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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 26.06.2008
Aktenzeichen: 2 AZR 23/07
Rechtsgebiete: BErzGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

BErzGG § 18 Abs. 1
BErzGG § 15
BErzGG § 16
BGB § 134
BGB § 242
ZPO § 519 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT

Im Namen des Volkes!

URTEIL

Verkündet am 26. Juni 2008

2 AZR 23/07

In Sachen

hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Rost, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Eylert und die Richterin am Bundesarbeitsgericht Berger sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Grimberg und Heise

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 7. Dezember 2006 - 3 Sa 25/06 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, insbesondere über die Anwendung des Kündigungsverbots nach § 18 Abs. 1 BErzGG.

Die Beklagte ist eine in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts organisierte Rechtsanwaltssozietät mit zwei Gesellschafterinnen. Die Klägerin war seit dem 1. Dezember 2002 bei der Beklagten in deren Büro, das nicht die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG erfüllt, als Rechtsanwältin in einem Arbeitsverhältnis tätig.

Am 8. Juni 2004 gebar die Klägerin ihre erste Tochter. Nach Ablauf der Mutterschutzfrist am 18. August 2004 trat sie ihre Arbeit bei der Beklagten nicht mehr an.

Die Krankenkasse der Klägerin, die Betriebskrankenkasse H (im Folgenden: BKK), übersandte der Beklagten im Juli 2004 eine "Anfrage wegen Elternzeit". Auf diese Anfrage teilte die Beklagte der BKK am 26. Juli 2004 mit, dass die Klägerin vom 8. Juni 2004 bis 7. Juni 2007 Elternzeit in Anspruch nehme.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich zum 31. Dezember 2005.

Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen § 18 Abs. 1 BErzGG nichtig. Sie hat weiter vorgetragen: Sie habe gegenüber den Gesellschafterinnen mehrfach mündlich, erstmals am 23. Dezember 2003 und zuletzt nach der Entbindung bei einem Kanzleibesuch mit ihrem Kind, Elternzeit für drei Jahre geltend gemacht. Wie insbesondere die Handhabung und die Mitteilung an die BKK zeige, habe die Beklagte von der Inanspruchnahme der Elternzeit nicht nur gewusst, sondern sei auch damit einverstanden gewesen. Im Übrigen sei es der Beklagten verwehrt, sich nunmehr auf eine möglicherweise formwidrige Inanspruchnahme der Elternzeit zu berufen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 13. Oktober 2006 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt:

Die Klägerin habe zu keiner Zeit mündlich Elternzeit gefordert. Mangels Schriftform seien die notwendigen Voraussetzungen für eine wirksame Inanspruchnahme der Elternzeit nicht erfüllt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und der Feststellungsklage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

A. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin als zulässig angesehen, obwohl die Berufungsschrift nur die Angaben des Nachnamens einer Partei und die Kurzbezeichnung der anderen Partei, das erstinstanzliche Aktenzeichen, das Ausgangsgericht und das Verkündungsdatum des Urteils enthalten habe. Die fehlende Angabe der Parteistellung und das Fehlen der Anschriften der Parteien, der Bezeichnung der Prozessbevollmächtigten sowie deren Anschrift in der Berufungsschrift habe nicht zur Unzulässigkeit der Berufung geführt. Zwar müsse aus der Berufungsschrift erkennbar sein, für wen und gegen wen Berufung eingelegt worden sei. Es sei jedoch unschädlich, wenn sich diese Angaben nicht ausdrücklich aus der Berufungsschrift entnehmen ließen. Im Entscheidungsfall seien die Angaben innerhalb der Berufungsfrist von der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts beim Arbeitsgericht ermittelt worden. Deshalb habe auf Grund der schriftlichen Mitteilung des Arbeitsgerichts noch während der Berufungsfrist hinreichende Klarheit darüber bestanden, wer Berufungsklägerin sei und gegen wen sich die Berufung richte. Trotz der unvollständigen Parteibezeichnung hätten beim Berufungsgericht und Berufungsbeklagten keine vernünftigen Zweifel über die Person der Rechtsmittelklägerin aufkommen können. Vor den dem Berufungsgericht vorliegenden Daten habe es aber die Augen nicht verschließen dürfen, selbst wenn es nicht von Amts wegen verpflichtet gewesen sei, den Mangel der Berufungsschrift auszugleichen.

