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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 23.03.1999
Aktenzeichen: 3 AZR 631/97
(2)
Rechtsgebiete: EG, BetrAVG
Vorschriften:
EG Art. 119 | |
EG Art. 177 Abs. 1 Buchst. a | |
BetrAVG § 1 | |
BetrAVG § 7 |
Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts ruft gemäß Art. 177 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EG den Europäischen Gerichtshof zur Auslegung des Art. 119 EG zur Entscheidung folgender Frage an:
Muß Art. 119 EG dahin ausgelegt werden, daß Pensionskassen als Arbeitgeber anzusehen sind und Gleichbehandlung von Mann und Frau bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung schulden, obwohl den benachteiligten Arbeitnehmern gegenüber ihren unmittelbaren Versorgungsschuldnern, den Arbeitgebern als Parteien der Arbeitsverträge, ein insolvenzgeschützter, die Diskriminierung ausschließender Anspruch zusteht?
Aktenzeichen: 3 AZR 631/97 (A) Bundesarbeitsgericht 3. Senat Beschluß vom 23. März 1999 - 3 AZR 631/97 (A) -
I. Arbeitsgericht Wuppertal - 4 Ca 3394/96 - Urteil vom 16. Januar 1997
II. Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 17 Sa 306/97 - Urteil vom 11. Juni 1997
---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Ja Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Ja ----------------------------------------------------------------------
Entscheidungsstichworte: Pensionskasse und arbeitsrechtliches Diskriminierungsverbot
Gesetz: EG Art. 119, Art. 177 Abs. 1 Buchst. a; BetrAVG § 1, § 7
3 AZR 631/97 (A) 17 Sa 306/97 Düsseldorf
Im Namen des Volkes! Beschluß
Verkündet am 23. März 1999
Kaufhold, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
pp.
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. März 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Heither, die Richter Kremhelmer und Bepler sowie die ehrenamtlichen Richter Goebel und Dr. Auerbach beschlossen:
Tenor:
Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts ruft gemäß Art. 177 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EG-Vertrag den Europäischen Gerichtshof zur Auslegung des Art. 119 EG-Vertrag zur Entscheidung der folgenden Frage an:
Muß Art. 119 EG-Vertrag dahin ausgelegt werden, daß Pensionskassen als Arbeitgeber anzusehen sind und Gleichbehandlung von Mann und Frau bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung schulden, obwohl den benachteiligten Arbeitnehmern gegenüber ihren unmittelbaren Versorgungsschuldnern, den Arbeitgebern als Parteien der Arbeitsverträge, ein insolvenzgeschützter, die Diskriminierung ausschließender Anspruch zusteht?
Gründe:
I. Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger ein Anspruch auf Witwerversorgung zusteht und ob die beklagte Pensionskasse hierfür einstehen muß.
Frau M war von 1. September 1956 bis zu ihrem Tod am 12. November 1993 bei der Bezirksverwaltung der Barmer Ersatzkasse in S beschäftigt. Der Kläger ist deren Witwer. Auf das Arbeitsverhältnis der Frau M war kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Ersatzkassentarifvertrag (EKT) anwendbar. Nach § 37 Abs. 2 EKT in Verbindung mit der Anlage 7 a zum EKT schuldete die Barmer Ersatzkasse ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Sie setzen sich zusammen aus einem Ruhegeld, das die Arbeitgeberin selbst schuldet, und einer Pension, die durch eine Pensionskasse, die Beklagte, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Barmer Ersatzkasse gezahlt wird, die Mitglieder der Pensionskasse sind. Die Barmer Ersatzkasse hat nach dem Ersatzkassentarifvertrag für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Beiträge zur Pensionskasse zu tragen. Die verstorbene Ehefrau des Klägers war während der gesamten Dauer ihres Arbeitsverhältnisses Mitglied der beklagten Pensionskasse.
In § 11 der Satzung der Beklagten heißt es u. a.:
"§ 11
Leistungsarten
Als Leistungen werden gewährt an Mitglieder, die wegen des Eintritts des Versorgungsfalles aus den Diensten der BEK ausscheiden ... :
...
2. Pensionen an Hinterbliebene nach Wegfall der Pensionszahlung an Mitglieder bzw. der Dienstbezüge:
a) Witwenpension an die Witwe des verstorbenen Mitglieds. Witwerpension erhält der Ehemann nach dem Tode seiner versicherten Ehefrau, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat."
