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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 14.11.2006
Aktenzeichen: 1 AZR 40/06
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 112 Abs. 1 Satz 1 | |
BetrVG § 112 Abs. 1 Satz 2 | |
BetrVG § 112 Abs. 1 Satz 4 | |
BetrVG § 77 Abs. 2 Satz 1 | |
BetrVG § 77 Abs. 2 Satz 2 | |
BetrVG § 77 Abs. 3 Satz 1 |
Tenor:
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 8. November 2005 - 4 Sa 663/05 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand: Die Parteien streiten über eine Abfindung aus einem Sozialplan.
Die Beklagte ist ein Chemieunternehmen. Sie gehört dem Arbeitgeberverband der chemischen Industrie Rheinland an. Der im Juli 1942 geborene Kläger war in ihrem Betrieb L vom 1. Januar 1974 bis zum 30. Juni 2001 zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 4.830,00 Euro beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterfiel - jedenfalls infolge arbeitsvertraglicher Bezugnahme - den Tarifverträgen der chemischen Industrie. Es endete auf Grund der Stilllegung des Betriebs L durch betriebsbedingte Kündigung.
Anlässlich der Betriebsstilllegung vereinbarte die Beklagte mit dem örtlichen Betriebsrat am 25. September 2000 in einem Interessenausgleich die Anwendung einer Konzernbetriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1998 (KBV) sowie einer unter demselben Datum geschlossenen Zusatzvereinbarung 01 (ZV). Die Beklagte ist, wie die Parteienvertreter in der Revisionsverhandlung übereinstimmend erklärt haben, Rechtsnachfolgerin einer der in der KBV genannten Tochtergesellschaften, für deren Arbeitnehmer die KBV gelten soll. Nr. 5 KBV sieht für Arbeitnehmer, die wegen des Fortfalls ihres Arbeitsplatzes ausscheiden, Abfindungsansprüche vor. Nr. 6 KBV enthält für ältere Arbeitnehmer folgende Bestimmung:
"6.01. Auf Grund sich ständig ändernder Rechtsgrundlagen werden die Regelungen für ältere Arbeitnehmer (ab dem vollendeten 57. Lebensjahr, vier Monate) nicht in dieser Konzernbetriebsvereinbarung behandelt, sondern den jeweiligen Normen angepasst und in entsprechenden, zeitlich befristeten, Zusatzvereinbarungen festgehalten.
6.02. Regelungen, die sich aus Punkt 6.01. dieser Konzernbetriebsvereinbarung ergeben, schließen Abfindungszahlungen gem. Punkt 5. aus; der betroffene Personenkreis erhält Leistungen aus der jeweils gültigen Zusatzvereinbarung."
In Nr. 7.06 Abs. 2 KBV heißt es:
"Leistungen aus diesem Sozialplan werden auf eine gegebenenfalls vor dem Arbeitsgericht vereinbarte oder von ihm festgesetzte Abfindung bzw. auf Ansprüche, die sich aus § 13 Manteltarifvertrag für die chemische Industrie ergeben, nach ihrem Bruttowert angerechnet."
Die ZV enthält ua. folgende Bestimmungen:
"2. Der betroffene Arbeitnehmer erhält vom jeweiligen Unternehmen eine monatliche Brutto-Ausgleichszahlung, gerechnet vom Zeitpunkt des Ausscheidens bis zum frühestmöglichen Bezug von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder einer vergleichbaren Leistung, jedoch nicht länger als für 32 Monate. Die Leistungen des Arbeitsamtes werden in Abzug gebracht.
Eine weitere Brutto-Zahlung gleicht in Teilen eventuell erforderliche Abschläge in der gesetzlichen Rentenversicherung aus.
2.1. Die Höhe der Ausgleichszahlung bei Bezug von Arbeitslosengeld ist 55 % eines Zwölftels des Brutto-Jahreseinkommens der letzten 12 Monate vor Ausspruch der Kündigung, abzüglich der Leistung des Arbeitsamtes.
...
2.3. Als weitere Brutto-Ausgleichszahlung werden monatlich 60 % der Abschläge der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt.
...
3. Die Ausgleichszahlungen zu Punkt 2.1. und Punkt 2.3. werden monatlich, unter Berücksichtigung der jeweils geltenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen, auf das Konto des Arbeitnehmers überwiesen.
