler (II). Das Einigungsstellenverfahren konnte nach der Zurückweisung des Antrags fortgesetzt und durch Spruch abgeschlossen werden (III). Die deshalb ausnahmsweise im Anfechtungsverfahren zu prüfenden Ablehnungsgründe sind unbeachtlich (IV). Allerdings kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Hinsichtlich der Rügen des Gesamtbetriebsrats, eine in der Einigungsstelle gebotene Zwischenberatung sei unterblieben (V), und außerdem sei der Spruch ermessensfehlerhaft (VI), bedarf es weiterer Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht.

I. Der Vorsitzende einer Einigungsstelle kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten für seine Parteilichkeit wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Für den Antrag und das Verfahren über die Ablehnung des Vorsitzenden gelten die Vorschriften der ZPO über das schiedsgerichtliche Verfahren entsprechend, soweit die Bestimmungen des Betriebsverfassungsrechts über das Einigungsstellenverfahren nicht entgegenstehen.

1. Nach der Rechtsprechung des Senats (BAG 9. Mai 1995 - 1 ABR 56/94 - BAGE 80, 104) kann der Vorsitzende einer Einigungsstelle zu jedem Zeitpunkt des Einigungsstellenverfahrens wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Er muß nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG unparteiisch sein. Das folgt auch aus dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes und der Funktion der Einigungsstelle als Verfahrensgrundsatz. Der Einigungsstellenvorsitzende entscheidet nämlich von Gesetzes wegen den Konflikt der Betriebsparteien mit seiner Stimme, soweit die von den Betriebsparteien benannten Beisitzer in einem ersten Abstimmungsgang kein Einvernehmen erzielen (§ 76 Abs. 3 Satz 2 BetrVG). Mit rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätzen wäre es nicht vereinbar, die betroffenen Betriebsparteien zur Geltendmachung von Ablehnungsgründen ausnahmslos auf eine Anfechtung des Einigungsstellenspruchs zu verweisen, obwohl der Vorsitzende der Einigungsstelle während des Verfahrens Anlaß gegeben hat, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln (LAG Köln 23. Januar 1997 - 6 TaBV 48/96 - AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 6; DKK-Berg BetrVG 7. Aufl. § 76 Rn. 66; ErfK/Hanau/Kania 2. Aufl. § 76 BetrVG Rn. 16; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 76 Rn. 21; Kreutz GK-BetrVG 6. Aufl. § 76 Rn. 45; Hess in HSG BetrVG 5. Aufl. § 76 Rn. 19, 68 a; Richardi BetrVG 7. Aufl. § 76 Rn. 52; MünchArbR/Joost § 320 Rn. 43; Schaub NZA 2000, 1087; Schwarze SAE 1997, 62; im Ergebnis zustimmend Bauer/Diller DB 1996, 137; aA Bertelsmann NZA 1996, 234). Dem steht der ebenfalls aus dem Rechtsstaatsgebot folgende, das Einigungsstellenverfahren in besonderem Maße prägende Beschleunigungsgrundsatz nicht entgegen. Dessen Anforderungen wird durch das Erfordernis einer Konkretisierung der Ablehnungsgründe und durch das Verfahren bei der Behandlung von Ablehnungsgesuchen Rechnung getragen.

2. Das Verfahren der Behandlung von Ablehnungsgesuchen, die sich gegen den Vorsitzenden einer Einigungsstelle richten, ist allerdings gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt.

§ 76 Abs. 2 BetrVG ordnet lediglich ganz allgemein für das Einigungsstellenverfahren die mündliche Beratung an und regelt das Abstimmungsverfahren sowie die Niederlegung und das Zuleiten von Beschlüssen. Darüber hinaus ermöglicht § 76 Abs. 4 BetrVG ergänzende Verfahrensbestimmungen durch Parteivereinbarung. Dazu können auch Regelungen über die Behandlung von Ablehnungsgesuchen gehören. Erzielen die Betriebsparteien darüber keine Einigung, bestimmt das BetrVG keine Auffangregelung.

