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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 18.09.2002
Aktenzeichen: 1 ABR 56/01
Rechtsgebiete: BetrVG 1972


Vorschriften:

BetrVG 1972 § 75 Abs. 1
BetrVG 1972 § 99 Abs. 1 Satz 1
BetrVG 1972 § 99 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
BetrVG 1972 § 99 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
Die Nichtberücksichtigung eines Bewerbers um eine Beförderungsstelle kann nachteilig iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG sein, wenn er bereits über eine rechtlich geschützte Position verfügt, die durch die beabsichtigte Beförderung eines anderen Bewerbers gefährdet wird. Der bloße Verlust einer Beförderungschance kann einen solchen Nachteil dagegen nicht begründen.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

1 ABR 56/01

Verkündet am 18. September 2002

In dem Beschlußverfahren

hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Anhörung vom 18. September 2002 durch den Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts Prof. Dr. Wißmann, die Vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht Schmidt, den Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Münzer und die ehrenamtliche Richterin Büßenschütt beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. September 2001 - 10 TaBV 64/01 - wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten über die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung und Umgruppierung eines Arbeitnehmers.

Die Arbeitgeberin beschäftigt etwa 125 Arbeitnehmer. Für ihren Betrieb gelten die Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen.

Im Betrieb war die Stelle eines Schichtführers "Fertigung" zu besetzen, nachdem der seit April 1998 arbeitsunfähig erkrankte Schichtführer im September 2000 wegen Erwerbsunfähigkeit aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war. Auf eine Ausschreibung hin bewarben sich vier Arbeitnehmer. Unter diesen befand sich der bisherige stellvertretende Schichtführer Herr I . Er ist seit August 1990 in der Fertigung beschäftigt, davon 2 1/2 Jahre als Maschinenbediener und seit etwa acht Jahren als stellvertretender Schichtführer. Ferner hatte sich der Arbeitnehmer G beworben. Er ist seit 1983 für die Arbeitgeberin tätig, davon 2 1/2 Jahre als Maschinenbediener, fünf Jahre als stellvertretender Schichtführer, 1 3/4 Jahre als Schichtführer und seitdem als Sachbearbeiter in der Arbeitsvorbereitung. Mit Schreiben vom 3. Januar 2001 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die zum 11. Januar 2001 beabsichtigte Umsetzung und Umgruppierung des Arbeitnehmers G zum Schichtführer Fertigung mit Eingruppierung in LG 8 des Lohnrahmenabkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen. Der Betriebsrat versagte mit Schreiben vom 9. Januar 2001 seine Zustimmung. In dem Schreiben heißt es:

"Die Zustimmung wird verweigert, weil der Betriebsrat der Meinung ist, daß die Stelle (Schichtführer) mit Herrn I zu besetzen ist. Herr I ist seit ca. 2 Jahren für den erkrankten und seit 1 Jahr ausgeschiedenen Schichtführer H. B als stellvertretender Schichtführer eingesetzt."

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe seine Zustimmung nicht verweigern dürfen. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 BetrVG liege nicht vor. Tatsachen, aus denen sich Benachteiligungen des Arbeitnehmers I ergeben könnten, seien nicht vorgebracht. Der Arbeitnehmer bleibe stellvertretender Schichtführer. Die Nichtrealisierung einer bloßen Beförderungschance begründe keinen rechtlich erheblichen Nachteil.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers J G zu ersetzen;

2. die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung des Arbeitnehmers J G in die LG 8 zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

Der Betriebsrat hat gemeint, der Arbeitnehmer I verliere in Folge der beabsichtigten Besetzung der Schichtführerstelle dauerhaft die Chance, eine solche Position und die damit verbundene Entgeltsteigerung zu erreichen. Nach einer mehr als zweijährigen unbeanstandeten Vertretung des bisherigen Schichtführers habe er bei Freiwerden der Stelle auf eine entsprechende Beförderung vertrauen dürfen. Unabhängig davon werde er durch die Nichtberücksichtigung bei der Besetzung der Schichtführerstelle in den Augen seiner Arbeitskollegen herabgesetzt. Zudem sei der Wegfall der Schichtführerzulage finanziell nachteilig.

Das Arbeitsgericht hat die beantragte Zustimmung des Betriebsrats ersetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Abweisung der Anträge. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung und Umgruppierung des Arbeitnehmers G ersetzt. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG liegt nicht vor (I.). Dementsprechend war auch die Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung zu ersetzen (II.).

I. Der Betriebsrat konnte seine Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung des Arbeitnehmers G nicht nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG verweigern.

1. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung formgerecht und innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unter Angabe eines konkreten Grundes verweigert. Mit den Ausführungen im Schreiben vom 9. Januar 2001, nach denen die frei gewordene Position des Schichtführers "Fertigung" mit dem bisherigen stellvertretenden Schichtführer besetzt werden sollte, der diese Tätigkeit mehr als zwei Jahre vertragsgemäß ausgeübt habe, ist ein Zustimmungsverweigerungsgrund iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG hinreichend konkret benannt.

