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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.08.1999
Aktenzeichen: 2 AZR 832/98
Rechtsgebiete: BGB, BAT
Vorschriften:
BGB § 123 | |
BGB § 142 | |
BGB § 626 | |
BAT § 54 |
1. Eine Gleitzeitmanipulation kann je nach den Umständen - vor allem, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich falsche Zeitangaben auch noch beharrlich leugnet - einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen.
2. Zur Darlegungs- und Beweislast im Anfechtungsprozeß wegen widerrechtlicher Drohung (§ 123 BGB).
Aktenzeichen: 2 AZR 832/98 Bundesarbeitsgericht 2. Senat Urteil vom 12. August 1999 - 2 AZR 832/98 -
I. Arbeitsgericht Oldenburg - 4 Ca 539/96 - Urteil vom 12. Dezember 1997
II. Landesarbeitsgericht Niedersachsen - 13 Sa 236/98 - Urteil vom 08. September 1998
---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Nein Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ----------------------------------------------------------------------
Entscheidungsstichworte: Anfechtung eines Aufhebungsvertrages wegen Drohung
Gesetz: BGB §§ 123, 142, 626; BAT § 54
2 AZR 832/98 13 Sa 236/98 Niedersachsen
Im Namen des Volkes! Urteil
Verkündet am 18. August 1999
Freitag, Regierungssekretärin z. A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
pp.
hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. August 1999 durch den Richter Bitter als Vorsitzenden, die Richter Bröhl und Dr. Fischermeier sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Bensinger und Rosendahl für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. September 1998 - 13 Sa 236/98 - aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Der Kläger war seit dem 1. Januar 1971 als technischer Angestellter im Rohrleitungsbau - zuletzt VergGr. VI b BAT - bei dem beklagten Wasserverband aufgrund des Arbeitsvertrages vom 8. Dezember 1970 beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages ist die Anwendung des BAT vereinbart. Bei dem Beklagten besteht eine Gleitzeitregelung; die Angestellten sind verpflichtet, ein Zeiterfassungsgerät zu bedienen; hierfür gilt die Dienstvereinbarung vom 18. Februar 1992.
Am 16. Juli 1996 verließ der Kläger gegen 15.30 Uhr seinen Arbeitsplatz, da er um 15.40 Uhr einen Massagetermin wahrnehmen wollte. Das Arbeitsende ist in der Zeiterfassung nicht angeführt; der Kläger hat - so seine Einlassung - entweder die Betätigung der Stempeluhr vergessen oder es liege ein Einlesefehler vor. Am 17. Juli 1996 reichte der Kläger ein Zeitausgleichsformular - datiert auf den 16. Juli 1996 - ein, auf dem er als Arbeitsende 16.00 Uhr eintrug. Ebenfalls unter dem Datum vom 16. Juli 1996 beantragte er für Freitag, den 19. Juli 1996, Kernzeitverletzung, d.h. einen freien Tag unter Anrechnung auf das Zeitkonto. Der Vorgesetzte des Klägers, der Zeuge F , recherchierte wegen des Arbeitsendes am 16. Juli 1996 und erfuhr von dem Massagetermin; er fragte den Kläger zwei- oder dreimal, ob das Arbeitsende richtig angegeben sei, wobei der Kläger einräumte, daß er sich um einige Minuten versehen haben könnte. Der Kläger korrigierte das Arbeitsende auf dem Zeitausgleichsformular schließlich auf 15.55 Uhr. Aufgrund der Angaben von Herrn F fertigte die Personalsachbearbeiterin von M am 18. Juli 1996 über das Ergebnis von dessen Recherchen einen Vermerk. Am gleichen Tag noch informierte der Beklagte den Personalratsvorsitzenden des neunköpfigen Personalrats, den Zeugen D , über die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Klägers. Eine Personalratssitzung wurde für den 20. Juli 1996 anberaumt. Ebenfalls am 18. Juli 1996 wurde ein auf den 19. Juli 1996 datierter Auflösungsvertrag im Entwurf erstellt und bereits am 18. Juli 1996 vom Verbandsvorsteher unterzeichnet. Außerdem wurde das Kündigungsschreiben vom 19. Juli 1996 erstellt. Auf Aufforderung des Beklagten erschien der Kläger am 19. Juli 1996 morgens nach 7.00 Uhr zu einem Gespräch, an dem außer ihm der Geschäftsführer des Beklagten und der Zeuge S teilnahmen; im ersten Gesprächsteil waren ferner die Personalratsmitglieder H und D anwesend, im zweiten Gesprächsteil die Zeugin von M . Einzelheiten des Gesprächsablaufs sind unter den Parteien streitig. Im Ergebnis steht fest, daß der Kläger durch Unterschrift den Empfang des Kündigungsschreibens bestätigt und auch den Auflösungsvertrag unterschrieben hat.
