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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: 10 AZR 631/04
Rechtsgebiete: MTV für den privaten Kraftomnibusverkehr Baden-Württemberg vom 4. Mai 1999


Vorschriften:

MTV für den privaten Kraftomnibusverkehr Baden-Württemberg vom 4. Mai 1999 § 1 Ziff. 1.3.

Entscheidung wurde am 10.11.2005 korrigiert: der Volltext der Entscheidung wurde wegen nicht vollständiger Anonymisierung ersetzt
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

10 AZR 631/04

Verkündet am 22.06.2005

In Sachen

hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Freitag, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Brühler und Creutzfeldt sowie den ehrenamtlichen Richter Lindemann und die ehrenamtliche Richterin Ließ für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 3. November 2004 - 2 Sa 88/04 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Ludwigsburg, vom 22. Juni 2004 - 20 Ca 3196/03 - wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine tarifliche Jahressonderzahlung.

Die Klägerin ist seit dem 1. Juni 2000 bei der Beklagten mit 20 Wochenstunden als Personalsachbearbeiterin beschäftigt. Sie war Mitglied der Gewerkschaft ÖTV und ist seit der am 2. Juli 2001 wirksam gewordenen Fusion mehrerer Gewerkschaften, ua. der ÖTV, zur Gewerkschaft ver.di dort Mitglied.

Die Beklagte betreibt ein privates Omnibusgewerbe und ist Mitglied des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer e. V. Sie beschäftigt neben einer größeren Anzahl von Kraftfahrern auch ca. 60 Angestellte.

1999 schlossen ua. der Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) und die Gewerkschaft ÖTV, Bezirksverwaltung Baden-Württemberg mit Wirkung vom 1. Juni 1999 einen Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV 1999), der hinsichtlich seines Geltungsbereichs folgende Vorschriften aufweist:

"§ 1 Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt

1.1. räumlich:

1.2. fachlich:

für alle Betriebe und Betriebsabteilungen des privaten Verkehrsgewerbes, die gewerbsmäßig Personenbeförderung durch Kraftomnibusse oder Linienverkehr mit Personenkraftwagen betreiben und Mitglied des oben stehenden Verbandes sind.

1.3. persönlich:

für alle in den genannten Betrieben und Betriebsabteilungen Arbeitnehmer, die Mitglied der Gewerkschaft ÖTV sind."

In § 19 MTV 1999 sind für den Anspruch auf eine Jahressonderzahlung ua. folgende Voraussetzungen genannt:

"§ 19 Jahressonderzahlung

19.1. Der Arbeitnehmer erhält eine Jahressonderzahlung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.

19.2. Der Anspruch auf die Jahressonderzahlung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer am Auszahlungstag in einem unbefristeten und ungekündigten Beschäftigungsverhältnis steht.

19.3. Die Jahressonderzahlung beträgt ab

...

2002 1.400,-- DM

Stichtag für die Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit ist der 15. Dezember des laufenden Kalenderjahres.

...

19.5. Teilzeitbeschäftigte erhalten die Jahressonderzahlung in einer Höhe, die sich nach dem Verhältnis ihrer persönlichen Arbeitszeit zur regelmäßigen tatsächlichen Wochenarbeitszeit (§ 3 Abs. 3.1.) bemißt.

...

19.7. Die Jahressonderzahlung ist spätestens am 15. Dezember auszuzahlen."

Die Beklagte hat an die Klägerin mit dem Gehalt für November 2003 einen Betrag von 153,39 Euro brutto als "Weihnachtsgeld" gezahlt.

