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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 24.04.2001
Aktenzeichen: 3 AZR 402/00
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 aF
BetrAVG § 31 nF
1. Die einseitige Einstellung oder Kürzung von Versorgungsleistungen wegen wirtschaftlicher Notlage nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF setzt voraus, daß der notleidende Versorgungsschuldner einen Sanierungsplan vorlegt, der eine gerechte Verteilung der Sanierungslasten vorsieht und geeignete Wege zur Überwindung der Unternehmenskrise aufzeigt.

2. Ist der Versorgungsschuldner konzerngebunden, wird das herrschende Unternehmen als Anteilseigner, wenn es sich zur Fortsetzung der Betriebstätigkeit des Tochterunternehmens und zu dessen Sanierung entschließt, die Hauptlast der Sanierung zu tragen haben. Neben den Betriebsrentnern und den vorzeitig ausgeschiedenen Versorgungsanwärtern sind auch die weiteren Gläubiger des Versorgungsschuldners und dessen aktive Arbeitnehmer an den Sanierungslasten zu beteiligen (Bestätigung von BAG 16. März 1993 - 3 AZR 299/92 - BAGE 72, 329, 340 ff.).

3. Ein Sanierungsplan genügt den Anforderungen an eine gerechte Verteilung der Sanierungslasten nicht, wenn sich der Beitrag der Anteilseigner zur Sanierung des notleidenden Unternehmens auf den Verzicht auf einen Teil der Sanierungsgewinne beschränkt.

4. Ein Sanierungsplan genügt den Anforderungen auch dann nicht, wenn zumindest ein Teil der aktiven Arbeitnehmer weiterhin Zuwächse bei ihren Versorgungsanwartschaften erdienen kann.


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

3 AZR 402/00 9 Sa 1485/99

Verkündet am 24. April 2001

In Sachen

hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, die Richter am Bundesarbeitsgericht Bepler und Dr. Armbrüster, die ehrenamtlichen Richter Born und Dr. Kaiser für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Mai 2000 - 9 Sa 1485/99 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob eine Kürzung oder Einstellung von Versorgungsleistungen durch die Klägerin wegen deren wirtschaftlichen Notlage zulässig ist.

Die klagende Gesellschaft wurde 1922 als Herstellerin von technischer und Industriekeramik gegründet. Der höchste Beschäftigungsstand wurde im Jahre 1970 mit 2.265 Mitarbeitern erreicht. Im Jahre 1994 - in diesem Jahr beschäftigte die Klägerin 356 Arbeitnehmer - beschlossen die damaligen Inhaber der an der Klägerin beteiligten Gesellschaften, den Bereich "Elektronische Bauelemente" zu veräußern. Zu diesem Zweck wurde der Teilbereich Keramik ausgegliedert. Der Betriebsteil Elektronische Bauelemente verblieb bei der Klägerin mit 343 Arbeitnehmern, jedoch ohne Grundstück und Gebäude. Im Juni 1995 wurden die Geschäftsanteile der Komplementärin der Klägerin, der S V -GmbH, und der Kommanditistin, der S -B GmbH, mit einem Stammkapital von jeweils 50.000,00 DM an zwei Investmentgesellschaften mit Sitz in Luxemburg, die A S.A. und die C S.A., verkauft. Beide Gesellschaften haben ein Stammkapital von 1.250.000,00 Francs, das sind rund 60.000,00 DM.

Die Klägerin versorgt ihre früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Grundlage von Direktzusagen sowie unter Einschaltung einer Unterstützungskasse, die allerdings seit dem 23. Juni 1995 für neu eintretende Arbeitnehmer geschlossen ist. Für die zu diesem Zeitpunkt bereits beschäftigten Arbeitnehmer gilt die bisherige Versorgungsregelung unverändert.

