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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: 2 AZR 717/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

Hinweise des Senats: Bestätigung der Rechtsprechung des Sechsten Senats (Urteil vom 9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - zur Veröffentlichung vorgesehen)

2 AZR 717/05

Verkündet am 21. September 2006

In Sachen

hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 21. September 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Rost, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Eylert und Schmitz-Scholemann sowie die ehrenamtlichen Richter Baerbaum und Beckerle für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2005 - 6 Sa 2287/04 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des bei ihr seit dem 1. Juli 1993 als Diplom-Ingenieur beschäftigten Klägers mit Schreiben vom 19. November 2003, dem Kläger am selben Tag zugegangen, zum 31. März 2004.

Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit seiner beim Arbeitsgericht am 15. März 2004 eingegangenen Klage gewandt und insbesondere die nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gerügt. Der Kläger hat insoweit die Auffassung vertreten, seine Klage sei noch rechtzeitig erhoben worden, da die ab dem 1. Januar 2004 geltende Neufassung des § 4 KSchG auf die im Jahr 2003 erklärte Kündigung keine Anwendung finde.

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 19. November 2003 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, die neue ab dem 1. Januar 2004 geltende gesetzliche Regelung zur Klagefrist erfasse auch die streitgegenständliche Kündigung. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei bereits die 3-wöchige Klagefrist abgelaufen gewesen; sie habe spätestens mit Ablauf des 21. Januar 2004 geendet.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat mit der im März 2004 erhobenen Klage die 3-wöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG versäumt. Die Kündigung vom 19. November 2003 gilt als von Anfang an rechtswirksam (§ 7 KSchG).

A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner die Klage abweisenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom 19. November 2003 gelte schon wegen der erst am 15. März 2004 erhobenen Klage und der deshalb versäumten Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam (§ 7 KSchG). Die gesetzliche Klagefrist erstrecke sich seit dem 1. Januar 2004 auf alle Unwirksamkeitsgründe. Für Kündigungen, die vor dem 1. Januar 2004 zugegangen seien, laufe sie ab dem 1. Januar 2004 und ende am 21. Januar 2004.

B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in der Begründung. Eine noch im Jahr 2003 zugegangene Kündigung, gegen die erst im Jahr 2004 gerichtlich vorgegangen wurde, unterfällt der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG in der Fassung des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (nF). Die Drei-Wochen-Frist begann demnach mit dem Inkrafttreten der Neufassung des Kündigungsschutzgesetzes am 1. Januar 2004 und lief am 21. Januar 2004 ab (so bereits BAG 9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 -, zur Veröffentlichung vorgesehen <zVv.>).

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist somit durch die Kündigung der Beklagten vom 19. November 2003 zum 31. März 2004 rechtswirksam beendet worden. Sie gilt nach § 7 KSchG iVm. § 4 Satz 1 KSchG nF als von Anfang an rechtswirksam.

I. Die 3-wöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG nF erfasst - mit Ausnahme der mangelnden Schriftform - seit dem 1. Januar 2004 alle Unwirksamkeitsgründe, insbesondere auch eine fehlerhafte Betriebsratsanhörung (vgl. beispw. KR-Friedrich 7. Aufl. § 4 KSchG Rn. 9a; Löwisch BB 2004, 154, 158; Bader NZA 2004, 65, 67; Raab RdA 2004, 321, 322; Eylert/Schinz AE 2005, 5, 9).

II. Entgegen der Auffassung der Revision ist § 4 KSchG nF auch auf Kündigungen anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelungen am 1. Januar 2004 zugegangen sind und deren Wirksamkeit der Arbeitnehmer nach dem 1. Januar 2004 zur gerichtlichen Überprüfung stellt.

1. Es wäre zwar im Sinn einer klaren Regelung, § 4 KSchG nF nur auf Kündigungen anzuwenden, die ab dem 1. Januar 2004 zugegangen sind (so ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 4 KSchG Rn. 1; Eylert/Schinz AE 2005, 5, 9). Das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) enthält aber keine Übergangsregelung. Deshalb ist mit dem Sechsten Senat (9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - zVv.) davon auszugehen, dass die Neuregelung der Klagefrist mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes auch bereits zugegangene Kündigungen mit der Maßgabe erfasst, dass die Klagefrist für die betroffenen Arbeitnehmer am 1. Januar 2004 zu laufen begann und am 21. Januar 2004 endete. Die Fiktionswirkung der §§ 7, 4 KSchG nF trat demnach mit Ablauf des 21. Januar 2004 ein (BAG 9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - zVv.).

Die Rechtsprechung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, entspricht der überwiegenden Meinung im Schrifttum, die sich im Anschluss an frühere Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Klagefrist bei Änderungen und Einführung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (BAG 20. Januar 1999 - 7 AZR 715/97 - BAGE 90, 348 und 11. Dezember 2003 - 6 AZR 64/03 - BAGE 109, 110) herausgebildet hatte (vgl. insb. Bader NZA 2004, 65, 68; KR-Rost 7. Aufl. § 7 KSchG Rn. 3c; Quecke RdA 2004, 86, 99; HWK/Pods/Quecke 1. Aufl. § 4 KSchG Rn. 3; MünchKommBGB/Hergenröder 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 11 Fn. 17; aA Löwisch BB 2004, 154, 159).

2. Entgegen der Auffassung der Revision bestehen gegen diese Lösung keine verfassungsrechtlichen Rückwirkungsbeschränkungen. Die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung richtet sich nämlich nach dem Recht, das zum Zeitpunkt dieser Geltendmachung galt, dh. nach § 4 KSchG nF (BAG 9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - zVv.).

III. Da der Kläger die 3-wöchige Klagefrist mit seiner am 15. März 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage nicht gewahrt hat, sind die Wirkungen des § 7 KSchG nF eingetreten. Einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsfeststellungsklage (§ 5 KSchG) hat der Kläger nicht gestellt.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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