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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 10.03.1998
Aktenzeichen: 1 AZR 658/97
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG § 95 Abs. 3
BetrVG § 99
BGB § 611
BGB § 613 Satz 2
Leitsatz:

Ist im Beschlußverfahren rechtskräftig festgestellt worden, daß dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei einer umstrittenen Arbeitgeberweisung zusteht, so können auch die betroffenen Arbeitnehmer nicht mehr mit Erfolg geltend machen, die Weisung sei ihnen gegenüber wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts unwirksam (mögliche, aber nicht entscheidungserhebliche Divergenz zum Urteil des Sechsten Senats vom 15. Januar 1987 - 6 AZR 589/84 - AP Nr. 21 zu § 75 BPersVG).

Aktenzeichen: 1 AZR 658/97 Bundesarbeitsgericht 1. Senat Urteil vom 10. März 1998 - 1 AZR 658/97 -

I. Arbeitsgericht Frankfurt am Main - 8 Ca 857/95 - Urteil vom 07. November 1995

II. Hessisches Landesarbeitsgericht - 5 Sa 2064/96 - Urteil vom 03. Juli 1997


---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Nein Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ----------------------------------------------------------------------

Entscheidungsstichworte: Mitbestimmung des Betriebsrats bei Arbeitsleistung für "Dritte"

Gesetz: BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1, § 95 Abs. 3, § 99; BGB §§ 611, 613 Satz 2

1 AZR 658/97 5 Sa 2064/96 Hessisches LAG

Im Namen des Volkes! Urteil

Verkündet am 10. März 1998

Klapp, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

pp.

hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 128 Abs. 2 ZPO in der Sitzung vom 10. März 1998 durch den Präsidenten Professor Dr. Dieterich, die Richter Dr. Rost und Dr. Wißmann sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Giese und Professor Dr. Wohlgemuth für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juli 1997 - 5 Sa 2064/96 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen !

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Umfang des Direktionsrechts des Beklagten sowie darüber, ob der Kläger die Ausführung bestimmter Weisungen wegen unterbliebener Mitbestimmung des Betriebsrats verweigern darf.

Der Beklagte unterhält Einrichtungen für Dialyse und Nierentransplantation. Er beschäftigt bundesweit mehr als 1000 Mitarbeiter. Der Kläger ist seit 1. April 1977 als Dialysepfleger in einem Betrieb des Beklagten in M tätig. Er ist Mitglied des dortigen Betriebsrats sowie Mitglied des Gesamtbetriebsrats. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des für die Arbeitnehmer des Beklagten abgeschlossenen Manteltarifvertrages vom 26. März/23. Mai 1993 Anwendung.

Ärztliche Leiter des Dialysezentrums M sind die Ärzte Dr. Heide K und Dr. Günter R . Dr. R ist seit Februar 1994 bei dem Beklagten angestellt. Dr. K ist niedergelassene Ärztin. Sie ist aufgrund eines freien Dienstvertrages für den Beklagten tätig, da die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausschließt. Der Beklagte hat dem Betriebsrat gegenüber mit Schreiben vom 10. Januar 1995 ausdrücklich bestätigt, daß Frau Dr. K befugt ist, fachliche Weisungen zu erteilen.

Auslöser des vorliegenden Rechtsstreits war eine in M durchgeführte Arzneimittelstudie zur Erprobung eines Medikaments. Der Beklagte setzte bei der Behandlung von Dialysepatienten das von der Arzneimittelfirma C hergestellte Medikament "E " ein. Es handelt sich dabei um ein blutbildendes Hormon, durch das nierenbedingte Blutarmut behandelt werden kann und das durch Injektion verabreicht wird. Bei einigen Patienten trat an der Injektionsstelle ein Brennen auf, als dessen Ursache der im Präparat enthaltene Citratpuffer ermittelt wurde. Daraufhin entwickelte die Firma C eine neue Zusammensetzung, in der der Citratpuffer durch einen Phosphatpuffer ausgetauscht wurde. Mit der Durchführung der für die Zulassung des Medikaments notwendigen klinischen Prüfung beauftragte sie die Ärzte Dr. K und Dr. R . Der Beklagte war hiermit einverstanden.