Auch das Arbeitsgerichtsgesetz regelt die Behandlung von Ablehnungsgesuchen gegenüber Einigungsstellenvorsitzenden nicht. Die für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden Vorschriften der § 49, § 64 Abs. 7 iVm. § 49, § 72 Abs. 6 iVm. § 49 ArbGG sowie § 80 Abs. 2 ArbGG für das Beschlußverfahren betreffen die Ablehnung von Gerichtspersonen. Sie sind wegen des für das gerichtliche Verfahren vorgesehenen Eintretens eines durch Geschäftsverteilungsplan bestimmten Nachrückers anstelle eines erfolgreich Abgelehnten auf das Einigungsstellenverfahren nicht übertragbar. Dem Einigungsstellenverfahren ist eine Ersatzbestellung des Einigungsstellenvorsitzenden fremd.

3. Die Position des unparteiischen Vorsitzenden einer Einigungsstelle entspricht aber derjenigen eines Schiedsrichters im schiedsgerichtlichen Verfahren. Dessen Unparteilichkeit wird durch die Vorschriften über die Ablehnung eines Schiedsrichters gesichert (§§ 1036 ff. ZPO). Diese konkretisieren zugleich im Interesse einer zügigen Erledigung des schiedsgerichtlichen Verfahrens das aus dem Rechtsstaatsgebot folgende Beschleunigungsgebot. Aus diesem Grund hat der Senat in der Entscheidung vom 9. Mai 1995 - 1 ABR 56/94 - (aaO) eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des schiedsgerichtlichen Verfahrens für geboten gehalten. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

Dies wird durch die Neufassung der Vorschriften des schiedsgerichtlichen Verfahrens durch das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22. Dezember 1997 - SchiedsVfG - (BGBl. I S 3224) nicht in Frage gestellt. Strukturelle Unterschiede weist das neue gegenüber dem früheren Recht nur insoweit auf, als die Form des Ablehnungsgesuchs betroffen ist und nunmehr das Schiedsgericht selbst zunächst zur Entscheidung über die Ablehnung berufen ist. Hierdurch wird die entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften aber nicht gehindert. Sie ist lediglich insoweit ausgeschlossen, als ihr zwingende Grundsätze des Einigungsstellenverfahrens nach § 76 BetrVG entgegenstehen.

II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht demnach angenommen, daß die Beteiligung des Einigungsstellenvorsitzenden an der Abstimmung über den Befangenheitsantrag kein wesentlicher Verfahrensmangel war.

1. Nach der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 1036 ZPO kann der Vorsitzende einer Einigungsstelle ua. abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Diese Regelung nimmt inhaltlich Bezug auf diejenigen Gründe, nach denen auch ein Richter eines staatlichen Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann (vgl. BT-Drucks. 13/5274 S 40; Musielak/Voit ZPO 2. Aufl. § 1036 Rn. 4; Zöller/Geimer ZPO 21. Aufl. § 1036 Rn. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 59. Aufl. § 1036 Rn. 3).

2. Über den Ablehnungsantrag entscheidet im schiedsgerichtlichen Verfahren nach § 1037 Abs. 2 Satz 2 ZPO das Schiedsgericht, wenn der Abgelehnte nicht von seinem Amt zurücktritt oder die andere Partei der Ablehnung nicht zustimmt. Die Vorschrift geht zurück auf eine Anregung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Dieser sprach sich anläßlich der Neuregelung des schiedsgerichtlichen Verfahrens gegen den Regierungsvorschlag aus, den abgelehnten Schiedsrichter von der Entscheidung über den Ablehnungsantrag ausdrücklich auszuschließen (vgl. BT-Drucks. 13/5274 S 41). Die dann Gesetz gewordene Fassung des § 1037 Abs. 2 ZPO beruht auf der Erwägung, daß bei einem üblicherweise aus drei Personen bestehenden Schiedsgericht bei einem Ausschluß des Abgelehnten die Entscheidung ansonsten durch ein Gremium erfolge, in dem die Belange der ablehnenden Partei überrepräsentiert seien.

