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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 17.01.2008
Aktenzeichen: 2 AZR 405/06
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 1 Abs. 3 | |
KSchG § 1 Abs. 5 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 17. Januar 2008
In Sachen
hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Rost, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Bröhl und Schmitz-Scholemann sowie die ehrenamtlichen Richter Baerbaum und Lücke für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. November 2005 - 1 Sa 1110/05 - aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 18. April 2005 - 4 Ca 1720/05 - abgeändert:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten auf betriebliche Gründe gestützten ordentlichen Kündigung.
Die 1967 geborene Klägerin trat 1991 als Verpackungshelferin in die Dienste der Beklagten, die Ersatzteile für Fahrzeugelektronik herstellt und vertreibt. Die Klägerin ist von ihrem Ehemann getrennt. Sie hat zwei Kinder, die in ihrem Haushalt leben und bei Kündigung acht bzw. achtzehn Jahre alt waren. Für die Tochter bezieht die Klägerin Unterhaltszahlungen von deren Vater.
Auf dem Hintergrund eines massiven Preiskampfes mit Wettbewerbern und fortschreitender Marktanteilverluste entschloss sich die Geschäftsführung der Beklagten im Frühjahr 2004, die Produktion im Bereich Automotive in wesentlichen Teilen nach Indien zu verlagern. Nach dem im September 2004 zustande gekommenen Interessenausgleich war in der Betriebsstätte in E ein Abbau von 37 von 70 Arbeitsplätzen vorgesehen. Von der Verlagerung ausgeschlossen bleiben sollten die Bereiche Logistik, Stanzerei und Spritzerei.
In § 4 des Interessenausgleichs heißt es:
"... Zur Ermittlung der zu kündigenden Arbeitnehmer wurde eine Sozialauswahl vorgenommen.
Dabei haben sich Betriebsrat und Firma zunächst daran orientiert, dass die betriebsverfassungsrechtlichen Mandatsträger Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder, die auf Grund der Teilnahme an Betriebsratssitzungen besonderen Kündigungsschutz genießen, von dem Personalabbau ausgenommen wurden.
Im Übrigen haben Betriebsrat und Firma bei den danach umfassend miteinander vergleichbaren Arbeitsnehmern der Produktion der Sozialauswahl folgende Richtlinie zu Grunde gelegt (§ 95 BetrVG i.V.m. § 1 Abs. 3 bis 5 KSchG):
(1) Betriebszugehörigkeit (BZ)
Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit wird ein Punkt berechnet.
(2) Lebensalter (LA)
Für jedes vollendete Lebensjahr werden 0,75 Punkte gewährt.
(3) Unterhaltspflichtige Kinder (UK)
Je unterhaltsberechtigtes Kind werden vier Punkte vergeben.
(4) Familienstand/Steuerklasse (S)
Je nach Familienstand/Steuerklasse werden Punkte wie folgt vergeben:
Steuerklasse 1 - 4 Punkte
Steuerklasse 2 - 8 Punkte
Steuerklasse 3 - 8 Punkte
Steuerklasse 4 - 4 Punkte
Steuerklasse 5 - 0 Punkte
Pauschale Besteuerung - 0 Punkte
(5) Schwerbehinderung (SB)
Schwerbehinderte Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 erhalten für die Schwerbehinderung 8 Punkte.
(6) Stichtag
Bei der Durchführung der Sozialauswahl und der Ermittlung der dafür notwendigen Daten wird als Stichtag der 01.07.2004 zu Grunde gelegt.
..."
Dem Interessenausgleich war als dessen Bestandteil eine Namensliste mit den 37 zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmerinnen, darunter die Klägerin, fest beigeheftet.
