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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 08.07.2009
Aktenzeichen: 10 AZR 648/08
Rechtsgebiete: TV-Sonderzahlung


Vorschriften:

TV-Sonderzahlung § 2
TV-Sonderzahlung § 3
TV-Sonderzahlung § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

10 AZR 648/08

Verkündet am 8. Juli 2009

In Sachen

hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Freitag, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Marquardt, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Brühler sowie die ehrenamtliche Richterin Zielke und den ehrenamtlichen Richter Frese für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. April 2008 - 8 Sa 402/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für das Jahr 2005 einen ergebnisabhängigen Anteil der tariflichen Sonderzahlung zu zahlen.

Die Beklagte betreibt eine Privatklinik. Diese ist einerseits ein Krankenhaus (Akutbereich) und andererseits eine Rehabilitationseinrichtung (Rehabereich). Im Jahr 2003 schloss die Beklagte Versorgungsverträge mit verschiedenen Krankenkassenverbänden. In diesen Verträgen ist geregelt, dass die Beklagte für die Versicherten ihrer Vertragspartner im Akutbereich "in insgesamt 20 Betten" bestimmte medizinische Leistungen und im Rehabereich in insgesamt 360 Betten bestimmte Leistungen der Rehabilitation erbringt. Eine Belegungsgarantie wurde in allen Verträgen ausgeschlossen.

Die Klägerin ist seit 1999 bei der Beklagten als Physiotherapeutin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag Nr. 1 vom 1. November 2005 zur Zahlung einer Jahressonderzahlung für Beschäftigte in den Privatkrankenanstalten in Bayern (TV-Sonderzahlung) Anwendung. In diesem heißt es ua.:

"§ 2

Sonderzahlung

1. Die Beschäftigten erhalten zusätzlich zu ihren monatlichen Vergütungen eine jährliche Sonderzahlung nach Maßgabe dieses Tarifvertrages. Diese Sonderzahlung ersetzt die bisher gültigen tariflichen Regelungen zu Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

2. Die Sonderzahlung besteht aus einem festen Anteil sowie aus einem variablen, ergebnisabhängigen Anteil.

3. Die Summe des festen und des variablen, ergebnisabhängigen Anteils der Sonderzahlung beträgt für ein Geschäftsjahr maximal 110 % der individuellen durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung nach § 3 Abs. 1 dieses Tarifvertrages.

§ 3

Fester Anteil

1. Der feste Anteil der Sonderzahlung beträgt 50 von Hundert des individuell dem anspruchsberechtigten Beschäftigten zustehenden Bruttomonatsentgelts. Grundlage der Berechnung ist der Durchschnitt der im Zeitraum Januar bis Oktober eines Jahres abgerechneten monatlichen Entgeltansprüche, einschließlich Zulagen und Zuschläge sowie etwaige Rufbereitschafts- und Bereitschaftsdienstvergütungen.

...

§ 4

Variabler, ergebnisabhängiger Anteil

1. Der variable Teil der Sonderzahlung besteht aus einer Ergebnisbeteiligung nach Maßgabe der nachfolgenden Berechnungssystematik:

a. Das Unternehmensergebnis ist die Summe der Erlöse des Unternehmens aus medizinischen Versorgungsleistungen, insbesondere aus voll- und teilstationärer oder ambulanter Versorgung (Institutsleistungen), akutstationärer oder rehabilitationsmedizinischer Versorgung, welche durch Fallpauschalen, DRG's (Diagnosis Related Groups), Pflegesätze und Vergütungen für ambulante Leistungen erzielt werden.

Andere Erlöse des Unternehmens, wie z.B. Erlöse aus Zimmerzuschlägen, Kostenerstattungen der Chefärzte oder Vermietung & Verpachtung bleiben bei der Betrachtung unberücksichtigt.

b. ...

c. Für Verbandsmitglieder, deren Erlöse gem. Buchstabe b) nicht überwiegend aus DRG-Vergütungen stammen, stellen die Erlöse des Unternehmens für das Geschäftsjahr 2004 - bzw. das in 2004 zu Ende gegangene Geschäftsjahr im Falle eines vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahres des Jahres 2004 - den Basiswert für die Ermittlung des Unternehmenserfolges der Folgejahre (Basiswert) dar. Übersteigen diese tatsächlichen Erlöse des Unternehmens nach der vorstehenden Definition (Gesamterlöse) den Basiswert in einem auf das dem Jahr 2004 folgenden Geschäftsjahr, so erhalten die Beschäftigten für jede 0,25 % der Ergebnisverbesserung eine Erfolgsbeteiligung in Höhe von 1,5 % des monatlichen Bruttogehaltes nach § 3 Abs. 1 dieses Tarifvertrages. Eine Aufrundung findet nicht statt.

...

3. Verändert sich die Unternehmensstruktur der jeweiligen Einrichtung durch Erweiterung oder Einschränkung der medizinischen Aktivitäten, insbesondere durch die Inbetriebnahme oder Schließung von Betten, so ist der Vergleichswert für die auf die Änderung folgenden Sonderzahlungen im Verhältnis dieser Änderungen zur bisherigen Unternehmensstruktur anzupassen.

