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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 20.08.2002
Aktenzeichen: 3 AZR 463/01
Rechtsgebiete: BetrAVG, MTV, GG
Vorschriften:
BetrAVG § 1 Gleichbehandlung | |
Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe § 10 Nr. 4 | |
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 6 Abs. 5 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 20. August 2002
In Sachen
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Breinlinger, die ehrenamtlichen Richter Schoden und Dr. Offergeld für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 18. Juli 2001 - 2 Sa 20/01 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die am 20. Oktober 1995 geborene Klägerin ist das nichteheliche Kind eines am 7. April 2000 verstorbenen Arbeitnehmers der Beklagten. Dieser war seit dem 1. Juli 1973 bei der Beklagten beschäftigt. Sein durchschnittliches ruhegeldfähiges Einkommen der letzten zwölf Monate belief sich auf 6.112,00 DM. Auf das Arbeitsverhältnis war der Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe (MTV) anzuwenden. § 10 Nr. 4 MTV enthält vorliegende Vorschrift:
"Die Hinterbliebenen einer/eines Angestellten erhalten die bisherigen Bezüge für den Rest des Sterbemonats und für weitere drei Monate, im ersten Jahr der Unternehmenszugehörigkeit für einen weiteren Monat über den Sterbemonat hinaus.
Als Hinterbliebene im Sinne dieser Bestimmungen gelten:
a) der Ehegatte;
b) unterhaltsberechtigte Kinder, die mit der/dem Verstorbenen in einem Haushalt lebten oder für die diese/dieser das Sorgerecht hatte; dies gilt nur, sofern ein Bezugsberechtigter nach a) nicht vorhanden ist;
c) Kinder, Eltern und Geschwister, wenn sie nachweislich von der/dem Verstorbenen unterhalten wurden und Bezugsberechtigte nach Buchstabe a) und b) nicht vorhanden sind. Der Nachweis zur Erfüllung der Unterhaltspflicht durch die/den Verstorbenen ist durch Vorlage der steuerlichen Anerkennung oder in anderer Form zu führen."
Die Klägerin lebte bei ihrer Mutter, die das alleinige Sorgerecht hatte, besuchte jedoch regelmäßig ihren Vater. Er hinterließ ein weiteres Kind. Sein Sohn aus der am 1. Januar 1993 geschiedenen Ehe ist behindert und wohnt bei Pflegeeltern. Im Urteil des Amtsgerichts-Familiengerichts-Leonberg vom 21. Januar 1993 - 6 F 264/92 - war die elterliche Sorge für diesen Sohn beiden Elternteilen gemeinsam zugesprochen worden. Die Beklagte zahlte ihm das volle Sterbegeld und berief sich dabei auf § 10 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) MTV.
Die Klägerin hat von der Beklagten für April bis einschließlich Juni 2000 die Hälfte der bisherigen Bezüge ihres verstorbenen Vaters verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, § 10 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) MTV verstoße gegen das Gebot des Art. 6 Abs. 5 GG, nichteheliche Kinder den ehelichen gleichzustellen. Die Anknüpfung an das Sorgerecht sei nicht sachgemäß, sondern widerspreche dem tariflichen Regelungszweck. Die erforderliche verfassungskonforme Auslegung führe dazu, daß der sachfremde Anknüpfungspunkt des Sorgerechts durch den sachnahen Anknüpfungspunkt der Unterhaltsverpflichtung bzw. der familiären Gemeinschaft ersetzt werde. Somit stehe die Klägerin auf derselben Stufe wie ihr Halbbruder.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für Hinterbliebenenbezüge in Höhe des hälftigen Lohnes von monatlich je 3.056,00 DM für die Monate April, Mai und Juni 2000 insgesamt somit 9.168,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, § 10 Nr. 4 MTV behandele eheliche und nichteheliche Kinder nicht ungleich. Die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen seien sachgerecht. Die Regelung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin für drei Monate die Hälfte der bisherigen Bezüge ihres verstorbenen Vaters zu gewähren.
I. Der Klägerin steht nach § 10 Nr. 4 MTV der geltend gemachte Anspruch nicht zu.
1. Sie zählt nicht zu den in § 10 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) MTV aufgeführten Hinterbliebenen. Als nichteheliches Kind des verstorbenen Arbeitnehmers war sie zwar nach §§ 1601 ff. BGB unterhaltsberechtigt. Sie erfüllt aber nicht die weiteren Voraussetzungen des § 10 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) MTV. Weder lebte sie mit dem Verstorbenen in einem Haushalt noch hatte dieser für sie das Sorgerecht.
