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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 03.11.1998
Aktenzeichen: 3 AZR 454/97
Rechtsgebiete: BetrAVG
Vorschriften:
BetrAVG § 7 | |
BetrAVG § 1 |
1. Überbrückungshilfen bis zum Erreichen eines in der Versorgungszusage festgelegten Versorgungsfalles "Alter" sind keine insolvenzgesicherten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes, selbst wenn sie in der Zusage als Ruhegehälter bezeichnet worden sind.
2. Von einer Überbrückungshilfe, nicht einer Leistung der betrieblichen Altersversorgung, ist auszugehen, wenn die betreffenden Zahlungen zwar nur für den Fall versprochen werden, daß das Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers aufgehoben worden ist, zugleich aber unter die Bedingung gestellt werden, daß das Arbeitsverhältnis unter Mitwirkung der Arbeitgeberin aufgelöst wurde und die Leistungen davon abhängig sind, daß weder Gehälter noch Übergangsgelder gezahlt werden.
Aktenzeichen: 3 AZR 454/97 Bundesarbeitsgericht 3. Senat Urteil vom 03. November 1998 - 3 AZR 454/97 -
I. Arbeitsgericht Köln Urteil vom 29. November 1996 - 2 Ca 4890/96 -
II. Landesarbeitsgericht Köln Urteil vom 04. Juni 1997 - 2 Sa 79/97 -
---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Ja Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ----------------------------------------------------------------------
Entscheidungsstichworte: Zum Begriff der betrieblichen Versorgung wegen Alters
3 AZR 454/97 2 Sa 79/97 Köln
Im Namen des Volkes! Urteil
Verkündet am 3. November 1998
Kaufhold, Regierungssekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
pp.
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Heither, die Richter Kremhelmer und Bepler sowie die ehrenamtlichen Richter Fasbender und Platow für Recht erkannt:
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 4. Juni 1997 - 2 Sa 79/97 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten darum, ob der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeit vom 1. Juli 1995 bis zum 31. Juli 1997 eine monatliche Betriebsrente von 3.000,00 DM zu zahlen.
Der Kläger ist am 25. Juli 1934 geboren. Er war vom 1. November 1983 bis zum 31. Dezember 1994 bei der S GmbH & Co. KG als Betriebsleiter beschäftigt. Deren Rechtsvorgängerin hatte ihm am 1. November 1983 eine Pensionszusage erteilt, in der es u.a. heißt:
"II. Ruhegehalt/Berufsunfähigkeitsrente
1. Das Ruhegehalt wird gezahlt, wenn der Versorgungsberechtigte aus den Diensten der Firma ausscheidet, weil er
a) dienstunfähig (berufsunfähig) ist;
b) das 65. Lebensjahr (Altersgrenze) vollendet hat;
c) Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nimmt;
d) das Dienstverhältnis nach Vollendung des 60. Lebensjahres durch die Gesellschaft oder im gegenseitigen Einvernehmen beendet wird;
Voraussetzung für die Zahlung des Ruhegehaltes ist ferner, daß weder Gehalt noch Übergangsgeld gezahlt werden.
...
3. Das Ruhegehalt beträgt DM 3.000,-- (dreitausend) pro Monat."
Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung vom 30. Juni 1994 mit dem 31. Dezember 1994. Durch Schreiben vom 31. August 1994 teilte die S A GmbH & Co. KG dem Kläger mit, sie werde ihm für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1995 seine monatlichen Bezüge in Höhe von 16.666,00 DM brutto ungekürzt weiterbezahlen. Ab 1. Juli 1995 trete die Pensionszusage vom 1. November 1983 in Kraft. Der Kläger erhalte ab diesem Zeitpunkt eine monatliche Ruhegeldzahlung in Höhe von 3.000,00 DM brutto.
Die zuletzt genannten Zahlungen erfolgten tatsächlich nicht. Die frühere Arbeitgeberin des Klägers war nicht mehr zahlungsfähig. Am 1. Oktober 1995 wurde über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet.
Der Kläger hat mit seiner Klage geltend gemacht, der Beklagte müsse für das zugesagte betriebliche Ruhegeld in Höhe von 3.000,00 DM je Monat seit dem 1. Juli 1995 bis 31. Juli 1997 einstehen. Mit der Regelung in II 1 d der Pensionszusage sei vertraglich eine feste Altersgrenze mit der Vollendung des 60. Lebensjahres vereinbart worden.
Der Kläger hat in den Vorinstanzen beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Ruhegehalt nach der Pensionszusage der S GmbH & Co. KG vom 1. November 1983 in Höhe von monatlich 3.000,00 DM zu zahlen für die Zeit vom 1. Juli 1995 bis zum 31. Juli 1997.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es handele sich bei den bis zum 31. Juli 1997 versprochenen Leistungen nicht um betriebliche Altersversorgung i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sie mit der Maßgabe weiter, den Beklagten zur Zahlung von 3.000,00 DM monatlich für die Zeit vom 1. Juli 1995 bis zum 31. Juli 1997 zu verurteilen.