3.1. Auf Wunsch des Arbeitnehmers können die Ausgleichszahlungen zu Punkt 2.1. und 2.3. auch in Form einer Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG gezahlt werden. Dabei ist zu beachten, dass bei der Ermittlung der Abfindung zu Punkt 2.3. der versicherungsmathematische Abschlag in Abzug gebracht wird.
Die Abfindung wird fällig mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses."
Nach § 13 IV Nr. 1 Manteltarifvertrag Bergbau, Chemie, Energie vom 24. Juni 1992 in der im Juni 2001 geltenden Fassung vom 15. Mai 2000 (MTV) erhalten "Arbeitnehmer, die aufgrund einer rationalisierungsbedingten Kündigung entlassen werden, ... als Abfindung ... nach Vollendung des 55. Lebensjahres und nach 25 Jahren Betriebszugehörigkeit vier laufende Monatsbezüge" sowie "außerdem nach Vollendung des 45. Lebensjahres und nach 10 Jahren Betriebszugehörigkeit bei an das Ausscheiden aus dem Betrieb anschließender Arbeitslosigkeit eine weitere Abfindung, wenn und solange der Entlassene Arbeitslosengeld bezieht, längstens jedoch bis zur Dauer von 12 Monaten seit dem Ausscheiden." § 13 VIII MTV enthält ua. folgende Regelungen:
"...
2. Leistungen, die auf anderer Rechtsgrundlage zu den gleichen Zwecken wie die in dieser Regelung aufgeführten Leistungen gewährt werden, können auf Ansprüche aus den vorstehenden Bestimmungen angerechnet werden. Darunter fallen auch gesetzliche oder durch Vergleich vereinbarte Abfindungsansprüche gegen den Arbeitgeber (§§ 9, 10 KSchG, §§ 112, 113 BetrVG).
...
3. Die §§ 111 ff. BetrVG werden durch die vorstehenden Bestimmungen weder eingeschränkt noch erweitert."
Der Kläger bezog nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses bis zur Inanspruchnahme vorgezogener Altersrente für 13 Monate Arbeitslosengeld. Die Beklagte errechnete nach § 13 IV MTV eine Abfindungszahlung iHv. 19.318,65 Euro und eine Ausgleichszahlung zum Arbeitslosengeld iHv. 11.807,40 Euro. Den sich danach ergebenden Gesamtbetrag von 31.126,05 Euro zahlte sie an den Kläger. Der Anspruch des Klägers auf einen Ausgleich zum Arbeitslosengeld nach Nr. 2.1, 3.1 ZV betrug - unstreitig - 14.808,19 Euro, derjenige auf einen kapitalisierten Rentenausgleich nach Nr. 2.3, 3.1 ZV 23.892,66 Euro. Auf den Ausgleichsanspruch zum Arbeitslosengeld erbrachte die Beklagte unter Berufung auf die Anrechenbarkeit der tarifvertraglichen Abfindungszahlungen keine weiteren Leistungen. Zur Erfüllung des Anspruchs auf den kapitalisierten Rentenausgleich zahlte sie ferner einen Betrag von 7.574,80 Euro und berief sich im Übrigen auf die Zahlungen, die sie auf die tarifvertraglichen Ansprüche geleistet hatte. Eine auf den Ausgleichsanspruch von 14.808,19 Euro gerichtete bezifferte Leistungsklage des Klägers wurde in einem Vorprozess rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Ein in demselben Vorprozess unbeziffert gestellter, auf Rentenausgleich gerichteter Zahlungsantrag wurde als unzulässig abgewiesen. Mit vorliegender Klage hat der Kläger den Differenzbetrag zwischen dem Gesamtanspruch auf kapitalisierten Rentenausgleich nach der ZV und der erbrachten Zahlung von 7.574,80 Euro geltend gemacht. Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagte könne die auf tarifliche Ansprüche erbrachten Zahlungen nicht auf den Sozialplananspruch auf einen kapitalisierten Rentenausgleich anrechnen. Dem stehe der unterschiedliche Leistungszweck entgegen. Die tarifvertraglichen Ansprüche würden die finanziellen Verluste bis zur Inanspruchnahme der Rente, der betriebliche Rentenausgleich dagegen diejenigen nach Inanspruchnahme der Rente ausgleichen. Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.317,86 Euro brutto sowie Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die von ihr vorgenommene Anrechnung für wirksam.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein weiterer Anspruch auf Abfindung in Form eines Rentenausgleichs zu. Durch die auf Ansprüche nach dem MTV erbrachten Zahlungen hat die Beklagte zugleich Ansprüche aus dem Interessenausgleich vom 25. September 2000 iVm. den Regelungen in Nr. 2.3, 3.1 ZV erfüllt.