Mit Schreiben vom 23. September 1997 wandte die Klägerin sich an den Beklagten und teilte ihm mit, sie beabsichtige, alle Versorgungsleistungen mit Ausnahme der Zusagen gegenüber den derzeitigen Arbeitnehmern wegen einer drohenden wirtschaftlichen Notlage zu widerrufen. Sie bat den Beklagten, seine Einstandspflicht zu überprüfen. Sie wies darauf hin, daß sie derzeit 127 Arbeitnehmer beschäftige. Von ihnen seien die Rentenbezüge für insgesamt 775 Betriebsrentner zu erwirtschaften, wobei mehr oder weniger kurzfristig noch weitere 353 hinzukommen würden, weil insoweit unverfallbare Anwartschaften bestünden. Bereits derzeit seien im Jahr rund 1,1 Mio. DM an betrieblichen Rentenleistungen auszuschütten. Die steuerlich zulässigen Rückstellungen lägen mit rund 11,3 Mio. DM weit höher als die tatsächlichen Rücklagen, die sich lediglich auf rund 5,5 Mio. DM beliefen. Die neuen Gesellschafterinnen hätten seit 1995 auf alle Gewinnentnahmen in Höhe von insgesamt 2,5 Mio. DM zugunsten von Zahlungen an die betriebliche Altersversorgung verzichtet. Dieser Betrag sei zwischenzeitlich weitgehend aufgebraucht. Bis Ende 1998 kam es trotz einer Vielzahl gewechselter Schreiben und durchgeführter Besprechungen nicht zu einer Einigung der Parteien.

Daraufhin hat die Klägerin mit am 30. Dezember 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 15. Januar 1999 zugestellten Schriftsatz Klage erhoben. Einen Widerruf der Versorgungszusagen gegenüber den Betriebsrentnern hat sie jedenfalls bis zum 10. Februar 1999 nicht erklärt.

Die Klägerin hat den Standpunkt eingenommen, § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG sei in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung anzuwenden. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Eintritt des Sicherungsfalles, der über das anwendbare Recht entscheide, sei die Aufforderung des Versorgungsschuldners an den beklagten Träger der Insolvenzsicherung, seine Einstandspflicht zu überprüfen. Ein Widerruf der Versorgungsleistungen wegen wirtschaftlicher Notlage sei angesichts ihrer Situation auch gerechtfertigt. Man könne auch nicht davon ausgehen, daß die Unterdeckung der Unterstützungskasse zu einer die Sanierungsfähigeit ausschließenden Überschuldung geführt habe. Der Anspruch der Unterstützungskasse auf entsprechende Dotierung sei bei ihr nicht zu bilanzieren gewesen, weil sie als going concern in der Lage sei, ihre laufenden Pensionsverpflichtungen zu erfüllen. Zudem könne auch bei Konkursreife eine wirtschaftliche Notlage vorliegen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, als Beitrag der Anteileigner zur Sanierung sei ein teilweiser Verzicht auf Sanierungsgewinne ausreichend.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

I. festzustellen, das bei ihr ein Sicherungsfall gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF (wirtschaftliche Notlage) vorliegt und der Beklagte daher verpflichtet ist, Zahlungs-, Dotierungs- und sonstige Verpflichtungen der Klägerin gegenüber der S GmbH & Co. e.V. (Unterstützungskasse) und aus direkten Pensionszusagen gegenüber ehemaligen klägerischen Mitarbeitern ab dem 1. Oktober 1997 zu übernehmen;

II. festzustellen, daß sie berechtigt ist, sämtliche laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu kürzen und zwar

1. ab dem 1. Oktober 1997, hilfsweise ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage, hilfsweise ab dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung;

2. für unbestimmte Dauer, hilfsweise bis zum Ende des Jahres 2001, hilfsweise für einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitraum;