Entscheidungsgründe:
A. Die Revision des Klägers ist zulässig. Dies gilt auch, soweit der Kläger von einem Feststellungsantrag zu einem Leistungsantrag übergegangen ist. Der ursprüngliche Antrag war im Hinblick darauf, daß er gegenüber dem Beklagten als öffentlich-rechtlich beliehenem Unternehmer erhoben wurde, einem entsprechenden Leistungsantrag gleichwertig. Der zur Beurteilung der Anträge erforderliche Sachverhalt hat sich nicht geändert.
B. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Beklagte muß für den vom Kläger geltend gemachten und von ihm gegenüber der S GmbH & Co. KG erworbenen Zahlungsanspruch von monatlich 3.000,00 DM für die Zeit bis zum 31. Juli 1997 nicht nach § 7 Abs. 1 BetrAVG eintreten. Es handelt sich insoweit nicht um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG.
I. Eine vom Arbeitgeber versprochene Leistung ist nur dann nach § 7 BetrAVG insolvenzgesichert, wenn es sich um betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes handelt. Ob dies der Fall ist, richtet sich danach, ob die in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG abschließend aufgezählten Voraussetzungen erfüllt sind. Es kommt nicht darauf an, wie eine vom Arbeitgeber in Aussicht gestellte Leistung bezeichnet worden ist (BAG Urteile vom 28. Januar 1986 - 3 AZR 312/84 - BAGE 51, 51, 56 = AP Nr. 18 zu § 59 KO, zu II 2 a der Gründe; vom 8. Mai 1990 - 3 AZR 121/89 - AP Nr. 58 zu § 7 BetrAVG, zu I 1 der Gründe).
II. Betriebliche Altersversorgung ist zugesagt, wenn die Zusage drei Voraussetzungen erfüllt: Sie muß den Zweck einer Versorgung erfüllen, die durch ein biologisches Ereignis, nämlich Alter, Invalidität oder Tod, ausgelöst werden soll, und von einem Arbeitgeber aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses versprochen worden sein (BAG Urteil vom 10. März 1992 - 3 AZR 153/91 - AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung, zu 2 b der Gründe, m.z.w.N.).
Für eine Zuordnung zum Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist damit entscheidend, daß diese Leistung zur Alterssicherung bestimmt ist. Sie muß dazu dienen, die Versorgung des Arbeitnehmers nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbs- oder Berufsleben zu sichern (BAG Urteil vom 28. Januar 1986 - 3 AZR 312/84 - BAGE 51, 51, 56 = AP Nr. 18 zu § 59 KO, zu II 2 a der Gründe). Aus dieser allgemeinen Begriffsbestimmung läßt sich zwar kein fester Zeitpunkt, etwa der der Vollendung des 65. Lebensjahres, bestimmen, von dem an betriebliche Altersversorgung überhaupt nur in Betracht kommt. Die Wahl einer früheren Altersgrenze muß jedoch auf sachlichen, nicht außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegenden Gründen beruhen. Es muß auch bei der Wahl einer früheren Altersgrenze bei dem Zweck bleiben, daß die Versorgungsleistung dazu dienen soll, einem aus dem aktiven Arbeitsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer bei der Sicherung des Lebensstandards im Alter zu helfen (BAG Urteil vom 2. August 1983 - 3 AZR 370/81 - AP Nr. 19 zu § 7 BetrAVG, zu 2 der Gründe). Das wird in aller Regel bei der Festlegung eines Lebensalters der Fall sein, das nach der Verkehrsanschauung als Beginn des Ruhestandes gilt (Blomeyer/ Otto, BetrAVG, 2. Aufl., Einl. Rz 16).
In diesem Zusammenhang hat der Begriff der festen Altersgrenze, der in § 2 Abs. 1 BetrAVG verwandt wird, nur mittelbare Bedeutung. Diese Bestimmung dient nur der Berechnung des erdienten Teils von Versorgungsanwartschaften bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers. Dabei ist entscheidend, wann die Vollrente erdient sein soll, um deren zeitanteilige Bemessung es geht. Kann die Rente bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Vollendung des 65. Lebensjahres aus Altersgründen in Anspruch genommen werden, ohne daß die Versorgungsordnung Abschläge für die vorzeitige Rentenzahlung vorsieht, ist dieser Zeitpunkt als vorgezogene feste Altersgrenze zugleich auch der Versorgungsfall "Alter", weil die Parteien des Versorgungsvertrages damit rechneten, daß der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt aus dem Berufs- oder Erwerbsleben ausscheidet und deshalb auf Versorgungsleistungen angewiesen sein wird (BAG Urteile vom 2. August 1983 - 3 AZR 370/81 - AP Nr. 19 zu § 7 BetrAVG, zu 2 der Gründe; vom 24. Juni 1986 - 3 AZR 645/84 - BAGE 52, 226 = AP Nr. 33 zu § 7 BetrAVG).