A. Die Klage ist zulässig. Ihr steht die Rechtskraft der Entscheidungen in dem Vorprozess nicht entgegen. Soweit dort die Klage auf einen Ausgleich zum Arbeitslosengeld abgewiesen wurde, handelte es sich um einen Streitgegenstand, über den im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden ist. Der auf Rentenausgleich gerichtete unbezifferte Zahlungsantrag betraf zwar denselben Streitgegenstand. Im Vorprozess wurde aber über diesen Anspruch in der Sache nicht entschieden, sondern der Antrag mangels hinreichender Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als unzulässig abgewiesen. Materielle Rechtskraft iSv. § 322 Abs. 1 ZPO, welche einer Sachentscheidung in dem vorliegenden Prozess entgegenstünde, ist daher nicht eingetreten. Den Mangel der hinreichenden Bestimmtheit hat der Kläger durch den nunmehr bezifferten Antrag behoben.
B. Die Klage ist unbegründet. Zwar ist ein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Rentenausgleichs in Form einer Abfindung entstanden. Der Anspruch ist jedoch durch die von der Beklagten zur Erfüllung tarifvertraglicher Ansprüche geleisteten Zahlungen und die Restzahlung von 7.574,80 Euro vollständig erfüllt.
I. Ein Anspruch des Klägers auf eine Abfindung zum Ausgleich der Abschläge in der gesetzlichen Rentenversicherung ist jedenfalls auf Grund des Interessenausgleichs vom 25. September 2000 iVm. Nr. 2.3, 3.1 Abs. 1 Satz 1 ZV entstanden.
1. Zwar entfaltet ein Interessenausgleich iSv. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG grundsätzlich keine normative Wirkung für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer (vgl. BAG 23. September 2003 - 1 AZR 576/02 - BAGE 107, 347, zu II 3 b der Gründe; BGH 15. November 2000 - XII ZR 197/98 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 140 = NJW 2001, 439, zu 3 A a der Gründe; Oetker GK-BetrVG 8. Aufl. § 112, 112a Rn. 50; Fitting 23. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 52; WP/Preis/Bender BetrVG 3. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 16) . Die in dem sog. Interessenausgleich vom 25. September 2000 enthaltene Vereinbarung der Anwendung der KBV und der ZV stellt jedoch ihrem Inhalt nach eine Sozialplanregelung iSv. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dar. Sie regelt nicht das Ob und Wie der Stilllegung des Betriebs L, sondern den Ausgleich und die Abmilderung der den Arbeitnehmern hierdurch entstehenden wirtschaftlichen Nachteile.
2. Das Schriftformerfordernis des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist gewahrt. Dies gilt auch dann, wenn die Regelungen der KBV und der ZV in dem Interessenausgleich vom 25. September 2000 weder wörtlich wiedergegeben noch ihm als Anlage beigefügt sein sollten. Das Schriftformerfordernis des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dient ebenso wie dasjenige des § 77 Abs. 2 Satz 1 und 2 BetrVG nicht dem Übereilungsschutz, sondern soll Zweifel über den Inhalt der vereinbarten Norm ausschließen. Dafür genügt die Verweisung auf genau bezeichnete andere schriftliche Regelungen (vgl. BAG 3. Juni 1997 - 3 AZR 25/96 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 69 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 59, zu II 1 b aa der Gründe mwN). Deshalb ist vorliegend die im Interessenausgleich vom 25. September 2000 enthaltene Bezugnahme auf die eindeutig bezeichnete, in einer Urkunde verkörperte KBV und ZV zur Wahrung der Schriftform ausreichend.