Die Klägerin begehrt die Differenz zu der (rechnerisch unstreitigen) anteiligen tariflichen Jahressonderzahlung gem. § 19 MTV 1999. Ihr Arbeitsverhältnis falle unter den persönlichen Geltungsbereich des MTV 1999, da sie Arbeitnehmerin sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 228,37 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB iVm. § 7 des ÜLG zur Modernisierung des Schuldrechts seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat sich zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags darauf berufen, dass die zwischen den Parteien allein streitige Frage, ob der MTV 1999 auf die Klägerin als Angestellte anzuwenden ist, zu verneinen sei, da der MTV 1999 nur für gewerbliche Arbeitnehmer gelte. Dies ergebe sich aus der Vorgeschichte des MTV 1999, der in seinen früheren Versionen nur für Arbeiter gegolten habe. Dies habe auch nicht geändert werden sollen. Inhaltlich sei der MTV 1999 ausschließlich auf die Interessenlage der gewerblichen Arbeitnehmer zugeschnitten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin ist begründet. Der Klägerin steht die Jahressonderzahlung gem. § 19 MTV 1999 zu. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der MTV 1999 Anwendung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zusammengefasst angenommen, der MTV 1999 erfasse entgegen seinem Wortlaut nicht alle Arbeitnehmer, sondern nur die Arbeiter. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1.3. MTV 1999 sei zwar eindeutig; der Begriff "Arbeitnehmer" sei sowohl im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs als auch des Arbeitsrechts der Oberbegriff für Angestellte und Arbeiter. Aus der Anwendung weiterer Auslegungskriterien ergebe sich aber, dass der Anwendungsbereich des MTV 1999 auf Arbeiter beschränkt sei und die Klägerin als Angestellte nicht darunter falle. Die Betrachtung des tariflichen Gesamtzusammenhangs mache deutlich, dass der MTV 1999 Bestimmungen enthalte, die nur für gewerbliche Arbeitnehmer gelten könnten. Einige Regelungen seien zwar theoretisch auch auf Angestellte anwendbar, praktisch aber kaum. Es gebe aber keine Bestimmung, die nur auf Angestellte und nicht auf Arbeiter Anwendung finden könne. Da Wortlaut und Systematik somit kein eindeutiges Auslegungsergebnis brächten, sei die Entstehungsgeschichte des MTV 1999 zu betrachten, die erkennen lasse, dass unter den persönlichen Geltungsbereich nur gewerbliche Arbeitnehmer fielen. So seien in der Vergangenheit immer Tarifverträge für Arbeiter geschlossen worden; eine inhaltliche Änderung sei 1999 nicht geplant gewesen, sondern lediglich eine Anpassung an den "modernen Sprachgebrauch". Aus einer Betrachtung der einzelnen Vorschriften aus den Vorgängerverträgen ergebe sich, dass die Tarifvertragsparteien ziemlich sorglos die Begriffe "Beschäftigte" und "Arbeitnehmer" synonym verwendet hätten. Angesichts der jahrelangen Bemühungen der ÖTV um die Erstreckung des Geltungsbereichs auch auf Angestellte hätte eine entsprechende Umsetzung im MTV 1999 einen "großen Verhandlungserfolg" dargestellt. Dies sei im Vorwort der ÖTV zu dem von ihr verbreiteten Druckexemplar des MTV 1999 jedoch in keiner Weise herausgestellt worden, im Gegensatz zu der getroffenen eigenständigen Regelung der Entgeltfortzahlung bei Urlaub und Krankheit.

II. Dem folgt der Senat nicht. Der Wortlaut des MTV 1999 ist eindeutig; der persönliche Geltungsbereich des MTV 1999 umfasst die Arbeitsverhältnisse sowohl der gewerblichen als auch der angestellten Arbeitnehmer. Weder der tarifliche Gesamtzusammenhang noch der Sinn und Zweck der tariflichen Regelung noch die Tarifgeschichte stehen dieser Auslegung des MTV 1999 entgegen.

1. Die Auslegung eines Tarifvertrages durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (BAG 22. Oktober 2002 - 3 AZR 468/01 - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 184 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 36). Dabei folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 20. April 1994 - 10 AZR 276/93 - AP §§ 22, 23 BAT Zulagen Nr. 11; zuletzt auch 24. November 2004 - 10 AZR 221/04 - EzA TVG § 4 Bankgewerbe Nr. 4).

Ein evtl. vom Wortlaut abweichender Wille der Tarifvertragsparteien kann nur dann zur Auslegung herangezogen werden, wenn er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Dies ist im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit wegen der weitreichenden Wirkungen der Tarifnormen auf die Rechtsverhältnisse der Tarifunterworfenen geboten. Diese sind an den Tarifverhandlungen nicht beteiligt.

Sie müssen deshalb aus den Normen selbst erkennen, welchen Regelungsgehalt diese haben, ohne auf Auskünfte ihrer Koalitionen angewiesen zu sein (BAG 7. August 2002 - 10 AZR 692/01 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 39 = EzA TVG § 1 Druckindustrie Nr. 30).

