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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 28.05.2008
Aktenzeichen: 10 AZR 265/07
Rechtsgebiete: SächsHG, SHMG, BAT-O, TV Zuwendung Ang-O, Protokollnotizen 1 bis 3
Vorschriften:
SächsHG in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung § 50 | |
SHMG Art. 1 | |
SHMG Art. 6 | |
UKG § 11 | |
BAT-O § 58 | |
TV Zuwendung Ang-O § 1 | |
Protokollnotizen 1 bis 3 zu § 1 TV Zuwendung Ang-O |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 28. Mai 2008
In Sachen
hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Freitag, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Marquardt, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Brühler sowie die ehrenamtlichen Richter Schlegel und Petri für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 17. November 2006 - 2 Sa 753/05 - aufgehoben.
2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 24. Juni 2005 - 15 Ca 3403/04 - wird zurückgewiesen.
3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Revision und der Berufung zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung einer tariflichen Zuwendung.
Der Beklagte war seit dem 1. November 1999 beim Kläger an der Universität Leipzig als Oberarzt beschäftigt. In § 1 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 5. November 1999 ist der Kläger als Angestellter iSd. § 50 SächsHG bezeichnet. Gemäß § 2 Satz 1 des Vertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung.
Der Kläger zahlte dem Beklagten für das Jahr 2002 gemäß dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 10. Dezember 1990 (TV Zuwendung Ang-O) eine Zuwendung iHv. 4.494,24 Euro netto. In einem Schreiben vom 16. Januar 2003 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er mit Wirkung zum 1. Januar 2003 mit dem Universitätsklinikum Leipzig einen Anstellungsvertrag außerhalb des Regelwerkes des BAT-O abgeschlossen hat.
Der Kläger hatte das Universitätsklinikum Leipzig zum 1. Juli 1999 als Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet. Einzelheiten regelte das Universitätsklinika-Gesetz (UKG), das als Art. 1 des Gesetzes über die Hochschulmedizin im Freistaat Sachsen (Sächsisches Hochschulmedizingesetz - SHMG) vom 6. Mai 1999 verkündet worden war. In § 11 UKG heißt es:
"§ 11 Personal
(1) Mit In-Kraft-Treten dieses Gesetzes werden das sonstige Personal im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 4 SHG im Angestelltenverhältnis, die Arbeiter und die Auszubildenden beim bisherigen Universitätsklinikum mit Ausnahme der in der Anlage aufgeführten theoretischen Institute Arbeitnehmer und Auszubildende des Universitätsklinikums nach § 1 Abs. 1. Dieses tritt in die Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse ein. ...
(2) Das wissenschaftliche Personal im Sinne des § 48 Satz 1 SHG verbleibt bei der Hochschule. ...
(3) ...
(4) ...
(5) Für die Beschäftigten des bisherigen Universitätsklinikums gilt das geltende Tarifrecht des öffentlichen Dienstes der neuen Bundesländer in der jeweils geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 2002 weiter. Danach gilt das zu diesem Zeitpunkt gültige Tarifrecht des öffentlichen Dienstes der neuen Bundesländer bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages einzelvertraglich weiter. Das Universitätsklinikum kann zur Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Tarifverträge abschließen. ...
(6) Bei einem unmittelbaren Wechsel eines Arbeitnehmers zwischen Universität und Universitätsklinikum sind die zurückgelegten Beschäftigungszeiten gegenseitig so anzurechnen, als ob sie bei der jeweiligen Einrichtung selbst zurückgelegt worden wären.
(7) ..."
Nachdem der Beklagte am 21. Januar 2003 schriftlich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragt hatte, schlossen die Parteien am 23. Januar 2003 gemäß § 58 BAT-O einen Auflösungsvertrag, wobei sie ihr Arbeitsverhältnis rückwirkend zum 31. Dezember 2002 aufhoben. Danach verlangte der Kläger vom Beklagten ohne Erfolg die Rückzahlung der von ihm für das Jahr 2002 geleisteten Zuwendung. Im TV Zuwendung Ang-O heißt es:
"§ 1 Anspruchsvoraussetzungen
(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er
1. am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und nicht für den ganzen Monat Dezember ohne Vergütung zur Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit beurlaubt ist und
2. seit dem 1. Oktober ununterbrochen als Angestellter, Arbeiter, Beamter, Richter, Soldat auf Zeit, Berufssoldat, Arzt im Praktikum, Auszubildender, Praktikant, Schüler/Schülerin in der Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Krankenpflegehilfe oder Hebammenschülerin/Schüler in der Entbindungspflege im öffentlichen Dienst gestanden hat oder im laufenden Kalenderjahr insgesamt sechs Monate bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis gestanden hat oder steht und
3. nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.