Der Kläger hat den Auflösungsvertrag wegen rechtswidriger Drohung und arglistiger Täuschung angefochten mit der Behauptung, er sei vor die Alternative gestellt worden, daß entweder eine sofortige Kündigung ausgesprochen oder eine Auflösungsvereinbarung getroffen werde. Dabei wisse er heute nicht mehr, ob er Kündigung und Aufhebungsvertrag gleichzeitig, also kurz nacheinander, oder aber zunächst die Kündigung und dann den Aufhebungsvertrag oder aber zunächst den Aufhebungsvertrag und dann erst die Kündigung unterschrieben habe. Jedenfalls seien Kündigung und Aufhebungsvertrag von ihm im unmittelbaren Zusammenhang unterschrieben worden, so daß von einem einheitlichen Vorgang auszugehen sei. Die falsche Angabe im Gleitzeitformular räumt der Kläger ein; er habe sich an das Arbeitsende des Vortages bei Ausfüllung des Vordrucks am 17. Juli 1996 nicht mehr erinnert, wahrscheinlich habe er die übliche Weggangszeit 16.00 Uhr eingetragen. Er habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, sich Zeitguthaben zu erschleichen. Es liege daher kein Grund für eine außerordentliche Kündigung vor; sein Fehlverhalten rechtfertige allenfalls eine Abmahnung.
Der Kläger hat nach rechtzeitigem Einspruch gegen ein zu seinen Lasten ergangenes Versäumnisurteil zuletzt beantragt,
unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 4. Februar 1997 festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Auflösungsvertrag vom 19. Juli 1996 nicht zum 31. August 1996 beendet worden ist.
Der Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Er hat vorgetragen, der Kläger habe bewußt und gewollt sowie hartnäckig falsche Angaben zur Zeiterfassung gemacht. Nachdem dem Vorgesetzten des Klägers, dem Zeugen F , aufgefallen sei, daß der Kläger am 16. Juli 1996 früher gegangen war, habe er am 17. Juli 1996 den Kläger angerufen und gefragt, ob die Weggangszeit 16.00 Uhr stimme, worauf der Kläger geantwortet habe, er könne sich um zwei bis drei Minuten vertan haben. Daraufhin habe F den Arbeitskollegen des Klägers, den Zeugen H , angerufen, der ihm mitgeteilt habe, der Kläger sei um 15.30 Uhr am Vortag gegangen und habe ihn noch ausdrücklich gebeten, für den Kläger das Telefon mitzubedienen. Nachdem der Zeuge F den Kläger ein zweites Mal auf die Zeit des Weggangs am Vortag angesprochen habe, habe der Kläger eingeräumt, er könne fünf Minuten vorher gegangen sein; der Kläger habe dann das Formular auf 15.55 Uhr abgeändert und der Personalsachbearbeiterin P übergeben. Eine Recherche des Zeugen F in der Massagepraxis habe nunmehr ergeben, daß der Kläger schon um 15.40 Uhr einen Massagetermin hatte, worauf F den Kläger ein drittes Mal angesprochen habe, wobei der Kläger bei seiner Angabe geblieben sei. Auf die Rückfrage, warum er die Stechuhr nicht betätigt habe, habe er erwidert, diese sei defekt gewesen. Dazu trägt der Beklagte vor, die Stempeluhr habe sich in einem einwandfreien Zustand befunden.