Die Berufung sei in der Sache erfolgreich. Die Kündigung sei nach § 18 Abs. 1 BErzGG iVm. § 134 BGB nichtig. Die Klägerin habe sich zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung in Elternzeit befunden. Sie habe eine ausreichende Erklärung zur Inanspruchnahme ihrer Elternzeit, wenn auch nicht in der von § 16 Abs. 1 BErzGG geforderten Form, abgegeben. Aus den vorliegenden Indizien, insbesondere der von der Beklagten an die BKK gerichteten Erklärung vom 26. Juli 2004, dem über einjährigen Fernbleiben der Klägerin und dessen Hinnahme durch die Beklagte, ergebe sich die Richtigkeit des klägerischen Vortrags. Die Beklagte könne sich nicht erfolgreich auf die formnichtige Inanspruchnahme der Elternzeit berufen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Nichtigkeitsfolge des § 125 Satz 1 BGB schon deshalb nicht eintrete, weil dem Schutzzweck des Schriftformerfordernisses auf andere Weise Genüge getan werden könne. Der Formmangel sei nach § 242 BGB aber unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens unbeachtlich.

Die Beklagte habe es länger als ein Jahr geduldet, dass die Klägerin nicht zur Arbeit erschienen sei und sich in Elternzeit befunden habe. Von der Beklagten sei das fehlende formwirksame Verlangen auf Inanspruchnahme von Elternzeit niemals gerügt worden. Die Klägerin habe, nachdem ein großer Teil der Elternzeit bereits abgewickelt gewesen sei, davon ausgehen können, sie könne ihre Elternzeit weiterhin bis zum Ablauf von drei Jahren in Anspruch nehmen, ohne eine formwirksame Erklärung nachholen zu müssen.

B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung.

I. Entgegen der Auffassung der Revision war das Berufungsurteil nicht deshalb aufzuheben, weil die Berufung der Klägerin unzulässig war.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts muss die in § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorgeschriebene Erklärung, dass gegen ein bestimmtes Urteil Berufung eingelegt werde, auch die Angabe enthalten, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt sein soll. Hiernach muss aus der Berufungsschrift entweder schon für sich allein oder jedenfalls mit Hilfe weiterer Unterlagen, wie etwa des beigefügten erst-instanzlichen Urteils, bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre; sie kann auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und aus etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (vgl. BGH 29. Juni 1956 - V ZB 20/56 - BGHZ 21, 169, 173; 7. November 1995 - VI ZB 12/95 - AP ZPO § 518 Nr. 68; zuletzt 9. April 2008 - VIII ZB 58/06 -). Dabei sind, wie auch sonst bei Auslegung von Prozesserklärungen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die zur Kennzeichnung der Rechtsmittelparteien nötigen Angaben sich nach dem prozessualen Zweck dieses Erfordernisses richten. Der zugrunde liegende Zweck besteht darin, dass im Falle einer Berufung, die einen neuen Verfahrensabschnitt vor einem anderen als dem bis dahin mit der Sache befassten Gericht eröffnet, zur Erzielung eines auch weiterhin geordneten Verfahrensablaufs aus Gründen der Rechtssicherheit die Parteien des Rechtsmittelverfahrens, insbesondere die des Rechtsmittelführers, zweifelsfrei erkennbar sein müssen (BGH 29. Juni 1956 - V ZB 20/56 - aaO; 7. November 1995 - VI ZB 12/95 - aaO; 9. April 2008 - VIII ZB 58/06 -).

Das bedeutet jedoch nicht, an die Bezeichnung der Parteien zu formalistische Anforderungen zu stellen, die zur Erreichung des genannten Zwecks nicht erforderlich sind. Die durch das Grundgesetz gewährleisteten Verfahrensgarantien verbieten es, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen in einer aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren (vgl. insb. BVerfG 9. August 1991 - 1 BvR 630/91 - NJW 1991, 3140). Aus diesem Grund scheitert nach der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte eine Berufung nicht an unvollständigen oder fehlerhaften Bezeichnungen des erstinstanzlichen Gerichts oder der Parteien des Berufungsverfahrens, wenn in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich kein Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen kann. Bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung muss deshalb ein vernünftiger Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers und des Rechtsmittelbeklagten ausgeschlossen sein (vgl. zum Ganzen: BGH 4. Juni 1997 - VIII ZB 9/97 - AP ZPO § 518 Nr. 71; 14. Februar 2002 - VII ZR 363/01 - MDR 2002, 714; 7. November 1995 - VI ZB 12/95 - NJW 1996, 320; BAG 18. April 1972 - 1 AZR 73/72 - BAGE 24, 233; 17. Mai 2001 - 8 AZB 15/01 - EzA ZPO § 518 Nr. 43).

