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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 22.01.1998
Aktenzeichen: 2 ABR 19/97
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG, BUrlG
Vorschriften:
BGB § 626 Abs. 2 | |
BetrVG § 103 Abs. 2 | |
BUrlG § 7 Abs. 1 |
Fehlt der Arbeitnehmer unentschuldigt, so beginnt die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB für eine hierauf gestützte außerordentliche Kündigung frühestens mit dem Ende der unentschuldigten Fehlzeit (Bestätigung der Senatsrechtsprechung Urteil vom 25. Februar 1983 - 2 AZR 298/81 - AP Nr. 14 zu § 626 BGB Ausschlußfrist).
Aktenzeichen: 2 ABR 19/97 Bundesarbeitsgericht 2. Senat Beschluß vom 22. Januar 1998 - 2 ABR 19/97 -
I. Arbeitsgericht Aachen Beschluß vom 12. Januar 1996 - 3d BV 6/95 -
II. Landesarbeitsgericht Köln Beschluß vom 12. September 1996 - 10 TaBV 31/96 -
---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Nein Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ----------------------------------------------------------------------
Entscheidungsstichworte: Selbstbeurlaubung
Gesetz: BGB § 626 Abs. 2; BetrVG § 103 Abs. 2; BUrlG § 7 Abs. 1
2 ABR 19/97 ----------- 10 TaBV 31/96 Köln
Im Namen des Volkes! Verkündet am 22. Januar 1998
B e s c h l u ß
Anderl, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Beschlußverfahren
hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Anhörung vom 22. Januar 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Etzel, die Richter Bröhl und Dr. Fischermeier sowie den ehrenamtlichen Richter Strümper und die ehrenamtliche Richterin Hayser beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. September 1996 - 10 TaBV 31/96 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen !
G r ü n d e :
A. Die Arbeitgeberin begehrt im vorliegenden Beschlußverfahren die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des beteiligten Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des beteiligten Arbeitnehmers S . Dieser ist seit 1989 in dem Betrieb der Arbeitgeberin in J als Schweißer/Monteur beschäftigt und seit 1993 der Vorsitzende des beteiligten dreiköpfigen Betriebsrats. Die Arbeitgeberin hat mit mehreren Betreibern von Kraftwerken Rahmenabkommen getroffen, wonach sie verpflichtet ist, auf Anforderung Revisionsarbeiten zu übernehmen oder nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz dafür Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, und zwar regelmäßig während einer Stillstandsperiode der Kraftwerke.
Der Betriebsratsvorsitzende, der verheiratet ist und zwei schulpflichtige Kinder hat, reichte am 18. Dezember 1994 einen schriftlichen Urlaubsantrag für 1995 ein, der außer einem Zeitraum in den Sommerferien auch die Zeit vom 7. April bis zum 22. April 1995 als Urlaubswunsch enthielt. Die Urlaubsgewährung erfolgt bei der Arbeitgeberin formlos. Schriftliche Urlaubszusagen werden nicht erteilt, normalerweise teilt der Geschäftsführer dem Arbeitnehmer mündlich mit, ob der Urlaub bewilligt wird. Als sich etwa im Februar und März 1995 zeigte, daß wegen der Vielzahl der vorliegenden schriftlichen Urlaubsanträge, wie dies in den Vorjahren schon häufig vorgekommen war, mehrere und teilweise gleichzeitige Revisionsaufträge in der Zeit von etwa April bis Juli 1995 zu Schwierigkeiten bei der Urlaubserteilung führten, kam es am 22. März 1995 in dieser Frage zu einer Besprechung mit dem Betriebsrat. Zu diesem Zeitpunkt warteten neben dem Betriebsratsvorsitzenden noch mehrere Arbeitnehmer auf eine Beantwortung ihrer Urlaubsanträge. Bei der Besprechung legte der Geschäftsführer einen sog. Balkenplan vor, in dem die Zeiträume für Revisionen in den verschiedenen Kraftwerken dargestellt und die beantragten Urlaubszeiten von 20 Mitarbeitern verzeichnet waren. Verlauf und Ergebnis der Besprechung sind zwischen den Beteiligten umstritten.
Ab 7. April 1995 erschien der Betriebsratsvorsitzende nicht mehr zur Arbeit, was er am Tage zuvor dem Geschäftsführer mitgeteilt hatte. Nach seiner Rückkehr in den Betrieb beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats zu einer fristlosen Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts. Mit Schreiben vom 25. April 1995 verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung. Mit einem am 4. Mai 1995 beim Arbeitsgericht eingereichten Schriftsatz hat die Arbeitgeberin daraufhin im vorliegenden Verfahren die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats beantragt.