Die Beklagte entnahm für die Ermittlung der maßgeblichen Punktzahl die Anzahl der zu berücksichtigenden unterhaltsberechtigten Kinder aus den Eintragungen in der Lohnsteuerkarte. Auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin waren die Lohnsteuerklasse 2 und die Zahl der Kinderfreibeträge mit 1,0 eingetragen. Gekündigt wurde allen Arbeitnehmern, die weniger als 54,75 Sozialpunkte aufwiesen. Der Klägerin wurden 52 Punkte zuerkannt. Bei Berücksichtigung von zwei Kindern hätte die Klägerin 56 Sozialpunkte gehabt.
Mit Schreiben vom 24. September 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats zum 30. Juni 2005.
Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Sie hat sich auf die mit 54,75 Punkten nicht gekündigte Arbeitnehmerin T bezogen und geltend gemacht, die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft vorgenommen worden, weil bei ihr das zweite unterhaltsberechtigte Kind unberücksichtigt geblieben sei. Bei Zugrundelegung von weiteren vier Punkten für ihr zweites Kind habe sie nicht mehr zu den zu kündigenden Arbeitnehmern gehört. Die Berechnung der Kinderzahl nach den Eintragungen in der Lohnsteuerkarte stelle - selbst wenn sie auf einer, von der Klägerin bestrittenen, Vereinbarung mit dem Betriebsrat beruhe - eine unangemessene Benachteiligung getrennt lebender bzw. geschiedener Arbeitnehmer dar, die gezwungen seien, die Eintragungen auf der Steuerkarte ändern zu lassen. Mit dem Betriebsrat seien die Auswirkungen einer solchen Regelung offenbar auch nicht erörtert worden.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 24. September 2004, zugegangen am 24. September 2004, nicht aufgelöst ist.
2. Hilfsweise für den Fall des Obsiegens der Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Kündigungsschutzprozesses auch tatsächlich zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte macht geltend, es sei nicht grob fehlerhaft, wenn sich ein Arbeitgeber bei Massentatbeständen an den Daten der Lohnsteuerkarte der Arbeitnehmer orientiere. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, wenn sie sich an die Rechtsprechung angelehnt habe, die zum Insolvenzarbeitsrecht ergangen sei. Danach reiche es im Rahmen der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG aus, dem Betriebsrat die Sozialdaten "laut Steuerkarte" anzugeben. Auch sei es als zulässig angesehen worden, bei Sozialplanabfindungen für die Erhöhungsbeträge für unterhaltsberechtigte Personen die Daten aus der Lohnsteuerkarte zugrunde zu legen. Dies müsse auch für die Sozialauswahl gelten.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.
A. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung für sozial ungerechtfertigt gehalten und im Wesentlichen ausgeführt: Zwar habe die Klägerin die nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG eingreifende Vermutung der Betriebsbedingtheit nicht widerlegt. Die Sozialauswahl sei aber grob fehlerhaft (§ 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG). Der Klägerin hätten nicht 52, sondern 56 Punkte zugemessen werden müssen. Da die nicht gekündigte Arbeitnehmerin mit der niedrigsten Punktzahl (Frau T) nur 54,75 Punkte erreicht habe, hätte dieser anstelle der Klägerin gekündigt werden müssen. Die Beklagte habe sich nicht auf die kinderbezogenen Eintragungen in der Lohnsteuerkarte stützen dürfen. Die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte gäben nicht zwingend die tatsächlichen Unterhaltspflichten wieder. Der Arbeitnehmer sei auch nach steuerrechtlichen Vorschriften nicht unbedingt verpflichtet, Änderungen zeitnah in der Steuerkarte eintragen zu lassen. Eine etwa mündlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat getroffene Abrede über die Maßgeblichkeit der Steuerkarte wäre jedenfalls grob fehlerhaft: Die (Nicht-)Berücksichtigung von unterhaltsberechtigten Kindern auf Grund der Eintragungen in der Lohnsteuerkarte könne für einen Teil der Arbeitnehmer zum Ergebnis haben, dass über die Sozialauswahl mittelbar deren Entscheidung, die Unterhaltspflicht für ihre Kinder durch Erwerbseinkommen statt (ausschließlich) durch Betreuungsunterhalt zu erfüllen, unterlaufen würde.