Auch auf den Vorhalt des Geschäftsführers am 19. Juli 1996 sei der Kläger bei seiner falschen Zeitangabe für den 16. Juli 1996 geblieben. Daraufhin sei dem Kläger erläutert worden, hierin sehe man einen absoluten Vertrauensbruch, der die fristlose Kündigung rechtfertige. Deshalb sei dem Kläger alsdann das Kündigungsschreiben ausgehändigt worden, dessen Erhalt er auch quittiert habe. Anschließend sei man dann übereingekommen, das Arbeitsverhältnis zum 31. August 1996 einvernehmlich zu beenden, so daß die Personalsachbearbeiterin von M herbeigerufen worden sei, die die vorbereitete Auflösungsvereinbarung mitgebracht habe. Diese habe der Kläger ohne jeden Zwang unterzeichnet.
Der Beklagte hat seine ursprüngliche Behauptung, am 3. August 1996 sei in einem Gespräch mit dem Kläger und dessen Ehefrau die Aufhebungsvereinbarung bestätigt worden, in der Berufungsinstanz nicht aufrechterhalten.
Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung der Zeugen H , D , S , von M , F und H nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat zusätzlich den Zeugen S vernommen und alsdann die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte nach wie vor die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung, § 565 Abs. 1 ZPO.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Der Aufhebungsvertrag sei vom Kläger wegen widerrechtlicher Drohung nach § 123 BGB wirksam angefochten worden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß im unmittelbaren Anschluß an den ersten Teil des Gespräches, innerhalb dessen die Kündigung ausgehändigt worden sei, über den Aufhebungsvertrag verhandelt worden sei. Dabei habe der Kläger noch unter dem Druck des Verlustes des Arbeitsplatzes gestanden, so daß die Drohung des künftigen Arbeitsplatzverlustes ursächlich für sein Einverständnis mit der Vertragsauflösung gewesen sei. Die Erörterung der Kündigungsgründe, die nachfolgende Ankündigung einer außerordentlichen Kündigung, die Übergabe der Kündigungserklärung und der Abschluß des Aufhebungsvertrages seien insgesamt als Einheit zu bewerten. Das Vorgehen des Beklagten sei widerrechtlich, weil ein verständiger Arbeitgeber nicht von einem Betrugsversuch ausgegangen wäre. Zwar sei von einem Fehlverhalten des Klägers auszugehen, aber angesichts der Umstände des Einzelfalles, der 25-jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers und seines Alters von 51 Jahren, ohne daß es bisher zu wesentlichen Beanstandungen im Arbeitsverhältnis gekommen sei, sei von einem verständigen Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung nicht in Betracht zu ziehen gewesen.
II. Dem folgt der Senat nur teilweise. Die Revision rügt zu Recht eine Verletzung des § 123 BGB und eine nicht ausreichende Berücksichtigung des vorgetragenen und durch die Beweisaufnahme bestätigten Sachverhalts.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden ist, die Erklärung mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anfechten.
Eine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird; darunter fällt auch die Androhung einer außerordentlichen Kündigung (vgl. BAGE 32, 194 = AP Nr. 21 zu § 123 BGB, m.w.N. sowie Senatsurteil vom 21. März 1996 - 2 AZR 543/95 - AP Nr. 42 zu § 123 BGB). Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte; dabei ist es nicht erforderlich, daß die angekündigte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozeß als rechtsbeständig erwiesen hätte (vgl. die Senatsurteile vom 30. September 1993 BAGE 74, 281 = AP Nr. 37 zu § 123 BGB und vom 21. März 1996 - 2 AZR 543/95 - AP Nr. 42, aaO).
2. Insofern erscheint zweifelhaft, ob überhaupt noch von der Ankündigung eines zukünftigen Übels im Sinne der zitierten Rechtsprechung ausgegangen werden kann, nachdem aufgrund der für den Senat verbindlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) davon auszugehen ist, daß gegenüber dem Kläger bei dem fraglichen Gespräch am 19. Juli 1996 zunächst die außerordentliche Kündigung durch Aushändigung des Kündigungsschreibens ausgesprochen und erst im nachfolgenden Gespräch diese Kündigung in einen Aufhebungsvertrag umgewandelt worden ist.
a) Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 16. Februar 1983 - 7 AZR 134/81 - AP Nr. 22 zu § 123 BGB) hat bei einer ähnlichen Fallkonstellation, bei der der Arbeitgeber zunächst eine ordentliche Kündigung ausgesprochen und sich dann mit der Arbeitnehmerin auf eine fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt hatte, angenommen, die Arbeitnehmerin sei nicht unter Androhung einer fristlosen Kündigung bedrängt worden, den Aufhebungsvertrag unverzüglich abzuschließen. Diese Entscheidung ist von Herschel (Anm. zu AP Nr. 22, aaO) dahin kritisiert worden, der Arbeitgeber habe der Klägerin ein zukünftiges empfindliches Übel angedroht, indem ihr nämlich der Verlust des Arbeitsplatzes in einer Zeit bedrückender Arbeitslosigkeit in Aussicht gestellt worden sei.
