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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 10.02.1999
Aktenzeichen: 2 AZR 422/98
Rechtsgebiete: KSchG, TVG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 13 Abs. 3
KSchG § 2
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 4
TVG § 4
BGB § 134
Leitsatz:

Eine Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber den Abbau tariflich gesicherter Leistungen (hier: Erhöhung der tariflichen Arbeitszeit von 35 Stunden auf 38,5 Stunden bei einer Lohnerhöhung von 3 %) durchzusetzen versucht, ist rechtsunwirksam.

Aktenzeichen: 2 AZR 422/98 Bundesarbeitsgericht 2. Senat Urteil vom 10. Februar 1999 - 2 AZR 422/98 -

I. Arbeitsgericht Mainz Kammer Bad Kreuznach Urteil vom 13. Februar 1997 - 7 Ca 1253/96 -

II. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 18. Dezember 1997 - 7 Sa 374/97 -


---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Ja Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ----------------------------------------------------------------------

Entscheidungsstichworte: Änderungskündigung, Tarifvertrag

Gesetz: KSchG § 13 Abs. 3, 2, § 1 Abs. 2, 4; TVG § 4; BGB § 134

2 AZR 422/98 7 Sa 374/97 Rheinland-Pfalz

Im Namen des Volkes! Urteil

Verkündet am 10. Februar 1999

Anderl, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

pp.

hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Etzel, die Richter Bröhl und Fischermeier sowie die ehrenamtlichen Richter Piper und Dr. Bartz für Recht erkannt:

I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Dezember 1997 - 7 Sa 374/97 - aufgehoben.

II. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammer Bad Kreuznach - vom 13. Februar 1997 - 7 Ca 1253/96 - abgeändert:

1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen über den 31. Mai 1996 hinaus jedenfalls bis zum Zugang der Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 1996 fortbestanden hat.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Der Kläger war seit März 1995 bei der Beklagten, die Verkehrstechnik und Leitsysteme herstellt, als gewerblicher Arbeitnehmer tätig. Sein monatlicher Bruttolohn betrug zuletzt 3.113,00 DM. Er ist Mitglied der IG-Metall. Unter dem 21. Juni 1991 schlossen die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die IG-Metall einen Anerkennungstarifvertrag, wonach im Betrieb der Gemeinsame Manteltarifvertrag der Schmuck- und Metallwarenindustrie im Kreis Birkenfeld vom 14. Mai 1990 (MTV) gelten sollte. Nach § 4 MTV beträgt die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen ab 1. Oktober 1995 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Mit einem weiteren Verhandlungsergebnis vom 5. Juni 1992 zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der IG-Metall wurden die Übernahme der tariflichen Lohn- und Gehaltserhöhungen sowie der Ausgleich für die vorzunehmende Arbeitszeitverkürzung vereinbart, außerdem wurde das Verhandlungsergebnis der Schmuck- und Metallwarenindustrie vom 11. März 1994 durch Vereinbarung vom 16. Juni 1994 übernommen.

Mit Schreiben vom 5. März 1996 forderte die Beklagte den Kläger auf, sich mit einer Verlängerung seiner Arbeitszeit auf 38,5 Wochenstunden, verbunden mit einer Lohnerhöhung von 3% einverstanden zu erklären. Der Kläger unterschrieb die ihm vorgelegte Änderungsvereinbarung zunächst nicht. Mit Schreiben vom 27. März 1996 hörte die Beklagte deshalb den im Betrieb bestehenden Betriebsrat zu einer entsprechenden Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Nachdem der Betriebsrat unter Hinweis auf den bestehenden Tarifvertrag widersprochen hatte, kündigte die Beklagte durch ein dem inzwischen erkrankten Kläger am 4. April 1996 durch Boten überbrachtes Schreiben das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 1996 und bot dem Kläger zugleich ab 1. Juni 1996 den Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages mit einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden, verbunden mit einer Lohnerhöhung von 3% an. Bei Ausspruch der Änderungskündigung war der Beklagten die Gewerkschaftsmitgliedschaft des Klägers nicht bekannt. Das Änderungskündigungsschreiben hat der Kläger unterschrieben am 12. Juni 1996 in der Personalabteilung der Beklagten abgegeben.