Im Gegensatz zu § 1037 Abs. 3 ZPO, der eine Beteiligung des Abgelehnten an der Sachentscheidung im Fall der Fortsetzung des schiedsrichterlichen Verfahrens vorsieht, enthält das Gesetz aber keine ausdrückliche Regelung zur Beteiligung des Abgelehnten an der Beschlußfassung über den Ablehnungsantrag. § 1037 Abs. 2 Satz 2 ZPO normiert lediglich allgemein eine Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts. Ob das auch die Mitwirkung des Abgelehnten einschließt und ob das Gesetz wegen der Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle der schiedsgerichtlichen Entscheidung über die Ablehnung in zulässiger Weise eine Durchbrechung des Prinzips enthält, nicht Richter in eigener Sache sein zu können, bedarf keiner Entscheidung. Die für eine solche Auslegung sprechenden Gründe können für das Einigungsstellenverfahren nach § 76 BetrVG die Beteiligung des Vorsitzenden an der Abstimmung über das gegen ihn gerichtete Befangenheitsgesuch nicht rechtfertigen.

§ 76 Abs. 3 BetrVG bestimmt für die Entscheidungsfindung in der Einigungsstelle ein zweistufiges Abstimmungsverfahren. Es schließt den Vorsitzenden der Einigungsstelle von der Beteiligung im ersten Abstimmungsgang zwingend aus. Dadurch erhalten die Belange einer Betriebspartei, deren Antrag zur Abstimmung gestellt wird, stets ein besonderes Gewicht. Das nimmt das Gesetz im Interesse einer zwischen den Betriebspartnern anzustrebenden Einigung hin. Der sachliche Grund, der den Gesetzgeber möglicherweise in § 1037 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu einer Beschränkung des rechtsstaatlichen Grundsatzes veranlaßt hat, nicht Richter in eigener Sache sein zu können, liegt im Einigungsstellenverfahren typischerweise nicht vor. Er kann deshalb auch die Beteiligung des abgelehnten Vorsitzenden an einer Abstimmung über das gegen ihn gerichtete Befangenheitsgesuch nicht rechtfertigen. Für die Abstimmung über einen solchen Antrag steht deshalb im Einigungsstellenverfahren nur ein Abstimmungsgang zur Verfügung. An diesem Abstimmungsgang sind nach § 76 Abs. 3 BetrVG nur die von den Betriebsparteien benannten Einigungsstellenmitglieder zu beteiligen.

3. Ist demnach im Verfahren vor der Einigungsstelle über die Ablehnung des Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit nur in einem Abstimmungsgang zu befinden, war zwar die Fortsetzung des Abstimmungsverfahrens unter Beteiligung des Abgelehnten verfahrensfehlerhaft. Dieser Verfahrensfehler ist aber nicht wesentlich. Der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden der Einigungsstelle war bereits mangels einer dafür erforderlichen Mehrheit der Stimmen der Einigungsstellenbeisitzer abgelehnt. Die Durchführung eines fehlerhaften zweiten Abstimmungsgangs war demnach unschädlich. Die Beteiligung des Einigungsstellenvorsitzenden im zweiten Abstimmungsgang hat der Gesamtbetriebsrat auch nicht zum Gegenstand eines weiteren Ablehnungsgesuchs gemacht.

III. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die Fortsetzung des Einigungsstellenverfahrens trotz eines angekündigten Antrags auf gerichtliche Überprüfung der geltend gemachten Ablehnungsgründe nicht verfahrensfehlerhaft.

1. Entsprechend § 1037 Abs. 3 Satz 1 ZPO kann ein Beteiligter, dessen Ablehnungsantrag von der Einigungsstelle zurückgewiesen wird, innerhalb einer Frist von einem Monat die Entscheidung eines staatlichen Gerichts über die Ablehnung beantragen. Bis zur Einreichung eines solchen Antrags und während eines anhängig gemachten Verfahrens kann das Einigungsstellenverfahren entsprechend § 1037 Abs. 3 Satz 2 ZPO unter Beteiligung des abgelehnten Vorsitzenden fortgesetzt und durch Spruch auch abgeschlossen werden.