Allerdings ist zu beachten, dass mündliche oder fernmündliche Erklärungen zur Ergänzung der Berufungsschrift wegen des Schriftformerfordernisses grundsätzlich selbst dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn sie beim Gericht aktenkundig gemacht worden sind (BGH 9. Juli 1985 - VI ZB 8/85 -NJW 1985, 2650; 4. Juni 1997 - VIII ZB 9/97 - AP ZPO § 518 Nr. 71). Die ergänzenden Angaben müssen sich aus Schriftstücken ergeben, die dem Rechtsmittelgericht innerhalb der Rechtsmittelfristen - wie beispielsweise aus dem der Berufungsschrift beigefügten erstinstanzlichen Urteil oder der vorhandenen Gerichtsakte - vorliegen (BGH 9. Juli 1985 - VI ZB 8/85 - aaO).

Dementsprechend reicht es nicht aus, wenn das Gericht die notwendigen - ergänzenden - Informationen lediglich durch eigene Ermittlungen mündlich zur Kenntnis bekommt (BSG 14. August 1986 - 2 RU 69/85 - NJW 1987, 1358; 23. Februar 1989 - 4 REg 2/89 -). Die Bemühungen des Berufungsgerichts, die Mängel einer Berufungsschrift durch eigene Handlungen auszugleichen, beispielsweise durch eine telefonische Ermittlung der fehlenden Angaben und Fertigung eines Aktenvermerks (BSG 23. Februar 1989 - 4 REg 2/89 - aaO) können grundsätzlich nicht zu einer Heilung des formellen Mangels der Berufungsschrift und zur Zulässigkeit des Rechtsmittels führen.

2. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs genügt die Berufung der Klägerin den gesetzlichen Anforderungen.

Zwar lässt sich der Berufungsschrift vom 15. Mai 2005 nicht ausdrücklich entnehmen, für wen und gegen wen Berufung eingelegt worden ist. Auch waren andere Unterlagen - insbesondere das erstinstanzliche Urteil entgegen der Sollvorschrift des § 519 Abs. 3 ZPO - der Berufungsschrift nicht beigefügt und sind erst nach Ablauf der Berufungsfrist zur Akte gelangt. Es begegnet jedoch keinen revisionsrechtlichen Bedenken, wenn das Landesarbeitsgericht auch die sonstigen Unterlagen berücksichtigt und festgestellt hat, bis zum Ablauf der Berufungsfrist hätten die notwendigen Angaben vorgelegen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die schriftliche Auskunft des Arbeitsgerichts bei der Berufungsakte des Landesarbeitsgerichts. Dies war ausreichend. Es war nicht notwendig, dass dem Landesarbeitsgericht die gesamte, erstinstanzliche Verfahrensakte, sondern nur die unvollständige Berufungsschrift und diese schriftliche Mitteilung vorlagen. Aus diesem Schriftstück haben sich, worauf das Landesarbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, alle für eine Berufung noch fehlenden, erforderlichen Angaben ergeben. Zwar würde nach den genannten Grundsätzen ein bloßer mündlicher Hinweis auch im "Amtsverkehr" der beiden Gerichte nicht ausreichen, um dem Schriftformerfordernis Genüge zu tun. Dies gilt aus Gründen der Rechtsklarheit schon deshalb, weil Übertragungsfehler vermieden und eindeutige Verantwortlichkeiten feststellbar sein müssen (vgl. BGH 9. Juli 1985 - VI ZB 8/85 - NJW 1985, 2650). Im Entscheidungsfall war aber auf das Auskunftsersuchen der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts eine schriftliche Mitteilung des Arbeitsgerichts, die die weiteren erforderlichen Daten enthielt, zur Gerichtsakte des Berufungsgerichts gelangt.

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Kündigung vom 13. Oktober 2005 nach § 18 Abs. 1 BErzGG iVm. § 134 BGB nichtig ist (zur Nichtigkeitsfolge: vgl. insb. BAG 17. Februar 1994 - 2 AZR 616/93 -BAGE 76, 35, 40; 11. März 1999 - 2 AZR 19/98 - BAGE 91, 101).

1. Nach dem zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung maßgeblichen § 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG (jetzt § 18 BEEG) darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit nicht kündigen.

2. Im Entscheidungsfall kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Klägerin ihre Elternzeit formwirksam beantragt hat. Der Beklagten ist es jedenfalls nach § 242 BGB versagt, sich auf diesen möglichen Formfehler zu berufen.

a) Das Kündigungsverbot des § 18 BErzGG besteht allerdings grundsätzlich nur dann, wenn die Arbeitnehmerin die Elternzeit berechtigterweise angetreten hat und zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für die Elternzeit vorliegen. Zum Kündigungszeitpunkt müssen deshalb sowohl die Voraussetzungen von § 15 BErzGG als auch die des § 16 BErzGG erfüllt sein. Nur derjenige kommt in den Genuss des besonderen Kündigungsschutzes nach § 18 BErzGG, der sich berechtigterweise in Elternzeit befindet (vgl. Meisel/Sowka Mutterschutz und Erziehungsurlaub 5. Aufl. § 18 BErzGG Rn. 6).