3. Der Sozialplanregelung steht die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht entgegen. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG findet nach § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG auf Sozialpläne keine Anwendung. Allerdings spricht manches dafür, dass es sich bei der in Bezug genommenen KBV und der ZV um einen freiwilligen vorsorglichen Sozialplan (vgl. dazu BAG 26. August 1997 - 1 ABR 12/97 - BAGE 86, 228, zu B II 1 b aa der Gründe) handelt, für den die in § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG für Sozialpläne geregelte Ausnahme von der Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht gilt ( vgl. DKK-Däubler BetrVG 10. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 132a; Fitting §§ 112, 112a Rn. 180; Richardi/Annuß BetrVG 10. Aufl. § 112 Rn. 180; Oetker GK-BetrVG § 112, 112a Rn. 125 ). Auch sind die Regelungsgegenstände der KBV und der ZV und diejenigen des MTV zumindest teilweise identisch, regelt doch der MTV Abfindungen für den Fall rationalisierungsbedingter Entlassungen. Gleichwohl bedarf es keiner Entscheidung, ob und inwieweit die KBV und die ZV ihrerseits mit § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vereinbar sind. Auch wenn die KBV und die ZV vollständig oder teilweise wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam sein sollten, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der im Interessenausgleich vom 25. September 2000 vereinbarten Sozialplanregelung. Der Beklagten und dem örtlichen Betriebsrat stand es frei, anlässlich der konkret anstehenden Stilllegung des Betriebs L einen mit der KBV und der ZV inhaltsgleichen Sozialplan abzuschließen. Dies konnte auch durch Bezugnahme auf den KBV und die ZV geschehen. Bei der konkret anstehenden Betriebsänderung galt die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG für den Sozialplan gemäß § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG nicht.
II. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Rentenausgleichs in Form einer Abfindung auf Grund des Interessenausgleichs vom 25. September 2000 iVm. Nr. 2.3, 3.1 Abs. 1 Satz 1 ZV ist durch die von der Beklagten zur Erfüllung tarifvertraglicher Ansprüche geleisteten Zahlungen und die Restzahlung von 7.574,80 Euro untergegangen. Die Tilgungswirkung der auf tarifliche Ansprüche erbrachten Leistungen folgt aus Nr. 7.06 Abs. 2 KBV.
1. Soweit die Beklagte Zahlungen zur Erfüllung tarifvertraglicher Ansprüche des Klägers erbracht hat, ist allerdings eine Tilgung ihrer sich aus dem Interessenausgleich vom 25. September 2000 iVm. Nr. 2.3, 3.1 Abs. 1 Satz 1 ZV ergebenden Schuld nicht nach § 366 Abs. 1 BGB eingetreten. Die Beklagte hat bei diesen Leistungen gerade keine Bestimmung dahingehend getroffen, dass ihre Schuld aus dem Interessenausgleich erfüllt werden soll.
2. Die Tilgungswirkung ergibt sich jedoch aus der nach dem Interessenausgleich ebenfalls anwendbaren Nr. 7.06 Abs. 2 KBV. Diese Bestimmung ist wirksam, bedarf allerdings der Auslegung. Sie erfasst auch Ansprüche aus der ZV und hat zur Folge, dass Leistungen, welche die Beklagte auf Ansprüche aus § 13 MTV erbracht hat, zum Erlöschen der Ansprüche aus der ZV führten.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wegen ihrer aus § 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG folgenden normativen Wirkung wie Tarifverträge auszulegen. Auszugehen ist dementsprechend zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (22. November 2005 - 1 AZR 458/04 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 176 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 15, zu B II 1 der Gründe mwN).
b) Die an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung ergibt, dass die Betriebsparteien mit der Anrechnungsregelung in Nr. 7.06 Abs. 2 KBV eine generelle Tilgungsbestimmung dahin getroffen haben, dass mit Leistungen des Arbeitgebers auf Abfindungsansprüche nach § 13 MTV zugleich Abfindungsansprüche aus der ZV in gleicher Höhe erfüllt werden.