Der Kläger hat mit seiner am 5. Juli 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage ursprünglich geltend gemacht, er habe die geänderten Arbeitsbedingungen ausdrücklich innerhalb der Frist des § 2 Satz 2 KSchG angenommen, indem er am 15. April 1996 sowohl das Änderungskündigungsschreiben als auch das Schreiben vom 5. März 1996 mit seiner Unterschrift versehen in der Personalabteilung der Beklagten abgegeben habe. Nach durchgeführter Beweisaufnahme über die von der Beklagten bestrittene Annahme des Änderungsangebots am 15. April 1996 beruft sich der Kläger in erster Linie darauf, die Kündigung verstoße mit der dadurch angestrebten Arbeitszeitänderung gegen die tarifliche Arbeitszeitregelung des MTV und sei daher nichtig. Darüber hinaus stelle die Kündigung eine unwirksame Maßregelung dar, denn sie sei nur erfolgt, weil er sich geweigert habe, auf seine tariflichen Rechte zu verzichten.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen über den 31. Mai 1996 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Änderungskündigung sei auf ihre soziale Rechtfertigung hin nicht zu überprüfen, da die Klage verspätet eingereicht worden sei. Die Kündigung verletze auch nicht § 4 TVG. Diese Vorschrift sei nur für den Inhalt des Arbeitsvertrages von Bedeutung, nicht aber für das Angebot auf deren Abschluß. Auch wenn das Angebot zur Änderung der Arbeitsbedingungen tarifwidrig sei, so könne dies die Wirksamkeit der Kündigung als einer neben dem Änderungsangebot selbständig stehenden Willenserklärung nicht berühren. Die Kündigung stelle auch keine Maßregelung des Klägers dar. Dem Kläger sei nicht gekündigt worden, weil er sich mit der Änderung seiner Arbeitsbedingungen nicht einverstanden erklärt habe. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bilde vielmehr die gesetzliche Folge seiner Ablehnung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Die Kündigung der Beklagten ist nach § 13 Abs. 3 KSchG i.V.m. § 4 MTV, § 4 TVG, § 134 BGB rechtsunwirksam.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine gegenteilige Entscheidung - kurz zusammengefaßt - wie folgt begründet: Wenn das Änderungsangebot, das die Beklagte dem Kläger neben der Kündigung unterbreitet habe, gegen die zwingenden Normen des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrages verstoße, so führe die Unterbreitung eines derartigen Angebots durch den Arbeitgeber nicht zur Unwirksamkeit oder gar Nichtigkeit der parallel erklärten Kündigung. Dem Kläger wäre, wenn er das Änderungsangebot angenommen hätte, bei bestehender Tarifbindung kein Nachteil entstanden, weil er nach wie vor Anspruch auf die tariflichen Leistungen gehabt hätte. Es stelle auch keine Maßregelung des Klägers dar, wenn die Beklagte nach der Ablehnung des Änderungsangebots durch den Kläger an ihrer in der Änderungskündigung enthaltenen Kündigungserklärung festhalte.

B. Dem folgt der Senat nicht.

I. Der Antrag des Klägers auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen über den 31. Mai 1996 hinaus fortbesteht, ist nach § 256 BGB zulässig. Der Kläger macht damit den unveränderten Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses wegen Unwirksamkeit der Kündigung nach § 13 Abs. 3 KSchG, §§ 4 TVG, 612 a, 134 BGB geltend. Seine ursprüngliche Behauptung, er habe das Änderungsangebot der Beklagten zeitnah akzeptiert, hat der Kläger nicht zu beweisen vermocht und hat deshalb im weiteren Prozeßverlauf an diesem Vorbringen nicht mehr festgehalten. Nicht umfaßt wird durch den vom Kläger gestellten Feststellungsantrag die Frage der Wirksamkeit einer weiteren Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 1996. Diese fristlose Kündigung und damit die Frage, ob durch sie das Arbeitsverhältnis beendet worden ist, ist Streitgegenstand eines gesonderten arbeitsgerichtlichen Verfahrens.

II. Die Klage ist mit dem zuletzt allein noch gestellten Feststellungsantrag auch begründet. Die Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst, dieses besteht vielmehr zu unveränderten Bedingungen - vorbehaltlich seiner Beendigung durch die später ausgesprochene fristlose Kündigung - weiter. Die Änderungskündigung der Beklagten ist nach § 13 Abs. 3 KSchG, §§ 4 TVG, 134 BGB rechtsunwirksam.