3. um 100 %, hilfsweise um 80 %, hilfsweise um 50 %, hilfsweise um einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrag.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach seiner Meinung kommt ein Insolvenzfall nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG nicht mehr in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre eine rechtskräftige Entscheidung vor dem 1. Januar 1999 gewesen, durch welche die Kürzung - also die Einstellung von Versorgungsleistungen wegen wirtschaftlicher Notlage - durch die Klägerin für zulässig erklärt worden wäre. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei nicht nur notleidend, sondern seit Jahren überschuldet und nicht mehr sanierungsfähig. Die Klägerin sei schon überschuldet gewesen, bevor sie von ihren neuen Gesellschafterinnen erworben worden sei. Sie sei mit den Verpflichtungen der Unterstützungskasse belastet gewesen, weil deren Kassenvermögen den Verpflichtungsumfang auch nicht annähernd abgedeckt habe. Im übrigen fehle es für einen wirksamen Widerruf an einem ausgewogenen Sanierungsplan. Sanierungsbeiträge von Seiten der Gesellschafter seien nicht vorgesehen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre ursprünglichen Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben ihre Klage zu Recht abgewiesen. Es liegt kein Sicherungsfall nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF vor.

I. Es kann unentschieden bleiben, ob im vorliegenden Fall überhaupt noch eine Einstandspflicht des Beklagten nach dieser am 31. Dezember 1998 außer Kraft getretenen Norm in Betracht kommt.

1. Das Landesarbeitsgericht hat dies auf Grund von § 31 BetrAVG nF abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist das Betriebsrentengesetz in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung auf Sicherungsfälle anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1999 eingetreten sind. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Sicherungsfall nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF könne im Sinne dieser Vorschrift frühestens mit Zustellung der Klageschrift eingetreten sein. Da die Klageschrift dem Beklagten erst am 15. Januar 1999 zugestellt worden und § 270 Abs. 3 ZPO vorliegend nicht anwendbar sei, könne § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF im vorliegenden Fall nicht mehr angewendet werden. Eine Einstandspflicht des Beklagten nach dieser Bestimmung scheide damit von vornherein aus.

2. In der Literatur ist umstritten, wann der Sicherungsfall nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF eingetreten ist, also der Zeitpunkt, von dem an der Beklagte im Rahmen dieser Bestimmung zur Übernahme von Versorgungsverbindlichkeiten verpflichtet ist. Blomeyer (Blomeyer/Otto Ergänzungsheft zu BetrAVG 2. Aufl. § 31 Rn. 3 iVm. BetrAVG 2. Aufl. § 7 Rn. 143) sieht als frühstmöglichen Zeitpunkt die Rechtshängigkeit der Feststellungsklage über die Berechtigung des Arbeitgebers zur Kürzung oder Einstellung von Versorgungsleistungen wegen wirtschaftlicher Notlage. Höfer (BetrAVG Stand Juli 2000 § 31 Rn. 3864 iVm. § 7 Rn. 2811) spricht sich demgegenüber dafür aus, als Sicherungsfall iSv. § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 und § 31 BetrAVG den Zeitpunkt anzunehmen, in welchem der Pensions-Sicherungs-Verein durch den Arbeitgeber Kenntnis von einer tatsächlich eingetretenen wirtschaftlichen Notlage erlangt habe. Sei dies bis Ende 1998 geschehen, müsse der Pensions-Sicherungs-Verein bei andauernder wirtschaftlicher Notlage über diesen Zeitpunkt hinaus Insolvenzschutz gewähren.

3. Es bedarf keiner abschließenden Stellungnahme zu diesen Rechtsauffassungen, weil die Klage auch dann unbegründet ist, wenn § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF für den vorliegenden Fall maßgeblich geblieben ist. Es kann deshalb auch offenbleiben, ob die wiedergegebenen Rechtsauffassungen dem Umstand hinreichend Rechnung tragen, daß § 7 BetrAVG den Schutz der Arbeitnehmer davor bezweckt, ihre Versorgungsansprüche ganz oder teilweise zu verlieren. Auf Grund dessen spricht viel dafür, daß der Sicherungsfall nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF frühestens dann eintreten konnte, wenn die Ansprüche der Betriebsrentner durch teilweisen oder gänzlichen Widerruf, ggf. bei Fortzahlung der Leistungen unter dem Vorbehalt ihrer Rückforderung, gefährdet waren (vgl. hierzu auch die amtliche Begründung zu § 31 BetrAVG nF in BT-Drucks. 12/7303 S 120; ErfK/Steinmeier 2. Aufl. BetrAVG § 31 Rn. 2). Bei den Betriebsrentnern der Klägerin war dies jedenfalls bis zum 31. Dezember 1998 nicht der Fall.

