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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.11.2003
Aktenzeichen: 10 AZR 110/03
Rechtsgebiete: InsO, BetrAVG, BGB, BRTV-Bau
Vorschriften:
InsO § 129 | |
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1 | |
InsO § 143 Abs. 1 | |
InsO § 146 Abs. 1 | |
BetrAVG § 1b | |
BetrAVG § 30f | |
BGB §§ 202 ff. aF | |
BRTV-Bau § 16 |
2. Dieser Anspruch des Insolvenzverwalters unterfällt keiner tarifvertraglichen Ausschlußfrist.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 19. November 2003
In Sachen
hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Freitag, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Marquardt sowie die ehrenamtlichen Richter Hermann und Ohl für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 12. Dezember 2002 - 1 Sa 351/02 - wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Rückgewähranspruch der Klägerin als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der F Hochbaugesellschaft mbH (im folgenden: Insolvenzschuldnerin) im Zuge der Insolvenzanfechtung.
Der am 16. Januar 1958 geborene Beklagte war seit 1993 bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981 idF vom 13. November 1998 Anwendung (im folgenden: BRTV). Dieser Tarifvertrag enthält ua. folgende Vorschrift:
"§ 16
Ausschlußfristen
1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. ..."
Unter dem 6. Dezember 1993 hat die Insolvenzschuldnerin für den Beklagten eine von ihr finanzierte Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall als Direktversicherung mit einem eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht abgeschlossen. Das Bezugsrecht wurde folgendermaßen geregelt:
"Bezugsrecht
Die versicherte Person ist sowohl für den Todes- als auch für den Erlebensfall unter den nachstehenden Vorbehalten unwiderruflich bezugsberechtigt. Das Bezugsrecht ist nicht übertragbar und nicht beleihbar.
Dem Arbeitgeber bleibt das Recht vorbehalten,
- alle Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen,
- wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles endet, es sei denn
- die versicherte Person hat das 35. Lebensjahr vollendet und die Versicherung hat zehn Jahre bestanden oder
- die versicherte Person hat das 35. Lebensjahr vollendet und das Arbeitsverhältnis hat zwölf Jahre und die Versicherung drei Jahre bestanden,
- wenn die versicherte Person Handlungen begeht, die dem Arbeitgeber das Recht geben, die Versicherungsansprüche zu mindern oder zu entziehen,
- während der Dauer des Arbeitsverhältnisses mit Zustimmung der versicherten Person nach Maßgabe der Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine Vorauszahlung auf die Versicherungsleistung in Anspruch zu nehmen, wobei der Arbeitgeber die bezugsberechtigte Person bei Eintritt des Versicherungsfalles jedoch so stellt, als ob die Vorauszahlung nicht erfolgt wäre.
Vorzeitiges Ausscheiden
Hat die versicherte Person eine unverfallbare Anwartschaft nach den Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung und scheidet sie aus den Diensten des Arbeitgebers aus, so überläßt der Arbeitgeber, wenn er die Anwendung des Par. 2 Abs. 2 dieses Gesetzes verlangt, der versicherten Person die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers. ..."
Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Insolvenzschuldnerin hat am 31. März 1999 durch fristlose Eigenkündigung des Beklagten sein Ende gefunden. Am 6. April 1999 übertrug die Insolvenzschuldnerin die Rechte aus der Versicherung auf den Beklagten. Am 16. April 1999 stellte der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin Insolvenzantrag. Mit Beschluß des Amtsgerichts Neuruppin vom 1. Juni 1999 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin als Insolvenzverwalterin eingesetzt. Mit Schriftsatz vom 5. August 1999 forderte die Klägerin den Beklagten auf, die Versicherung zurückzuübertragen. Mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 16. August 1999 lehnte dieser eine Rückübertragung ab. Der Beklagte kündigte zwischenzeitlich den Versicherungsvertrag und erhielt von der Versicherung 3.798,49 Euro (7.429,20 DM).