Kinder, die vom Verstorbenen lediglich unterhalten wurden, fallen unter § 10 Nr. 4 Buchst. c) MTV. Ihnen steht das tarifliche Sterbegeld nur dann zu, wenn keine Bezugsberechtigten nach § 10 Nr. 4 Buchst. a) und b) MTV vorhanden sind. Dies ist hier der Fall.
2. Der aus der geschiedenen Ehe stammende behinderte Sohn des Verstorbenen ist nach § 10 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) MTV bezugsberechtigt. Der Verstorbene war ihm nicht nur unterhaltspflichtig, sondern hatte auf Grund des Urteils des Amtsgerichts Leonberg vom 21. Januar 1993 für ihn auch das Sorgerecht. § 10 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) MTV verlangt nicht, daß dem Verstorbenen die elterliche Sorge allein zustand. Ein gemeinsames Sorgerecht genügt. Unerheblich ist es, daß der behinderte Sohn nicht im Haushalt des Vaters, sondern bei Pflegeeltern lebte. Sorgerecht und Leben im Haushalt des Verstorbenen sind nach dem eindeutigen Wortlaut des Tarifvertrages nicht kumulative, sondern alternative Voraussetzungen.
II. § 10 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) MTV ist auch insoweit wirksam, als diese Vorschrift auf das Sorgerecht des Verstorbenen abstellt. Die tarifvertragliche Regelung verstößt weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die verfassungsrechtliche Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 5 GG, wonach niemand wegen seiner unehelichen Geburt benachteiligt werden darf.
1. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Tarifvertragsparteien an die Grundrechte oder die darin enthaltenen objektiven Wertentscheidungen gebunden sind, ist umstritten (zum Meinungsstand in Rechtsprechung und Schriftum vgl. ua. BAG 25. Februar 1998 - 7 AZR 641/96 - BAGE 88, 118, 123 f.; 11. März 1998 - 7 AZR 700/96 - BAGE 88, 162, 168 ff.; 4. April 2000 - 3 AZR 729/98 - AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 2 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 19; 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - BAGE 95, 277, 282 ff.; ErfK/Dieterich 3. Aufl. GG Einl. Rn. 21 f., 46 ff.; Schaub Arbeitsrechts-Handbuch 10. Aufl. § 198 Rn. 17; Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 411 ff.; Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. Grundl. Rn. 154 ff.; Löwisch in Löwisch/Rieble TVG § 1 Rn. 155 f.; Wiedemann TVG 6. Aufl. Einl. Rn. 198 ff. jeweils mwN). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Fragen bislang noch nicht entschieden (vgl. BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 - BVerfGE 82, 126 = AP BGB § 622 Nr. 28 = EzA BGB § 622 n.F. Nr. 27, zu C I 6 der Gründe; 21. Mai 1999 - 1 BvR 726/98 - NZA 1999, 878, zu II der Gründe; 9. August 2000 - 1 BvR 514/00 - AP BAT-O § 1 Nr. 16 = EzA GG Art. 3 Nr. 91, zu II 1 der Gründe). Sie sind auch im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Selbst bei einer unmittelbaren Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte ist die Klage unbegründet. Die angegriffene tarifvertragliche Regelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Art. 6 Abs. 5 GG enthält nicht nur einen Handlungsauftrag für den Gesetzgeber, sondern auch eine Schutznorm zugunsten der nichtehelichen Kinder und eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes (vgl. ua. BVerfG 18. November 1986 - 1 BvR 1365/84 - BVerfGE 74, 33, 38; 7. Mai 1991 - 1 BvL 32/88 - BVerfGE 84, 168, 184 f.). § 10 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) MTV schreibt jedoch keine dem Art. 6 Abs. 5 GG widersprechende Schlechterstellung nichtehelicher Kinder vor.
a) Eheliche und nichteheliche Kinder werden nach dem Tarifwortlaut gleichbehandelt. Die Anspruchsvoraussetzungen knüpfen nicht an die Ehelichkeit oder Nicht-ehelichkeit der Geburt an. Sie können auch von nichtehelichen Kindern erfüllt werden und auch bei ehelichen Kindern fehlen.
