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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 21.09.1999
Aktenzeichen: 1 AS 6/99
Rechtsgebiete: ArbGG
Vorschriften:
ArbGG § 43 | |
ArbGG § 6 | |
ArbGG § 21 Abs. 5 |
1. Ein ehrenamtlicher Richter beim Bundesarbeitsgericht muß nicht als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber tätig sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 ArbGG).
2.a) Übernimmt ein ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Areitnehmer oder der Arbeitgeber während der Amtszeit eine Funktion auf der jeweils anderen Seite, entfällt eine Voraussetzung seiner Berufung. Dies folgt aus dem Grundsatz der paritätischen Besetzung der Gerichte für Arbeitssachen mit ehrenamtlichen Richtern beider Seiten.
b) Dagegen entfällt die Berufungsvoraussetzung eines ehrenamtlichen Richters aus den Kreisen der Arbeitnehmer dann nicht, wenn er - etwa als Vorstandsmitglied einer Gewerkschaft - zwar Arbeitgeberfunktionen ausübt, dabei aber weiterhin in die Arbeitnehmerseite eingebunden ist.
Aktenzeichen: 1 AS 6/99 Bundesarbeitsgericht 1. Senat Beschluß vom 21. September 1999 - 1 AS 6/99 -
I. Arbeitsgericht - -
II. Landesarbeitsgericht - 822 E 1 Nr. 66 -
Beschluß
Der erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am 21. September 1999 durch den Präsidenten Dr. Wißmann als Vorsitzenden, die Richter Dr. Rost und Hauck sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Münzer und Brunner beschlossen:
Tenor:
Der ehrenamtliche Richter Jürgen W wird auf seinen Antrag mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als ehrenamtlicher Richter beim Bundesarbeitsgericht entbunden.
Gründe:
Herr W wurde vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zum ehrenamtlichen Richter beim Bundesarbeitsgericht aus Kreisen der Arbeitnehmer berufen. Er hat mit Schreiben vom 20. Juli 1999 mitgeteilt, daß er ab 16. August 1999 die Funktion eines Geschäftsführers für Personal und Soziales und Arbeitsdirektors bei der L -Verwaltungsgesellschaft mbH aufnehme. Wegen des Verlustes seines Arbeitnehmerstatus hat er um Entbindung vom Amt des ehrenamtlichen Richters gebeten.
Die Tätigkeit auf Arbeitnehmerseite war Voraussetzung der Berufung des ehrenamtlichen Richters. Da diese entfallen und der ehrenamtliche Richter jetzt auf Arbeitgeberseite tätig ist, war seinem Antrag auf Amtsentbindung zu entsprechen (§ 43 Abs. 3 i. V. m. § 21 Abs. 5 ArbGG). Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 ArbGG setzt das Amt des ehrenamtlichen Richters beim Bundesarbeitsgericht allerdings nicht voraus, daß die Berufenen aktiv als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber tätig sind. Sie sollen vielmehr nur längere Zeit in Deutschland eine entsprechende Funktion wahrgenommen haben. Der dauerhafte Verlust des aktiven Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberstatus allein läßt daher noch nicht die Voraussetzungen für die Berufung entfallen.
Anders ist dies jedoch, wenn der von Arbeitnehmerseite benannte ehrenamtliche Richter während der Amtszeit eine Funktion übernimmt, die ihn der Arbeitgeberseite zuordnet - oder umgekehrt. In diesem Fall würde die Fortführung des Amtes gegen den Grundsatz der paritätischen Besetzung der Gerichte für Arbeitssachen mit ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber verstoßen, § 6 ArbGG. Dieser Grundsatz soll sicherstellen, daß die unmittelbare Anschauung und der Sachverstand beider Kreise des Arbeitslebens in gleichgewichtiger Weise in die Rechtsprechung eingebracht werden. Zudem soll das Vertrauen der rechtsuchenden Bürger in die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte durch die paritätische Beteiligung von Personen aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkreisen gefestigt werden (vgl. nur Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 6 Rz 4).
Mit dem Gedanken der Parität ist es nicht zu vereinbaren, daß ein ehrenamtlicher Richter, der von der Arbeitnehmerseite benannt wurde, trotz jetzt aktiver Wahrnehmung von Funktionen auf Arbeitgeberseite weiterhin als ehrenamtlicher Richter der Arbeitnehmerseite tätig bleibt. Mit dem Wechsel auf die Arbeitgeberseite entfällt vielmehr eine Voraussetzung für die Berufung des ehrenamtlichen Richters beim Bundesarbeitsgericht (so auch für die insoweit gleiche Regelung des § 43 Abs. 2 ArbGG 1953 Dersch/Volkmar, ArbGG, 6. Aufl., § 43 Rz 5; Dietz/Nikisch, ArbGG, § 43 Rz 20; siehe auch Senatsbeschluß vom 6. November 1990 - 1 AS 5/90 -). Dabei ist eine abstrakte Betrachtungsweise geboten und nicht darauf abzustellen, ob der betroffene ehrenamtliche Richter, der ohnehin nicht als Vertreter einseitiger Interessen, sondern als unabhängiger Richter entscheiden soll, nach seiner persönlichen Einstellung trotz Wechsels der Stellung sich noch der ihn für das Amt vorschlagenden Seite verbunden fühlt. Einschränkungen sind nur insoweit zu machen, als es sich um die Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen auf Arbeitnehmerseite selbst handelt, insbesondere also um eine Arbeitgeberfunktion bei einer Gewerkschaft oder dem vergleichbare Tätigkeiten, die die Annahme rechtfertigen, daß der ehrenamtliche Richter noch dem bisherigen Interessenkreis zuzurechnen ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Herr W war daher auf seinen Antrag von seinem Amt als ehrenamtlicher Richter beim Bundesarbeitsgericht zu entbinden.
Ende der Entscheidung
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