Eine Umgehung des aus dem Rechtsstaatsgebot folgenden Anspruchs eines Betroffenen auf gerichtliche Kontrolle der geltend gemachten Befangenheitsgründe ist damit nicht verbunden. § 1037 Abs. 3 ZPO beruht auf dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung. Zur Vermeidung unangemessener Verfahrensverzögerungen eröffnet sie der Einigungsstelle ein Ermessen, das Verfahren trotz eines angekündigten oder gestellten Antrags auf gerichtliche Klärung der Befangenheitsgründe fortzusetzen und durch Spruch abzuschließen. Für diesen Fall sind - soweit die Anrufung des staatlichen Gerichts innerhalb der von § 1037 Abs. 3 ZPO vorgesehenen Frist wegen Abschluß des Einigungsstellenverfahrens nicht möglich ist - die gegenüber der Einigungsstelle erklärten Ablehnungsgründe ausnahmsweise in einem nachfolgenden Anfechtungsverfahren zu prüfen (vgl. Zöller/Geimer aaO § 1037 Rn. 7; Musielak/Voit aaO § 1037 Rn. 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO § 1037 Rn. 5; zum vergleichbaren früheren Recht BGH 27. Februar 1957 - V ZR 134/55 - BGHZ 24, 1, 5 ff.; 12. Dezember 1963 - VII ZR 23/62 - BGHZ 40, 342, 343; 4. März 1999 - III ZR 72/98 - BGHZ 141, 90).

2. Anhaltspunkte dafür, daß die Einigungsstelle bei ihrer Entscheidung über die Nichtaussetzung des Verfahrens das vom Gesetz eingeräumte Ermessen fehlerhaft zu Lasten des Gesamtbetriebsrats ausgeübt hätte, sind angesichts der bisherigen Dauer des Einigungsstellenverfahrens und im Hinblick auf die von ihr zu entscheidenden Regelungsfragen weder vorgetragen noch ersichtlich. Verfahrensfehlerhaft hätte die Einigungsstelle nur gehandelt, wenn sie den Ablehnungsantrag übergangen und unmittelbar zur Sache abgestimmt hätte (vgl. LAG Köln 23. Januar 1997 - 6 TaBV 48/96 - AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 6). Das war vorliegend nicht der Fall.

3. Das Einigungsstellenverfahren war auch nicht deswegen fehlerhaft, weil der abgelehnte Vorsitzende an der Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens mitgewirkt hat. Das entspricht der ausdrücklichen Regelung des entsprechend anwendbaren § 1037 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

IV. Die danach ausnahmsweise im Anfechtungsverfahren zu prüfenden Ablehnungsgründe sind unbeachtlich. Das Ablehnungsgesuch des Betriebsrats genügt schon nicht den formalen Anforderungen des entsprechend anwendbaren § 1037 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

1. Nach dieser Vorschrift hat die ablehnende Betriebspartei innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Bekanntwerden der die Ablehnung begründenden Umstände die Befangenheitsgründe gegenüber der Einigungsstelle schriftlich darzulegen. Die durch das SchiedsVfG eingeführte Regelung ersetzt die Beschränkungen des Rügerechts nach früherem Recht (§ 43 ZPO) und verhindert ein Nachschieben von Ablehnungsgründen im gerichtlichen Verfahren zur Klärung des Befangenheitsgesuchs.