Zu dem hier vorliegenden Sachverhalt, daß nämlich zunächst eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen worden ist und dann ein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde, wird die Auffassung vertreten, daß es im Hinblick auf die bereits ausgesprochene Kündigung schon begrifflich an einer Drohung und damit einem Anfechtungstatbestand fehle (Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 5. Aufl., Rz 101; Weber/Ehrich/Hoß, Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge, 2. Aufl., Teil 1 Rz 676). Im gleichen Sinne hat für den Fall einer ordentlichen Kündigung und eines nachfolgenden Aufhebungsvertrags das Landesarbeitsgericht Brandenburg (Urteil vom 16. Oktober 1997 - 3 Sa 196/97 - NZA-RR 1998, 248 f.) entschieden.
b) Angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles, wie sie vom Landesarbeitsgericht für den Senat nach § 561 ZPO verbindlich festgestellt worden sind, ist - und zwar entgegen der Auffassung der Revision - davon auszugehen, daß die im Gespräch vom 19. Juli 1996 angedrohte außerordentliche Kündigung auch nach ihrem Ausspruch beim Kläger als Androhung eines künftigen Übels fortwirkte. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Beklagte habe den Aufhebungsvertrag ersichtlich bereits vor der Kündigung vorbereitet, da der Vertragsentwurf am Vortag vom Verbandsvorsteher unterschrieben worden sei; Ziel des Beklagten sei es also gewesen, in der Besprechung vom 19. Juli 1996 den Abschluß eines Aufhebungsvertrages zu erreichen. Dabei habe sich die Besprechung nicht auf Aufhebungsvertragsverhandlungen beschränkt, sie sei auch nicht durch Übergabe der Kündigung eingeleitet, sondern nach der Aussage des Zeugen S seien zunächst die Kündigungsgründe erörtert worden und dann sei dem Kläger vom Geschäftsführer erklärt worden, er müsse fristlos gekündigt werden. Danach sei die Kündigungserklärung ausgehändigt worden, wobei für den Kläger die Gesamtbesprechung von der Erörterung der Kündigungsgründe über die Ankündigung der außerordentlichen Kündigung und die folgende Übergabe der Kündigungserklärung bis zum Abschluß des Aufhebungsvertrages eine Einheit darstelle. Deshalb sei es nicht möglich, von zwei abgeschlossenen Teilen des Gespräches auszugehen und die Verhandlung und Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages isoliert zu bewerten.
Dieser vertretbaren Würdigung des Sachvortrages der Parteien im Zusammenhang mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Revision in diesem Punkt nichts Entscheidendes entgegengesetzt. Den so geschilderten Ablauf der Geschehnisse zieht die Revision nämlich nicht in Zweifel, sondern macht lediglich geltend, der vom Kläger zu befürchtende Nachteil in Gestalt des Verlustes des Arbeitsplatzes sei mit dem Ausspruch der Kündigung bereits eingetreten, bevor über den Aufhebungsvertrag verhandelt wurde. Dem Kläger habe es damit freigestanden, ob er den Aufhebungsvertrag annehme oder ihn ablehne. Der Beklagte habe damit auf den Willen des Klägers nicht mehr einwirken können. Dabei wird nicht ausreichend berücksichtigt, daß vom "Empfängerhorizont" des Bedrohten aus gesehen die Drohung mit der Kündigung und mit dem damit verbundenen Arbeitsplatzverlust immer noch im Raum stand und deshalb in ihrer Wirkung noch nicht abgeschlossen war. Dafür spricht neben der Reihenfolge der Geschehnisse auch der Umstand, daß nach der Aussage der Zeugin von M das unterschriebene Kündigungsschreiben einschließlich der Empfangsbestätigung des Klägers noch auf dem Besprechungstisch lag, als die Beteiligten weiter über den Aufhebungsvertrag verhandelten. Dies entspricht dem eigenen Sachvortrag des Beklagten. Ob der Kläger das für ihn bestimmte Exemplar des Kündigungsschreibens entgegengenommen hatte oder ob dies ebenfalls noch auf dem Tisch lag, läßt sich allerdings dem beiderseitigen Sachvortrag nicht entnehmen. Auffällig ist jedenfalls weiter, daß der Zeuge D als Personalratsvorsitzender - so seine Aussage - davon ausgegangen ist, über die in seinem Beisein mündlich ausgesprochene Kündigung könne der Personalrat noch im nachhinein wirksam beraten und beschließen, wovon offenbar auch der Beklagte seinerzeit ausgegangen ist. Das spricht ebenfalls dafür, daß der Kläger als Betroffener davon ausging, das letzte Wort sei über die Kündigung noch nicht gesprochen.