b) Demnach müssen alle Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen können, nicht nur die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 15 Abs. 1 BErzGG erfüllen, sondern auch die Elternzeit schriftlich und ordnungsgemäß gegenüber ihrem Arbeitgeber verlangt haben (vgl. Hk-MuSchG/BEEG/ Rancke § 18 BEEG Rn. 13; Buchner/Becker Mutterschutzgesetz und Bundes-erziehungsgeldgesetz 7. Aufl. § 18 BErzGG Rn. 8; BAG 7. Februar 1994 - 2 AZR 616/93 - BAGE 76, 35, 42). Das schriftliche Verlangen stellt eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Elternzeit dar (vgl. bspw. K/D/Z-Zwanziger KSchR 6. Aufl. § 18 BErzGG Rn. 2, 3 und 5; KR-Bader 7. Aufl. § 18 BErzGG Rn. 23; HaKo-Fiebig § 18 Rn. 23; APS/Rolfs 2. Aufl. § 18 BErzGG Rn. 9).

Das Schriftformerfordernis dient der Rechtsklarheit. Am Beginn einer Elternzeit sind vielfältige Fallgestaltungen denkbar, in denen - bei fehlender schriftlicher Beantragung - offenbleibt, ob Elternzeit in Anspruch genommen oder eine andere Form der Arbeitsbefreiung geltend gemacht wird bzw. schlicht eine Fehlzeit vorliegt. Dementsprechend kommt dem schriftlichen Verlangen nach Elternzeit eine vor allem klarstellende Funktion für die Parteien zu, an der grundsätzlich - wie es in § 16 BErzGG vorgesehen ist - festzuhalten ist. Versäumt es der Arbeitnehmer, die Elternzeit in der entsprechenden Form zu beantragen, besteht demnach grundsätzlich kein besonderer Kündigungsschutz (vgl. ErfK/Dörner 7. Aufl. § 16 BErzGG Rn. 10 mwN; aA HWK-Gaul 2. Aufl. § 16 BErzGG Rn. 1; Küttner/Reinecke Personalbuch 2007 14. Aufl. Elternzeit Rn. 14).

c) Allerdings kann ein Berufen des Arbeitgebers auf die fehlende Schriftform ein rechtsmissbräuchliches Verhalten sein (vgl. insb. Meisel/Sowka § 18 BErzGG Rn. 7; Hk-MuSchG/BEEG/Rancke § 18 BEEG Rn. 13; APS/Rolfs § 18 BErzGG Rn. 9). Dies hat das Landesarbeitsgericht im Entscheidungsfall zu Recht angenommen.

aa) Im Einzelfall kann das Berufen auf die fehlende Schriftform gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Erscheinungsform des widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium") verstoßen, wenn dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin Elternzeit gewährt worden ist, obwohl dem Arbeitgeber bekannt war, dass die Anspruchsvoraussetzungen - insbesondere die fehlende Schriftlichkeit - nicht vorliegen. Nach dem Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ist ein Verhalten als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BAG 4. Dezember 1997 - 2 AZR 799/96 - BAGE 87, 200, 205; 14. September 2005 - 4 AZR 348/04 - AP BAT-O § 2 Nr. 3; 23. August 2006 - 4 AZR 417/05 - BAGE 119, 205). Das ist insbesondere der Fall, wenn durch das Verhalten der einen Vertragspartei - bewusst oder unbewusst - für die andere Vertragspartei ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des Bisherigen geschaffen worden ist (BAG 17. Juli 2003 - 8 AZR 376/02 - ZTR 2004, 28; 23. August 2006 - 4 AZR 417/05 - aaO). Ein solches Vertrauen kann auch durch Umstände begründet werden, die nach dem Beginn des Fernbleibens von der Arbeit eingetreten sind (vgl. auch BAG 10. März 2004 - 4 AZR 212/03 - ZTR 2004, 635; 23. August 2006 - 4 AZR 417/05 - aaO).

bb) Im Entscheidungsfall hat die Beklagte es in Kenntnis des fehlenden schriftlichen Antrags hingenommen, dass die Klägerin nicht zur Arbeit erschienen ist und ihre "Elternzeit" fortgeführt hat. Sie hat die Klägerin wie eine Elternzeitberechtigte behandelt, was sinnfällig durch ihre entsprechenden Angaben gegenüber der BKK deutlich wird. Deshalb setzt sich die Beklagte mit ihrem Verhalten zur bisherigen Vorgehensweise in Widerspruch und hat das hinsichtlich des Kündigungsschutzes entstandene Vertrauen der Klägerin grundlos enttäuscht. Die Klägerin kann sich deshalb mit Erfolg auf den Sonderkündigungsschutz des § 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG berufen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.



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