2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Arbeitnehmer I durch die Versetzung des Arbeitnehmers G keine sonstigen Nachteile iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG erleidet.

a) Nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG kann der Betriebsrat seine Zustimmung ua. verweigern, wenn die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, daß infolge der personellen Maßnahme ein im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer ohne rechtfertigende persönliche oder betriebliche Gründe benachteiligt wird. Sonstige Nachteile im Sinne dieser Vorschrift sind nach der Rechtsprechung des Senats nicht unerhebliche Verschlechterungen in der tatsächlichen oder rechtlichen Stellung eines Arbeitnehmers (BAG 15. September 1987 - 1 ABR 44/86 - BAGE 56, 108, 116 ff.). Besteht der behauptete Nachteil in einer unterbliebenen Beförderung, kommt regelmäßig nur ein rechtlicher Nachteil im Sinne des Gesetzes in Betracht. In diesem Sinne ist der Verlust einer Beförderungschance rechtlich nachteilig, wenn dadurch eine Rechtsposition des nicht beförderten Arbeitnehmers gefährdet wird (BAG 30. August 1995 - 1 ABR 11/95 - AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 130). Dazu können auch solche Positionen zählen, die zwar keinen Anspruch auf eine konkrete Beförderung gewähren, den Arbeitnehmer aber im Verhältnis zu Mitbewerbern begünstigen. Dagegen begründet die Nichtberücksichtigung eines Bewerbers unter Verletzung von Auswahlrichtlinien iSd. § 95 BetrVG oder eine § 75 Abs. 1 BetrVG widersprechende Ausgestaltung des Zugangsverfahrens keine sonstigen Nachteile iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG, sondern stellt einen Rechtsverstoß dar. Ein solcher berechtigt den Betriebsrat allein nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zur Zustimmungsverweigerung.

b) Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte der Arbeitnehmer I nach seinem Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf Übertragung der Schichtführerstelle. Das Landesarbeitsgericht hat auch keine betriebliche Übung festgestellt, nach der einem stellvertretenden Schichtführer nach mehrjähriger Vertretung des Schichtführers dessen frei werdende Stelle automatisch übertragen wird. Zudem hat die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer I die Übertragung der Schichtführerstelle weder zugesagt noch ein Vertrauen darauf erzeugt, ihm werde nach dem Ausscheiden des bisherigen Schichtführers diese Position übertragen.

c) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats kann die fehlende Erfüllung der Erwartung des Arbeitnehmers I , ihm werde die Schichtführerstelle nach mehr als zweijähriger Vertretung übertragen, keinen rechtlich erheblichen Nachteil iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG begründen. Die Zuweisung einer Beförderungsstelle folgt nicht zwingend aus einer bestimmten beruflichen Entwicklung. Vielmehr bedarf es dazu rechtlicher Grundlagen. Diese mögen, etwa als vertragliche Absprachen, bereits vorhanden oder zum Zwecke der Beförderung erst noch zu schaffen sein. Sie können jedenfalls nicht durch eine fiktive Fortzeichnung der bisherigen beruflichen Entwicklung ersetzt werden (aA DKK-Kittner BetrVG 8. Aufl. § 99 Rn. 186).

3. Mit den weiteren im Verfahren vorgebrachten Zustimmungsverweigerungsgründen ist der Betriebsrat ausgeschlossen. Diese hat er im Widerspruchsschreiben nicht benannt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann der Betriebsrat mit Widerspruchsgründen, die er dem Arbeitgeber nicht innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG schriftlich mitgeteilt hat, im weiteren Verfahren nicht gehört werden. Der Arbeitgeber soll davor geschützt werden, sich im Zustimmungsersetzungsverfahren mit ständig neuen Sachverhalten auseinandersetzen zu müssen, die er bei seiner Entscheidung über die personelle Maßnahme nicht berücksichtigen konnte. Der Ausschluß gilt allerdings nicht für rechtliche Argumente, sondern nur für Gründe tatsächlicher Art sowie für die Einführung anderer Widerspruchsgründe iSd. § 99 Abs. 2 BetrVG (BAG 28. April 1998 - 1 ABR 50/97 - BAGE 88, 310).

Der Betriebsrat hat in seinem Schreiben vom 9. Januar 2001 geltend gemacht, daß die Stelle mit dem Arbeitnehmer I zu besetzen sei, der den seit langem arbeitsunfähig erkrankten Schichtführer vertreten habe. Dieser Grund umfaßt nicht die erst im Beschlußverfahren benannten Zustimmungsverweigerungsgründe eines Ansehensverlustes dieses Arbeitnehmers bei unterbleibender Beförderung oder finanzieller Nachteile wegen des Wegfalls der an die tatsächliche Ausübung der Schichtführertätigkeit gebundenen Zulage.

II. Die Rechtsbeschwerde ist auch unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht ein Zustimmungsverweigerungsrecht zur Umgruppierung des Arbeitnehmers G in die Lohngruppe (LG) 8 des Lohnrahmenabkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen verneint hat.

1. Bei der geplanten Personalmaßnahme handelt es sich um eine Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Es geht um eine Änderung der Einreihung in die tarifliche Vergütungsgruppe. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welcher Grundlage die Anwendung der Vergütungsordnung beruht. Maßgebend ist, daß die Tätigkeit des Arbeitnehmers von den Tätigkeitsmerkmalen der neuen Vergütungsgruppe erfaßt wird (BAG 20. Dezember 1988 - 1 ABR 68/87 - BAGE 60, 330, 341).

2. Nach § 3 des Lohnrahmenabkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen fallen unter LG 8 Arbeiten schwieriger Art, deren Ausführung Fertigkeiten und Kenntnisse erfordert, die über jene der Gruppe 7 wegen der notwendigen mehrjährigen Erfahrungen hinausgehen. Diese Merkmale erfüllt die Tätigkeit des Schichtführers "Fertigung". Die Entscheidung über die Zustimmungsverweigerung zur Umgruppierung folgt demnach derjenigen zur Versetzung. Dementsprechend hat der Betriebsrat auch nicht geltend gemacht, der Schichtführer "Fertigung" sei nicht in LG 8 eingruppiert.

Ende der Entscheidung

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