3. Es ist jedoch äußerst fraglich, ob tatsächlich von einer widerrechtlichen Drohung auszugehen ist, wie das Landesarbeitsgericht meint. Nach der eingangs zitierten Rechtsprechung wäre die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte, wobei nicht erforderlich ist, daß die Kündigung sich in einem Kündigungsschutzprozeß als rechtsbeständig erwiesen hätte.
a) Ebenso wie bei der Anwendung der Rechtsbegriffe des wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB und der Sozialwidrigkeit einer Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist dem Tatsachengericht auch für die Würdigung des festgestellten Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt der von einem verständigen Arbeitgeber anzustellenden Erwägungen ein Beurteilungsspielraum einzuräumen; das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das Tatsachengericht ohne Verstoß gegen Denk- oder Erfahrungssätze alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1996 - 2 AZR 543/95 - AP Nr. 42, aaO, m.w.N.). Der Beurteilungsspielraum der Tatsachengerichte umfaßt dabei auch die Frage, ob eine Kündigung unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die mildeste angemessene Reaktion auf ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers darstellt oder ob zum Beispiel unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch eine Abmahnung noch ausreichend wäre. Dabei kann von einem verständigen Arbeitgeber zwar nicht generell verlangt werden, daß er bei seiner Abwägung die Beurteilung des Tatsachengerichts "trifft". Nur wenn unter verständiger Abwägung aller Umstände des Einzelfalls der Arbeitgeber davon ausgehen muß, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zu einer Eigenkündigung oder zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages zu veranlassen (Senatsurteil vom 9. März 1995 - 2 AZR 644/94 - BB 1996, 434). Auch unter Berücksichtigung dieses Beurteilungsspielraums hält das angegriffene Urteil den Angriffen der Revision nicht stand.
b) Die Revision rügt zunächst zutreffend, das Urteil des Landesarbeitsgerichts lasse schon im Ausgangspunkt nicht erkennen, ob es die Gleitzeitmanipulation oder zumindest den schwerwiegenden Verdacht einer solchen Vertragsverletzung als wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB anerkenne.
Richtig ist, daß es in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 23. Januar 1963 - 2 AZR 278/62 - BAGE 14, 42 = AP Nr. 8 zu § 124 a GewO; Beschluß vom 27. Januar 1977 - 2 ABR 77/76 - AP Nr. 7 zu § 103 BetrVG und Urteile vom 13. August 1987 - 2 AZR 629/86 - RzK I 5 i Nr. 31 sowie vom 9. August 1990 - 2 AZR 127/90 - RzK I 8 c Nr. 18, zu II 5 der Gründe) sowie der Instanzgerichte (LAG Düsseldorf Urteile vom 21. September 1976 - 15 Sa 754/76 - BB 1977, 1652 und vom 18. April 1967- 8 Sa 59/67 - DB 1967, 1096; LAG Berlin Urteil vom 6. Juni 1988 - 9 Sa 26/88 - RzK I 5 i Nr. 38 und LAG Hamm Urteil vom 20. Februar 1986 - 4 Sa 1288/85 - DB 1986, 1338) anerkannt ist, daß der Stempeluhrmißbrauch eine ordentliche und je nach den Umständen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann; es kommt dabei nicht entscheidend darauf an, wie der Vorgang strafrechtlich zu würdigen ist (BAGE 3, 193 = AP Nr. 13 zu § 626 BGB und BAG Urteil vom 20. August 1997 - 2 AZR 620/96 - AP Nr. 27 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, zu II 1 c der Gründe).