Wenn ein Tarifvertrag einen Fachbegriff verwendet, der in allgemeinen oder in den fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind (st. Rspr., vgl. schon BAG 14. November 1957 - 2 AZR 481/55 - BAGE 5, 338), die aus dem Tarifwortlaut oder anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen (BAG 29. September 1976 - 4 AZR 381/75 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Papierindustrie Nr. 2; 8. Februar 1984 - 4 AZR 369/83 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 3).

2. Nach diesen Grundsätzen erfasst der MTV 1999 auch die Rechtsverhältnisse der Angestellten innerhalb seines fachlichen und räumlichen Geltungsbereichs.

a) Der Wortlaut des Tarifvertrages ist eindeutig. Die Tarifvertragsparteien haben sich hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs auf den Begriff "alle ... Arbeitnehmer" geeinigt. Der Begriff des Arbeitnehmers ist von zentraler Bedeutung im gesamten Arbeitsrecht, schon weil er mit dem Begriff des "Arbeitsverhältnisses" korrespondiert und damit im Grundsatz den Anwendungsbereich des gesamten Arbeitsrechts konstituiert (ErfK/Preis 5. Aufl. BGB § 611 Rn. 44). So komplex und - vor allem im Hinblick auf die Abgrenzung zu den selbständig Beschäftigten - schwierig seine Anwendung im Einzelfall auch sein mag, so steht doch unumstritten fest, dass der Begriff des Arbeitnehmers (mindestens) die Beschäftigtengruppen der Arbeiter und Angestellten umfasst. In gesetzlichen Formulierungen hat sich das vor allem in den Fällen niedergeschlagen, in denen eine vorher bestehende Differenzierung zwischen Angestellten und Arbeitern aufgehoben und einheitliche Regeln eingeführt wurden, wie etwa im Entgeltfortzahlungsbereich (vgl. jetzt § 1 Abs. 2 EFZG), bei den Kündigungsfristen (vgl. jetzt § 622 Abs. 1 BGB) und bei der Erstreckung der früher auf gewerbliche Arbeitnehmer beschränkten Regelungen in §§ 105 ff. GewO auf "alle Arbeitnehmer" (§ 6 Abs. 2 GewO). Im Sinne der Aufzählung von Beschäftigtengruppen, die unter den Begriff des Arbeitnehmers im jeweils konkreten Zusammenhang des Gesetzes fallen, finden sich Definitionen dieses Begriffs zB auch in § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und § 2 Satz 1 BUrlG.

Auch in der Literatur ist ganz unstreitig, dass der Begriff des "Arbeitnehmers" die früher traditionell unterschiedenen Gruppen der Arbeiter und Angestellten umfasst (vgl. nur Schaub ArbR-Hdb. 11. Aufl. § 13 Rn. 1 ff. mwN).

b) Entgegenstehende Gesichtspunkte, die diese Eindeutigkeit der Wortwahl der Tarifvertragsparteien in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich. Weder der tarifliche Gesamtzusammenhang noch die sonstigen einzelnen vom Landesarbeitsgericht angestellten Überlegungen erlauben es, den Begriff "Arbeitnehmer" in der Bestimmung des personellen Geltungsbereichs des Tarifvertrages dahingehend auszulegen, dass hier nur Arbeiter und nicht etwa auch Angestellte gemeint seien.

aa) Das Landesarbeitsgericht ist der Auffassung, dass der Anwendungsbereich der einzelnen Normen des MTV 1999 für das von ihm angenommene Auslegungsergebnis spreche. Es gebe Bestimmungen, die nur für Arbeiter gelten könnten, dagegen keine, die ausschließlich auf Angestellte Anwendung finden könnten. Einige Regelungen seien theoretisch auch auf Angestellte anwendbar, praktisch aber kaum. Und nur wenige Normen seien auf beide Arbeitnehmergruppen anwendbar.

