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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 30.09.2008
Aktenzeichen: 1 ABR 54/07
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 80 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG § 80 Abs. 2
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
ZPO § 81
ZPO § 264 Nr. 2
ZPO § 559 Abs. 1
ArbGG § 81 Abs. 1
Reichen die Angaben in einer Bruttolohn- und -gehaltsliste iSv. § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrVG nicht aus, um den Betriebsrat im erforderlichen Umfang zu unterrichten, ist der Arbeitgeber nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu weitergehenden Auskünften verpflichtet.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

1 ABR 54/07

Verkündet am 30. September 2008

In dem Beschlussverfahren

hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom 30. September 2008 durch den Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft als Vorsitzenden, die Richter am Bundesarbeitsgericht Linsenmaier und Breinlinger sowie die ehrenamtlichen Richter Wisskirchen und Brunner für Recht erkannt:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 18. April 2007 - 6 TaBV 41/06 - wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass das Bestehen der vom Landesarbeitsgericht ausgesprochenen Verpflichtung der Arbeitgeberin festgestellt wird.

Von Rechts wegen!

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf die Mitteilung von Gehaltsbestandteilen.

Die Arbeitgeberin produziert Teppichware. Sie beschäftigt rund 360 Arbeitnehmer, unter diesen etwa 85 Angestellte. Die Arbeitgeberin ist tarifgebunden. Sie wendet auf die Beschäftigungsverhältnisse der Arbeitnehmer die einschlägigen Tarifverträge für die Textilindustrie Hamburg und Schleswig-Holstein an. Im Betrieb ist ein neunköpfiger Betriebsrat gewählt. Dieser hat einen Lohnausschuss gebildet.

Am 14. Februar 2006 nahm der Lohnausschuss Einsicht in die Listen über die Bruttogehälter der Angestellten. Die ihm dazu vorgelegte Unterlage führte die Namen der Angestellten und deren jeweiliges Bruttogehalt auf. Der Betriebsrat hielt diese Angaben für unzureichend. Er bat für den Ausschuss um Einsicht in Listen, die auch die tarifliche Gehaltsgruppe, die Tätigkeitsjahre und mögliche Zulagen erkennen ließen. Die Arbeitgeberin lehnte dies ab. Im vorliegenden Beschlussverfahren hat der Betriebsrat, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, beantragt,

die Arbeitgeberin zu verpflichten, seinem Lohnausschuss Einsichtnahme in die Bruttogehaltslisten sämtlicher Angestellten mit Ausnahme der leitenden Angestellten zu gewähren, dabei die Bruttogehälter hinsichtlich aller Lohnbestandteile unabhängig von ihrem individuellen oder kollektiven Charakter aufzuschlüsseln und die Aufschlüsselung zumindest auf folgende Angaben zu erstrecken:

- Gehaltsgruppe des Tarifvertrags einschließlich der Tätigkeitsjahre

- Tarifgehalt

- Zulagen jeder Art unter Bezeichnung, wofür sie gegeben werden.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat behauptet, sie führe keine andere als die dem Betriebsrat vorgelegte Gehaltsliste. Sie könne eine Liste mit den gewünschten Angaben auch nicht auf elektronischem Weg aus dem von ihr eingesetzten Lohn- und Gehaltsabrechnungsprogramm erstellen. Dieses sehe die vom Betriebsrat gewünschte Zusammenstellung der Daten nicht vor. Ein Mitarbeiter benötige zwei Tage, um sie auf manuellem Weg zusammenzustellen. Im Übrigen seien dem Betriebsrat Gehaltsgruppe und Tätigkeitsjahre der Angestellten aufgrund seiner Beteiligung an Ein- und Umgruppierungen bekannt. Die Höhe des Tarifgehalts folge aus dem einschlägigen Tarifvertrag. Ein Zulagensystem gebe es nicht. Ursprünglich gezahlte übertarifliche Zulagen seien mittlerweile mit Tariferhöhungen verrechnet worden.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin weiterhin die Abweisung des Antrags. Sie hat in der Rechtsbeschwerdeinstanz mit Nichtwissen bestritten, dass der Betriebsrat die Einleitung des vorliegenden Verfahrens und die Beauftragung seines Verfahrensvertreters ordnungsgemäß beschlossen habe. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen; er verfolgt sein Begehren in Form eines Feststellungsantrags weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats zu Recht entsprochen. Der Antrag ist nicht mangels wirksamer Beschlussfassung unbeachtlich. Er ist auch als Feststellungsantrag zulässig. Der Antrag ist begründet. Der Betriebsrat hat gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG Anspruch auf die begehrten, ihm im Wege der Einsichtnahme durch den Lohnausschuss zu erteilenden Auskünfte.