1. Die Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Abweichende Abmachungen sind nach § 4 Abs. 3 TVG nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Die zwingende Wirkung des Tarifvertrages schließt dabei nicht nur den in § 4 Abs. 4 TVG ausdrücklich erwähnten Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte, sondern jegliches Umgehungsgeschäft aus. Eine Gesetzesumgehung liegt dann vor, wenn der Zweck zwingender Rechtsnormen objektiv dadurch vereitelt wird, daß andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten mißbräuchlich verwendet werden (Senatsurteil vom 13. Dezember 1984 - 2 AZR 294/83 - AP Nr. 8 zu § 620 BGB Bedingung; BAGE 10, 65, 70 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu C der Gründe). Das Umgehungsgeschäft ist unwirksam, ohne daß die Absicht einer Umgehung der zwingenden Rechtsnorm vorzuliegen braucht (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 204 zur Umgehung tariflicher Kündigungsfristen durch Kettenverträge).

2. Eine Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber den Abbau tariflich gesicherter Leistungen durchzusetzen versucht, ist danach rechtsunwirksam.

a) Ausdrücklich entschieden ist dies für den Fall, daß der Arbeitgeber mit seiner Änderungskündigung eine Senkung des Lohns des tarifgebundenen Arbeitnehmers unter den Mindestlohn des entsprechenden Lohntarifvertrags anstrebt (BAGE 38, 106 = AP Nr. 2 zu § 2 KSchG 1969; vgl. BAG Urteil vom 25. Oktober 1973 - 5 AZR 141/73 - AP Nr. 42 zu § 616 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Änderungskündigungen nicht nur dann wegen Verstoßes gegen die zwingende Wirkung eines Tarifvertrages unwirksam, wenn im Zeitpunkt des Kündigungszugangs ein tarifliches Kündigungsverbot besteht. Es ist darüber hinaus zu prüfen, ob die kündigende Vertragspartei mit ihrer Kündigung ein rechtlich zulässiges Ziel erstrebt, ob also im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eine Änderung des Arbeitsvertrages, wie sie mit der Änderungskündigung erstrebt wird, tariflich zulässig ist oder gegen tarifliche Inhaltsnormen, zum Beispiel gegen bestehende Mindestlohnvorschriften verstößt (BAGE 38, 106 = AP, aaO; vgl. BAG Urteil vom 25. Oktober 1973, aaO; wohl zustimmend, ohne allerdings tarifliche Inhaltsnormen ausdrücklich zu erwähnen: KR-Rost, 5. Aufl., § 2 KSchG Rz 179 a und KR-Friedrich, § 13 KSchG Rz 261 a).

b) An dieser Rechtsprechung ist für den vorliegenden Fall festzuhalten, daß der Arbeitgeber eine tarifwidrige Arbeitszeit, noch dazu ohne angemessenen finanziellen Ausgleich, gegenüber einem tarifgebundenen Arbeitnehmer durch Ausspruch einer entsprechenden Änderungskündigung durchzusetzen versucht (ebenso Kittner/Trittin, KSchR, 3. Aufl., § 2 KSchG Rz 158). Der vom Arbeitgeber bezweckte Erfolg, die Einführung einer tarifwidrigen Arbeitszeit für das betreffende Arbeitsverhältnis, verstößt gegen die zwingende Wirkung der die Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers regelnden tariflichen Arbeitszeitnormen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Nach § 4 Abs. 3 TVG ist deshalb das in der Änderungskündigung enthaltene Angebot des Arbeitgebers auf vertragliche Änderung der tariflichen Arbeitszeit rechtsunwirksam, ebenso wie es im Falle seiner Annahme durch den Arbeitnehmer dessen Einverständniserklärung mit der tarifwidrigen Arbeitszeit wäre.

c) Die Unwirksamkeit erstreckt sich dabei auch auf die Kündigung. Dies ergibt sich schon daraus, daß bei der Nachprüfung der Wirksamkeit einer vom Arbeitgeber erklärten Änderungskündigung nicht auf die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern allein auf das Angebot des Arbeitgebers abzustellen ist, das Arbeitsverhältnis unter bestimmten anderen Bedingungen fortzusetzen. Dies gilt nach der Senatsrechtsprechung selbst dann, wenn der Arbeitnehmer das Angebot ablehnt, sich aber gegen die Wirksamkeit der Kündigung im Klagewege wendet (Senatsurteil vom 7. Juni 1973 - 2 AZR 450/72 - BAGE 25, 213 = AP Nr. 1 zu § 626 BGB Änderungskündigung). Die Änderungskündigung zielt als ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft auf die Vertragsänderung, nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es ist deshalb sachlich gerechtfertigt, bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Änderungskündigung auf das Änderungsangebot, nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Wird mit der Änderungskündigung eine - weil tarifwidrig - rechtsunwirksame Vertragsänderung angestrebt, so ist erst recht die in der Änderungskündigung enthaltene Kündigungserklärung rechtsunwirksam, denn sie enthält zusätzlich dem Arbeitnehmer gegenüber die Drohung, das Arbeitsverhältnis werde beendet, falls dieser sich mit den tarifwidrigen Arbeitsbedingungen nicht einverstanden erkläre.