Diese Überlegung ist nicht zwingend. Daraus, dass in einem Normenwerk bestimmte Normen nur auf einen Teil der Normunterworfenen angewandt werden können, kann nicht geschlossen werden, dass dann auch die Normen, die auf beide Teile angewandt werden könnten, gleichfalls nur auf diesen einen Teil anzuwenden sind. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist ferner nicht ersichtlich, warum die tarifvertraglichen Regelungen der Arbeitszeit, des Arbeitszeitkontos, der Grundsätze der Entlohnungsberechnung und die Regelung von Zuschlägen für Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit für die Angestellten nur theoretisch, nicht aber praktisch relevant werden können. Hinsichtlich der Bestimmungen über Kurzarbeit, Urlaubsansprüche, Jahressonderzahlungen, Kündigungsfristen, Dienst- und Schutzkleidung sowie Ausschlussfristen geht im Übrigen auch das Landesarbeitsgericht davon aus, dass sie gleichermaßen beide Arbeitnehmergruppen betreffen. Aus einer möglicherweise praktisch geringeren Relevanz einzelner Vorschriften für eine der beiden Arbeitnehmergruppen lässt sich nicht schließen, bereits der grundsätzliche Anwendungsbereich der Regelungen sei entgegen dem eindeutigen Wortlaut gravierend eingeschränkt.

bb) Auch der Sprachgebrauch in den verschiedenen Vorschriften des MTV 1999 spricht nicht gegen die durch den Wortlaut gebotene Auslegung der Regelung des persönlichen Geltungsbereichs.

Der Tarifvertrag selbst verwendet den Begriff des Arbeitnehmers in fast allen Vorschriften. Es gibt aus dem Wortlaut des Tarifvertrages selbst aber sichere Anzeichen dafür, dass einzelne Regelungen gerade nicht für alle Normunterworfenen gelten sollten ("Arbeitnehmer"), sondern nur für Teile davon. Dies findet seinen Niederschlag in den ausdrücklich abweichenden Formulierungen. So betreffen die in § 11 MTV 1999 geregelten Tarifgruppen ausschließlich gewerbliche Tätigkeiten, nämlich die Berufskraftfahrer, die Omnibusfahrer, die Spezialhandwerker, die Kfz-Handwerker, die Beschäftigten ohne oder mit fachfremder Ausbildung, die überwiegend in der Werkstatt im Kfz-Handwerk tätig sind, und die "sonstigen Arbeiter". § 11 MTV 1999 deckt damit alle die Tätigkeiten ab, die von Arbeitern in der Branche verrichtet werden. Eingruppierungsgrundlagen für Angestellte sollten ersichtlich nicht geschaffen werden. Gerade an dieser Stelle findet sich im Tarifvertrag der Begriff des Arbeitnehmers aber auch nicht. Im Gegenteil wird hier der Auffangbegriff "sonstige Arbeiter" verwandt. Dies spricht dafür, dass dies unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Angestellte davon nicht betroffen sind, auch bewusst geschehen ist. Gleiches gilt für § 13 MTV 1999, in dem in drei Absätzen die "Lohnzahlung" geregelt ist; auch hier wird der Begriff des "Arbeitnehmers" nicht verwandt.

Dass in dem MTV 1999 nur die Tarifgruppen der Arbeiter geregelt sind, ist plausibel. Wie aus der gerichtlich eingeholten Tarifauskunft des Landesbezirks der Gewerkschaft ver.di hervorgeht, wurde bei den Tarifverhandlungen zu den Gehältern der Angestellten ausdrücklich und bewusst keine Regelung verhandelt oder gar vereinbart, weil diese im Tarifgebiet nach den Gehaltstarifverträgen des regionalen Speditionsgewerbes vergütet wurden.

In dem gesamten Tarifwerk ist lediglich in zwei Absätzen der Begriff des "Arbeitnehmers" verwendet worden, in denen eindeutig allein Rechtsverhältnisse von gewerblichen Arbeitnehmern geregelt worden sind:

"§ 14 Reisespesen

...

14.2. Für Arbeitnehmer, die im Linien-, Schüler- und Berufsverkehr eingesetzt sind, bescheinigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die jährlich angefallenen Arbeitstage unter Berücksichtigung der einzelnen Schichtlängen nach den gültigen Steuerrichtlinien.

...

§ 15 Omnibusfahrerausweis

15.1. Jeder Arbeitnehmer ist verpflichtet und hat dafür Sorge zu tragen, dass seine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung rechtzeitig beantragt und verlängert wird."

