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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: 3 AZB 45/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 12a Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 2
ZPO § 104
ZPO § 105
ZPO § 840
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT BESCHLUSS

3 AZB 45/05

In Sachen

hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 16. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Juli 2005 - 4 Ta 141/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I. Die Rechtsbeschwerde betrifft die Festsetzung von Kosten nach einer erfolglosen Drittschuldnerklage.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht Entgeltforderungen geltend gemacht. Dem lag ein Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Meyen vom 18. November 2002 zugrunde. Auf der Basis des Vollstreckungsbescheides war einschließlich von Zinsen und Kosten eine Gesamtforderung in Höhe von 4.342,86 Euro entstanden.

Der Beklagten wurde auf der Basis dieses Vollstreckungsbescheides ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Zweibrücken am 31. Juli 2004 zugestellt. Außerdem wurde sie mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers, das ihr am 13. September 2004 zuging, zur Abgabe der Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO aufgefordert. Eine Erklärung hat die Beklagte nicht abgegeben.

Nachdem die Beklagte sich nicht äußerte, hat der Kläger am 9. November 2004 Klage auf Zahlung des Betrages in Höhe von 4.342,86 Euro eingereicht. Er hat vorgetragen, der Schuldner sei Arbeitnehmer der Beklagten. Da sein Lohn mindestens viermal fällig gewesen sei, hätte die Klageforderung bereits in voller Höhe beglichen werden können.

Mit Schreiben vom 25. November 2004, das dem Kläger am 29. November 2004 zuging, hat die Beklagte die Auskunft gem. § 840 ZPO erteilt. Sie hat dazu ausgeführt, der Schuldner sei freier Handelsvertreter und vermittle ua. auch für sie auf Provisionsbasis Werbeverträge. Weder bei Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses noch seitdem habe ihm jedoch ein Anspruch auf Provisionszahlung zugestanden. Künftige Provisionsabrechnungen werde sie unter Berücksichtigung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses tätigen.

Daraufhin hat der Kläger die Klage zurückgenommen. Gleichzeitig hat er beantragt, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Dies hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen mit zwischenzeitlich rechtskräftigem Beschluss vom 16. Februar 2005 - 1 Ca 3034/04 - getan. Wegen der Schadensersatzpflicht aus § 840 ZPO liege ein "anderer Grund" iSv. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO vor, auf Grund dessen trotz der Klagerücknahme nicht dem Kläger, sondern der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen seien.

Daraufhin hat der Kläger die Festsetzung der Kosten der anwaltlichen Vertretung vor dem Arbeitsgericht gegen die Beklagte beantragt. Das hat der Rechtspfleger unter Hinweis auf § 12a ArbGG abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde war vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger weiterhin die Festsetzung der Kosten gegen die Beklagte.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch kann nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 104 ff. ZPO berücksichtigt werden.

1. Auszugehen ist von der vom Arbeitsgericht Ludwigshafen getroffenen Kostengrundentscheidung, nach der die Verfahrenskosten von der Beklagten zu tragen sind.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob - wie es das Arbeitsgericht angenommen hat - materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO tatsächlich ein "anderer Grund" sein können, um trotz Klagerücknahme der beklagten Partei die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (zweifelnd unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes Engers in Hannich/Meyer-Seitz ZPO-Reform 2002 § 269 ZPO Rn. 8 f. mit Nachweisen auch zur Gegenauffassung). Der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen ist rechtskräftig und deshalb hinzunehmen.

2. Trotzdem sind die von dem Kläger geltend gemachten Kosten seiner Prozessbevollmächtigten nicht erstattungsfähig.

a) Auf die Begründung, mit der das Arbeitsgericht die Kostengrundentscheidung gefällt hat, kommt es dabei nicht an. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist von der Kostengrundentscheidung unabhängig und betrifft lediglich die dem Kostenausspruch folgende Verteilung der nach der gesetzlichen Regelung erstattungsfähigen Kosten. Soweit für die Kostengrundentscheidung bestimmte rechtliche Erwägungen maßgeblich waren, handelt es sich lediglich um die Beurteilung von Vorfragen, die nicht in Rechtskraft erwächst.

b) Die Kosten der erstinstanzlichen Prozessvertretung vor dem Arbeitsgericht gehören nicht zu den erstattungsfähigen Kosten.