aa) Die Betriebsparteien verwenden den Begriff der "Anrechnung" in Nr. 7.06 Abs. 2 KBV erkennbar nicht in dem Sinne, wie er in anderem rechtlichen Zusammenhang, wie etwa der - nicht amtlichen - Überschrift des § 366 BGB gemeint ist. Dort geht es um die Tilgungsreihenfolge in Fällen, in denen ein Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und seine Leistung nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht. Die "Anrechnung der Leistung auf mehrere Forderungen" iSv. § 366 BGB hat nicht zur Folge, dass durch eine Leistung mehrere Schulden zugleich in Höhe der Leistung getilgt werden. Vielmehr wird bestimmt, welche von mehreren Forderungen vorrangig erfüllt wird; die nachrangige Forderung bleibt bestehen. In diesem Sinn wird der Begriff der Anrechnung in Nr. 7.06 Abs. 2 KBV wie auch in § 13 VIII Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 MTV nicht verwandt. Hier geht es erkennbar darum, dass durch die Leistung auf die eine Schuld zugleich auch eine andere erfüllt werden soll. Die Erfüllung der einen Forderung soll gleichzeitig das Erlöschen einer anderen bewirken (vgl. zur "Anrechnung" bei Abfindungsleistungen nach § 113 Abs. 3 BetrVG und bei Sozialplanabfindungen BAG 13. Juni 1989 - 1 AZR 819/87 - BAGE 62, 88, zu B III 3 a der Gründe und 20. November 2001 - 1 AZR 97/01 - BAGE 99, 377, zu II der Gründe; zur "Anrechnung" von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen 8. Juni 2004 - 1 AZR 308/03 - BAGE 111, 70, zu B I 1 der Gründe mwN; vgl. ferner auch 17. Oktober 2000 - 3 AZR 7/00 - BAGE 96, 54, zu B II 1 b der Gründe; 29. Mai 2002 - 5 AZR 680/00 - BAGE 101, 247, zu II 3 c bb der Gründe) .
bb) Allerdings spricht der reine Wortlaut der Nr. 7.06 Abs. 2 KBV für ein Verständnis, nach dem durch Leistungen auf Grund des Sozialplans Ansprüche aus dem MTV erfüllt werden sollen. Nach ihm werden "Leistungen aus dem Sozialplan" - ua. - "auf Ansprüche, die sich aus § 13 MTV ergeben, ... angerechnet". Eine solches Verständnis würde jedoch dem erkennbaren Willen der Betriebsparteien, eine wirksame gesetzeskonforme Regelung zu treffen, nicht gerecht. Die Betriebsparteien können über Ansprüche aus dem MTV nicht verfügen. Sie können wirksam keine Regelungen treffen, nach der bestimmte Leistungen des Arbeitgebers das Erlöschen tariflicher Ansprüche zur Folge haben. Sie sind im Rahmen ihrer Normsetzungsbefugnis rechtlich nur in der Lage, Regelungen über die von ihnen selbst geschaffenen Ansprüche zu treffen. Nach dem Grundsatz der möglichst gesetzeskonformen Auslegung von Sozialplänen muss daher die Regelung in Nr. 7.06 Abs. 2 KBV dahin verstanden werden, dass Leistungen, die zur Erfüllung von Ansprüchen aus § 13 MTV erfolgen, auf Ansprüche aus dem Sozialplan angerechnet werden und diese erfüllen. Eine derartige Regelung zu treffen, stand in der Kompetenz der Betriebsparteien. Sie verfügten auf diese Weise nicht über tarifliche Ansprüche, sondern lediglich über die von ihnen geschaffenen Sozialplanansprüche. Ein solches Verständnis ist mit dem Wortlaut der Regelung noch vereinbar. Es entspricht auch dem Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck der Regelung.
cc) Wie die Auslegung der Nr. 7.06 Abs. 2 KBV ferner ergibt, bezieht sich die Bestimmung auch auf Ansprüche aus der ZV. Dem Wortlaut nach wird die Anrechnung von "Leistungen aus diesem Sozialplan" ermöglicht. Gemeint ist damit, wie ausgeführt, die Anrechnung auf Ansprüche aus dem Sozialplan. Zu diesen zählen auch Ansprüche aus der ZV. Die ZV ersetzt, wie sich aus Nr. 6.02 KBV ergibt, mit ihren Sonderregelungen für ältere Arbeitnehmer lediglich die Regelungen über Abfindungsansprüche nach Nr. 5 KBV. Sie ist jedoch kein selbständiger, von der KBV unabhängiger Rahmensozialplan. Die Nr. 6.02 KBV stellt zwar gegenüber Nr. 5 KBV die speziellere Regelung dar. Nach dem Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck der Regelung finden jedoch die übrigen Regelungen der KBV, darunter die Schlussbestimmungen in Nr. 7 KBV auch auf die älteren Arbeitnehmer Anwendung. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Betriebsparteien in dem Interessenausgleich vom 25. September 2000, in dem sie die Anwendung der KBV und der ZV vereinbarten, deren Verhältnis zueinander anders verstanden.