Die Klägerin beantragte beim Amtsgericht Neuruppin am 30. September 2000 Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Rückübertragung der Versicherung. Nach Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Neuruppin wurde der Klägerin mit Beschluß des Arbeitsgerichts vom 30. August 2001 Prozeßkostenhilfe bewilligt. Die Klägerin erhob daraufhin mit beim Arbeitsgericht am 10. September 2001 eingegangenem Schriftsatz Klage und widerrief gleichzeitig das Bezugsrecht des Beklagten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß die Ausschlußfrist des § 16 BRTV auf den geltend gemachten Rückgewähranspruch nicht anwendbar sei. Bei diesem Anspruch handle es sich weder um einen solchen aus dem Arbeitsverhältnis noch um einen damit in Verbindung stehenden. Er folge allein aus den insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften. Rechtsgrundlage sei die anfechtbare Rechtshandlung der Insolvenzschuldnerin. Die Anwendung tarifvertraglicher Ausschlußfristen auf diesen Anspruch würde zu einer Umgehung der für die Geltendmachung vorgesehenen Fristen der Insolvenzordnung führen. Die Folge wäre eine von der Insolvenzordnung nicht vorgesehene Bevorzugung von durch anfechtbare Rechtshandlungen begünstigten Arbeitnehmern gegenüber anderen Insolvenzgläubigern. Auch die Einrede der Verjährung greife nicht. Auf die Verjährungsvorschrift des § 146 InsO seien die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung anzuwenden. Danach habe die Einreichung des Prozeßkostenhilfeantrages die Hemmung der Verjährung nach § 203 BGB aF bewirkt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.798,49 Euro zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, der erhobene Anspruch sei gemäß § 16 BRTV verfallen. Entscheidend sei, daß dieser einen arbeitsrechtlichen Bezug habe. Letztlich leite er sich aus dem BetrAVG und dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Insolvenzschuldnerin ab. Die Nichtanwendbarkeit der Ausschlußfrist könne auch nicht mit dem Argument begründet werden, daß der Insolvenzverwalter der Sachwalter der Gläubigerinteressen sei. Es sei nämlich in der Rechtsprechung anerkannt, daß sich dieser als solcher ebenfalls auf tarifliche Ausschlußfristen berufen könne. Die Klägerin habe sowohl die erste als auch die zweite Stufe der Ausschlußfrist des § 16 BRTV versäumt. Unabhängig davon habe die Klägerin auch die Frist des § 146 InsO nicht eingehalten. Auf die Anfechtung finde mangels einer anderen Regelung § 143 BGB direkt Anwendung. Demnach sei die Anfechtungserklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner abzugeben und nicht gegenüber dem Gericht. Die Vorschrift des § 203 BGB aF finde deshalb keine Anwendung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
A. Die Revision des Beklagten ist zulässig. Zwar sind von der Revisionsbegründung vom 21. März 2003 innerhalb der Begründungsfrist nur die Seiten 1 und 4 per Fax beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Die Seite 1 enthielt jedoch den Antrag und die Seite 4 die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten. Als Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm und Auseinandersetzung mit dem anzufechtenden Urteil iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a ZPO reicht der erste Absatz auf Seite 4 gerade noch aus.