I. Der Antrag ist zulässig.

1. Der Antrag ist wirksam angebracht und nicht unbeachtlich. Der Antragstellung durch den Verfahrensvertreter des Betriebsrats lag ein darauf gerichteter, vom Betriebsrat ordnungsgemäß gefasster Beschluss zugrunde.

a) Die Arbeitgeberin hat nicht bestritten, dass dem Verfahrensvertreter eine Vollmacht iSv. §§ 80, 81 ZPO zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens erteilt worden ist. Wegen § 88 Abs. 2 ZPO war deshalb ein entsprechender Nachweis nicht zu erbringen.

b) Der Betriebsrat hat die Einleitung des Beschlussverfahrens und die Vollmachtserteilung an seinen Verfahrensvertreter wirksam beschlossen.

aa) Ein solcher Beschluss ist in beiderlei Hinsicht erforderlich. Andernfalls ist der Betriebsrat gerichtlich nicht wirksam vertreten. Für ihn gestellte Anträge wären unbeachtlich und als unzulässig abzuweisen (BAG 9. Dezember 2003 - 1 ABR 44/02 - zu B I 1 b der Gründe mwN, BAGE 109, 61). Das Vorliegen eines entsprechenden Beschlusses ist als Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens von Amts wegen und ggf. noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen. Ein erstmals hier erfolgtes Bestreiten des Arbeitgebers kann deshalb in der Regel nicht als verspätet zurückgewiesen werden. Sollte eine Beweisaufnahme erforderlich werden, gelten für sie die Regeln des Freibeweises.

bb) Im Streitfall ist davon auszugehen, dass der Betriebsrat die Einleitung des Verfahrens und die Beauftragung seines Verfahrensvertreters wirksam beschlossen hat. Nach seinem Vorbringen wurde zur Sitzung am 8. März 2006 unter Angabe des Tagungsordnungspunkts "Einsichtnahme in Bruttogehaltslisten, Beschluss Einleitung Beschlussverfahren, RA N" eingeladen, haben neun Mitglieder, darunter vier Ersatzmitglieder an der Sitzung teilgenommen und wurde der fragliche Beschluss einstimmig gefasst.

Die Arbeitgeberin hat ihr auf Nichtwissen gestütztes Bestreiten trotz des konkreten Vorbringens des Betriebsrats nicht näher konkretisiert. Aus diesem Grund ist es unerheblich geworden. Die Arbeitgeberin hätte nach den Darlegungen des Betriebsrats vortragen müssen, in welchen einzelnen Punkten und weshalb die Behauptungen des Betriebsrats nicht als wahr zu erachten seien (BAG 9. Dezember 2003 - 1 ABR 44/02 - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 109, 61). Dies gilt umso mehr, als der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat unwidersprochen erklärt hat, die Wirksamkeit der Beschlussfassung sei schon in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht erörtert und dort von der Arbeitgeberin sodann nicht mehr in Frage gestellt worden.

2. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass der Betriebsrat zweitinstanzlich noch einen auf die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Einblicksgewährung gerichteten Leistungsantrag gestellt hatte. Zwar sind Klage- und Antragsänderungen in der Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdeinstanz wegen § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht mehr möglich. Der Schluss der mündlichen Verhandlung oder Anhörung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch bezüglich der Anträge der Parteien und Beteiligten die Entscheidungsgrundlage für das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht. Die Erweiterung oder Beschränkung des Antrags stellt jedoch gem. § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung dar. Die mit dem Übergang von einem Leistungs- zu einem Feststellungsantrag verbundene Antragsbeschränkung ist damit auch in der Revisions- und Rechtsbeschwerdeinstanz noch zulässig (BAG 28. Juni 2005 - 1 ABR 25/04 - zu B I 2 a der Gründe mwN, BAGE 115, 165).