(2) Der Angestellte, dessen Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des 30. November endet und der mindestens vom Beginn des Kalenderjahres an ununterbrochen in einem Rechtsverhältnis der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Art im öffentlichen Dienst gestanden hat, erhält eine Zuwendung,
1. wenn er wegen
...
3. wenn er wegen
a) eines mit Sicherheit erwarteten Personalabbaues,
b) einer Körperbeschädigung, die ihn zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unfähig macht,
c) einer in Ausübung oder infolge seiner Arbeit erlittenen Gesundheitsschädigung, die seine Arbeitsfähigkeit für längere Zeit wesentlich herabsetzt, oder
...
gekündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat,
...
(3) ...
(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und des Absatzes 3 Satz 1 letzter Halbsatz wird die Zuwendung auch gezahlt, wenn
1. der Angestellte im unmittelbaren Anschluss an sein Arbeitsverhältnis von demselben Arbeitgeber oder von einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in ein Rechtsverhältnis der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Art übernommen wird,
2. ...
3. ...
(5) Hat der Angestellte in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 oder des Absatzes 3 Satz 1 letzter Halbsatz die Zuwendung erhalten, so hat er sie in voller Höhe zurückzuzahlen, wenn nicht eine der Voraussetzungen des Absatzes 4 vorliegt.
Protokollnotizen:
1. ...
2. Öffentlicher Dienst im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2, des Absatzes 2 Satz 1 und des Absatzes 4 Nr. 1 ist eine Beschäftigung
a) ...
b) bei einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts, die den BAT, den BAT-O oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen
Inhalts anwendet.
3. ..."
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe die tarifliche Zuwendung für das Jahr 2002 zurückzuzahlen, weil er auf eigenen Wunsch bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Der Beklagte sei beim Universitätsklinikum Leipzig nicht mehr im öffentlichen Dienst iSd. TV Zuwendung Ang-O beschäftigt.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 4.494,24 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2003 zu zahlen.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, er sei nicht auf eigenen Wunsch ausgeschieden. Der Arbeitgeberwechsel habe auf Umstrukturierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Überführung des Universitätsklinikums Leipzig in die Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts beruht. Der Auflösungsvertrag sei notwendig gewesen, weil ein gesetzlicher Übergang nach dem UKG nicht das wissenschaftliche Personal erfasst habe. Die Gründe für den Arbeitsplatzwechsel hätten in der Sphäre des Klägers gelegen. Sein Anspruch auf die Zuwendung ergebe sich auch aus § 1 Abs. 4 Nr. 1 TV Zuwendung Ang-O. Das Universitätsklinikum Leipzig sei ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes. Einer Rückforderung der Zuwendung stehe zudem § 11 Abs. 6 UKG entgegen. Mit der in dieser Bestimmung geregelten Anrechnung von Beschäftigungszeiten habe der Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass den Mitarbeitern durch einen Wechsel von der Universität zum Universitätsklinikum keine Nachteile entstehen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Beklagte sei weder aus seinem Verschulden noch auf eigenen Wunsch ausgeschieden. Der Auflösungsvertrag sei für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht ursächlich gewesen. Das Universitätsklinikum Leipzig sei kraft Gesetzes im Wege einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis der Parteien eingetreten. Die Neuregelung der Arbeitsbedingungen habe zwar zu einer Besserstellung des Beklagten geführt. Dies sei jedoch kein Umstand, der nach der tariflichen Regelung die Rückzahlungspflicht auslöse. Die Errichtung des Universitätsklinikums Leipzig und der Übergang des Arbeitsverhältnisses beruhten auf gesetzlichen Regelungen, die dem Beklagten nicht einmal die Möglichkeit eines Widerspruchs gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses eingeräumt hätten.