aa) Gleichwohl prüft das Landesarbeitsgericht, ob ein Betrugsversuch des Klägers denkbar sei, was aber nicht zwingend festgestellt werden könne; für einen Betrugsverdacht spreche, daß der Kläger am 16. Juli 1996 um 15.40 Uhr einen Massagetermin hatte, so daß er ohne weiteres das Arbeitsende aufgrund dieses Termins hätte rekonstruieren können; als Indiz spreche weiter gegen den Kläger, daß der Zeitausgleichsantrag für den 16. Juli 1996 ebenso wie der Antrag auf Kernzeitverletzung auf den 16. Juli 1996 datiert seien, der Kläger habe sich also möglicherweise ein fehlendes Zeitguthaben verschaffen wollen; gegen den Kläger spreche auch, daß er vom Zeugen F dreimal gefragt worden sei, wann Arbeitsende sei. Andererseits mutmaßt das Landesarbeitsgericht, es sei aber auch denkbar, daß der Kläger bei Ausfüllung des Zeitausgleichsformulars versehentlich das Arbeitsende falsch angegeben habe, weil er nachlässig vorgegangen sei und den Vorgang nicht ausreichend rekonstruiert habe, also den Massagetermin schlicht nicht bedacht habe; derartige Nachlässigkeiten seien menschlich und müßten von einem verständigen Arbeitgeber in die Bewertung einbezogen werden. Gravierend sei, daß der Kläger auf mehrmalige Nachfrage nicht das korrekte Arbeitsende angegeben habe, was aber auch damit erklärt werden könne, daß der Kläger Probleme gehabt habe, ein Fehlverhalten einzuräumen und zu korrigieren. Insgesamt bewertet wäre ein verständiger Arbeitgeber nicht von einem Betrugsversuch ausgegangen.
Damit erscheint es schon fraglich, ob das Landesarbeitsgericht von dem für ein Arbeitsverhältnis maßgeblichen Beurteilungsmaßstab (§ 626 BGB, § 54 BAT) ausgegangen ist oder sich vornehmlich von strafrechtlichen Vorstellungen hat leiten lassen. Außerdem rügt die Revision zutreffend, auf die vom Landesarbeitsgericht angeführte Entlastung habe sich der Kläger selbst nicht berufen. Tatsache ist, daß der Kläger im vorliegenden Prozeß geltend gemacht hat, er habe am 16. Juli 1996 vergessen, die Stempeluhr zu betätigen, dies habe er am Folgetag bemerkt und aus der Erinnerung heraus 16.00 Uhr als Arbeitsende angegeben. Der Kläger räumt auch ein, am 18. Juli 1996 vom Abteilungsleiter befragt worden zu sein, ob die Zeit richtig sei, was er dann bejaht habe. Im weiteren Verlauf des Prozesses hat sich der Kläger ferner darauf berufen, es könne ein Lesefehler des Zeiterfassungsgeräts vorliegen oder er habe vergessen, die Stempeluhr zu bedienen. An keiner Stelle des Sachvortrags ist jedoch ersichtlich geworden, er, der Kläger, habe Probleme damit gehabt, sein Fehlverhalten einzuräumen und zu korrigieren und dies sei der Grund dafür gewesen, daß er trotz der mehrmaligen Nachfrage des Zeugen Frerichs nicht das korrekte Arbeitsende angegeben habe. Schon diese Überinterpretation bzw. nicht ausreichende Berücksichtigung des Tatsachenvortrages der Parteien muß, wie die Revision zutreffend rügt, zur Aufhebung des Berufungsurteils führen. Dasselbe gilt für die Ausgangsargumentation des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger sei Betrugsversuch letztlich nicht nachzuweisen. Dabei wird - wie schon erwähnt - verkannt, daß es vorliegend nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung des Sachverhalts ankommt. Überträgt nämlich ein Arbeitgeber den Nachweis der täglich geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und täuscht der Arbeitnehmer durch falsches Betätigen oder Nichtbetätigen der Gleitzeiteinrichtung oder in anderer Weise für sich (oder einen anderen Arbeitnehmer) eine höhere Arbeitszeit vor, als tatsächlich geleistet worden ist, so stellt dies einen schweren Vertrauensmißbrauch dar; schon ein schwerwiegender Verdacht eines derartigen Mißbrauchs der Gleitzeiteinrichtung ist je nach den Umständen geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Außerdem dürfte der Kläger die Dienstvereinbarung vom 18. Februar 1992 verletzt haben, in der im übrigen ausdrücklich davon die Rede ist, jeder Verstoß stelle einen Grund für arbeits- und disziplinarrechtliche Konsequenzen dar. Hierauf ist das Landesarbeitsgericht mit keinem Wort eingegangen.