3. Der Antrag bedarf der Auslegung. Er ist darauf gerichtet, die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Gewährung von Einsichtnahme "in die Bruttogehaltslisten" und zur Aufschlüsselung der Bruttogehälter "hinsichtlich aller Lohnbestandteile" festzustellen.

a) Der Antragswortlaut legt das Verständnis nahe, der Betriebsrat begehre die Gewährung von Einsicht in eine einheitliche Urkunde, die seinen inhaltlichen Anforderungen zu genügen habe, unabhängig davon, ob es eine solche bereits gibt oder sie vom Arbeitgeber erst herzustellen ist. Damit wäre aber das Anliegen des Betriebsrats nicht zutreffend erfasst. Ihm geht es nicht darum, die Arbeitgeberin auf eine bestimmte äußere Form festzulegen, in der sie seinem Aufschlüsselungs- und Einsichtsbegehren nachzukommen habe. Der Antrag ist vielmehr darauf gerichtet, überhaupt die gewünschten Informationen zu erhalten, sei es durch Einsichtnahme in entsprechend aussagekräftige einheitliche Gehaltslisten, sei es durch entsprechende schriftliche Auskünfte, die eine nicht als ausreichend erachtete Gehaltsliste ergänzen.

b) Soweit der Betriebsrat beantragt hat, die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Aufschlüsselung der Bruttogehälter hinsichtlich "aller" Lohnbestandteile festzustellen, geht sein Aufschlüsselungsbegehren inhaltlich nicht über die von ihm angeführten Mindestangaben hinaus. Festgestellt werden soll allein die Verpflichtung zur Angabe des Tarifgehalts, der Gehaltsgruppe samt Tätigkeitsjahren und von Zulagen jeder Art einschließlich des Zahlungsgrunds. Das Vorbringen des Betriebsrats befasst sich ausschließlich mit diesen Angaben. Eine mögliche Verpflichtung zur Angabe weiterer Entgeltbestandteile ist nicht Verfahrensgegenstand.

4. Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind gegeben.

5. Der Betriebsrat besitzt die nach § 81 Abs. 1 ArbGG erforderliche Antragsbefugnis.

a) Die Antragsbefugnis im Beschlussverfahren ist gegeben, wenn der Antragsteller mit der Einleitung eines Beschlussverfahrens eigene Rechte geltend macht und die betreffende Rechtsposition immerhin möglich erscheint. Ihr Erfordernis will lediglich sog. Popularklagen ausschließen. Die Gerichte sollen zur Feststellung oder Durchsetzung eines bestimmten Rechts nicht ohne eigene Rechtsbetroffenheit des Antragstellers in Anspruch genommen werden können. Die erforderliche Betroffenheit ist gegeben, wenn sich der Antragsteller eigener Rechte berühmt und deren Bestehen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint (BAG 19. September 2006 - 1 ABR 53/05 - Rn. 22, BAGE 119, 279).

b) Der Betriebsrat nimmt ein eigenes Recht gegenüber der Arbeitgeberin in Anspruch. Zwar begehrt er die Einsichtsgewährung nicht für sich als Gesamtorgan, sondern für seinen Lohnausschuss. Dieser ist aber kein vom Betriebsrat unabhängiges Gremium, das mit eigenständigen Rechten ausgestattet wäre. Ein mögliches Einsichtsrecht steht materiellrechtlich dem Betriebsrat als solchem zu.

II. Der Antrag ist begründet. Die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Gewährung von Einblick in die Bruttogehaltslisten und der Angabe der vom Betriebsrat gewünschten Einzeldaten ergibt sich aus § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrVG iVm. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG.