Ausgehend von diesen Grundwertungen hat der Senat Übergangsleistungen oder Überbrückungshilfen aus dem Schutzbereich des Betriebsrentengesetzes ausgenommen. Solche Leistungen sollen lediglich den Übergang in einen anderen Beruf (Senatsurteil vom 28. Januar 1986 - 3 AZR 312/84 - BAGE 51, 51 = AP Nr. 18 zu § 59 KO) oder den Übergang in den Ruhestand erleichtern (Senatsurteile vom 24. Juni 1986 - 3 AZR 645/84 - BAGE 52, 226 = AP Nr. 33 zu § 7 BetrAVG; vom 10. März 1992 - 3 AZR 153/91 - AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung). Sie sind auch dann nicht als betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes zu behandeln, wenn sie sich der Höhe nach an einer in Aussicht gestellten Betriebsrente orientieren (Senatsurteil vom 26. April 1988 - 3 AZR 411/86 - AP Nr. 45 zu § 7 BetrAVG, zu I 1 b der Gründe).
III. Die dem Kläger von seiner früheren Arbeitgeberin versprochenen Zahlungen von "Ruhegehalt" für den Fall, daß das Dienstverhältnis des Klägers nach der Vollendung seines 60. Lebensjahres endet, sind eine solche Überbrückungshilfe und keine Versorgungsleistung für den Versorgungsfall "Alter".
1. Die Versorgungszusage bestimmt in II 1 b als Versorgungsfall "Alter" mit der Vollendung des 65. Lebensjahres den Zeitpunkt, zu dem ein Arbeitnehmer nach der Verkehrsanschauung typischerweise sein Berufsleben beendet. Das Ruhegehalt soll zwar nach II 1 d der Versorgungszusage auch dann gezahlt werden, wenn der Arbeitnehmer bereits nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Diese Zahlung soll jedoch nur dann erfolgen, wenn der Arbeitnehmer auf arbeitgeberseitige Kündigung oder einvernehmlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist und nur, soweit er nicht anderweitig Lohn (Gehalt) bezieht. Damit hat die Gemeinschuldnerin den Anspruch auf die Zahlungen vor Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers von ihrer Mitwirkung bei der Vertragsauflösung sowie davon abhängig gemacht, daß der Kläger arbeitslos wird oder zumindest vor dem Eintritt in den Ruhestand keine gleichwertige Arbeitsstelle mehr findet. Die vorzeitigen Leistungen nach II 1 d der Zusage sollen damit die Zeit bis zum Eintritt in den Ruhestand überbrücken helfen, nicht den Ruhestand selbst wirtschaftlich absichern.
2. Für diese Bewertung der dem Kläger für die Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres zugesagten Leistungen spricht auch der Sinn und Zweck der Regeln des Betriebsrentengesetzes zur Unverfallbarkeit und zum Insolvenzschutz: Es geht hier darum, Vertrauen des Empfängers in den Bestand einer Versorgungszusage von einem bestimmten Zeitpunkt an zu schützen. Voraussetzung für einen solchen Vertrauensschutz ist es, daß der Arbeitnehmer bereits bei Erteilung der Zusage damit rechnen kann, daß er bei einem der in der Versorgungszusage vorgesehenen Versorgungsfälle, z.B. bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters, in jedem Falle die versprochene Versorgungsleistung erhalten wird. Nur dann entsteht für ihn das sich aus der Zusage selbst ergebende schützenswerte Vertrauen, auf dem er seine persönliche Versorgungsplanung aufbauen kann. Ein solches Vertrauen kann dann nicht entstehen, wenn zwar für einen Zeitpunkt vor dem Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand Versorgungsleistungen versprochen werden, dies aber nur für den Fall, daß der Arbeitgeber bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mitgewirkt hat. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer keine Möglichkeit, sich eigenständig, ohne Mitwirkung des Arbeitgebers, für eine Inanspruchnahme dieser Versorgungsleistung zu entscheiden. Er kann deshalb bei seiner Versorgungsplanung auch nicht damit rechnen, daß er unter allen Umständen ab Vollendung des 60. Lebensjahres die betreffende Leistung in Anspruch nehmen kann.
IV. Der Kläger hat die Kosten der Revision nach § 97 ZPO zu tragen.
Ende der Entscheidung
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