b) Art. 6 Abs. 5 GG enthält ein mit Art. 3 Abs. 3 GG vergleichbares Diskriminierungsverbot, das sich gegen jede Form der Benachteiligung nichtehelicher Kinder einschließlich der mittelbaren wendet. In Anlehnung an die zur mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung entwickelten Kriterien (vgl. ua. EuGH 13. Juli 1989 - Rs 171/88 - [Rinner-Kühn] EuGHE 1989, 2743, 2760 f. = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 16 = EzA LohnFG § 1 Nr. 107; 4. Juni 1992 - Rs C-360/90 - [Bötel] EuGHE I 1992, 3589, 3612 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 39 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 108; 27. Oktober 1993 - Rs C-127/92 - [Enderby] EuGHE I 1993, 5535, 5559 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 50 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 20; BAG 2. Dezember 1992 - 4 AZR 152/92 - BAGE 72, 64, 72 ff.; 19. Juni 2001 - 3 AZR 557/00 - AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 50 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 23, zu III der Gründe) liegt eine mittelbare Diskriminierung wegen der unehelichen Geburt vor, wenn die Regelung einen wesentlich höheren Anteil der nichtehelichen Kinder als der ehelichen Kinder nachteilig trifft und dies nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist, die
nichts mit einer Diskriminierung auf Grund der nichtehelichen Geburt zu tun haben. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
aa) Die Klägerin hat nicht konkret dargelegt, daß die nichtehelichen Kinder durch § 10 Nr. 4 MTV zahlenmäßig erheblich stärker nachteilig betroffen sind.
Die Zahl nichtehelicher Lebensgemeinschaften hat deutlich zugenommen. Wenn das nichteheliche Kind in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aufwächst, kommt es nicht darauf an, wem das Sorgerecht zusteht. Insoweit bestehen nach § 10 Nr. 4 MTV zwischen der Anspruchsberechtigung ehelicher und nichtehelicher Kinder keine faktischen Unterschiede. Falls eine bei der Beklagten beschäftigte Mutter verstorben ist, sind die nichtehelichen Kinder jedenfalls nicht seltener anspruchsberechtigt als die ehelichen, und zwar unabhängig davon, ob die Eltern einen gemeinsamen oder einen getrennten Haushalt führten.
Die unterschiedliche gesetzliche Ausgestaltung für eheliche und nichteheliche Kinder kann dann Bedeutung gewinnen, wenn der Vater verstorben ist und das unterhaltsberechtigte Kind nicht in seinem Haushalt gelebt hatte. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die gesetzlichen Sorgerechtsvorschriften für nichteheliche Kinder durch das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Kindschaftsreformgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S 2942) geändert worden ist. Dieses Gesetz hat die rechtlichen Bindungen zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern verstärkt. Nach § 1626 a Abs. 1 BGB steht Eltern, die bei der Geburt des Kindes nicht verheiratet sind, die elterliche Sorge gemeinsam zu, wenn sie erklären, daß sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen. Ansonsten hat nach § 1626 a Abs. 2 BGB allein die Mutter die elterliche Sorge. Außerdem ermöglicht § 1672 Abs. 1 Satz 1 BGB den nicht nur vorübergehend getrennt lebenden Eltern mit Zustimmung der Mutter eine Übertragung der Alleinsorge auf den Vater des nichtehelichen Kindes.
Wenn Eheleute nicht nur vorübergehend getrennt leben, kann jedes Elternteil nach § 1671 Abs. 1 BGB beantragen, daß ihm das Familiengericht die elterliche Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist nach § 1671 Abs. 2 BGB stattzugeben, soweit der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, daß das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht, oder soweit zu erwarten ist, daß die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes
am besten entspricht. Diese Vorschrift gilt für die Zeit vor und nach Scheidung einer Ehe. Welche faktische Bedeutung dem unterschiedlichen normativen Regel-/Ausnahmeverhältnis zukommt und wie es sich zahlenmäßig auf die Ansprüche nicht-ehelicher Kinder nach § 10 Nr. 4 MTV auswirkt, läßt sich dem Sachvortrag der Klägerin nicht entnehmen.
bb) Abgesehen davon ist die Regelung des § 10 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) MTV durch nicht auf die uneheliche Geburt bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt.