aa) Nach der Grundregelung in § 91 Abs. 2 ZPO gehören die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der "obsiegenden Partei" in allen Prozessen zu den erstattungsfähigen Kosten. Diese Bestimmung definiert, obwohl sie ihrem Wortlaut nach nur die obsiegende Partei betrifft, alle erstattungsfähigen Kosten, auch dann, wenn die Kosten ohne Obsiegen einer Partei - zB nach § 91a ZPO - zu verteilen sind. Das ergibt sich daraus, dass in den gesetzlichen Regeln über die Kostenverteilung immer nur von den "Kosten" die Rede ist, ohne dass sie dort besonders und anders definiert würden.

bb) Abweichend von § 91 Abs. 2 ZPO bestimmt § 12a Abs. 1 ArbGG als insoweit vorgehende Spezialregelung, dass in Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs vor dem Arbeitsgericht kein Anspruch der "obsiegenden Partei" auf Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten besteht. Mit dieser Formulierung knüpft das ArbGG ersichtlich an die Regelung des § 91 Abs. 2 ZPO und damit an die Definition des Begriffs der erstattungsfähigen Kosten an und will insoweit eine abweichende Regelung treffen. Das entspricht auch dem Zweck dieser Bestimmung, beide Parteien im arbeitsgerichtlichen Verfahren durch Freistellung von Kosten der Prozessbevollmächtigten in der ersten Instanz vor überhöhten Kostenrisiken zu bewahren (BAG 16. Mai 1990 - 4 AZR 56/90 - BAGE 65, 139). Das gilt auch dann, wenn der Prozess ohne Obsiegen einer Partei - beispielsweise bei Erledigterklärung - endet.

cc) Diese sich aus dem Prozessrecht ergebende Definition der festzusetzenden Kosten gilt auch dann, wenn ein materiell-rechtlicher Erstattungsanspruch nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Betracht kommt.

Diese Regelung legt fest, dass ein Drittschuldner, der entgegen den gesetzlichen Bestimmungen in § 840 ZPO dem Pfändungsgläubiger keine Auskunft erteilt, für den dadurch entstandenen Schaden einzutreten hat. Zu diesem Schaden gehören auch die Kosten nutzloser Verfahren, auch solcher vor dem Arbeitsgericht. Mit dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts (16. Mai 1990 - 4 AZR 56/90 - BAGE 65, 139) ist davon auszugehen, dass die aus § 12a ArbGG folgende Wertung, die in der Regelung nur die obsiegende Partei betrifft, der Geltendmachung eines solchen Schadensersatzanspruchs nicht entgegensteht. Diese Bestimmung soll regeln, welche Risiken eine Partei gegenüber der Gegenpartei bei einer Prozessführung vor dem Arbeitsgericht eingeht. Sie enthält jedoch keine Wertung zu der Frage, ob Schadensersatzansprüche ausgeschlossen sein sollen, wenn jemand einen Dritten in eine unnötige Prozessführung treibt.

Demgegenüber enthält § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO keine Regelung dahin gehend, dass der materielle Schadensersatzanspruch - anders als dies bei materiellrechtlichen Ansprüchen sonst üblich ist - sich im Kostenfestsetzungsverfahren gegenüber dem prozessrechtlichen Kostenrecht durchsetzt. Die Bestimmung enthält also keine Regelung darüber, was Kosten iSd. Kostenerstattungsrechts sind.

Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, würde dies auch zur Verlagerung von Rechtsfragen in das Kostenerstattungsverfahren führen, für die dieses nicht geschaffen ist. Die in § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO geschaffene Schadensersatzpflicht wirft nämlich weitergehende Rechtsfragen auf, als sie aus dem anwaltlichen Gebührenrecht und der Entscheidung über die Notwendigkeit von Kosten, wie sie § 91 Abs. 1 ZPO voraussetzt, verlangt.

Dass das vereinfachte Kostenfestsetzungsverfahren seinem Zweck nach nicht dazu dient, materiell-rechtliche Fragen außerhalb des Kostenrechts zu klären, ergibt sich schließlich indirekt auch aus den Regeln über die Festsetzung der Vergütung des Rechtsanwalts gegenüber der eigenen Partei, die ebenfalls den Regeln über das Kostenfestsetzungsverfahren unterliegt (§ 11 Abs. 2 RVG). In diesen Verfahren ist die Festsetzung abzulehnen, sobald der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben (§ 11 Abs. 5 Satz 1 RVG). Die Behandlung materiell-rechtlicher Fragen, also auch die Entscheidung über das Bestehen eines materiell-rechtlichen Erstattungsanspruchs nach § 840 ZPO, im eigentlichen Kostenfestsetzungsverfahren würde zu Wertungswidersprüchen führen.

Ende der Entscheidung

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