Angesichts der eindeutigen Bedeutung des Begriffs des "Arbeitnehmers" und der Tatsache, dass in dem aus 24 Paragraphen bestehenden MTV 1999 insgesamt 34-mal der Begriff "Arbeitnehmer" gebraucht wird, kann aus dieser zweimaligen Synonymverwendung des Begriffs für "Arbeiter" nicht geschlossen werden, dass die Tarifvertragsparteien diese dem allgemeinen und fachlichen Wortverständnis widersprechende Bedeutung durchgängig im ganzen Tarifvertrag gemeint hätten. Zumal wird an anderen Stellen des Tarifvertrages, die ausschließlich Arbeiter betreffen, der Begriff Arbeitnehmer gerade nicht gebraucht. Schon angesichts dieses Zahlenverhältnisses kann man nicht davon ausgehen, dass eine vom Landesarbeitsgericht angenommene, vom allgemeinen und fachlichen Sprachgebrauch abweichende eigenständige Definition des Arbeitnehmerbegriffs durch die Tarifvertragsparteien im Wortlaut des Tarifvertrages ihren Niederschlag gefunden hat, so dass auch die kaufmännischen Arbeitnehmer der Branche aus dem Vertragswerk allein hätten erkennen müssen, dass es auf sie keine Anwendung finden sollte.

cc) Auch die Entstehungsgeschichte des MTV 1999 steht diesem Ergebnis nicht entgegen.

Da eine Auslegung der tariflichen Bestimmung des § 1 Abs. 1.3. MTV 1999 nach dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang zu einem eindeutigen Ergebnis führt, kommt es auf die von dem Landesarbeitsgericht herangezogene Tarifgeschichte nicht an (BAG 25. November 1987 - 4 AZR 403/87 - AP TVG § 1 Auslösung Nr. 18 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 18; 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 -BAGE 46, 308, 314).

Im Übrigen ergäben sich auch daraus keine neuen Gesichtspunkte. In den jeweiligen vorhergehenden Manteltarifverträgen der Tarifvertragsparteien wurde der Begriff des Arbeitnehmers bei der Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs nicht verwandt. Im Manteltarifvertrag vom 5. Februar 1975 waren insoweit die "Arbeiter" genannt, in den Folgeverträgen vom 10. Oktober 1978, vom 22. Juli 1983 und vom 4. Juli 1986 jeweils die "Beschäftigten". Der Manteltarifvertrag vom 4. Juli 1986 lief vereinbarungsgemäß am 31. Dezember 1991 aus. Am 15. September 1992 schlossen die Tarifvertragsparteien eine "Tarifvereinbarung", die - soweit von Bedeutung - folgenden Wortlaut hatte:

"1. Die Tarifparteien vereinbaren die Wiederinkraftsetzung des am 31. Dezember 1991 ausgelaufenen Manteltarifvertrages vom 4. Juli 1986 bis zum 30. April 1993.

2. Die Tarifparteien vereinbaren abweichend davon:

2.1. Urlaubsgeld ...

2.2. Jahressonderzahlung ...

2.3. Arbeitszeitverkürzung ...

3. Die Tarifparteien vereinbaren die Fortsetzung der Verhandlungen zum Abschluß eines neuen Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer, der nach Fertigstellung auch vor dem 30. April 1993 in Kraft gesetzt werden kann.

4. Nach Abschluß, Scheitern oder Aussetzung der Verhandlungen über den neuen Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer werden die Gehalts- und Manteltarifverhandlungen für die Angestellten aufgenommen.

5. Maßregelungsklausel".

Ob die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, hieraus sei auf die früher bestehende Übereinstimmung der Tarifvertragsparteien zu schließen, dass die Vorgängertarifverträge sämtlich nur für die gewerblichen Arbeitnehmer gegolten hätten, obwohl in den Manteltarifverträgen selbst teilweise der Oberbegriff der "Beschäftigten" verwandt worden war, zutreffend ist, kann dahinstehen. Denn selbst dann wäre die vom Landesarbeitsgericht gezogene Schlussfolgerung auf einen entsprechenden übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien auch im Hinblick auf den persönlichen Geltungsbereich des MTV 1999 keineswegs zwingend. Dieser ist zum 1. Juni 1999, also sechs Jahre nach Auslaufen des vorher geltenden Manteltarifvertrages und nach jahrelangen Verhandlungen vereinbart worden. Angesichts des früheren lückenlosen Anschlusses der Geltungszeiten der vorhergehenden Manteltarifverträge der Tarifvertragsparteien kann somit von einer gesicherten Kontinuität des persönlichen Anwendungsbereichs auch für den MTV 1999 (ungeachtet der eindeutig entgegenstehenden Formulierung) nicht ausgegangen werden.