II. Auch bei fortdauernder Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF ist die Klage jedenfalls deshalb unbegründet, weil die Klägerin nicht berechtigt ist, die Versorgungsleistungen gegenüber ihren Betriebsrentnern wegen wirtschaftlicher Notlage einseitig zu kürzen oder einzustellen.

1. Bereits vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes hat der Senat einen solchen Eingriff des Versorgungsschuldners in bestehende Versorgungsansprüche unter besonderen Umständen entgegen den allgemein geltenden zivilrechtlichen Regeln auf Grund von Eigentümlichkeiten des Arbeitslebens in Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage für zulässig gehalten (BAG 10. Dezember 1972 - 3 AZR 190/71 - BAGE 24, 63, 71). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF bestätigt und ihr zugleich mit der Zuerkennung von Insolvenzschutz einen großen Teil ihrer nachteiligen Wirkung für die betroffenen Betriebsrentner und Versorgungsanwärter genommen (zur Rechtslage seit dem 1. Januar 1999 vgl. einerseits Schwerdtner FS Uhlenbruck S 799 ff.; Bepler BetrAV 19, 24; andererseits Blomeyer/Otto Ergänzungsheft zu BetrAVG 2. Aufl. Verb. § 7 Rn. 82 ff.).

Der Senat hat im Rahmen dieser Rechtsprechung stets betont, daß der gesetzlich nicht geregelte gänzliche oder teilweise Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage als Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur unter besonderen Umständen zulässig ist, dh. den Betriebsrentnern und Versorgungsanwärtern zugemutet werden kann. Auf die Sicht und die Interessen des Beklagten kommt es hier nicht an. Der Beklagte hat bei einer Kürzung oder Einstellung von Versorgungsleistungen für diese einzustehen, wenn die Voraussetzungen für einen solchen Eingriff des Versorgungsschuldners im Verhältnis zu seinen Gläubigern, den Betriebsrentnern und Versorgungsanwärtern, erfüllt sind.

Zu diesen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, bevor den Betriebsrentnern und Versorgungsanwärtern ein Vermögensopfer abverlangt werden kann, gehört es, daß diese nicht einseitig belastet werden. Der Versorgungsschuldner muß einen Sanierungsplan vorlegen, der eine gerechte Verteilung der Sanierungslasten vorsieht und geeignete Wege zur Überwindung der Unternehmenskrise aufzeigt. Ist der Versorgungsschuldner konzerngebunden, wird das herrschende Unternehmen, wenn es sich zur Fortsetzung der Betriebstätigkeit des Tochterunternehmens und zu dessen Sanierung entschließt, als Anteilseigner die Hauptlast der Sanierung zu tragen haben. Neben den Betriebsrentnern und den vorzeitig ausgeschiedenen Versorgungsanwärtern sind auch die weiteren Gläubiger des Versorgungsschuldners einschließlich der aktiven Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze durch die Sanierung erhalten werden sollen, an den Sanierungslasten zu beteiligen (vgl. hierzu zuletzt umfassend BAG 16. März 1993 - 3 AZR 299/92 - BAGE 72, 329, 340 ff.).

2. Der Sanierungsplan, auf den sich die Klägerin im Prozeß gestützt hat, genügt den Anforderungen an eine gerechte Verteilung der Sanierungslasten nicht. Auf seiner Grundlage kann den Betriebsrentnern keine einseitige Kürzung oder Einstellung der Versorgungsleistungen durch die Klägerin zugemutet werden.

a) Es kann dahinstehen, ob sich die Klägerin mit ihrem vorprozessualen Angebot, sich im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs zu einer durch Bürgschaft abgesicherten zusätzlichen Einmalzahlung von rund 1,1 Mio. DM zu verpflichten, angesichts des beabsichtigten Eingriffs in die Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften angemessen an den Sanierungslasten beteiligt hätte. Denn die Klägerin hat eine solche eigene Beteiligung weder mit der Klage noch mit der Klageerweiterung erneut angeboten.