1. Die Verpflichtung der Arbeitgeberin folgt nicht schon aus § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrVG allein.

a) Gem. § 80 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Nach Halbs. 2 der Regelung ist in diesem Rahmen der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Die besondere, einschränkende Ausgestaltung dieser Berechtigung erweist das Einblicksrecht nach Halbs. 2 als die speziellere Regelung, die die Vorschrift des Halbs. 1 für den Bereich der Löhne und Gehälter verdrängt (BAG 10. Oktober 2006 - 1 ABR 68/05 - Rn. 21, BAGE 119, 356).

b) Das Einsichtsrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrVG unterliegt den Grenzen der allgemeinen Regelung in § 80 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. BetrVG. Auf der Grundlage dieser Bestimmung sind dem Betriebsrat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur solche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die der Arbeitgeber - zumindest in Form einer elektronischen Datei - tatsächlich besitzt. Der Betriebsrat kann dagegen nicht verlangen, dass der Arbeitgeber nicht vorhandene Unterlagen für ihn erst herstellt (vgl. 10. Oktober 2006 - 1 ABR 68/05 - Rn. 24, BAGE 119, 356). Ein solcher Anspruch lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Er ginge über den gebotenen Informationsgleichstand von Arbeitgeber und Betriebsrat zur Durchführung von dessen gesetzlichen Aufgaben hinaus und liefe auf die Ausübung davon unabhängiger Rechte des Betriebsrats hinaus. Dafür bedürfte es einer eigenständigen Anspruchsnorm (6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 3 d aa der Gründe mwN, BAGE 106, 111).

c) Der Arbeitgeber muss dementsprechend auch nach § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrVG Einblick nur in solche Bruttolohn- und -gehaltslisten gewähren, die er - ggf. elektronisch - tatsächlich führt. Ein weitergehender, auf die Herstellung nicht existenter Listen gerichteter Anspruch des Betriebsrats besteht nicht. Der Vorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrVG lassen sich keine Mindestanforderungen an eine Bruttolohn- und -gehaltsliste entnehmen, denen eine vom Arbeitgeber geführte und als solche bezeichnete Unterlage genügen müsste, um den Anspruch des Betriebsrats auf Einsichtnahme zu erfüllen. Reichen die vorhandenen Unterlagen, die vom Arbeitgeber als Bruttolohn- und - gehaltsliste geführt und bezeichnet werden, zur Erfüllung eines weitergehenden Informationsbedürfnisses des Betriebsrats - so wie hier - nicht aus, lässt sich ein auf dessen Befriedigung gerichteter Informationsanspruch nicht auf § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrVG stützen.

2. Die Verpflichtung der Arbeitgeberin, dem Lohnausschuss Einblick in schriftliche Angaben über die vom Betriebsrat gewünschten, aus der vorgelegten Gehaltsliste nicht ersichtlichen Einzeldaten zu gewähren, folgt aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG.

a) Nach dieser Regelung hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Der Verpflichtung des Arbeitgebers korrespondiert ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats. Der Unterrichtungsanspruch besteht nicht nur dann, wenn allgemeine Aufgaben oder Beteiligungsrechte des Betriebsrats bereits feststehen. Die Unterrichtung soll es dem Betriebsrat vielmehr auch ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben und er zu ihrer Wahrnehmung tätig werden muss. Dabei genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben. Die Grenzen des Auskunftsanspruchs liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht offensichtlich nicht in Betracht kommt. Daraus folgt eine zweistufige Prüfung darauf hin, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information zu ihrer Wahrnehmung erforderlich ist (BAG 10. Oktober 2006 - 1 ABR 68/05 - Rn. 18, BAGE 119, 356; 21. Oktober 2003 - 1 ABR 39/02 - zu B II 3 b der Gründe mwN, BAGE 108, 132).

b) Die Bestimmung des § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verhält sich nicht darüber, in welcher Form der Arbeitgeber die benötigte Auskunft zu erteilen hat. Darin ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei. Insbesondere bei umfangreichen und komplexen Angaben ist er allerdings nach § 2 Abs. 1 BetrVG regelmäßig gehalten, die Auskunft schriftlich zu erteilen. Bei einer nur mündlichen Information wird es dem Betriebsrat in einem solchen Fall in der Regel nicht möglich sein zu prüfen, ob sich betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben ergeben und wie er diese verantwortlich wahrnehmen kann. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls (BAG 10. Oktober 2006 - 1 ABR 68/05 - Rn. 19 mwN, BAGE 119, 356).