Der Kläger wurde angewiesen, statt des bisher verwandten Medikaments E E das neuentwickelte Medikament zu injizieren. Nachdem er die Weisungsbefugnis der ihm vorgesetzten Ärzte angezweifelt hatte, wies ihn der Beklagte ausdrücklich an, deren Anweisungen Folge zu leisten. Ein Antrag des Betriebsrats auf Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der Durchführung klinischer Studien im Rahmen von Verträgen, die Ärzte des Betriebes mit Unternehmen der Pharmaindustrie schließen, wurde durch Beschluß des Arbeitsgerichts Mainz vom 13. Februar 1995 - 2 BV 3447/94 - zurückgewiesen; der Beschluß ist rechtskräftig geworden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei nicht verpflichtet, im Rahmen entsprechender Arzneimittelstudien Arbeitsleistungen zu erbringen. Seine Arbeitsverpflichtung bestehe nur gegenüber dem Beklagten, nicht aber gegenüber Dritten. Als solche seien die Ärzte Dr. K und Dr. R anzusehen, wenn nur sie, nicht aber der Beklagte von Arzneimittelfirmen mit der Durchführung von Prüfungen betraut würden. Eine Anweisung der Beklagten, den Weisungen der Ärzte Folge zu leisten, verstoße gegen § 613 Satz 2 BGB.

Unabhängig davon müsse auch der Betriebsrat gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG beteiligt werden. Die Durchführung von Studien im Betrieb durch Personen, die nicht Arbeitnehmer des Beklagten seien, berühre die betriebliche Ordnung. Das Verhalten der Arbeitnehmer sei dabei in gleicher Weise betroffen wie etwa bei Kundenbefragungen durch dritte Personen oder aber bei Krankengesprächen. Die betriebliche Ordnung werde durch alle von außen in den Betrieb getragenen Einflüsse berührt. Es gehe gerade nicht um Weisungen, die die Arbeitsleistung gegenüber dem Arbeitgeber betreffen. Die Ergebnisse solcher Studien dienten nicht dem Beklagten, der auch von den Ärzten und Mitarbeitern im Rahmen dieser Studien nicht repräsentiert werde.

Der Kläger hat - soweit in der Revision noch von Interesse - zuletzt beantragt festzustellen, daß er nicht verpflichtet sei, ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats Arbeitsleistungen im Zusammenhang mit klinischen Studien zu erbringen, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages zwischen im Betrieb beschäftigten Ärzten und Unternehmen der Pharmaindustrie im Betrieb des Beklagten durchgeführt werden.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei verpflichtet, entsprechende Anweisungen zu befolgen. Beide Ärzte seien von ihm als weisungsberechtigte Dienstvorgesetzte des Klägers eingesetzt. Die Anweisung, ein bestimmtes Medikament zu injizieren, konkretisiere die vom Kläger ihm - dem Beklagten - gegenüber zu erbringende Arbeitsleistung. Für den Kläger sei der Anlaß für die Verwendung eines bestimmten Medikaments unerheblich. Die Verabreichung von Medikamenten nach ärztlicher Anweisung gehöre zu seinen vertragsmäßigen Aufgaben als Dialysepfleger. Er müsse das Medikament auch nicht zusätzlich verabreichen, sondern statt eines anderen, bisher üblichen Medikaments. Insoweit bleibe seine Tätigkeit unverändert. Zusätzliche Arbeiten fielen nicht an.

Entsprechende Anweisungen berührten ausschließlich das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Sie würden erteilt von Personen, die er als Arbeitgeber dazu ausdrücklich beauftragt und für weisungsbefugt erklärt habe. Die Durchführung solcher Studien diene auch nicht betriebsfremden Zwecken, wenn er sie - wie im Ausgangsfall - ausdrücklich in seinen Willen aufnehme.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Eine mit Gründen versehene schriftliche Ausfertigung der Entscheidung ist nicht zugestellt worden. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger ist weder aus individualrechtlichen noch aus kollektivrechtlichen Gründen berechtigt, die streitbefangenen Arbeiten zu verweigern.