B. Dem stimmt der Senat in weiten Teilen der Begründung, nicht aber im Ergebnis zu. Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten ist nicht sozial ungerechtfertigt, sondern durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2, Abs. 5 Satz 1 KSchG bedingt. Die Sozialauswahl ist nicht grob fehlerhaft iSd. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG. Da andere Unwirksamkeitsgründe nicht ersichtlich sind, hat die Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst.
I. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG vorliegen.
1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Betriebsbedingtheit der Kündigung im Streitfall nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vermutet wird und der Klägerin die Widerlegung dieser Vermutung nicht gelungen ist. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, es werde weiter in ihrem Beschäftigungsbetrieb gearbeitet. Die Betriebsänderung, die zur Kündigung geführt hat, bestand indes nicht in einer Stilllegung des gesamten Betriebs, sondern in einer Verlagerung eines Teils der Produktion nach Indien. Diese Verlagerung und die dadurch eingetretene Reduzierung der Beschäftigungsmöglichkeiten bestreitet die Klägerin nicht.
2. Nicht zu folgen vermag der Senat dem Landesarbeitsgericht in der Würdigung, die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft iSd. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG. a) Im Ansatz zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, auf Grund der namentlichen Bezeichnung der Klägerin in der Anlage zum Interessenausgleich (Liste) könne die soziale Auswahl der gekündigten Klägerin nach § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
aa) Ebenfalls in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats führt das Landesarbeitsgericht aus, dass dieser Prüfungsmaßstab nicht nur für die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst gilt, sondern auch für die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen (BAG 21. September 2006 - 2 AZR 284/06 -).
bb) Grob fehlerhaft ist eine soziale Auswahl nur, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG 21. September 2006 - 2 AZR 284/06 -mwN). Durch § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG soll den Betriebspartnern ein weiter Spielraum bei der Sozialauswahl eingeräumt werden. Das Gesetz geht davon aus, dass ua. durch die Gegensätzlichkeit der von den Betriebspartnern vertretenen Interessen und durch die auf beiden Seiten vorhandene Kenntnis der betrieblichen Verhältnisse gewährleistet ist, dass dieser Spielraum angemessen und vernünftig genutzt wird. Nur wo dies nicht der Fall ist, sondern der vom Gesetzgeber gewährte Spielraum verlassen wird, so dass der Sache nach nicht mehr von einer "sozialen" Auswahl die Rede sein kann, darf grobe Fehlerhaftigkeit angenommen werden. Der Arbeitgeber genügt seiner Pflicht, die gesetzlichen Kriterien ausreichend bzw. nicht grob fehlerhaft (§ 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG) zu berücksichtigen bereits dann, wenn das Auswahlergebnis objektiv ausreichend bzw. nicht grob fehlerhaft ist (st. Rspr. vgl. BAG 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 86 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 70, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 9. November 2006 - 2 AZR 812/05 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 71, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen mwN). Der maßgebliche Zeitpunkt ist derjenige des Kündigungszugangs.
b) Gemessen an diesen Grundsätzen kann eine grobe Fehlerhaftigkeit bereits deshalb nicht festgestellt werden, weil der von der Klägerin geltend gemachte Punkteabstand von 1,25 zu ihren Gunsten (56 Punkte für die Klägerin, 54,75 für die Konkurrentin) angesichts der zugrunde liegenden Daten derart marginal erscheint, dass keine "grobe" Abweichung gegeben ist.
Betrachtet man die Sozialdaten im Einzelnen, so ergibt sich: Die Klägerin ist 1967 geboren, seit 1991 beschäftigt, hat die Steuerklasse 2 (8 Punkte) und zwei unterhaltsberechtigte Kinder. Frau T ist 1954 geboren, seit 1994 beschäftigt, hat die Steuerklasse 4 (4 Punkte) und ein unterhaltsberechtigtes Kind. Letztlich wirkt sich bei diesen Gegebenheiten das deutlich (nämlich um 13 Jahre) höhere Lebensalter der Frau T dahin aus, dass es die Punkte für ein Kind und die etwas längere Beschäftigungszeit der Klägerin nahezu ausgleicht. Das lässt sich keinesfalls als völlig unausgewogen bezeichnen, zumal der Altersunterschied zwischen einer 50jährigen und einer 37jährigen regelmäßig deutlich arbeitsmarktrelevant ist.