c) Der Auskunftsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wird im Bereich der Löhne und Gehälter nicht durch die Regelung des Satzes 2 2. Halbs. der Vorschrift verdrängt. Der Auskunftsanspruch gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und das Einblicksrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrVG unterscheiden sich sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach ihren Voraussetzungen und kommen nebeneinander in Betracht (BAG 10. Oktober 2006 - 1 ABR 68/05 - Rn. 22, 25, BAGE 119, 356). Anders als das Einblicksrecht setzt der Auskunftsanspruch nicht voraus, dass der Arbeitgeber über die begehrten Informationen in urkundlicher Form oder in Gestalt einer elektronischen Datei bereits verfügt. Der Anspruch kann schon dann bestehen, wenn der Arbeitgeber die entsprechenden Daten entweder tatsächlich kennt oder sie, weil sie einfach zugänglich sind, doch zur Kenntnis nehmen könnte (BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 3 d cc (1) der Gründe, BAGE 106, 111).

d) Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrVG kann allerdings in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter nur Einblick genommen werden. Das Einsichtsrecht steht überdies nur dem Betriebsausschuss, einem nach § 28 BetrVG gebildeten Ausschuss oder - in kleineren Betrieben - dem Betriebsratsvorsitzenden und nicht dem gesamten Betriebsratsgremium zu. Diese Beschränkungen dürfen durch einen auf die Erteilung schriftlicher Informationen über Löhne und Gehälter gerichteten Auskunftsanspruch nicht umgangen und aufgehoben werden. Andernfalls entstünden nicht hinnehmbare Wertungswidersprüche. Um sie zu vermeiden, ist eine teleologische Reduktion der Vorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG geboten. Wenn eine aus Sachgründen erforderliche schriftliche Auskunft im Bereich der Löhne und Gehälter inhaltlich einer Bruttolohn- und -gehaltsliste gleichkommt, genügt der Arbeitgeber dem Auskunftsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG schon dadurch, dass er dem zuständigen Ausschuss, ggf. dem Vorsitzenden des Betriebsrats nach Maßgabe von § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrVG den Einblick in die schriftlich gefassten Angaben ermöglicht.

e) Danach kann der Betriebsrat verlangen, dass die Arbeitgeberin seinem Lohnausschuss Einblick in eine schriftliche Mitteilung gewährt, welche die von ihm gewünschten Einzelangaben enthält. Es besteht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein Bezug zu gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats. Zu deren Wahrnehmung sind die begehrten Auskünfte erforderlich.

aa) Hier kommen als Aufgaben für den Betriebsrat die Wahrnehmung eines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und die Überwachung einer Einhaltung der Gehaltstarifverträge und des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Betracht.

(1) Gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist die angemessene und durchsichtige Gestaltung des Lohn- und Gehaltsgefüges sowie die Wahrung der Entgelt- und Verteilungsgerechtigkeit innerhalb des Betriebs. Es soll die Belegschaft vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers orientierten Entgeltgestaltung schützen. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist nicht die konkrete, absolute Höhe des Arbeitsentgelts. Gegenstand sind die Strukturen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen, dh. die abstrakt-generellen Grundsätze der Entgeltfindung (BAG 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - Rn. 22, AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 133 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 15; 2. März 2004 - 1 AZR 271/03 - zu IV 1 a der Gründe mwN, BAGE 109, 369). Damit ist das Mitbestimmungsrecht bei der Gewährung freiwilliger, nicht auf normativer Tarifgeltung beruhender Leistungen des Arbeitgebers von Bedeutung. Zwar ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, ob er über- oder außertarifliche Leistungen überhaupt gewährt. Entschließt er sich aber dazu, hat der Betriebsrat über die Kriterien für die Berechnung der einzelnen Leistungen und ihre Höhe im Verhältnis zueinander mitzubestimmen (BAG 10. Oktober 2006 - 1 ABR 68/05 - Rn. 29 mwN, BAGE 119, 356).

Danach besteht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für einen Bezug der erbetenen Auskünfte zu einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die Arbeitgeberin hat innerhalb der Gruppe der Angestellten zumindest in der Vergangenheit über- oder außertarifliche Zulagen gewährt. Der Betriebsrat muss überprüfen können, ob dies weiterhin geschieht und ein eigenes, mitgestaltendes Tätigwerden angezeigt ist.