B. Die Revision des Beklagten ist aber unbegründet. Er ist verpflichtet, den erhaltenen Rückkaufwert aus der Direktversicherung der Insolvenzmasse zuzuführen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat in der Übertragung der Versicherung auf den Beklagten eine nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung gesehen. Mit dieser Übertragung seien die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin benachteiligt und dem Beklagten sei eine Befriedigung gewährt worden, auf die er keinen Anspruch gehabt habe. Die Rechte aus der Versicherung hätten zum Vermögen der Insolvenzschuldnerin iSv. § 35 InsO gehört, und die Anwartschaft des Beklagten auf Leistungen aus der Betriebsrentenzusage sei bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht unverfallbar gewesen. Durch die erfolgte Übertragung sei der Insolvenzschuldnerin die Möglichkeit verloren gegangen, ihrerseits die Versicherung zu kündigen und den Rückkaufwert einzuziehen. Die Übertragung sei auch innerhalb der Frist des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfolgt. Die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe des durch die Kündigung der Versicherung Erlangten folge deshalb aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 BGB. Der geltend gemachte Anspruch scheitere auch nicht an der Nichteinhaltung der Ausschlußfrist des § 16 BRTV. Diese tarifliche Ausschlußfrist sei auf Ansprüche des Insolvenzverwalters aus § 143 Abs. 1 InsO nicht anwendbar, weil diese weder aus dem Arbeitsverhältnis resultierten noch mit diesem in Verbindung stünden. Es handle sich insoweit um eigenständige, vom Rechtsgrund des ursprünglichen Schuldverhältnisses unabhängige Ansprüche aus einem gesetzlichen Rückgewähr-Schuldverhältnis. Seine Wurzeln habe dieses allein im Insolvenzrecht. Eine Verjährung des Anspruchs sei ebenfalls nicht eingetreten, weil mit dem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe vor Ablauf der Verjährungsfrist diese Frist bis zur Rechtskraft der Entscheidung über das Gesuch gehemmt gewesen sei. Auch Verwirkung liege nicht vor. Hierzu fehle es sowohl am Zeitmoment als auch am Umstandsmoment.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung.
1. Bei dem streitigen Anspruch handelt es sich um einen schuldrechtlichen Rückgewähr- oder Verschaffungsanspruch, der auf Grund der Insolvenzeröffnung als gesetzliches Schuldverhältnis entstanden ist (BGH 11. Januar 1990 - IX ZR 27/89 - LM EGÜbk Nr. 27; 1. Dezember 1988 - IX ZR 112/88 - ZIP 1989, 48; KG 22. März 1996 - 7 W 660/96 - ZIP 1996, 1097; Smid InsO 2. Aufl. § 143 Rn. 1).
Die Voraussetzungen einer wirksamen Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO liegen vor. Die Insolvenzschuldnerin hat am 6. April 1999 ihre Rechte als Versicherungsnehmerin aus dem Versicherungsvertrag an den Beklagten abgetreten (§§ 398 ff. BGB). Dies hat dem Beklagten eine Rechtsposition und damit eine Befriedigung iSv. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO verschafft, die er zu dieser Zeit nicht zu beanspruchen hatte. Zwar hatte der Beklagte das 35. Lebensjahr vollendet, die Versicherung bestand aber weder zehn Jahre noch bestand das Arbeitsverhältnis zwölf Jahre. Deshalb hatte der Beklagte keine unverfallbare Anwartschaft nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (§§ 1b, 30f BetrAVG). Gemäß der Vereinbarung über das Bezugsrecht hatte vielmehr bis zu der Übertragung die Insolvenzschuldnerin das Recht, alle Versicherungsleistungen aus dem Versicherungsvertrag für sich in Anspruch zu nehmen. Die Abtretung benachteiligte die Insolvenzgläubiger, weil die Insolvenzschuldnerin damit ihr Vermögen in Höhe des Rückkaufwertes der Versicherung schmälerte und der Insolvenzmasse entzog. Die Insolvenzverwalterin hat nun nicht mehr die Möglichkeit, ihrerseits die Versicherung zu kündigen und den Rückkaufwert der Insolvenzmasse zuzuführen. Die Abtretung durch die Insolvenzschuldnerin zehn Tage vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt den Tatbestand einer inkongruenten Befriedigung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO (vgl. auch Westhelle/Micksch ZIP 2003, 2059). Eine solche Rechtshandlung kann ohne weitere Voraussetzungen angefochten werden. Es kommt dabei weder darauf an, ob die Insolvenzschuldnerin am 6. April 1999 zahlungsunfähig oder überschuldet war, noch darauf, ob der Beklagte hiervon Kenntnis hatte oder nicht (Henckel Insolvenzanfechtung in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung 2. Aufl. S. 813, 828 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte InsO 12. Aufl. § 131 Rn. 2 ff., 28 ff.; Weis in Hess/Weis/Wienberg InsO 2. Aufl. § 131 Rn. 67 ff.). Der Beklagte war deshalb gemäß § 143 Abs. 1 InsO verpflichtet, die erworbenen Forderungen aus dem Versicherungsvertrag rückabzutreten. Nunmehr hat er gemäß § 143 Abs. 1 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 BGB in Höhe des Rückkaufwertes Wertersatz zu leisten (BGH 21. Januar 1999 - IX ZR 329/97 - ZIP 1999, 406; in FK-InsO/Dauernheim 3. Aufl. § 143 Rn. 1, 4).