Sie hat behauptet, in der Besprechung am 22. März 1995 habe der Geschäftsführer dem Betriebsrat mitgeteilt, aufgrund der Revisionsarbeiten insbesondere im Kraftwerk W , für die die vorhandene Belegschaft wegen krankheitsbedingter Ausfälle nicht ausreiche, könne den Urlaubsanträgen für April nicht entsprochen werden. Der Betriebsrat sei gebeten worden, mit den Betroffenen zu sprechen, ein Widerspruch sei nicht erhoben worden. Zum Erstaunen des Geschäftsführers habe der Betriebsratsvorsitzende dann am 3. April 1995 dem zuständigen Werkstattmeister, der ihm eine Tätigkeit für die Revision in W zugewiesen habe, mitgeteilt, er werde dem nicht folgen, weil er ab 7. April 1995 Urlaub habe. Auf Rückfrage des Werkstattmeisters habe dann der Geschäftsführer gebeten, dem Betriebsratsvorsitzenden mitzuteilen, er habe keinen Urlaub, dies müsse ihm aufgrund der Betriebsratssitzung bekannt sein. Trotz dieses Hinweises sei der Betriebsratsvorsitzende am 6. April 1995 beim Geschäftsführer erschienen und habe wiederum Urlaub erbeten, was ihm erneut abgeschlagen worden sei. Der Betriebsratsvorsitzende habe daraufhin kommentarlos das Büro verlassen, um ab 7. April 1995 nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen.
Im Laufe des Beschlußverfahrens hat die Arbeitgeberin einen weiteren Sachverhalt nachgeschoben, dessentwegen sie beim Betriebsrat mit Schreiben vom 29. November 1995 erfolglos die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung beantragt hat. Sie hat hierzu behauptet, der Betriebsratsvorsitzende habe am 23. November 1995 für den folgenden Tag einen Tag Urlaub erbeten. Als ihm dieser nach entsprechender Rückfrage bei dem Betriebsmeister durch den Geschäftsführer nicht sofort zugesagt worden sei, sei der Betriebsratsvorsitzende in Gegenwart des Betriebsmeisters bedrohlich nahe auf den Geschäftsführer zugegangen und habe dazu geäußert: "Gucken Sie einmal in den Spiegel, sie erbärmlicher Waschlappen..., wenn ich Freitag keinen Urlaub bekomme, werde ich morgen den ganzen Tag Betriebsratsarbeit machen. Sie werden dann schon sehen, was Sie davon haben. Ich grab Ihnen das Wasser ab, bis es Ihnen zum Halse steht."
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des beteiligten Betriebsratsvorsitzenden S zu ersetzen.
Der Betriebsratsvorsitzende und der Betriebsrat haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie haben behauptet, der Geschäftsführer habe in der Betriebsratssitzung vom 22. März 1995 ausdrücklich erklärt, alle Urlaubsanträge für Zeiträume außerhalb der Sommerferien seien pauschal genehmigt. Für diese Anträge gebe es keine Probleme, deshalb brauche man dazu auch keine weitere Aussprache. Rücksprache mit den betroffenen Arbeitnehmern habe nur noch für die Urlaubsanträge während der Sommerferien genommen werden müssen. Damit sei, da auch in der Folgezeit keine weitere Erklärung der Arbeitgeberin erfolgt sei, der Urlaub des Betriebsratsvorsitzenden im April genehmigt gewesen. Abgesehen davon sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt, deren Lauf mit dem Urlaubsantritt am 7. April 1995 begonnen habe.
Am 23. November 1995 habe der Betriebsratsvorsitzende dem Geschäftsführer lediglich erklärt, den Urlaub am Folgetag benötige er, um dringende Betriebsratsarbeiten zu erledigen, was sinnvoll nur zu Hause möglich gewesen sei, weil dem Betriebsrat unstreitig im Betrieb weder ein Zimmer noch ein Schreibtisch oder eine Schreibmaschine zur Verfügung steht. In diesem Zusammenhang habe der Betriebsratsvorsitzende lediglich ausgeführt, wenn ihm der Urlaubstag nicht bewilligt werde, müsse er notgedrungen die beabsichtigte Betriebsratsarbeit irgendwo im Betrieb erledigen.
Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Zustimmung des Betriebsrats antragsgemäß ersetzt. Auf die Beschwerde des Betriebsrats und des Betriebsratsvorsitzenden hat das Landesarbeitsgericht diesen Beschluß abgeändert und den Antrag auf Zustimmungsersetzung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Antrag auf Zustimmungsersetzung weiter.
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (§ 565 Abs. 1 ZPO).
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es könne dahinstehen, ob der Betriebsratsvorsitzende mit seinem Urlaubsantritt am 7. April 1995 eine Pflichtverletzung begangen habe, die bei objektiver Betrachtung das Gewicht eines wichtigen Grundes haben könne. Jedenfalls habe die Arbeitgeberin mit der Einreichung des Zustimmungsersetzungsantrags die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Mit dem tatsächlichen Fernbleiben des Betriebsratsvorsitzenden am ersten Tag des beantragten und noch am 6. April 1995 geltend gemachten Urlaubs habe an dem Vorliegen eines Kündigungsgrundes für die Arbeitgeberin kein Zweifel mehr bestehen können. Der weitere, nachgeschobene Kündigungsgrund könne eine außerordentliche Kündigung schon deshalb nicht rechtfertigen, weil der Geschäftsführer am 23. November 1995 nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Urlaubswunsch des Betriebsratsvorsitzenden willkürlich abgelehnt habe und die durch den Zeugen allein bestätigten Erklärungen des Klägers über seine Absicht, bei fehlender Genehmigung des Urlaubs Betriebsratsarbeit zu machen, aufgrund des provozierenden Verhaltens des Geschäftsführers eine Kündigung nicht rechtfertigen könnten.
II.
Dem folgt der Senat nicht. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe § 626 Abs. 2 BGB falsch angewendet, indem es die von der Arbeitgeberin behauptete eigenmächtige Urlaubsnahme des Betriebsratsvorsitzenden nicht als sog. Dauertatbestand angesehen habe, bei dem die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB erst mit der Beendigung des nicht genehmigten Urlaubs zu laufen beginne.
1. Die außerordentliche Kündigung ist nicht schon - wie das Landesarbeitsgericht annimmt - wegen Versäumung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Gemäß § 626 Abs. 2 BGB beginnt die Zwei-Wochen-Frist, innerhalb derer eine außerordentliche Kündigung zu erklären ist, mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
a) Bei den für die Kenntnis maßgebenden Tatsachen ist zu unterscheiden, ob der Kündigungsgrund aus einem in sich abgeschlossenen Lebenssachverhalt hergeleitet wird oder aus einem sog. Dauertatbestand. Ein solcher Dauertatbestand liegt vor, wenn fortlaufend neue kündigungsrelevante Tatsachen eintreten, die zur Störung des Arbeitsverhältnisses führen. In derartigen Fällen ist die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, wenn bis in die letzten zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung der Dauertatbestand angehalten hat und damit die Störung des Arbeitsverhältnisses noch nicht abgeschlossen war (Senatsurteil vom 25. Februar 1983 - 2 AZR 298/81 - AP Nr. 14 zu § 626 BGB Ausschlußfrist; zuletzt Senatsurteil vom 21. März 1996 - 2 AZR 455/95 - AP Nr. 8 zu § 626 BGB Krankheit, m.w.N.).
b) Bleibt der Arbeitnehmer eigenmächtig der Arbeit fern, etwa weil er sich nach einem abgelehnten Urlaubsantrag selbst beurlaubt hat, so hat die Rechtsprechung stets einen Dauertatbestand angenommen und ist davon ausgegangen, daß die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB erst dann beginnt, wenn der Arbeitnehmer wieder im Betrieb erscheint (Senatsurteil vom 25. Februar 1983, aaO; LAG Hamm Beschluß vom 5. Januar 1983 - 3 TaBV 61/82 - BB 1983, 1473 und Urteil vom 1. September 1995 - 10 Sa 1909/94 - LAGE § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 7).