II. Diese rechtsfehlerhaften Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Der Beklagte hat gemäß § 1 Abs. 5 iVm. Abs. 1 Nr. 3 TV Zuwendung Ang-O die ihm für das Jahr 2002 gewährte tarifliche Zuwendung an den Kläger zurückzuzahlen. Er ist auf eigenen Wunsch zum 31. Dezember 2002 und damit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.
a) Die Parteien haben ihr Arbeitsverhältnis am 23. Januar 2003 rückwirkend zum 31. Dezember 2002 per Auflösungsvertrag gemäß § 58 BAT-O beendet. Ohne Bedeutung ist, von wem die Initiative zum Abschluss dieses Vertrags ausgegangen ist. Maßgebend ist, dass die Tarifvertragsparteien des TV Zuwendung Ang-O das Ausscheiden auf Grund eines Aufhebungsvertrags grundsätzlich als Ausscheiden auf eigenen Wunsch iSv. § 1 Abs. 1 Nr. 3 TV Zuwendung Ang-O werten. Das wird daraus deutlich, dass sie in § 1 Abs. 4 Nr. 2 TV Zuwendung Ang-O im Rahmen einer Ausnahmeregelung ua. bestimmt haben, dass die Zuwendung im Fall des Absatzes 1 Nr. 3, also bei einem Ausscheiden des Angestellten bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres auf eigenen Wunsch, auch gezahlt wird, wenn der Angestellte aus einem der in Abs. 2 Nr. 3 genannten Gründe einen Auflösungsvertrag geschlossen hat, also zB wegen eines mit Sicherheit erwarteten Personalabbaues (Nr. 3 Buchst. a) oder einer Körperbeschädigung, die den Angestellten zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unfähig macht (Nr. 3 Buchst. b). Ein von den Tarifvertragsparteien in § 1 Abs. 2 Nr. 3 TV Zuwendung Ang-O aufgeführter, die Rückzahlungspflicht des Angestellten ausschließender Grund für den Aufhebungsvertrag der Parteien lag nicht vor.
b) Allerdings wäre der Beklagte nicht auf eigenen Wunsch iSv. § 1 Abs. 1 Nr. 3 TV Zuwendung Ang-O aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, wenn sein Arbeitsverhältnis entsprechend der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nach § 1 Abs. 2 UKG im Wege einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf das Universitätsklinikum Leipzig übergegangen wäre. Das war jedoch nicht der Fall.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des UKG am 1. Juli 1999 (Art. 6 SHMG) zwischen den Parteien noch kein Arbeitsverhältnis bestanden hat, so dass das Universitätsklinikum Leipzig am 1. Juli 1999 nicht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 UKG in die Rechte und Pflichten eines Arbeitsverhältnisses der Parteien eintreten konnte. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde erst zum 1. November 1999 begründet.
bb) Der Annahme einer "partiellen Gesamtrechtsnachfolge" durch das Landesarbeitsgericht steht auch entgegen, dass der Beklagte Angestellter iSd. § 50 des Sächsischen Hochschulgesetzes (SächsHG vom 11. Juni 1999 in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung) und damit wissenschaftlicher Mitarbeiter war. Als solcher wäre er nach § 11 Abs. 2 Satz 1 UKG auch dann Angestellter des Klägers geblieben, wenn die Parteien ihr Arbeitsverhältnis vor dem 1. Juli 1999 begründet hätten. Nach dieser Bestimmung verblieb das wissenschaftliche Personal beim Kläger.
c) Die Regelung in § 11 Abs. 6 UKG, wonach bei einem unmittelbaren Wechsel eines Arbeitnehmers zwischen Universität und Universitätsklinikum die zurückgelegten Beschäftigungszeiten gegenseitig so anzurechnen sind, als ob sie bei der jeweiligen Einrichtung selbst zurückgelegt worden wären, ist für die Frage, ob der Beklagte aus eigenem Wunsch iSv. § 1 Abs. 1 Nr. 3 TV Zuwendung Ang-O ausgeschieden ist, ohne Bedeutung.
2. Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 4 Nr. 1 TV Zuwendung Ang-O sind nicht erfüllt. Danach wird ua. im Fall des Absatzes 1 Nr. 3 die Zuwendung auch dann gezahlt, wenn der Angestellte im unmittelbaren Anschluss an sein Arbeitsverhältnis von einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in ein Rechtsverhältnis der in Abs. 1 Nr. 2 genannten Art übernommen wird. Gemäß der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. b zu § 1 TV Zuwendung Ang-O ist öffentlicher Dienst iSd. § 1 Abs. 4 Nr. 1 TV Zuwendung Ang-O eine Beschäftigung bei einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts, die den BAT/BAT-O oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet. Dieses Erfordernis ist nur dann erfüllt, wenn sich das Arbeitsverhältnis des Angestellten mit dem anderen Arbeitgeber nach einem der genannten Tarifverträge richtet. Dies ergibt die Auslegung der Regelungen in § 1 Abs. 4 Nr. 1 TV Zuwendung Ang-O und der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. b zu § 1 TV Zuwendung Ang-O.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (20. Februar 2008 - 10 AZR 126/07 -; 20. Juni 2007 - 10 AZR 291/06 - EzTöD 400 Eingruppierung BAT Sozial- und Erziehungsdienst Heimzulage Nr. 1). Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 19. Januar 2000 - 4 AZR 814/98 -BAGE 93, 229).
b) Der Wortlaut in der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. b zu § 1 TV Zuwendung Ang-O, "die den BAT, den BAT-O oder einen anderen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet", zwingt allerdings nicht zu der Annahme, dass einer der genannten Tarifverträge auch auf das Arbeitsverhältnis des Angestellten mit dem anderen Arbeitgeber Anwendung finden muss. Vom Wortlaut her reichte es aus, dass eine Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern nur auf ein Arbeitsverhältnis einen der in der Protokollnotiz aufgeführten Tarifverträge anwendet. Die Protokollnotiz spricht nicht davon, dass sich die Arbeitsverhältnisse beim anderen Arbeitgeber ausnahmslos oder überwiegend nach einem der genannten Tarifverträge richten müssen. Die Regelung erfordert vom Wortsinn her auch nicht, dass der andere Arbeitgeber den Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung anwenden muss. Sie lässt es dem Wortlaut nach auch genügen, dass einer der genannten Tarifverträge aus Gründen der Besitzstandswahrung statisch angewendet wird. Allerdings legt das Wort "anwendet" nahe, dass die Tarifvertragsparteien von einer Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung ausgegangen sind. Wenngleich der Wortlaut der Protokollnotiz nicht zu der Annahme zwingt, dass sich das Arbeitsverhältnis des Angestellten mit dem anderen Arbeitgeber nach einem der aufgeführten Tarifverträge bestimmen muss, schließt er eine solche Annahme auch nicht aus.
c) Der tarifliche Gesamtzusammenhang spricht für diese Annahme.
aa) In der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 1 TV Zuwendung Ang-O haben die Tarifvertragsparteien zunächst klargestellt, dass sie unter Auszubildenden und Praktikanten iSd. Abs. 1 Nr. 2 nur solche Personen verstehen, deren Rechtsverhältnis durch Tarifvertrag geregelt ist. Für die Angestellten bedurfte es dieser Klarstellung nicht. Im Eingangssatz des TV Zuwendung Ang-O haben die Tarifvertragsparteien festgelegt, dass unter den persönlichen Anwendungsbereich dieses Tarifvertrags nur Angestellte fallen, deren Arbeitsverhältnis durch den BAT-O geregelt ist. Der Anspruch auf die Zuwendung setzt somit nicht nur voraus, dass die vergangenheits- und zukunftsbezogenen Anspruchsvoraussetzungen des TV Zuwendung Ang-O erfüllt sind, sondern auch, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT-O richtet.