..."

Im Bereich der Rehabilitationseinrichtungen besteht ein Überangebot an Betten. Die Beklagte ging in ihrer Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2003/2004 (Bezugsjahr) von durchschnittlich 360 belegten Betten aus und für das Geschäftsjahr 2004/2005 von durchschnittlich 340 belegten Betten. Tatsächlich waren im Bezugsjahr im Durchschnitt 344,4 Betten und im Geschäftsjahr 2004/2005 durchschnittlich 327,54 Betten belegt. Aufgrund einer erhöhten Nachfrage nach Einzelzimmern wurden nicht belegte Betten aus Mehrbettzimmern entfernt und auf dem Speicher oder im Keller der Klinik gelagert. Der Umsatzerlös der Beklagten betrug im Bezugsjahr 20.030.399,00 Euro und im Geschäftsjahr 2004/2005 19.734.172,00 Euro.

Die Klägerin erhielt im Jahr 2005 nur den festen Anteil der tariflichen Sonderzahlung iHv. 50 % ihres Bruttomonatsentgelts.

Sie hat gemeint, sie habe gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. c und Nr. 3 TV-Sonderzahlung auch Anspruch auf einen variablen, ergebnisabhängigen Anteil der Sonderzahlung. Die Unternehmensstruktur habe sich aufgrund der Schließung von insgesamt 20 Betten geändert mit der Folge, dass der Vergleichswert für die Sonderzahlung für das Jahr 2005 im Verhältnis der Änderung zur bisherigen Unternehmensstruktur anzupassen sei.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 683,84 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, sie habe keine Betten geschlossen. Mangels einer Veränderung der Unternehmensstruktur sei der Vergleichswert nicht anzupassen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht ein variabler, ergebnisabhängiger Anteil der Sonderzahlung für das Jahr 2005 nicht zu.

I. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Erfolgsbeteiligung für das Jahr 2005 folgt nicht aus § 4 Nr. 1 Buchst. c TV-Sonderzahlung. Die Erlöse der Beklagten betrugen im Geschäftsjahr 2004/2005 nur 19.734.172,00 Euro. Sie waren damit geringer als die Erlöse der Beklagten im Bezugsjahr iHv. 20.030.399,00 Euro.

II. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat sie auch aufgrund der Anpassungsklausel in § 4 Nr. 3 TV-Sonderzahlung keinen Anspruch auf einen variablen, ergebnisabhängigen Anteil der Sonderzahlung für das Jahr 2005.

1. Nach dieser Klausel ist der Vergleichswert für die auf die Änderung folgenden Sonderzahlungen im Verhältnis dieser Änderungen zur bisherigen Unternehmensstruktur anzupassen, wenn sich die Unternehmensstruktur der jeweiligen Einrichtung durch Erweiterung oder Einschränkung der medizinischen Aktivitäten verändert, insbesondere durch die Inbetriebnahme oder Schließung von Betten. Als Veränderung der Unternehmensstruktur der Klinik der Beklagten kommt nur die Schließung von Betten in Betracht. Das Landesarbeitsgericht hat Veränderungen anderer Art nicht festgestellt. Die Klägerin hat die von ihr angenommene Veränderung der Unternehmensstruktur auch ausschließlich mit der Schließung von Betten begründet. An einer Schließung von Betten im Tarifsinn fehlt es jedoch.

2. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass Betten der Klinik weder im Akut- noch im Rehabereich geschlossen wurden.

a) Kein Streit besteht darüber, dass der Begriff der "Schließung von Betten" im Akutbereich eine bestimmte fachsprachliche Bedeutung hat und die Schließung von Betten in diesem Bereich im Interesse der Sicherstellung einer ausreichenden Anzahl von Betten an einen behördlichen Bescheid zur Verringerung der Zahl der Betten geknüpft ist. Ein solcher Bescheid liegt nach den von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und somit bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für den Akutbereich der Klinik der Beklagten nicht vor.

b) Allerdings differenziert die Anpassungsklausel in § 4 Nr. 3 TV-Sonderzahlung nicht zwischen Veränderungen bei den medizinischen Leistungen und der rehabilitationsmedizinischen Versorgung. Sie erfasst daher alle Erweiterungen und Einschränkungen der medizinischen Aktivitäten und damit entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht nur die Schließung von Betten im Akut-, sondern auch im Rehabereich der Klinik der Beklagten. Auf die fachspezifische Bedeutung des Begriffs der "Schließung von Betten" im Akutbereich kann im Rehabereich nicht zurückgegriffen werden. Einem solchen Rückgriff steht entgegen, dass in diesem Bereich die Verringerung der Zahl der Betten nicht an einen entsprechenden behördlichen Bescheid geknüpft ist.