Dagegen spricht auch, dass dieselben Tarifvertragsparteien zeitgleich zum 1. Juni 1999 einen Lohntarifvertrag für das private Omnibusgewerbe in Baden-Württemberg abgeschlossen haben, der seinen persönlichen Geltungsbereich wie folgt bestimmt:

"§ 1 Geltungsbereich Dieser Tarifvertrag gilt:

a) räumlich: ...

b) fachlich: ...

c) persönlich: für alle in den genannten Betrieben und Betriebsabteilungen beschäftigten Arbeiter, die Mitglied der Gewerkschaft ÖTV sind."

Vereinbaren dieselben Tarifvertragsparteien zu demselben Zeitpunkt einen weiteren (Mantel-)Tarifvertrag, in dem der persönliche Geltungsbereich diesmal nicht mit dem Begriff "Arbeiter", sondern mit dem Begriff "Arbeitnehmer" definiert ist, so ist davon auszugehen, dass diese Formulierungen, deren unterschiedlicher Sinngehalt auch und gerade Tarifvertragsparteien bekannt ist, nicht ohne Bedeutung gewählt worden ist. Dies kann und muss im Hinblick auf die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für die den Tarifnormen Unterworfenen bei Tarifvertragsparteien vorausgesetzt werden.

dd) Auch die vom Arbeitsgericht eingeholten Tarifauskünfte der Tarifvertragsparteien sprechen nicht gegen die wortgetreue Auslegung der Regelung über den persönlichen Geltungsbereich. Der Arbeitgeberverband WBO hat seine darin geäußerte Ansicht, der MTV 1999 gelte nur für die "Arbeiter (gewerblichen Arbeitnehmer)", damit begründet, dass die Bezeichnung "Arbeiter" und der damit verbundene persönliche Geltungsbereich auf "alle gewerblichen Arbeitnehmer" seit jeher Bestand habe. Dies werde jeweils auf der ersten Umschlagseite bzw. auf der ersten Innenseite eines jeden Manteltarifvertrages deutlich. Damit ist das Deckblatt der von dem Arbeitgeberverband herausgegebenen Broschüre mit dem schriftlichen Text des MTV 1999 gemeint; diese weist tatsächlich die angegebene Bezeichnung auf, der im Inneren abgedruckte Text des MTV 1999 führt aber auch in dieser Version im "persönlichen Geltungsbereich" die "Arbeitnehmer" auf. Dies spricht entgegen der Ansicht der Beklagten nicht für eine dem Wortlaut entgegenstehende Auslegung, weil die Bezeichnung des Tarifvertrages außerhalb des von den Unterschriften der Tarifvertragsparteien gedeckten Textes nur die subjektive Sicht einer Tarifvertragspartei wiedergibt. Auf die Auskunft des Landesbezirks der Gewerkschaft ver.di kann sich die Beklagte gleichfalls nicht stützen. Die Gewerkschaft hat mitgeteilt, mit der Wahl des Begriffs Arbeitnehmer hätten die Tarifvertragsparteien alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Beschäftigtengruppe erfassen wollen; bei den Tarifvertragsverhandlungen sei die Definition "Arbeitnehmer" nicht strittig gewesen. Damit sind die Auskünfte der Tarifvertragsparteien betr. den MTV 1999 nicht geeignet, die von der Beklagten vertretene Auslegung des MTV 1999 zu stützen.

Die Tatsache, dass die von der Gewerkschaft ÖTV herausgegebene schriftliche Fassung des MTV 1999 im Vorwort keinen Hinweis auf die Erstreckung des Geltungsbereichs auf die Angestellten enthält, kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gleichfalls nicht herangezogen werden. Für die vom Landesarbeitsgericht angeführten "langjährigen Tarifforderungen der verhandelnden Gewerkschaft" fehlt es bereits an jeder Tatsachenfeststellung. Die Art der Präsentation von Verhandlungsergebnissen an die eigenen Mitglieder kann nur sehr begrenzt zur Auslegung herangezogen werden. Erst recht ist ein negativer Rückschluss nicht möglich, dass ein Verhandlungsergebnis nicht erzielt worden sei, weil es von einer vertragsschließenden Partei im Nachhinein an zentraler Stelle gerade nicht verkündet und angepriesen worden sei. Hierfür kann es so viele andere tatsächliche Gründe geben, dass sich dieser Rückschluss verbietet.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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