Die relative Formfreiheit des Einigungsstellenverfahrens steht einer entsprechenden Anwendung des § 1037 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht entgegen. Dem Einigungsstellenverfahren ist ein Formgebot nicht fremd. § 76 Abs. 3 Satz 3 BetrVG enthält aus Gründen der Rechtssicherheit das Gebot, die Beschlüsse der Einigungsstelle schriftlich niederzulegen und von dem Vorsitzenden zu unterzeichnen. § 76 BetrVG regelt keine darüber hinaus gehende Verpflichtung, den Verlauf einer Einigungsstellensitzung in einer Sitzungsniederschrift zu dokumentieren. Deshalb macht die Vorschrift auch keine Vorgaben über die Inhalte eines entsprechenden Protokolls. Die fehlende Protokollierungspflicht und der Zweck des Formgebots schließen es aus, für die wirksame Anbringung eines Ablehnungsgesuchs vor der Einigungsstelle eine Erklärung ausreichen zu lassen, die erst in einer späteren und ohnehin nicht obligatorischen Sitzungsniederschrift dokumentiert wird.

2. Der Gesamtbetriebsrat kann sich nicht darauf berufen, daß er auf die Rechtslage nach früherem Recht, die kein Schriftformgebot für Ablehnungsgesuche im schiedsgerichtlichen Verfahren vorsah, habe vertrauen dürfen. Im Zeitpunkt der Antragstellung am 13. Oktober 1999 war die mit dem SchiedsVfG eingeführte Neuregelung schon seit dem 1. Januar 1998 in Kraft. Die Rechtsprechung des Senats, die von einer entsprechenden Anwendung der Regelungen des schiedsgerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der Entscheidungen über die Ablehnung von Einigungsstellenvorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeht, datiert bereits vom 9. Mai 1995 (- 1 ABR 56/94 - BAGE 80,104).

V. Mangels Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat über das Vorliegen weiterer vom Gesamtbetriebsrat geltend gemachter Verfahrensfehler nicht abschließend entscheiden.

Nach dem Vortrag des Gesamtbetriebsrats in den Vorinstanzen soll die Schlußabstimmung durchgeführt worden sein, ohne daß der Vorsitzende nach der ersten Abstimmung eine Zwischenberatung angeboten hätte. Es kann nach der Rechtsprechung des Senats (BAG 18. Dezember 1990 - 1 ABR 11/90 - BAGE 66, 338 mwN) ein zur Aufhebung des Spruchs führender Verfahrensmangel sein, wenn nach dem ersten Abstimmungsgang eine weitere Beratung trotz des Verlangens einer Seite unterbleibt. Denn Zweck der Beratungspflicht nach § 76 Abs. 3 BetrVG ist es, den Beisitzern abschließend Gelegenheit zu geben, ihre Ansicht zur Regelung der umstrittenen betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheit vorzutragen und zu entgegenstehenden Äußerungen nochmals Stellung zu nehmen, um der aus ihrer Sicht als angemessen erscheinenden Lösung zur Mehrheit zu verhelfen (BAG 28. September 1988 - 1 ABR 23/87 - BAGE 59, 359). Im Hinblick darauf muß der Einigungsstellenvorsitzende die Möglichkeit einer weiteren Beratung einräumen. Das kann auch konkludent geschehen. Die Zwischenberatung muß aber nicht in allen Fällen tatsächlich durchgeführt werden. Bringen die Beisitzer zum Ausdruck, sie seien an einer weiteren Beratung nach dem ersten Abstimmungsgang nicht mehr interessiert, verliert eine Zwischenberatung ihren Sinn. Der bloßen Form halber ist sie nicht durchzuführen.

Ob der Einigungsstellenvorsitzende hier eine Zwischenberatung angeboten hat und ob die Beisitzer trotz eines entsprechenden Angebots zu erkennen gegeben haben, daß ihnen an einer weiteren Beratung nicht mehr gelegen sei, wird das Landesarbeitsgericht in dem sich anschließenden Beschwerdeverfahren festzustellen haben.

VI. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Spruch der Einigungsstelle die Grenzen billigen Ermessens wahrt (§ 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG). Dies hindert den Senat insoweit an einer abschließenden Entscheidung (vgl. BAG 11. November 1998 - 7 ABR 47/97 - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 17, zu B III der Gründe). Das Landesarbeitsgericht wird sich, sofern sich der Spruch der Einigungsstelle nicht als verfahrensfehlerhaft erweist, auch mit dieser Rüge des Gesamtbetriebsrats befassen müssen.

Ende der Entscheidung

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