c) Die Tarifvertragsparteien des TV-Sonderzahlung haben nicht eigenständig definiert, was sie unter der Schließung von Betten in einer Rehabilitationseinrichtung verstehen. Im Wortlaut der tariflichen Regelung kommt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien eine Schließung von Betten in einer Rehabilitationseinrichtung bereits dann vorliegt, wenn der Wirtschaftsplan davon ausgeht, dass nicht alle vorgehaltenen Betten ständig belegt sein werden. Der Klägerin ist zwar einzuräumen, dass eine Rehabilitationseinrichtung in aller Regel ihren Bedarf an Personal und Material entsprechend der voraussichtlich im Durchschnitt belegten Betten ausrichten wird, und der Wirtschaftsplan insofern das Ergebnis der Rehabilitationseinrichtung maßgeblich beeinflusst. Hätten die Tarifvertragsparteien für die Veränderung der Unternehmensstruktur einer Rehabilitationseinrichtung auf deren Wirtschaftsplan abstellen wollen, hätten sie die Anpassungsklausel in § 4 Nr. 3 TV-Sonderzahlung jedoch anders formulieren müssen. Mangels einer eigenständigen Definition des Begriffs "der Schließung von Betten" in einer Rehabilitationseinrichtung durch die Tarifvertragsparteien ist vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen (vgl. BAG 18. November 2004 - 8 AZR 540/03 - mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 88).

d) Die Anpassungsklausel in § 4 Nr. 3 TV-Sonderzahlung, auf deren Wortlaut es bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zunächst ankommt (6. Mai 2009 - 10 AZR 389/08 - mwN), nennt als eine Möglichkeit der Einschränkung der medizinischen Aktivitäten die Schließung von Betten. Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird unter der "Schließung" einer Einrichtung deren Einstellung oder Aufgabe verstanden (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichworte "Schließung" und "schließen"). Wenn auch der Begriff der "Schließung von Betten" im allgemeinen Sprachgebrauch anders als zB der Begriff der Betriebsschließung in der Regel nicht verwendet wird, zwingt das Wort "Schließung" doch zu der Annahme, dass die geschlossenen Betten der Klinik auf Dauer oder jedenfalls doch während eines bestimmten Zeitraums für Patienten nicht mehr zur Verfügung stehen. Werden Betten mangels Nachfrage nicht belegt, liegt dagegen noch keine Schließung von Betten vor. Geht eine Klinik bei ihren betriebswirtschaftlichen Planungen von einer im Vergleich zu den Vorjahren geringeren Belegung ihrer Betten aus, weil sie mit einem Absinken der Patientenzuweisungen rechnet, schränkt sie ihre medizinischen Aktivitäten noch nicht ein und schließt damit im Tarifsinne noch keine Betten. Dies gilt selbst dann, wenn die Klinik einen Teil der vorgehaltenen Betten aus Mehrbettzimmern entfernt und in anderen Räumen lagert, um einer erhöhten Nachfrage nach Einzelzimmern Rechnung zu tragen.

e) Der gegenläufige Begriff der "Inbetriebnahme von Betten" in der Anpassungsklausel in § 4 Nr. 3 TV-Sonderzahlung bestätigt das Auslegungsergebnis. Wenn die Tarifvertragsparteien des TV-Sonderzahlung in der Inbetriebnahme von Betten eine Veränderung der Unternehmensstruktur aufgrund einer Erweiterung der medizinischen Aktivitäten sehen, kann daraus geschlossen werden, dass nach ihrem Verständnis die Einschränkung der medizinischen Aktivitäten durch die Schließung von Betten eine "Außerbetriebnahme" dieser Betten ist. Während unter einer "Inbetriebnahme" das erstmalige In-Funktion-Setzen verstanden wird (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort "Inbetriebnahme"), bedeutet eine "Außerbetriebnahme" ein "Außer-Funktion-Setzen". Daran fehlt es aber, wenn, wie im Entscheidungsfall, dieselbe Zahl von Betten vorgehalten wird, mag auch ein Teil der Betten aus den Patientenzimmern entfernt worden sein und in anderen Räumen zwischengelagert werden. Maßgebend ist, dass auch diese Betten im Bedarfsfall belegt werden können.

f) Hiernach hat die Beklagte in ihrem Rehabereich keine Betten geschlossen. Wenn sie angesichts eines Überangebots an Betten im Bereich der Rehabilitationseinrichtungen in ihrer Wirtschaftsplanung für ihre Klinik für das Geschäftsjahr 2004/2005 von durchschnittlich nur noch 340 belegten Betten ausgegangen ist, schloss dies eine Belegung aller von ihr vorgehaltenen Betten nicht aus. Gegen die Annahme der Klägerin, die Beklagte habe 20 Betten geschlossen, spricht auch, dass die Beklagte aufgrund der mit verschiedenen Krankenkassenverbänden abgeschlossenen Versorgungsverträge in ihrem Rehabereich in insgesamt 360 Betten bestimmte Leistungen der Rehabilitation zu erbringen hatte und die Zahl dieser von ihr vorzuhaltenden Betten trotz des Überangebots an Betten im Bereich der Rehabilitationseinrichtungen nicht durch Änderungsverträge herabgesetzt worden ist.

Ende der Entscheidung

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