bb) Dass dieses Erfordernis nach dem Willen der Tarifvertragsparteien auch beim anderen Arbeitgeber erfüllt sein muss, hat im Wortlaut der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. a seinen Niederschlag gefunden. Diese Protokollnotiz nimmt Angestellte von der Verpflichtung zur Rückzahlung der Zuwendung aus, die zum Bund, zu einem Land, zu einer Gemeinde, zu einem Gemeindeverband oder zu einem sonstigen Mitglied eines Arbeitgeberverbandes, der der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände angehört, wechseln. Aus der Formulierung "sonstigen Mitglied eines Arbeitgeberverbandes" wird die Vorstellung der Tarifvertragsparteien zum Zeitpunkt des Abschlusses des TV Zuwendung Ang-O deutlich, dass der Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände ausnahmslos tarifgebunden sind. Die Tarifbindung der in der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. a aufgeführten Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen bewirkte, dass sich die Arbeitsverhältnisse aller unter den persönlichen Geltungsbereich der für den öffentlichen Dienst abgeschlossenen Tarifverträge fallenden Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Tarifgebundenheit auf Grund arbeitsvertraglicher Gleichstellungsabreden und Verweisungsklauseln nach diesen Tarifverträgen richteten. Das war auch beim Arbeitsverhältnis der Parteien der Fall. In § 2 des Arbeitsvertrags ist vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT-O bestimmt. Der an das Haushaltsrecht gebundene und dem Grundsatz der Sparsamkeit verpflichtete öffentliche Arbeitgeber war gehindert, zugunsten seiner Arbeitnehmer von den tariflichen Arbeitsbedingungen abzuweichen. Die Anwendung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes nur auf einen Teil der Arbeitsverhältnisse und die damit verbundene Uneinheitlichkeit der Arbeitsbedingungen kamen in der Praxis nicht vor. So verhielt es sich auch bei den in der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. b genannten öffentlichen Arbeitgeberinnen. Auch sie hatten ein Interesse an einheitlichen Arbeitsbedingungen und waren unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung weitgehend gehindert, nur mit einem Teil der Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Bestimmungen zu vereinbaren.
d) Sinn und Zweck der Regelung bestätigen das Auslegungsergebnis.
Würde die Verpflichtung des Angestellten zur Rückzahlung der Zuwendung daran gebunden, dass der andere Arbeitgeber vor der Begründung des Arbeitsverhältnisses mit dem Angestellten einen der in der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. b genannten Tarifverträge angewendet hat oder nach der Begründung des Arbeitsverhältnisses auf andere Arbeitsverhältnisse statisch aus Gründen der Besitzstandswahrung noch anwendet, wäre die Rückzahlungspflicht des Angestellten an Umstände geknüpft, auf die dieser keinen Einfluss hatte und hat und die er oft nicht einmal kennt. Wechselt er im unmittelbaren Anschluss an sein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber, der ihm die Zuwendung gezahlt hat, zu einem anderen Arbeitgeber, weiß er dagegen in aller Regel, ob und gegebenenfalls welche Tarifverträge auf sein neues Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Ohne die Kenntnis der neuen Arbeitsbedingungen wird er regelmäßig nicht zu einem Wechsel bereit sein.
e) Schließlich spricht auch die Praktikabilität für das Auslegungsergebnis.
Auf Grund der besonderen Umstände des Entscheidungsfalles und der engen Verbindung zwischen der Universität und dem Universitätsklinikum mag die Ermittlung, auf wie viele Arbeitsverhältnisse in welchen Zeiträumen bestimmte Tarifverträge statisch oder dynamisch Anwendung gefunden haben, nicht mit großen Schwierigkeiten verbunden sein. Im Regelfall liegen die Dinge jedoch anders. Wechselt der Angestellte zu einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts, weiß der Arbeitgeber, der die Zuwendung gezahlt hat, in der Regel nicht, inwieweit dort Tarifverträge Anwendung gefunden haben oder noch Anwendung finden, insbesondere dann nicht, wenn der neue Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist. Ob und gegebenenfalls nach welchen Tarifvorschriften sich das Arbeitsverhältnis des Angestellten mit dem anderen Arbeitgeber bestimmt, ist demgegenüber unschwer zu ermitteln. Der Angestellte kann die Anwendung tariflicher Bestimmungen durch die Vorlage seines Arbeitsvertrags mit dem anderen Arbeitgeber nachweisen. Dazu wird er in der Regel auch bereit sein. Steht die Anwendung eines der in der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. b zu § 1 TV Zuwendung Ang-O genannten Tarifvertrags nicht fest, sind die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 4 Nr. 1 TV Zuwendung Ang-O nicht erfüllt, so dass der Angestellte die Zuwendung zurückzuzahlen hat. Das liegt nicht in seinem Interesse.
Ende der Entscheidung
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