(2) Nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat ua. darüber zu wachen, ob die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden. Auch diese Aufgabe ist im Streitfall gegeben. Die Arbeitgeberin wendet in ihrem Betrieb die einschlägigen Gehaltstarifverträge an. Für die Überwachungspflicht des Betriebsrats genügt es, wenn dies unabhängig von einer normativen Tarifbindung auf einer generellen vertraglichen Bezugnahme beruht (BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 3 b aa der Gründe mwN, BAGE 106, 111).

Die Arbeitgeberin ist bei der Gewährung von über- oder außertariflichen Zulagen an den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gebunden. Die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats erstreckt sich auf dessen Einhaltung.

bb) Die vom Betriebsrat zur Einsichtnahme durch seinen Lohnausschuss begehrten schriftlichen Informationen sind für die Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben erforderlich.

(1) Der Betriebsrat benötigt die Angabe der jeweiligen tariflichen Gehaltsgruppe einschließlich der Tätigkeitsjahre und des jeweiligen Tarifgehalts der Angestellten, um seiner Aufgabe nachkommen zu können, die Durchführung der Gehaltstarifverträge zu überwachen. Die Gehaltstabellen nach § 4 des zum 1. März 2008 in Kraft getretenen einschlägigen Gehaltstarifvertrags vom 11. März 2008 und seiner Vorläufer unterscheiden zwischen kaufmännischen und technischen Angestellten sowie Meistern. Sie sehen jeweils bis zu fünf Vergütungsgruppen vor. Bei den ersten beiden Gruppen von Angestellten steigen die Gehälter für die Vergütungsgruppe K2 und K3 bzw. T2 und T3 abhängig von der Anzahl der Tätigkeitsjahre. Die vom Betriebsrat gewünschten Auskünfte sind deshalb für den gebotenen Abgleich von geschuldetem und tatsächlich gezahltem Gehalt erforderlich. Der Betriebsrat ist nicht darauf verwiesen, aus der Angabe des jeweiligen tabellarischen Gehaltsbetrags selbst auf die zu diesem passende Gehaltsgruppe und das passende Tätigkeitsjahr zu schließen. So würde nicht erkannt werden können, ob ein Angestellter im Hinblick auf die für seine Tätigkeit objektiv zutreffende Gehaltsgruppe und die tatsächliche Anzahl seiner Tätigkeitsjahre korrekt vergütet wird.

Die gewünschten Auskünfte sind für den Betriebsrat nicht deshalb - teilweise - entbehrlich, weil er die betreffenden Informationen schon besäße oder sie sich doch auf leichtem Wege selbst beschaffen könnte. Die dem Betriebsrat überlassene Gehaltsliste weist Entgeltbeträge auf, von denen auch die Arbeitgeberin nicht behauptet, sie entsprächen exakt den Tarifgehältern. Ebenso wenig ist dem Betriebsrat die Vergütung der Angestellten aus seiner Beteiligung an deren Ein- und Umgruppierung bekannt. Diese Beteiligung schließt nicht aus, dass die tatsächliche Handhabung der Arbeitgeberin Unkorrektheiten aufweist.

(2) Der Betriebsrat benötigt ferner Auskunft über die Höhe möglicher Zulagen einschließlich ihres jeweiligen Leistungsgrunds. Nur so vermag er zu beurteilen, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz von der Arbeitgeberin eingehalten wird, ob für ihn ein Mitbestimmungsrecht besteht und er dieses ausüben soll. Der Einwand der Arbeitgeberin, früher gewährte Zulagen seien vollständig mit Tariferhöhungen verrechnet worden, jedenfalls bestehe kein kollektives Zulagensystem mehr, verfängt nicht. Die Angestellten erhalten teilweise Vergütungen, deren Beträge keinem möglichen Tarifgehalt entsprechen. Dies lässt auf die weiterhin praktizierte Gewährung über- oder außertariflicher Leistungen schließen. In diesem Zusammenhang ist die begehrte Auskunft gerade dazu erforderlich zu erkennen, ob ein kollektiver und deshalb mitbestimmungspflichtiger Tatbestand vorliegt.

Das Auskunftsverlangen des Betriebsrats ist entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht auf etwas Unmögliches gerichtet. Falls ein Arbeitnehmer keine Zulagen erhalten sollte, erfüllt die Arbeitgeberin das Auskunftsbegehren dadurch, dass sie eben diesen Umstand wahrheitsgemäß mitteilt.

Ende der Entscheidung

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