Darüber hinaus würde eine solche Beteiligung der nach eigener Einschätzung notleidenden Klägerin die Beteiligung der hinter den Gesellschafterinnen der Klägerin stehenden Gesellschaften an den Sanierungslasten nicht überflüssig machen. Insoweit hat die Klägerin aber nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts den Standpunkt eingenommen, als Beitrag zur Sanierung seitens der Anteilseigner sei ein teilweiser Verzicht auf Sanierungsgewinne - und zwar zu einem Anteil von 30 % bis zu einem Höchstbetrag von 4,5 Mio. DM - ausreichend.

b) Diese Rechtsauffassung der Klägerin ist unrichtig. Die Anteilseigner der Gesellschafterinnen der Klägerin haben, wie auch ihr Angebot, auf einen Teil der Sanierungsgewinne zu verzichten, zeigt, ein besonderes Interesse an der Sanierung der Klägerin, damit diese wieder Gewinne erzielt. Sie müssen deshalb auch einen eigenen aktiven Beitrag zur Sanierung durch Aufbringung von Kapital leisten, bevor den Betriebsrentnern und Versorgungsanwärtern Rechte entzogen werden können, die diese bereits vollständig erdient haben. Sind die Anteilseignerinnen aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, wie die Klägerin es im Prozeß angedeutet hat, können sie sich die Entscheidung, die Klägerin auch zum eigenen Nutzen zu sanieren, "nicht leisten". Eine Sanierung nur durch aktive Vermögensopfer Dritter, damit ein - um 30 % zu mindernder - Gewinn ausgeschüttet oder zur Wertsteigerung in das Unternehmen reinvestiert werden kann, kann gegenüber diesen Dritten nicht als gerechte Lastenverteilung angesehen werden. Unter diesen Umständen ist ihnen das von der Klägerin angestrebte Vermögensopfer von Rechts wegen nicht zuzumuten.

c) Der Sanierungsplan der Klägerin kann auch deshalb den von ihr angestrebten Widerruf von Versorgungsleistungen nicht rechtfertigen, weil er auch die aktiven Arbeitnehmer, die vor Juni 1995 in das Unternehmen eingetreten sind, nicht ausreichend an den Sanierungslasten beteiligt. Diese Arbeitnehmer erwerben, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal bestätigt hat, durch ihre Weiterarbeit bei der Klägerin weiterhin uneingeschränkt Versorgungsrechte nach Maßgabe der Versorgungsrichtlinien, welche die Klägerin ausweislich der von ihr beabsichtigten Einstellung der Versorgungsleistungen im Verhältnis zu den Betriebsrentnern und Versorgungsanwärtern nicht mehr gelten lassen will. Dies verteilt die Sanierungslasten in einer nicht mehr vertretbaren Weise ungleich. Da die aktiven Arbeitnehmer infolge einer Sanierung ihre Arbeitsplätze behalten können, müssen auch sie Opfer hinsichtlich ihrer künftigen Altersversorgung bringen. Wenn von den früheren Arbeitnehmern die Aufgabe erdienter Vermögensrechte verlangt wird, sind die aktiven Arbeitnehmer jedenfalls in der Form zu beteiligen, daß sie keine Zuwächse mehr erdienen können.

3. Die Klägerin hat nach alledem nicht durch Vorlage eines ausgewogenen Sanierungsplanes die Voraussetzung dafür geschaffen, daß sie einseitig in die Versorgungsrechte der Betriebsrentner und ihrer mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer eingreifen konnte. Eine Kürzung oder Einstellung der Versorgungsleistungen durch die Klägerin ist damit selbst dann nicht zulässig, wenn bei der Klägerin eine wirtschaftliche Notlage vorliegen und sie durch die von ihr angestrebte Übernahme von Sanierungslasten durch den Beklagten sanierungsfähig sein sollte. Diesen beiden zwischen den Parteien umstrittenen Fragen war deshalb nicht nachzugehen.

Ende der Entscheidung

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