Der Kläger hat gegenüber der Barmer Ersatzkasse und der Beklagten vorgerichtlich erfolglos die Zahlung einer Witwerrente verlangt. Im Rahmen ihrer ablehnenden Stellungnahme hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, für den Fall, daß die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Hinterbliebenenpension an den Kläger erfüllt wären, belaufe sich der Versorgungsanspruch auf monatlich 569,10 DM.
Mit seiner ursprünglichen Klage hat der Kläger die Barmer Ersatzkasse und die Beklagte darauf in Anspruch genommen, für die Zeit vom 1. März 1994 bis 31. Dezember 1996 monatlich 569,10 DM, insgesamt also 19.349,40 DM rückständige Versorgungsleistungen zu erbringen sowie für die Folgezeit jeweils zum Monatsende 569,10 DM zu zahlen. Nachdem das Arbeitsgericht diesem Antrag nur hinsichtlich der beklagten Pensionskasse entsprochen, die Klage gegen die Barmer Ersatzkasse aber abgewiesen hatte, hat gegen dieses Urteil nur die Beklagte, nicht auch der Kläger Berufung eingelegt.
Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, die in der Satzung vorgesehene zusätzliche Anspruchsvoraussetzung für die Witwerrente sei gleichheitswidrig und deshalb unwirksam. Ihm stünde die gleiche Hinterbliebenenversorgung zu wie der Witwe eines früheren Mitarbeiters der Barmer Ersatzkasse. Hierfür hafte die Beklagte als für die Altersversorgung der Barmer Ersatzkasse zuständige und von dieser eingeschaltete Organisation.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 19.349,40 DM zuzüglich 4 % Zinsen aus 15.934,80 DM ab dem 27. Juli 1996 sowie aus weiteren 3.414,60 DM ab dem 31. Dezember 1996 zu zahlen;
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ab Januar 1997 jeweils zum Monatsende monatlich 569,10 DM an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach Auffassung der Beklagten greift der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu ihren Lasten. Sie könne schon aus Gründen der Versicherungsaufsicht nicht für eine von der Barmer Ersatzkasse möglicherweise geschuldete Gleichbehandlung haften. Sie sei als Versicherungsunternehmen rechtlich selbständig und werde nach einem aufsichtsbehördlich genehmigten Geschäftsplan tätig.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, die eine Aufhebung und Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen und die Abweisung der Klage anstrebt.
II. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob der Begriff des Arbeitgebers in Art. 119 EG dahin auszulegen ist, daß auch eine vom Arbeitgeber zur Durchführung seines betrieblichen Versorgungswerks eingeschaltete Pensionskasse die Verpflichtungen erfüllen muß, die sich aus dem Gebot der Gleichbehandlung von Mann und Frau in bezug auf das Arbeitsentgelt ergeben. Der erkennende Senat bittet den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung nach Art. 177 Abs. 1 Buchst. a EG.
1. Bei dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung handelt es sich um eine sonstige Vergütung im Sinne von Art. 119 EG, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer schuldet und unter Einschaltung einer Pensionskasse zahlt.
a) Eine Rente, die aufgrund eines durch privatautonome Vereinbarung entstandenen betrieblichen Versorgungssystems gezahlt wird, ist Entgelt im Sinne des europarechtlichen Diskriminierungsverbotes. Sie wird aufgrund des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses gewährt. Das gilt unabhängig davon, ob das betriebliche Versorgungssystem an die Stelle des gesetzlichen getreten ist oder es ergänzt (EuGH Urteile vom 13. Mai 1986 - C-170/84 - "BILKA" Rz 20, Slg. 1986, 1607 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 10 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 13; vom 17. Mai 1990 - C-262/88 - "Barber" Rz 28, Slg. I 1990, 1889 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 20 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 18 und vom 14. Dezember 1993 - C-110/91 - "Moroni" Rz 15 ff., Slg. I 1993, 6591 = AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 16 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 26).
b) Auch eine Hinterbliebenenrente ist eine sonstige Vergütung in diesem Sinne. Zwar ist sie bestimmungsgemäß nicht an den Arbeitnehmer, der seine Gegenleistung im Arbeitsverhältnis bereits erbracht hat, sondern an den hinterbliebenen Ehegatten auszuzahlen. Aber auch diese Leistung hat ihren Ursprung in der Zugehörigkeit des Ehegatten des Hinterbliebenen zum betrieblichen Versorgungssystem (EuGH Urteile vom 6. Oktober 1993 - C-109/91 - "Ten Oever" Rz 8 ff., Slg. I 1993, 4879 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 49 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 23; vom 28. September 1994 - C-200/91 - "Coloroll" Rz 18, Slg. I 1994, 4389 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 57 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 28 und vom 17. April 1997 - C-147/95 - "Evrenopoulos" Rz 22, Slg. I 1997, 2057 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 41). Die zusätzliche und geldwerte Sicherheit, die ein Arbeitnehmer durch ein betriebliches Versprechen von Hinterbliebenenversorgung erhält, ist Teil der von ihm im Arbeitsverhältnis erdienten Vergütung und im deutschen Recht eine der Formen, in denen ein Arbeitnehmer Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aufgrund entsprechenden Versorgungsversprechens eines Arbeitgebers erlangen kann (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG).