(1) Die an den sachlichen Grund zu stellenden Anforderungen hängen vor allem von der Art, dem Inhalt und dem Zweck der Arbeitgeberleistung ab. § 10 MTV trägt die Überschrift "Leistungen in besonderen Fällen". § 10 Nr. 1 bis 3 MTV regelt die Entgeltfortzahlung bei einer durch Krankheit oder Unfall verursachten Arbeitsunfähigkeit und für die Zeit vom Beginn der 7. Woche die Ansprüche auf Zuschuß zum Krankengeld, Krankenzulage und Krankenbeihilfe. § 10 Nr. 4 MTV, auf den die Klägerin die Klageforderung stützt, befaßt sich nicht mit der Witwen- und Waisenversorgung, sondern mit der Fortzahlung der bisherigen Bezüge des Verstorbenen an nahe Angehörige für den Rest des Sterbemonats und längstens weiterer dreier Monate. Derartige Leistungen werden als Sterbe- oder Gnadengelder bezeichnet. Sie stellen eine "Überbrückungshilfe" dar, unterscheiden sich von der üblichen Hinterbliebenenrente und zählen nicht ohne weiteres zur betrieblichen Altersversorgung (vgl. ua. BAG 10. August 1993 - 3 AZR 185/93 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 112 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 65, zu 2 der Gründe; Andresen/Förster/Rößler/Rühmann Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Teil 4 A Rn. 198; Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. Einl. Rn. 57 und 65; Höfer BetrAVG Stand: August 2001 ART Rn. 62 ff.).
Die kurzzeitige Weiterzahlung der Bezüge des Verstorbenen dient nach der inhaltlichen Ausgestaltung des § 10 Nr. 4 MTV nicht dazu, einen Beitrag zu den Beerdigungskosten zu leisten. Nach § 1968 BGB trägt der Erbe die Kosten für die Beerdigung des Erblassers. Für den Anspruch nach § 10 Nr. 4 MTV spielt es dagegen keine Rolle, wer Erbe ist. Auch bei einer typisierenden Betrachtung kann nicht davon ausgegangen werden, daß nur die anspruchsberechtigten Hinterbliebenen im Gegensatz zu den nicht anspruchsberechtigten Hinterbliebenen Erben sind.
Die Gnadengelder nach § 10 Nr. 4 MTV sollen es den Hinterbliebenen des verstorbenen Arbeitnehmers erleichtern, sich auf die durch den Todesfall bedingten materiellen Veränderungen der Verhältnisse einzustellen. Die tarifvertragliche Regelung geht davon aus, daß die Anpassungsbedürfnisse um so größer und die Überbrückungshilfen um so gebotener und angebrachter sind, je enger die Beziehung zwischen dem Verstorbenen und seinen Hinterbliebenen war. Diese Einschätzung der Tarifvertragsparteien ist von der Tarifautonomie gedeckt und überschreitet nicht deren verfassungsrechtliche Grenzen.
(2) § 10 Nr. 4 MTV sieht zur Bestimmung der persönlichen Nähe und Verbundenheit Kriterien vor, die im Interesse der Rechtssicherheit und des praktikablen Vollzugs ohne größere Schwierigkeiten festzustellen und zu überprüfen sind. Auch bei dieser Typisierung haben die Tarifvertragsparteien ihren Regelungsspielraum nicht überschritten.
Enge persönliche Beziehungen zwischen den Hinterbliebenen und dem Verstorbenen können sowohl durch besondere tatsächliche als auch durch rechtliche Bindungen entstehen. Das Zusammenleben in einem Haushalt ist eine Tatsache, die eine besondere persönliche Verbundenheit zum Ausdruck bringt. Das Sorgerecht ist mit besonderen Pflichten gegenüber dem Kind verbunden und verstärkt dadurch die Eltern-Kind-Beziehung. Wenn der Verstorbene ein alleiniges oder gemeinsames Sorgerecht für ein nicht in seinem Haushalt lebendes nichteheliches Kind hatte, steht es nach § 10 Nr. 4 MTV auch den ehelichen Kindern gleich, unabhängig davon, ob diese dem Haushalt des verstorbenen Arbeitnehmers angehörten. Die Alternative "Sorgerecht" kommt damit auch den nichtehelichen Kindern zugute und ist dem Zweck der Übergangsleistung angemessen.
(3) Die Gerichte haben nicht zu überprüfen, ob ihnen eine andere Regelung gerechter und zweckmäßiger erschiene (vgl. ua. BAG 27. November 1991 - 4 AZR 533/89 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 103 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 87, zu II 5 der Gründe; 12. März 1992 - 6 AZR 311/90 - BAGE 70, 62, 69). Die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) gebietet es, daß sich die Gerichte auf eine Rechtskontrolle beschränken und dabei die Beurteilungs- und Entscheidungsspielräume der Tarifvertragsparteien respektieren.
III. Da Art. 6 Abs. 5 GG den allgemeinen Gleichheitssatz präzisiert, ist auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Die Regelung des § 10 Nr. 4 Buchst. b) MTV ist sachgerecht. Sie beruht auf einleuchtenden Gründen, die dem Leistungszweck ausreichend Rechnung tragen.
Ende der Entscheidung
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