I. Die Berufung des Beklagten war zulässig. Das Arbeitsgericht hat sein Urteil nicht begründet. Der Beklagte konnte daher seine Berufung innerhalb der sich aus § 9 Abs. 5 ArbGG und § 516 ZPO ergebenden Frist einlegen. Diese ist gewahrt. Die Berufung ist auch ordnungsgemäß begründet worden. § 519 Abs. 3 ZPO verlangt zwar eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils. Liegt aber innerhalb der zur Verfügung stehenden Frist eine mit Gründen versehene Entscheidung nicht vor, darf dies dem Berufungsführer nicht zum Nachteil gereichen (BAG Urteil vom 28. April 1993 - 10 AZR 222/92 - AP Nr. 67 zu § 112 BetrVG 1972, zu II 1 der Gründe). Diese Situation war hier gegeben. Dem Beklagten war mitgeteilt worden, wegen des krankheitsbedingten Ausscheidens der Kammervorsitzenden könne mit einer schriftlichen Begründung nicht mehr gerechnet werden.

II. Der Antrag des Klägers ist zulässig.

1. Er bedarf allerdings der Auslegung. Der Kläger ist der Auffassung, er könne nicht bzw. nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats zu Arbeitsleistungen herangezogen werden, die ihm im Rahmen von Arzneimittelprüfungen aufgetragen werden. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, geht es dabei nur um den Fall, daß nicht der Beklagte selbst, sondern die dem Kläger vorgesetzten Ärzte Vertragspartner des Arzneimittelunternehmens sind. Das zeigt schon der Ausgangsfall, folgt aber auch aus der zentralen Begründung des Antrags.

2. Der Kläger hat an der begehrten Feststellung ein rechtliches Interesse. Die Parteien streiten über den Umfang des Direktionsrechts des Beklagten. Ein solcher Streit über den Inhalt der zu erbringenden Arbeitsleistung kann im Wege des Feststellungsverfahrens geklärt werden (ständige Rechtsprechung, s. nur Senatsurteil vom 30. August 1995 - 1 AZR 47/95 - AP Nr. 44 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu I der Gründe).

Das rechtliche Interesse ist nicht deshalb entfallen, weil die klinische Prüfung des Medikaments E inzwischen abgeschlossen ist. Es ist unstreitig zwischen den Parteien, daß der Beklagte weiterhin beabsichtigt, entsprechende Studien in seinem Betrieb durchzuführen bzw. durchführen zu lassen. Die Streitfrage wird sich also auch in Zukunft stellen.

III. Die Feststellungsklage ist aber unbegründet.

1. Der Kläger ist individualrechtlich verpflichtet, den umstrittenen Weisungen zu folgen.

a) Die geforderten Arbeitsleistungen halten sich ihrer Art nach im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung, § 611 BGB. Der Kläger ist als Dialysepfleger eingestellt. Die Verabreichung von Medikamenten gehört zum Berufsbild des Dialysepflegers. Hingegen ist es gerade nicht seine Aufgabe, darüber zu entscheiden, welche Medikamente verabreicht werden. Hierfür ist der zuständige Arzt verantwortlich.

Es bedarf keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wann der Kläger sich aus medizinischen, ethischen oder rechtlichen Bedenken weigern kann, ein bestimmtes Medikament zu verwenden. Solche Bedenken hat der Kläger nicht geltend gemacht und sind auch von seinem Antrag nicht erfaßt. Der Kläger beruft sich ferner nicht darauf, daß das geprüfte Medikament noch nicht zugelassen sei. Unabhängig davon bleibt festzuhalten, daß es ausschließlich um die Durchführung von Arzneimittelprüfungen geht, die nach den entsprechenden arzneimittelrechtlichen Regelungen zulässig sind und deren medizinische Notwendigkeit außer Frage steht.

b) Die Festlegung der im Arbeitsverhältnis zu erbringenden Arbeitsleistung ist Sache des Arbeitgebers aufgrund seines Direktionsrechts. Er bestimmt Ort, Zeit und nähere Einzelheiten der nach dem Vertrag geschuldeten Arbeitsleistung (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt nur BAG Urteil vom 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - AP Nr. 45 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG Urteil vom 24. April 1996 - 4 AZR 976/94 - AP Nr. 49 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Das Direktionsrecht kann vom Arbeitgeber auf andere Personen übertragen werden, die es dann als Vorgesetzte gegenüber den ihnen unterstellten Arbeitnehmern ausüben. Es erfaßt hinsichtlich der vertraglichen Leistung eines Dialysepflegers auch die nähere Bestimmung, welche Medikamente zu verabreichen sind. Der Beklagte hat sein Weisungsrecht insoweit auf die ärztlichen Leiter der Dialysestation übertragen, die über eine dafür erforderliche medizinische Vorbildung verfügen. Zwischen den Parteien ist nicht mehr im Streit, daß auch Frau Dr. K weisungsberechtigt ist, obwohl sie nur aufgrund eines freien Dienstvertrages für den Beklagten tätig wird.

c) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß § 613 Satz 2 BGB der Verbindlichkeit einer dem Kläger erteilten Weisung nicht entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch auf Dienstleistung im Zweifel nicht übertragbar. Eine solche Übertragung findet jedoch hier nicht statt. Der Beklagte hat den Ärzten die Durchführung der Studie ausdrücklich gestattet; er hat die Verwendung des Mittels im Rahmen des klinischen Prüfungsverfahrens im Betrieb zugelassen und den eigenen Arbeitnehmern - insbesondere also auch dem Kläger - ausdrücklich die Anordnung erteilt, den Anweisungen zur Verwendung dieses Mittels Folge zu leisten. Damit hat er - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht feststellt - die Durchführung der Studie in den eigenen Betriebszweck aufgenommen. Wenn der Kläger weisungsgemäß ein entsprechendes Medikament verabreicht, erfüllt er seine Arbeitspflicht gegenüber dem Beklagten. Es gehört zum Betriebszweck, kranken Patienten durch Verabreichung der erforderlichen Medikamente zu helfen. Für die arbeitsvertragliche Tätigkeit des Dialysepflegers ist es unerheblich, aus welchem Grund statt eines bisher verwandten Medikaments ein anderes verabreicht wird. Seine gegenüber dem Beklagten geschuldete Arbeitsleistung ändert sich nicht dadurch, daß das Ergebnis dieser Arbeitsleistung im Einvernehmen mit dem Beklagten auch von "Dritten" zu eigenen Zwecken genutzt wird.

Der Kläger erbringt auch keine zusätzlichen Leistungen. Die Durchführung etwa von Studien, die in keinem medizinischen Zusammenhang mit der Behandlung wegen einer Nierenkrankheit stünden, sondern nur gelegentlich des Aufenthalts der Patienten in der Dialysestation durchgeführt werden, ist nicht Streitgegenstand. Soweit der Kläger die Führung von Listen und die Befragung von Patienten angesprochen hat, verweist das Landesarbeitsgericht zu Recht darauf, daß beides zu den Aufgaben gehört, die ein Krankenpfleger bei Verabreichung eines Medikaments wahrnehmen muß. Auch insoweit handelt es sich letztlich um Leistungen für den Beklagten. Dieser hat als Arbeitgeber ein eigenes Interesse daran, die Auswirkungen eines mit seiner Zustimmung im klinischen Bereich verwandten Medikaments zu kennen. Die dem Kläger erteilten Weisungen geben dessen vorgesetzte Ärzte auch im Rahmen einer solchen Prüfung nicht aus eigenem Recht, sondern nur aus dem von dem Beklagten abgeleiteten Weisungsrecht. Soweit sie darüber hinaus ein eigenes Interesse an der Verabreichung gerade dieses Medikaments haben, berührt das die Arbeitsleistung des Klägers nicht. Er bleibt nur gegenüber dem Beklagten verpflichtet und erbringt auch nur ihm gegenüber Arbeitsleistungen.

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß der Kläger sich auch nicht auf kollektivrechtliche Gründe stützen kann.

a) Es spricht viel dafür, daß der Kläger sich schon deshalb nicht auf ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG berufen kann, weil ein solches Recht in einem zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin geführten Beschlußverfahren bereits rechtskräftig verneint worden ist (ArbG Mainz Beschluß vom 13. Februar 1995 - 2 BV 3447/94 -).

aa) Allerdings ist der rechtliche Ausgangspunkt des Klägers insoweit zutreffend. Mißachtet ein Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 BetrVG, so führt dies in der Tat im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Unwirksamkeit von Maßnahmen und Rechtsgeschäften jedenfalls insoweit, wie diese den Arbeitnehmer belasten. Diese Unwirksamkeitsfolge soll verhindern, daß der Arbeitgeber dem kollektivrechtlichen Einigungszwang durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht. Die Rechtsunwirksamkeit von arbeitsvertraglichen Maßnahmen ist zugleich eine Sanktion dafür, daß der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt (vgl. nur BAG, Großer Senat, Beschluß vom 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - BAGE 69, 134 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu D II der Gründe).