d) Zu Unrecht macht die Revision geltend, die Änderungskündigung sei allenfalls schwebend unwirksam und ändere den Arbeitsvertrag der Parteien z. B. in dem Moment, in dem der Kläger aus der Gewerkschaft austrete. Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob grundsätzlich der in der neueren Literatur wohl überwiegenden Auffassung zu folgen ist, daß tarifliche Inhaltsnormen entsprechende vertragliche Vereinbarungen regelmäßig nur verdrängen, nicht endgültig beseitigen (Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 183; Kempen/Zachert, TVG, 3. Aufl., § 4 Rz 12; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rz 52; vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 201 und BAG Urteil vom 21. September 1989 - 1 AZR 454/88 - BAGE 62, 360 = AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972). Eine gegen zwingende tarifliche Vorschriften verstoßende Änderungskündigung ist jedenfalls nach § 4 Abs. 1 und 3 TVG, § 134 BGB nichtig. Die Änderungskündigung zielt darauf ab, unter der Drohung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der Kündigungsfrist die neuen Arbeitsbedingungen ohne jede Einschränkung durchzusetzen. Dem gegenüber kann die zwingende Wirkung des Tarifvertrags nur durch eine Nichtigkeit der tarifwidrigen Änderungskündigung durchgesetzt werden (ebenso im Ergebnis BAGE 38, 106 = AP, aaO). Eine Änderung des Arbeitsvertrages lediglich mit Wirkung in ungewisser Zukunft, etwa wenn der Arbeitnehmer aus der Gewerkschaft ausgetreten ist, wird mit der Änderungskündigung nicht bezweckt. Die Annahme einer "schwebenden" Unwirksamkeit würde im übrigen unberücksichtigt lassen, daß die Änderungskündigung eine echte Kündigung darstellt und damit zu den Rechtsgeschäften gehört, bei denen sich ein solcher Schwebezustand regelmäßig verbietet (vgl. §§ 111, 174, 180 BGB; Senatsurteil vom 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 - BAGE 74, 291 = AP Nr. 33 zu § 2 KSchG 1969; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, S. 344 f.).

e) Der Verstoß einer Änderungskündigung gegen tarifliche Inhaltsnormen stellt einen sonstigen Unwirksamkeitsgrund im Sinne von § 13 Abs. 3 KSchG dar und führt nicht lediglich, wie das Landesarbeitsgericht meint, zur Sozialwidrigkeit der Kündigung nach §§ 2, 1 Abs. 2 KSchG (vgl. BAGE 38, 106 = AP, aaO; KR-Friedrich, 5. Aufl., § 13 KSchG Rz 261 a; KR-Rost, aaO § 2 KSchG Rz 179 a, beide unter ausdrücklichem Hinweis auf BAGE 38, 106 = AP, aaO). Den Tarifverstoß kann der Arbeitnehmer deshalb selbst dann noch geltend machen, wenn er wegen Ablaufs der Klagefrist nach §§ 4, 7 KSchG sich auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht mehr berufen kann.

III. Nach alledem ist die Änderungskündigung der Beklagten nach § 13 Abs. 3 KSchG, §§ 4 TVG, 134 BGB rechtsunwirksam, denn im Betrieb galt eine tarifliche Arbeitszeit von 35 Stunden.

1. Der zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und IG-Metall abgeschlossene Anerkennungstarifvertrag, in dem u.a. die Geltung des MTV im Betrieb vereinbart worden ist, stellt einen Firmentarifvertrag i. S. von § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 TVG dar, der für das Arbeitsverhältnis des der IG-Metall angehörenden Klägers und der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der tarifschließenden Arbeitgeberin Geltung beansprucht (§ 3 Abs. 1 TVG). Da sich die Wirksamkeit einer Kündigung nach den Verhältnissen bei Ausspruch der Kündigung beurteilt, ist es rechtlich ohne Belang, daß die Beklagte nach Ausspruch der hier streitigen Kündigung den Anerkennungstarifvertrag und die aufgrund des Anerkennungstarifvertrages im Betrieb geltenden Tarifverträge mit Wirkung zum 31. Dezember 1996, hilfsweise zum nächst- möglichen Zeitpunkt gekündigt hat.