c) Diese Rechtsprechung hat in der Literatur nahezu einhellige Zustimmung gefunden (Ascheid, Kündigungsschutzrecht Rz 153; Erman/Hanau, BGB, 9. Aufl., § 626 Rz 89; Staudinger/Preis, BGB, 13. Aufl., § 626 Rz 280; Kittner/Trittin, KSchR, 3. Aufl., § 626 BGB Rz 285; KR-Hillebrecht, 4. Aufl., § 626 BGB Rz 227; RGRK/ Corts, BGB, § 626 Rz 210; Kapischke, BB 1989, 1061; a.A. Gerauer, BB 1988, 2032). An ihr ist festzuhalten. Der Arbeitnehmer, der eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub antritt, verstößt in erheblichem Maße gegen seine vertraglichen Pflichten. Dieser Pflichtverstoß setzt sich mit jedem weiteren Urlaubstag fort und je länger der Urlaub dauert, desto gewichtiger ist das Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber kann achtenswerte Gründe haben, nicht bereits am ersten Tag des unentschuldigten Fehlens des Arbeitnehmers mit einer fristlosen Kündigung zu reagieren. Oft wird er den Grund des Fehlens des Arbeitnehmers und den Grad der Pflichtwidrigkeit erst nach einem Gespräch mit dem Arbeitnehmer, also nach dessen Rückkehr an den Arbeitsplatz klären können. Reagiert der Arbeitgeber nicht schon auf die Ankündigung des unberechtigten Fehlens oder auf den eigenmächtigen Antritt des nicht genehmigten Urlaubs mit einer fristlosen Kündigung, so kann der Arbeitnehmer daraus noch nicht den Schluß ziehen, der Arbeitgeber halte die Pflichtverletzung für nicht so gravierend, daß dadurch das Arbeitsverhältnis gefährdet werde. Es würde im Gegenteil Sinn und Zweck des § 626 Abs. 2 BGB, der einen Verwirkungstatbestand konkretisiert, widersprechen, wollte man bei derartigen Dauertatbeständen die Ausschlußfrist mit dem ersten Tag der Pflichtverletzung beginnen lassen. Der Arbeitnehmer könnte dann nach 14 Tagen eigenmächtigen Urlaubs sein Fehlverhalten beliebig lange fortsetzen, ohne noch eine fristlose Kündigung befürchten zu müssen.
d) Der Lauf der Ausschlußfrist begann danach trotz der Ankündigung des Betriebsratsvorsitzenden, er werde in Urlaub gehen, erst mit dessen Rückkehr in den Betrieb. Ab diesem Zeitpunkt hat die Arbeitgeberin innerhalb von 14 Tagen die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung nach § 15 KSchG beim Arbeitsgericht beantragt. Dies reicht aus (BAG Beschluß vom 18. August 1977 - 2 ABR 19/77 - BAGE 29, 270 = AP Nr. 10 zu § 103 BetrVG 1972). Der gesetzliche Verwirkungstatbestand des § 626 Abs. 2 BGB ist daher vorliegend nicht gegeben.
2. Damit steht aber noch nicht fest, ob die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu ersetzen ist. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Standpunkt aus konsequent - zu der Frage, ob die seitens der Arbeitgeberin dem Betriebsratsvorsitzenden vorgeworfenen Pflichtverletzungen eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen können, weder ausreichende Feststellungen getroffen, noch eine Würdigung, insbesondere der wechselseitigen Interessen, vorgenommen. Es hat vielmehr ausdrücklich dahinstehen lassen, ob der Betriebsratsvorsitzende mit seinem Urlaubsantritt am 7. April 1995 eine vertragliche Pflichtverletzung begangen hat und ob diese Pflichtverletzung bei objektiver Betrachtung - evtl. zusammen mit dem nachgeschobenen Kündigungsgrund - das Gewicht eines wichtigen Grundes haben konnte. Der gesamte Hergang der Auseinandersetzung um den vom Kläger beantragten Urlaub ist von den Parteien in der Beschwerdeinstanz teilweise mit neuem tatsächlichen Vorbringen völlig unterschiedlich dargestellt worden. Ebenso ist ungeprüft geblieben, ob nicht der von der Arbeitgeberin nachgeschobene Kündigungssachverhalt selbst nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts geeignet ist, das Gewicht des dem Kläger vorgeworfenen Fehlverhaltens zu erhöhen, wenn sich hinsichtlich des vom Betriebsratsvorsitzenden am 7. April 1995 angetretenen Urlaubs die Sachverhaltsdarstellung der Arbeitgeberin bestätigen sollte. Bei dieser Sachlage kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden, die endgültige Würdigung muß dem Tatsachengericht vorbehalten bleiben.