bb) Jedoch ist das Recht des Arbeitnehmers, die Unwirksamkeit einer ihm gegenüber erteilten Anweisung nicht nur auf individualvertragliche Gründe, sondern auch auf die unterbliebene Beteiligung des Betriebsrats zu stützen, nur eine mittelbare Folge der Verletzung eines Mitbestimmungsrechts. Wird aber in einem Rechtsstreit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber rechtskräftig festgestellt, daß ein solches Mitbestimmungsrecht gar nicht besteht, gilt diese Feststellung auch für die einzelvertraglichen Folgen. Arbeitnehmer können sich gegenüber Maßnahmen des Arbeitgebers dann nicht weiterhin auf die angebliche Verletzung eines Mitbestimmungsrechts berufen. Insoweit hat das Beschlußverfahren präjudizielle Wirkung (so auch Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 84 Rz 27; Leinemann/Senne, GK-ArbGG, Stand 12/97, § 84 Rz 32; Dütz, FS Gnade (1992), S. 487, 499; Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 429; Krause, Rechtskrafterstreckung im kollektiven Arbeitsrecht, S. 443 ff.; Otto, RdA 1989, 247, 254; Rieble, Anm. zu BAG EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59; vgl. zur Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen im Beschlußverfahren gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer auch Senatsurteil vom 10. November 1987 - 1 AZR 360/86 - BAGE 56, 304 = AP Nr. 15 zu § 113 BetrVG 1972; ferner: BAG Urteil vom 17. Februar 1992 - 10 AZR 448/91 - BAGE 69, 367 = AP Nr. 1 zu § 84 ArbGG 1979). Andernfalls bestünde die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Käme ein Gericht im Individualverfahren eines einzelnen Arbeitnehmers zu der Überzeugung, daß doch ein Mitbestimmungsrecht bestünde und die angeordnete Maßnahme deshalb unwirksam sei, könnte der Arbeitgeber diese Unwirksamkeitsfolge nur beseitigen, indem er ein Beteiligungsverfahren durchführt, obwohl ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht im Beschlußverfahren gerade verneint worden ist. Dabei wäre auch nicht auszuschließen, daß es bei mehreren Individualverfahren wiederum zu unterschiedlichen Ergebnissen käme. Bereits diese Ungereimtheiten verlangen eine Bindung des Individualverfahrens an die zwischen den Betriebspartnern getroffene rechtskräftige Feststellung.

Nur dies entspricht auch dem Sinn der betriebsverfassungsrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzung. Die Unwirksamkeit der Individualmaßnahme soll eine Sanktion auf die Verletzung von Mitbestimmungsrechten sein und den Arbeitgeber anhalten, den Betriebsrat ordnungsgemäß zu beteiligen. Sind Bestand und Inhalt eines solchen Mitbestimmungsrechts zwischen den Betriebspartnern aber streitig, kann dieser Streit nach ständiger Senatsrechtsprechung im Beschlußverfahren mit Hilfe eines allgemeinen Feststellungsantrags geklärt werden (vgl. nur Senatsbeschluß vom 22. April 1997 - 1 ABR 77/96 - AP Nr. 88 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B I der Gründe). Führt ein solches Verfahren zum Ergebnis, daß ein Mitbestimmungsrecht nicht besteht und damit vom Arbeitgeber auch nicht verletzt werden kann, gibt es keinen Anlaß mehr für Sanktionen, die einzelnen Arbeitnehmern im Interesse der Durchsetzung der Mitbestimmung Rechte einräumen.

Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat allerdings in seinem Urteil vom 15. Januar 1987 (6 AZR 589/84 - AP Nr. 21 zu § 75 BPersVG) angenommen, die ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei Kürzung von Essenszuschüssen verneinende verwaltungsgerichtliche Entscheidung erzeuge keine Bindungswirkung im anschließenden Verfahren eines Arbeitnehmers auf Weiterzahlung des Zuschusses. Da die Beteiligten der beiden Verfahren nicht identisch seien, schließe die Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine erneute Entscheidung über das Bestehen von Mitwirkungsrechten des Personalrats nicht aus (aaO, zu III 1 der Gründe, wobei der Senat ein Mitbestimmungsrecht gleichfalls verneint hat). Soweit danach auch für die hier zu beurteilende etwas andere betriebsverfassungsrechtliche Konstellation eine Bindungswirkung zu verneinen wäre, könnte der erkennende Senat dem nicht folgen (ablehnend etwa auch Krause, aaO, S. 446 f.; Otto, RdA 1989, 247, 254; Rieble, Anm. zu EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59). Der Umstand allein, daß der Arbeitnehmer an dem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geführten Beschlußverfahren nicht beteiligt war, steht angesichts seiner nur abgeleiteten Rechtsposition sowie der Notwendigkeit einer einheitlichen Beurteilung des Mitbestimmungsrechts einer Bindungswirkung nicht entgegen.