2. Der Anfechtungsanspruch ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht verjährt.
a) Auf die Verjährung des Anfechtungsanspruchs sind die Verjährungsregeln der §§ 202 - 225 BGB aF unmittelbar und uneingeschränkt anwendbar (Henckel Insolvenzanfechtung in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung 2. Aufl. S. 813, 852 Rn. 91; Kübler/Prütting/Paulus InsO Stand September 2003 § 146 Rn. 4; Weis in Hess/Weis/Wienberg InsO 2. Aufl. § 146 Rn. 3 und 11). Die insolvenzrechtliche Anfechtung erfordert keine Gestaltungserklärung. Sie ist vielmehr die gerichtliche Geltendmachung der Rechtsfolge des § 143 Abs. 1 InsO. Diese besteht darin, daß ein Gegenstand, der ohne die anfechtbare Handlung zur Insolvenzmasse gehören würde, zum Zweck der Verwertung durch den Insolvenzverwalter der Masse wieder zugeführt werden muß. Erforderlich sind nur ein bestimmter Klageantrag und der Vortrag des diesen Antrag rechtfertigenden Sachverhalts. Nicht erforderlich ist dagegen, daß die Klägerin ausdrücklich oder stillschweigend gegenüber dem Beklagten die Anfechtung erklärt oder sich auf § 143 Abs. 1 InsO als Rechtsgrundlage beruft. In § 146 InsO kommt dies in dem Begriff "Anfechtungsanspruch" zum Ausdruck. Die Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff. InsO hat somit wegen der unterschiedlichen Zweckrichtungen und den grundverschiedenen Voraussetzungen und Rechtsfolgen mit der Anfechtung nach den §§ 119 ff. BGB nichts gemein. Die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnende Frist des § 146 Abs. 1 InsO kann vielmehr grundsätzlich nur durch Klage oder Widerklage gewahrt werden (BGH 20. März 1997 - IX ZR 71/96 - BGHZ 135, 140, 149 f.; FK-InsO/Dauernheim 3. Aufl. § 129 Rn. 6, 11, § 146 Rn. 6; Nerlich in Nerlich/Römermann InsO Stand Juli 2003 § 143 Rn. 73 ff.; Weis aaO § 143 Rn. 125 ff.; Uhlenbruck/Hirte InsO 12. Aufl. § 129 Rn. 6).
b) Die Verjährungsfrist wird durch einen ordnungsgemäß begründeten und vollständigen Antrag auf Prozeßkostenhilfe nach Maßgabe des § 203 BGB aF gehemmt. Das Gesuch muß allerdings einen Sachverhalt, der die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes erfüllt, hinreichend erkennen lassen. In einem solchen Fall dauert die mit der rechtzeitigen Einreichung des Prozeßkostenhilfegesuchs eingetretene Hemmung der Verjährung grundsätzlich fort, bis die bedürftige Partei nach der Entscheidung über den Antrag bei angemessener Sachbehandlung in der Lage ist, ordnungsgemäß Klage zu erheben (BGH 22. März 2001 - IX ZR 407/98 - LM KO § 41 Nr. 26; 21. März 2000 - IX ZR 138/99 - ZIP 2000, 898; FK-InsO/Dauernheim § 146 Rn. 8).