2. Nach § 4 des danach auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbaren MTV galt für den Kläger als zwingende tarifliche Inhaltsnorm eine Arbeitszeit von 35 Wochenstunden. Diese Arbeitszeit konnte nach § 4 Abs. 3 TVG vertraglich nicht, erst Recht nicht mittels einer Änderungskündigung geändert werden, es sei denn, die abweichende Abmachung wäre durch den Tarifvertrag gestattet oder die Änderung der Arbeitsbedingungen wäre für den Kläger günstiger. Beides ist nicht der Fall. Weder enthält der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel (§ 4 Abs. 3 Alt. 1 TVG), noch ist die durch die Beklagte mit der Änderungskündigung angestrebte einzelvertragliche Erhöhung der Arbeitszeit auf 38,5 Stunden gegen ein um 3% höheres Entgelt für den Kläger günstiger als die tarifliche Regelung (§ 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG).

Unabhängig davon, wie eine einzelvertragliche Vereinbarung zu beurteilen wäre, mit der die Parteien eine Erhöhung der tariflichen Arbeitszeit gegen entsprechend proportionale Erhöhung des Lohns vereinbaren, ergibt sich im vorliegenden Fall die Benachteiligung des Klägers schon allein aus dem Vergleich zwischen der ihm angebotenen tarifwidrigen Arbeitszeit und dem ihm für die Erhöhung seiner Arbeitszeit angebotenen Lohn. Die dem Kläger von der Beklagten angebotene Arbeitszeiterhöhung um 10% gegen eine Erhöhung seines Lohns lediglich um 3% ohne Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen zielte, bezogen auf die Gesamtarbeitszeit des Klägers, auf eine Absenkung seines Stundenlohns. Mit ihrer Änderungskündigung wollte die Beklagte also, wovon auch das Landesarbeitsgericht unausgesprochen ausgeht, das Arbeitsverhältnis des Klägers gegenüber den tariflichen Arbeitsbedingungen einer ungünstigeren vertraglichen Vereinbarung unterwerfen. Dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.

3. Dem Kläger ist es auch nicht wegen unzulässiger Rechtsausübung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, die Unwirksamkeit der Änderungskündigung geltend zu machen. Es bedarf vorliegend keiner allgemeinen Abgrenzung, ob und ggf. unter welchen Umständen unter Berücksichtigung der zwingenden Wirkung des Tarifvertrags (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG) und des Verzichtsverbots (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG) es überhaupt als unzulässige Rechtsausübung angesehen werden kann, daß der Arbeitnehmer tarifwidrige Arbeitsbedingungen zunächst hinnimmt und sich erst später auf seine tariflichen Rechte beruft. Es stellt jedenfalls keine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn ein Arbeitnehmer - wie im vorliegenden Fall der Kläger - zeitnah Klage auf Feststellung erhebt, daß die tarifwidrige Änderungskündigung seine Arbeitsbedingungen nicht geändert hat, und lediglich im Prozeß seinen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung während der Dauer des Prozesses dahin beschränkt, daß er sich bis auf weiteres mit einer Weiterbeschäftigung zu den geänderten Arbeitsbedingungen zufrieden gibt. Da die Parteien zunächst auch über die Frage gestritten haben, ob der Kläger die geänderten Arbeitsbedingungen angenommen hat, war die Fassung des Antrags auf vorläufige Weiterbeschäftigung durch den Kläger nicht geeignet, einen irgendwie gearteten Vertrauenstatbestand bei der Beklagten zu begründen, der es nunmehr als rechtsmißbräuchlich erscheinen ließe, daß der Kläger seine tariflichen Rechte geltend macht (vgl. Senatsbeschluß vom 28. März 1985 - 2 AZR 548/83 - AP Nr. 4 zu 767 ZPO).

IV. Ob die Kündigung der Beklagten außerdem wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot nach § 13 Abs. 3 KSchG, §§ 612 a, 134 BGB rechtsunwirksam ist, kann damit offenbleiben.

Ende der Entscheidung

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