cc) Eine insoweit möglicherweise bestehende Divergenz bleibt jedoch im Streitfall ohne Auswirkung. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, inwieweit der Senat als für Fragen des materiellen Betriebsverfassungsrechts allein zuständig an eine solche abweichende Auffassung gebunden wäre. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich eine Bindungswirkung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses nicht in Erwägung gezogen, sondern selbst geprüft, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht; es hat sich folgerichtig auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die zu beurteilende Arbeitgeberweisung vom Streitgegenstand des Beschlußverfahrens erfaßt wird. Der Senat sieht sich daher gehindert, tragend auf die Bindungswirkung des Beschlusses abzustellen. Den Parteien müßte zunächst hierzu rechtliches Gehör gewährt werden.

b) Einer Zurückverweisung der Sache bedarf es dennoch nicht. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich im Ergebnis zu Recht und insoweit in Übereinstimmung mit der rechtskräftigen Feststellung im Beschlußverfahren angenommen, daß dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht zustand.

aa) Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist dabei zu unterscheiden zwischen mitbestimmungspflichtigem Ordnungsverhalten und mitbestimmungsfreiem Arbeitsverhalten. Letzteres betrifft alle Weisungen, die bei der Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten sind. Das Arbeitsverhalten ist berührt, wenn der Arbeitgeber kraft seiner Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Mitbestimmungsfrei sind danach Anordnungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird. Hingegen betreffen Anordnungen, die dazu dienen, das sonstige Verhalten der Arbeitnehmer zu koordinieren, die Ordnung des Betriebes (vgl. zuletzt etwa Senatsbeschluß vom 21. Januar 1997 - 1 ABR 53/96 - AP Nr. 27 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, zu B I 1 der Gründe).

bb) Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat zu Recht angenommen, daß es im Streitfall allein um das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten geht. Mit der Weisung, ein bestimmtes Medikament zu verabreichen, wird die Arbeitsleistung des Klägers konkretisiert. Die Weisung erteilen diejenigen Personen, die ihm gegenüber weisungsberechtigt sind, weil sie vom Arbeitgeber hierzu ermächtigt wurden. Wie schon unter 1. dargelegt, handelt es sich um eine nach dem Betriebszweck des Beklagten erforderliche Leistung. Der vorliegende Sachverhalt ist entgegen der Auffassung der Revision mit der Durchführung eines Sicherheitswettbewerbs im Betrieb nicht vergleichbar (Senatsbeschluß vom 24. März 1981 - 1 ABR 32/78 - BAGE 35, 150 = AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit). Ebensowenig ist die Entscheidung zur Durchführung von Krankengesprächen einschlägig (Senatsbeschluß vom 8. November 1994 - 1 ABR 22/94 - BAGE 78, 224 = AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes). Weder im einen noch im anderen Fall ging es um Weisungen, durch die die Arbeitsleistung selbst unmittelbar konkretisiert wurde.

c) Die streitigen Weisungen führen auch nicht zu einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG i.V.m. § 99 BetrVG. Danach ist eine Versetzung die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs dann vor, wenn dem Arbeitnehmer neue Tätigkeiten zugewiesen werden, so daß sich der Gegenstand der geforderten Arbeitsleistung und das Gesamtbild des Tätigkeitsbereichs ändern (vgl. zuletzt etwa Senatsurteil vom 2. April 1996 - 1 AZR 743/95 - AP Nr. 34 zu § 95 BetrVG 1972).

Diese Voraussetzungen sind in keiner Weise erfüllt. Der Arbeitsbereich des Klägers ändert sich überhaupt nicht. Für das Gesamtbild seiner Tätigkeit ist es gleichgültig, welches Medikament der Kläger verabreicht. Die Arbeitsleistung dient auch nach wie vor dem Beklagten selbst und ist zur Betreuung der von ihm aufgenommenen Patienten erforderlich.



Ende der Entscheidung

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