bb) Insoweit wäre weiter zu berücksichtigen, daß der Kläger nicht nur - wovon das Landesarbeitsgericht selbst ausgeht - gegenüber seinem Vorgesetzten und von diesem nachdrücklich befragt mehrfach die Unwahrheit gesagt hat, sondern bei seiner falschen Angabe am 19. Juli 1996 im Gespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten im Beisein der Personalratsmitglieder - so jedenfalls die Darstellung des Beklagten - verblieben ist. Die Revision rügt zutreffend, das Landesarbeitsgericht habe diesen ihren Sachvortrag übergangen.
cc) Schließlich rügt die Revision zutreffend, das Landesarbeitsgericht gehe von einer Verkennung der Beweislast aus; der Anfechtungsprozeß sei nämlich nicht wie ein Kündigungsschutzprozeß zu führen, was sich dahin auswirke, daß der anfechtende Arbeitnehmer die Beweislast für sämtliche Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes trage; der Arbeitnehmer habe daher die Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen, die die angedrohte Kündigung als widerrechtlich erscheinen ließen. Das ist rechtlich zutreffend (BAG Urteile vom 24. Januar 1985 - 2 AZR 317/84 - AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, zu III 4 d bb der Gründe und vom 15. Mai 1997 - 2 AZR 43/96 - BAGE 86, 7, 10 ff. = AP Nr. 45 zu § 123 BGB, zu II 1 der Gründe, m.w.N.; ebenso Bauer, aaO, Rz 97; Weber/Ehrich/Hoß, aaO, Teil 1 Rz 627). Die Revision macht insofern mit Recht geltend, der Kläger habe die ihm angelastete Gleitzeitmanipulation widerlegen müssen, indem er den Beweis erbracht hätte, daß er das Bedienen der Stechuhr lediglich vergessen oder ein Einlesefehler vorgelegen habe. Die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht befasse sich nicht damit, ob tatsächlich ein Lesefehler vorgelegen habe. Hierzu hatten beide Parteien Beweis angetreten, und das erstinstanzliche Gericht hatte auch hierüber Beweis erhoben, ohne daß insofern vom Landesarbeitsgericht das Beweisergebnis erster Instanz ausgewertet worden ist.
Diese Tatsache hindert schließlich auch, daß der Senat selbst in der Sache entscheiden kann (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Zwar hat das Landesarbeitsgericht (Tatbestand S. 4) auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme Bezug genommen, ohne diese jedoch selbst zu würdigen. Deshalb ist es dem Senat verwehrt, an Stelle des dafür zuständigen Tatsachengerichts die von der ersten Instanz erhobenen Beweise zu würdigen. Es wird dabei u.a. darum gehen, ob dem Zeugen F zu folgen ist oder dem Zeugen H , der inhaltlich die in sein Wissen gestellten Behauptungen weitgehend - möglicherweise um den Kläger als Arbeitskollegen zu decken - in Abrede gestellt hat. Insofern wäre auch der Inhalt des Vermerks der Personalsachbearbeiterin von M vom 18. Juli 1996 von Bedeutung, auf den das Landesarbeitsgericht ebenfalls nicht eingegangen ist. Ohne der abschließenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts vorzugreifen, sprechen die bisher festgestellten Umstände eher dafür, daß der Beklagte als "verständiger" Arbeitgeber angesichts des hartnäckigen Leugnens des Klägers nicht davon ausgehen mußte, die angedrohte Kündigung werde einer arbeitsgerichtlichen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten.
Ende der Entscheidung
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