3. Bei der erneuten Prüfung wird das Landesarbeitsgericht folgendes zu beachten haben: Tritt der Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, so verletzt er damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten und ein solches Verhalten ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Der Arbeitnehmer, der sich selbst beurlaubt, verletzt nicht eine bloße Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, er verletzt vielmehr die Hauptpflicht zur Arbeitsleistung, von der er mangels einer Urlaubsbewilligung durch den Arbeitgeber nicht wirksam entbunden ist. Die Urlaubsgewährung erfolgt nach § 7 BUrlG durch den Arbeitgeber. Lehnt dieser die Urlaubserteilung ohne ausreichende Gründe ab oder nimmt in zumutbarer Zeit zu dem Urlaubsantrag keine Stellung, so kann der Arbeitnehmer durch eine Leistungsklage oder ggf. einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung seine Ansprüche durchsetzen. Ein Recht des Arbeitnehmers, sich selbst zu beurlauben, ist angesichts des umfassenden Systems gerichtlichen Rechtsschutzes grundsätzlich abzulehnen (BAGE 9, 185 = AP Nr. 58 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; BAG Urteil vom 7. Dezember 1988 - 7 AZR 122/88 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 26; vgl. BAG Urteil vom 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262 = AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; ebenso BAG Urteil vom 21. September 1993 - 9 AZR 429/91 - BAGE 74, 204 = AP Nr. 7 zu § 1 Bildungsurlaub NRW; MünchKomm-Schwerdtner, BGB, 3. Aufl., § 626 Rz 115; MünchArbR/Leinemann, Bd. 1, § 87 Rz 71; Dörner, AR-Blattei, Urlaub X B). Auch wenn der Arbeitgeber dem Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers hätte nachkommen müssen, wird dadurch der eigenmächtige Urlaubsantritt durch den Arbeitnehmer nicht zu einer verzeihlichen Verletzung einer Nebenpflicht. Es stellt im Gegenteil regelmäßig sogar eine beharrliche Arbeitsverweigerung dar, wenn der Arbeitnehmer trotz der Ablehnung seines Urlaubsantrags sich einfach selbst beurlaubt und damit beharrlich seiner Arbeitspflicht nicht nachkommt. Ob in derartigen Fällen vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist, wird regelmäßig von dem konkreten Inhalt der Unterredung zwischen den Arbeitsvertragsparteien vor dem eigenmächtigen Urlaubsantritt abhängen. Hat der Arbeitgeber auf konkrete betriebliche Gründe hingewiesen, die einer Urlaubsgewährung entgegenstehen und dem Arbeitnehmer nachdrücklich klargemacht, im Fall eines unberechtigten Urlaubsantritts werde er arbeitsrechtliche Konsequenzen ergreifen, so muß dem Arbeitnehmer klar sein, daß er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt, wenn er trotzdem zu dem rechtswidrigen Mittel der Selbstbeurlaubung greift. Nimmt andererseits der Arbeitgeber die Ankündigung des Arbeitnehmers, er werde trotz Ablehnung des Urlaubsantrags in Urlaub gehen, einfach kommentarlos hin, so wird je nach den Umständen der Arbeitnehmer nicht damit rechnen müssen, daß der Arbeitgeber bereit ist, ohne weitere Abmahnung sofort zum äußersten Mittel der fristlosen Kündigung zu greifen. Bei der Interessenabwägung ist es zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber ohne ausreichende betriebliche Notwendigkeit den Betriebsablauf nicht so organisiert hat, daß über die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers rechtzeitig entschieden werden konnte. Andererseits ist zu Lasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wenn, was die Arbeitgeberin hier geltend macht, ausreichende betriebliche Gründe vorlagen, die einer Urlaubserteilung entgegenstanden und der Arbeitnehmer in Kenntnis der betrieblichen Notsituation unberechtigt der Arbeit ferngeblieben ist. Daß hier ausnahmsweise eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt wäre, weil gerichtliche Hilfe zur Durchsetzung des Urlaubsanspruchs, die der Arbeitnehmer stets in Anspruch nehmen muß, nicht zu erreichen gewesen wäre, kann unter den gegebenen Umständen nicht angenommen werden. Selbst wenn in der Besprechung mit dem Betriebsrat am 22. März 1995 eine konkrete Stellungnahme der Arbeitgeberin zu dem Urlaubswunsch des Betriebsratsvorsitzenden nicht zu erlangen war, so wäre es für den Betriebsratsvorsitzenden ein Einfaches gewesen, die Arbeitgeberin nochmals unter Setzung einer kurzen Frist zur Bescheidung des Urlaubsantrags aufzufordern bzw. sofort beim Arbeitsgericht den Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu beantragen (vgl. zu diesen Fragen Senatsurteil vom 20. Januar 1994 - 2 AZR 521/93 - AP Nr. 115 zu § 626 BGB). Den Vorfall vom 23. November 1995 wird das Landesarbeitsgericht gegebenenfalls als selbständigen Kündigungsgrund zu würdigen haben.
Ende der Entscheidung
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