3. Die vom Landesarbeitsgericht in den Mittelpunkt gerückte Frage, ob der Arbeitgeber sich bei der Sozialauswahl auf die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte verlassen darf, kann letztlich offen bleiben. Allerdings hebt das Landesarbeitsgericht zu Recht hervor, dass das Gesetz in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausschließlich von "Unterhaltspflichten" spricht, die ausreichend zu berücksichtigen sind. Darunter sind die familienrechtlichen Unterhaltspflichten zu verstehen. Da die kinderbezogenen Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte nur begrenzt etwas über das Bestehen dieser familienrechtlichen Verhältnisse aussagen, dürfte sich der Schluss aufdrängen, dass § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG an sich nicht auf die in die Lohnsteuerkarte eingetragenen Kinderfreibeträge abhebt, so dass es auf die tatsächlichen, nicht aber auf die in die Lohnsteuerkarte eingetragenen Daten ankommen dürfte. Den Bedürfnissen der Praxis ist ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass der Arbeitgeber auf die ihm bekannten Daten vertrauen kann, wenn er keinen Anlass zu der Annahme hat, sie könnten nicht zutreffen (BAG 6. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 80 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 68). Dabei kann die Lohnsteuerkarte einen wichtigen Anhaltspunkt bieten.
II. Die Kündigung ist auch nicht wegen nicht ausreichender Unterrichtung des Betriebsrats unwirksam. Der Betriebsrat ist vielmehr ordnungsgemäß angehört worden. Das kann der Senat auf Grund des unstreitigen Sachverhalts entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
1. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. Diesen Kündigungssachverhalt muss er in der Regel unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, dann ist die Anhörung ordnungsgemäß, weil eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Kündigungsgründe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führt. Der Arbeitgeber kommt dagegen seiner Unterrichtungspflicht nicht nach, wenn er aus seiner Sicht dem Betriebsrat bewusst unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen unterbreitet (st. Rspr., vgl. zB 6. Oktober 2005 - 2 AZR 316/04 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 150 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 16; 13. Mai 2004 - 2 AZR 329/03 - BAGE 110, 331; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 8. September 1988 - 2 AZR 103/88 - BAGE 59, 295; vgl. zur Mitteilung der Sozialdaten nach Lohnsteuerkarte: BAG 6. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 80 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 68).
2. Diesen Anforderungen wird die Unterrichtung des Betriebsrats im vorliegenden Fall gerecht. Die Klägerin hat insoweit erstinstanzlich geltend gemacht, die Beklagte habe dem Betriebsrat nicht die zutreffenden, sondern die in die Lohnsteuerkarte eingetragenen Unterhaltspflichten mitgeteilt. Das ist zwar richtig. Indes war dem Betriebsrat aus dem Anhörungsschreiben bekannt, dass die Beklagte ausschließlich auf die aus den Lohnsteuerkarten ersichtlichen Daten zurückgegriffen hatte. Da die Beklagte die Sozialauswahl, wie der Betriebsrat wusste, ausdrücklich nach den aus den Lohnsteuerkarten ersichtlichen Daten vorgenommen hatte, war es aus ihrer Sicht konsequent und zutreffend, allein diese Daten mitzuteilen, jedenfalls so lange der Betriebsrat nicht nachfragte. Die Beklagte hat damit dem Betriebsrat die aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungsgründe mitgeteilt.
III. Die Kosten des Rechtsstreits muss die Klägerin nach § 91 Abs. 1 ZPO tragen.
Ende der Entscheidung
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