dd) Die Frage, ob sich die in Nr. 7.06 Abs. 2 KBV vorgesehene Anrechnung, wie der Kläger meint, ebenso wie in § 13 VIII Nr. 2 MTV auf zweckgleiche Leistungen beschränkt, konnte im Ergebnis dahinstehen. Hierfür spricht immerhin der in Nr. 7.06 Abs. 2 KBV enthaltene Bezug auf § 13 MTV und die Aufgabe der Betriebsparteien, in einem Sozialplan die durch eine Betriebsänderung den Arbeitnehmern entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder abzumildern. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich aber bei den Leistungen aus KBV und ZV einerseits und den Leistungen aus § 13 MTV andererseits durchaus um zweckgleiche Leistungen. Sie dienen sämtlich dem Ausgleich oder der Abmilderung der durch eine Betriebsänderung den Arbeitnehmern entstehenden wirtschaftlichen Nachteile. Hiervon sind ersichtlich sowohl die Betriebsparteien als auch die Tarifvertragsparteien ausgegangen. Dies zeigt insbesondere die Klarstellung in § 13 VIII Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 MTV. Nach dieser fallen unter die Leistungen, die auf anderer Rechtsgrundlage zu den gleichen Zwecken gewährt werden wie die im MTV aufgeführten Leistungen, auch "gesetzliche ... Abfindungsansprüche gegen den Arbeitgeber"; zu diesen gehören, wie die anschließende Klammerbemerkung in § 13 VIII Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 MTV zeigt, auch Sozialplanansprüche iSv. § 112 BetrVG. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die wirtschaftlichen Nachteile bereits vor oder erst bei dem späteren Rentenbezug eintreten. In beiden Fällen beruhen sie auf der Betriebsänderung und dem dadurch verursachten Verlust des Arbeitsplatzes.
ee) Die Betriebsparteien haben durch die Anrechnungsbestimmung in Nr. 7.06 Abs. 2 KBV nicht gegen ihre Verpflichtung verstoßen, in einem Sozialplan für eine angemessene Abmilderung der den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile zu sorgen. Ihnen steht beim Abschluss eines Sozialplans ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BAG 5. Oktober 2000 - 1 AZR 48/00 - BAGE 96, 15, zu II 2 c der Gründe mwN) . Sie können weitgehend frei entscheiden, welche Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer in welchem Umfang ausgeglichen oder gemildert werden. Auch sind sie nicht gehalten, alle erdenklichen Nachteile auszugleichen (BAG 14. August 2001 - 1 AZR 760/00 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 142 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 108, zu III 1 a der Gründe mwN) . Hier haben die Betriebsparteien für einen Ausgleich oder eine Abmilderung der durch die Stilllegung des Betriebs L den Arbeitnehmern entstehenden wirtschaftlichen Nachteile Sorge getragen und lediglich eine Kumulation der Sozialplanansprüche mit den grundsätzlich demselben Zweck dienenden Ansprüchen aus dem MTV verhindert. Dies ist nicht zu beanstanden.
ff) Entgegen der Auffassung des Klägers steht dem Anrechnungsvorbehalt in Nr. 7.06 Abs. 2 KBV auch § 13 VIII Nr. 2 MTV nicht entgegen. Die tarifliche Regelung ermöglicht ihrerseits die Anrechung von Abfindungsleistungen ua. aus Sozialplänen auf die tariflichen Ansprüche. Dies bedeutet jedoch nicht, dass den Betriebsparteien eine Regelung verwehrt wäre, nach der Leistungen, die auf Ansprüche nach § 13 MTV erfolgen, auf die Sozialplansprüche angerechnet werden. Durch die jeweiligen Anrechnungsmöglichkeiten werden nicht etwa tarifliche und Sozialplanansprüche kumulativ beseitigt, sondern nur eine zweifache Inanspruchnahme des Arbeitgebers aus zwei letztlich demselben Zweck dienenden Anspruchsgrundlagen verhindert.
Ende der Entscheidung
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