So liegt es hier. Das Insolvenzverfahren ist am 1. Juni 1999 eröffnet worden. Die Verjährungsfrist wäre damit am 1. Juni 2001 abgelaufen (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ging aber beim Amtsgericht Neuruppin bereits am 30. September 2000 ein. Das Gesuch um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe der Klägerin ließ auch einen Sachverhalt erkennen, der die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes erfüllt. Insbesondere der dem Gesuch beigefügte Klageentwurf enthielt Tatsachen, die die Erfüllung des Tatbestandes des § 131 InsO erkennen lassen. Gemäß § 203 Abs. 1 BGB aF, der die Dauer der Hemmung auf maximal sechs Monate beschränkt, begann die Hemmung am 2. Dezember 2000 und hat bis zum 1. Juni 2001 angedauert, weil die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Prozeßkostenhilfeantrag erst am 30. August 2001 erging. Mit der beim Arbeitsgericht am 10. September 2001 eingereichten Klageschrift hat die Klägerin mithin den Anfechtungsanspruch rechtzeitig geltend gemacht, weil die Verjährungsfrist um die Hemmungszeit zu verlängern ist (§ 205 BGB aF).
3. Der Anspruch der Klägerin scheitert auch nicht an der tariflichen Ausschlußfrist des § 16 BRTV. Gemäß § 1 Abs. 1 TVG erstreckt sich die normative Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien nur auf den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie die Ordnung betrieblicher und betriebsverfassungsrechtlicher Fragen.
Die §§ 129 ff. InsO begründen demgegenüber ein gesetzliches Schuldverhältnis ohne jede Rücksicht auf ein in der Insolvenz fortbestehendes Arbeitsverhältnis oder ein früheres Arbeitsverhältnis zum Insolvenzschuldner. Insoweit wird, soweit ersichtlich ohne Gegenstimmen, in der Literatur die Anwendbarkeit tariflicher Ausschlußfristen verneint (vgl. Huber EWiR 2000, 177; MünchKommInsO-Kirchhof § 146 Rn. 5; Smid InsO 2. Aufl. § 146 Rn. 4). Dem schließt sich der Senat an, denn ein derartiges gesetzliches Schuldverhältnis steht außerhalb der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts, der in seinem Urteil vom 18. Dezember 1984 (- 1 AZR 588/82 - BAGE 47, 343, 348 ff.) die Anwendbarkeit tarifvertraglicher Ausschlußfristen auf die Geltendmachung von Konkursforderungen durch die Arbeitnehmer verneint hat. Dazu kommt, daß die Vorgängervorschriften von § 146 InsO, nämlich § 41 Abs. 1 KO und § 10 Abs. 2 GesO, als Ausschlußfristen ausgestaltet waren. Als solche gingen sie tariflichen Ausschlußfristen vor (vgl. auch LAG Hamm 26. November 1997 - 14 Sa 1240/97 - ZIP 1998, 920). Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber daran etwas ändern wollte, indem er mit § 146 InsO zu einer Verjährungsfrist überging. Soweit sich der Beklagte demgegenüber auf das Urteil des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Oktober 2002 (- 8 AZR 8/02 - AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 169 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 158, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) beruft, ist dies nicht geeignet, ein abweichendes Ergebnis zu begründen, weil dieses Urteil sich nicht auf gesetzliche Schuldverhältnisse bezieht, die die Insolvenzordnung zwischen Gläubigern und dem Insolvenzverwalter normiert, ohne daß der Insolvenzverwalter gerade auch in seiner Arbeitgeberfunktion und die Gläubiger gerade auch als Arbeitnehmer Normadressaten sind.
4. Der streitige Anspruch ist schließlich auch nicht verwirkt. Angesichts des Schreibens der Klägerin vom 5. August 1999 mit der Aufforderung an den Beklagten, die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zurückzuübertragen, fehlt es sowohl am erforderlichen Zeitmoment als auch am Umstandsmoment.
C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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