c) Am Entgeltcharakter einer betrieblichen Versorgungsleistung ändert sich auch nichts, wenn die Versorgungsleistung nicht durch den Arbeitgeber selbst, sondern durch eine von ihm eingeschaltete rechtlich selbständige Stelle erbracht werden soll. Im deutschen Recht kommen hierfür herkömmlich eine vom Arbeitgeber unabhängige, frei am Markt tätige Versicherung ("Direktversicherung"), ein ebenfalls durch Beiträge finanzierter Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, dem ein oder mehrere Unternehmen angehören ("Pensionskasse"), oder eine Unterstützungskasse in Betracht (§ 1 Abs. 2 bis Abs. 4 BetrAVG). Daß auch eine solche betriebliche Versorgung unter Einschaltung eines externen Versorgungsträgers in den Anwendungsbereich des Art. 119 EG fällt, ergibt sich ohne weiteres daraus, daß auch mittelbare Zahlungen des Arbeitgebers aufgrund des Arbeitsverhältnisses den Entgeltbegriff ausfüllen (EuGH Urteile vom 17. Mai 1990 - C-262/88 - "Barber" Rz 28 und 29, Slg. I 1990, 1889 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 20 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 18; vom 28. September 1994 - C-200/91 - "Coloroll" Rz 20, Slg. I 1994, 4389 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 57 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 28 und vom 28. September 1994 - C-128/93 - "Fisscher" Rz 31, Slg. I 1994, 4583 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 56 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 33).
2. Der für den Anspruch des Klägers auf Hinterbliebenenversorgung maßgebliche § 11 Nr. 2 a der Satzung der beklagten Pensionskasse steht im Widerspruch zu Art. 119 EG, soweit er eine Witwerversorgung davon abhängig macht, daß die verstorbene Arbeitnehmerin den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat.
Diese Bestimmung stellt den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung einer Arbeitnehmerin unter eine einschränkende Bedingung, die für den entsprechenden Anspruch eines Arbeitnehmers nicht gilt. Sie behandelt damit eine Arbeitnehmerin beim Entgelt unabhängig von der hierfür geleisteten Arbeit schlechter als einen Arbeitnehmer.
Eine solche wegen des Geschlechts benachteiligende Ungleichbehandlung darf nach Art. 119 EG nicht aufrechterhalten werden unabhängig davon, worauf diese Ungleichbehandlung beruht (EuGH Urteile vom 17. Mai 1990 - C-262/88 - "Barber" Rz 32, Slg. I 1990, 1889 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 20 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 18 und vom 17. April 1997 - C-147/95 - "Evrenopoulos" Rz 26 f., Slg. I 1997, 2057 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 41). Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich auch aus § 612 Abs. 3 BGB (vgl. auch BAG Urteil vom 5. September 1989 - 3 AZR 575/88 - BAGE 62, 345 = AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 8).
3. Der Kläger kann sich vor den nationalen Gerichten auf diese Verletzung des Art. 119 EG durch die entscheidungserhebliche Versorgungsbestimmung berufen (EuGH Urteil vom 8. April 1976 - 43/75 - "Defrenne II" Rz 40, Slg. 1976, 455 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 2).
4. Aufgrund der Verletzung des Art. 119 EG kann der Kläger verlangen, so gestellt zu werden wie die nicht diskriminierte Gruppe, also die Witwen von Arbeitnehmern, die unter die Satzung der beklagten Pensionskasse fallen, und die einen unbeschränkten Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung haben. Die diskriminierende Ausnahmebestimmung der Satzung darf nicht zu Lasten des Klägers angewendet werden (vgl. EuGH Urteile vom 8. April 1976 - 43/75 - "Defrenne II" Rz 40, aaO und vom 7. Februar 1991 - C-184/89 - "Nimz" Rz 21, Slg. I 1991, 297 = AP BAT § 23 a Nr. 25 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 20; BAG Urteile vom 14. März 1989 - 3 AZR 490/87 - BAGE 61, 226 = AP BetrAVG § 1 Gleichberechtigung Nr. 5 und vom 20. November 1990 - 3 AZR 613/89 - BAGE 66, 264 = AP BetrAVG § 1 Gleichberechtigung Nr. 8).
5. Fraglich ist jedoch, ob der Kläger den sich hieraus ergebenden Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung auch gegenüber der verklagten Pensionskasse hat.
a) Der Europäische Gerichtshof hat in seinen Urteilen vom 28. September 1994 (- C-200/91 - "Coloroll" Rz 22 f., Slg. I 1994, 4389 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 57 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 28; - C-128/93 - "Fisscher" Rz 29 ff., Slg. I 1994, 4583 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 56 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 33 mit Anmerkung Boecken) entschieden, daß rechtlich selbständige, nicht am Arbeitsverhältnis beteiligte Dritte, die mit der Durchführung eines betrieblichen Versorgungssystems betraut sind, Art. 119 EG zu beachten haben. Sie müssen alles in ihrer Zuständigkeit liegende tun, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf diesem Gebiet sicherzustellen. Zur Begründung seines Verständnisses von Art. 119 EG hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, der Arbeitgeber könne sich den ihm aus dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen nicht dadurch entziehen, daß er das Betriebsrentensystem in einer besonderen Rechtsform ausgestalte. Die praktische Wirksamkeit von Art. 119 EG werde beträchtlich geschmälert und der für die wirkliche Gleichstellung notwendige Rechtsschutz stark eingeschränkt, wenn sich ein Arbeitnehmer oder sein anspruchsberechtigter Angehöriger auf diese Bestimmung nur gegenüber dem Arbeitgeber berufen könnte und nicht gegenüber demjenigen, der mit der Durchführung des Versorgungswerkes betraut ist.
b) Diese Entscheidungen, die Diskriminierungen durch einen Treuhänder nach dem Recht des Vereinigten Königreichs und durch einen Pensionsfonds niederländischen Rechts betrafen, gründen sich auf Überlegungen, die nach Auffassung des Senats nicht auf eine Versorgung unter Einschaltung einer Pensionskasse nach deutschem Recht übertragen werden können. Eine Erstreckung des Geltungsbereichs des Art. 119 EG auch auf eine Pensionskasse würde zu schwer auflösbaren Ungereimtheiten und Brüchen im nationalen Recht führen, ohne daß es dessen zur Herbeiführung eines effektiven und sicheren Rechtsschutzes für Arbeitnehmer vor Geschlechtsdiskriminierung bedürfte. Insoweit unterscheidet sich die Ausgangslage im deutschen Recht von den bisher behandelten Konstellationen. Der erkennende Senat bittet den Gerichtshof deshalb um Prüfung, ob die erweiternde Auslegung des Art. 119 EG auch im Verhältnis zu Pensionskassen nach deutschem Recht geboten ist.
aa) Nach § 1 Abs. 3 BetrAVG ist die Pensionskasse eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung, die dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterbliebenen einen Rechtsanspruch gewährt. Der Arbeitgeber erbringt hier also grundsätzlich die Versorgungsleistungen nicht selbst, sondern bedient sich eines selbständigen Rechtsträgers, der als Versicherer bestimmte Versorgungsrisiken übernimmt.
Dies ändert nichts daran, daß der Arbeitgeber der Versorgungsschuldner bleibt, der sich im arbeitsrechtlichen Grundverhältnis zur Verschaffung von Versorgungsleistungen verpflichtet hat. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers beschränkt sich nicht darauf sicherzustellen, daß der Arbeitnehmer Mitglied der Pensionskasse, wird. Bleiben die von der Pensionskasse satzungsgemäß festgelegten Versicherungsbedingungen hinter dem zurück, was der Arbeitgeber aus dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis an Versorgung schuldet, muß der Arbeitgeber selbst die bestehende Lücke schließen. Eine solche vom Arbeitgeber selbst zu schließende Lücke liegt insbesondere vor, wenn die Satzungsbestimmungen einer Pensionskasse, wie die der Beklagten, das Arbeitsverhältnis prägende Diskriminierungsverbot und das Gleichbehandlungsgebot verletzen, das ein grundlegendes Prinzip des Arbeitsrechts ist. In diesem Fall muß der Arbeitgeber durch eigene Leistungen für seine von Rechts wegen entsprechend ergänzten Versorgungspflichten einstehen. Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber selbst die Verschaffung einer entsprechenden Versorgungsleistung verlangen (BAG Urteil vom 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - BAGE 79, 236, 249 ff. = AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 26, zu B III 2 b bb der Gründe; BAG Urteil vom 13. Mai 1997 - 3 AZR 66/96 - AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 36, zu B II 2 der Gründe).
Von diesem Ausgangspunkt aus wird derzeit in der deutschen Literatur die eigene Einstandspflicht einer Pensionskasse oder einer Direktversicherung für arbeitsrechtliche Gleichbehandlungspflichten überwiegend abgelehnt (Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl., Einl. Nr. 202; Höfer, BetrAVG, ART, Rz 582.17; Dresp, Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Teil I.50, Pensionskasse, Rz 901; Griebeling, AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung III, Versorgungseinrichtungen, Rz 105 ff.; a.A. für Pensionskassen Kollatz, NJW 1996, 1658; wohl auch Boecken, Gemeinsame Anmerkung zu den Urteilen des EuGH vom 28. September 1994, EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 33, S. 71 f.). Hierfür wird neben der rechtlichen Selbständigkeit einer Pensionskasse insbesondere auch auf deren Eigenschaft als Versicherung hingewiesen. Die Pensionskasse unterliegt der Versicherungsaufsicht und dem eigenständigen versicherungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der es gebietet, gleiche Versicherungsleistungen für gleiche Beiträge zu erbringen. Würde bei einem solchen Unternehmen das durch die Bestimmungen der Satzung festgelegte Volumen der Versicherungsverbindlichkeiten unter Anwendung des Gleichbehandlungsgebotes erhöht, müßte der hierfür erforderliche Mehraufwand durch erhöhte Beitragsleistungen ausgeglichen werden. Das ist dann im wesentlichen unproblematisch, wenn der Arbeitgeber für seine versicherten Arbeitnehmer die Versicherungsbeiträge allein übernommen hat. Viele Pensionskassen sehen jedoch auch Beitragspflichten für die Arbeitnehmer vor. In solchen Fällen müßten auch Arbeitnehmer für Versorgungsverbindlichkeiten durch erhöhte Beitragszahlungen einstehen, die zunächst nur anderen, bereits aus dem Arbeitsleben ausgeschiedenen und nicht mehr beitragspflichtigen Mitgliedern zugute kämen.
bb) Aus deutscher Sicht spricht entscheidend gegen die Erstreckung arbeitsrechtlicher Grundpflichten auch auf einen rechtlich selbständigen, grundsätzlich anderen Regeln unterliegenden externen Versorgungsträger, daß sich der Arbeitgeber auch ohne eine solche Erstreckung den Pflichten aus den Gleichbehandlungsgeboten und Diskriminierungsverboten nicht entziehen kann. Er muß hierfür selbst in vollem Umfang einstehen. Selbst wenn es - wie etwa im Falle "Coloroll" (Slg. I 1994, 4389 = aaO) - zu einer Insolvenz des Arbeitgebers kommt, ist der Rechtsschutz eines diskriminierten Arbeitnehmers weder geschmälert noch eingeschränkt. Es handelt sich bei der Einstandspflicht des Arbeitgebers um eine auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhende Versorgungsverbindlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG. Der sich hieraus für den einzelnen Arbeitnehmer ergebende Anspruch ist deshalb nach § 7 BetrAVG insolvenzgeschützt. Der mit hoheitlichen Befugnissen versehene Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung, der Pensions-Sicherungs-Verein a.G., muß im Falle einer Insolvenz für diesen Verschaffungsanspruch des Arbeitgebers einstehen.
Beruht die fehlende Möglichkeit, den Arbeitgeber selbst unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung in Anspruch zu nehmen, auf einem Beratungsfehler in einem Prozeß, steht eine Berufshaftpflichtversicherung hinter demjenigen, der für diesen Fehler einzustehen hat.
6. Die Effektivität des Rechtsschutzes vor Diskriminierungen ist nach alledem im deutschen Recht gewahrt, weil sich der Arbeitnehmer an seinen Versorgungsschuldner, den Arbeitgeber halten kann und die Durchsetzung dieses Anspruchs nicht von dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit abhängt. Unter diesen Umständen ist die Rechtslage für einen nach Art. 119 EG diskriminierten Arbeitnehmer nicht der Art, daß die sich aus dieser Vorschrift ergebenden Pflichten auch auf einen externen, versicherungsförmig ausgestalteten Versorgungsträger erstreckt werden müßten. Im Hinblick auf die nach Auffassung des erkennenden Senats erforderliche Abgrenzung zu den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in Sachen "Coloroll" und "Fisscher" bittet der erkennende Senat den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung nach Art. 177 Abs. 1 Buchst. a EG.
Ende der Entscheidung
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