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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 24.07.2001
Aktenzeichen: 3 AZR 681/00
Rechtsgebiete: TVG, BetrAVG


Vorschriften:

TVG § 1 Auslegung
BetrAVG § 2 Abs. 1
BetrAVG § 17 Abs. 3 Satz 1
Ein Tarifvertrag kann für die Berechnung einer vorgezogen in Anspruch genommenen Betriebsrente des vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmers die fehlende Betriebstreue zwischen dem vorgezogenen Ruhestand und der festen Altersgrenze grundsätzlich auch zweifach mindernd berücksichtigen.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

3 AZR 681/00

Verkündet am 24. Juli 2001

In Sachen

hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, die Richter am Bundesarbeitsgericht Bepler und Breinlinger und die ehrenamtlichen Richter Hauschild und Dr. Rödder

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 2. Dezember 1999 - 4 Sa 1176/98 - aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 25. September 1998 - 35 a Ca 4931/98 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Höhe der dem Kläger zustehenden "Vorgezogenen Altersrente" zu den Stichtagen Vollendung des 55., 60. und 63. Lebensjahres.

Der Kläger ist am 4. Juli 1944 geboren. Er war bei der Beklagten seit dem 1. Juli 1979 beschäftigt und schied nach 15 Jahren am 30. Juni 1994 wieder aus.

Bei der Beklagten existiert eine auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbare Versorgungsvereinbarung (VV), die zwischen der Beklagten, der DAG, der RFFU sowie dem Bayerischen Journalisten-Verband e.V. geschlossen wurde und die Bestandteil der jeweiligen Manteltarifverträge ist. In deren hier maßgeblichen Fassung vom 2. Juni 1981 heißt es ua.:

"Begriffsbestimmungen

...

1.7 "Anrechnungsfähige Dienstjahre" bzw. "anrechnungsfähige Dienstzeit" sind die ununterbrochenen vollen Dienstjahre und -monate der Beschäftigung beim Arbeitgeber, einschließlich gesetzlich anzurechnender Zeiten. Die anrechnungsfähige Dienstzeit beginnt mit dem Monat der Anstellung und endet mit dem Monat des Eintritts des Versorgungsfalles bzw. dem Tage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. ...

1.13 Als "Betriebszugehörigkeit" für Zwecke des Artikel VIII gelten die vollen Dienstjahre und -monate der Beschäftigung beim Arbeitgeber einschließlich gesetzlich gleichgestellter Zeiten. ...

Anspruch und Leistungsarten

...

2.2 Es werden folgende Leistungen gewährt:

Altersrente vorgezogene Altersrente Invalidenrente Hinterbliebenenrente.

...

Altersrente

Anspruchsbedingungen

3.1 Das normale Ruhestandsalter ist das vollendete 65. Lebensjahr.

3.2 Ein Arbeitnehmer erwirbt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Altersrente mit Ablauf des Monats, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt hat.

Berechnung der Altersrente

3.3 Die Höhe der monatlichen Altersrente errechnet sich wie folgt:

a) Für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr wird 1 % des versorgungsfähigen Monatsgehalts bis zur Beitragsbemessungsgrenze, zuzüglich 2 % des über dieser Grenze liegenden Teils des versorgungsfähigen Monatsgehalts gewährt.

...

Vorgezogene Altersrente

4.1 Ein Arbeitnehmer erwirbt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf eine sofort oder später beginnende vorgezogene Altersrente, wenn er mindestens das 55. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt hat.

4.2 Die Höhe der vorgezogenen Altersrente errechnet sich gemäß Ziffer 3.3 und 3.4. Der sich ergebende Rentenbetrag wird jedoch um 0,4 % für jeden Leistungsmonat vor Vollendung des 63. Lebensjahres gekürzt.

...

Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses - Unverfallbarkeit

8.1 Wird das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles aufgelöst, bleibt der Anspruch auf Rentenleistungen aus der Versorgungsvereinbarung erhalten, sofern der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt mindestens 35 Jahre alt ist und eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 10 Jahren (120 Monaten) vollendet hat. In allen übrigen Fällen der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses besteht kein Anspruch auf Leistungen aus der Versorgungsvereinbarung.

8.2 Erfüllt der ausscheidende Arbeitnehmer die in Ziffer 8.1 genannten Voraussetzungen, bleibt die Versorgungsanwartschaft mit einem Teilbetrag aufrecht erhalten. Dieser Teilbetrag errechnet sich aus dem planmäßigen Anspruch bei Eintritt des Versorgungsfalles ohne vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, unter Minderung dieses Betrages im Verhältnis der zurückgelegten anrechnungsfähigen Betriebszugehörigkeit zu der bis zum Ruhestandsalter 65 erreichbaren anrechnungsfähigen Betriebszugehörigkeit.

Für die Berechnung dieses Teilanspruchs werden die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus den Diensten des RFE/RL gültigen Bemessungsgrundlagen (versorgungsfähiges Monatsgehalt, Beitragsbemessungsgrenze) herangezogen. Die Bestimmung der gesetzlichen Rente erfolgt unter Zugrundelegung des für die Berechnung von Pensionsrückstellungen steuerlich zulässigen Näherungsverfahrens, wenn nicht der ausgeschiedene Arbeitnehmer seine anrechnungsfähigen Versicherungsjahre und die persönliche Rentenbemessungsgrundlage nachweist.

8.3 Im Falle einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber oder bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses im beiderseitigen Einvernehmen tritt an Stelle der in Ziffer 8.2 beschriebenen Leistung eine Versorgungsanwartschaft gemäß Artikel III, IV, V und/oder VI. Voraussetzung hierfür ist, daß der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Ausscheidens mindestens 45 Jahre alt ist, eine Betriebszugehörigkeit von mindestens zwanzig vollen Jahren (240 Monaten) vollendet hat und daß die Leistung nach Ziffer 8.3 höher ist als nach Ziffer 8.2.

...

Versicherungsgrundlagen und Zahlungsweise

Versicherung und Leistungen

...

11.6 Jeder Versorgungsberechtigte erhält vom Versicherungsträger einen Versorgungsbescheid, aus dem die Höhe seiner Versorgungsleistung und die für die Berechnung maßgeblichen persönlichen Daten ersichtlich sind. Außerdem erhält er eine Ausfertigung der für ihn erstellten Anspruchsberechnung. Einspruch gegen die im Versorgungsbescheid festgelegte Leistung ist innerhalb einer Frist von neun Monaten schriftlich beim Arbeitgeber anzumelden."

Das letzte versorgungsfähige Monatsgehalt des Klägers belief sich auf 7.880,00 DM, die Beitragsbemessungsgrenze lag 1994 bei 7.366,67 DM. Nach seinem Ausscheiden teilten die von der Beklagten beauftragten Sachverständigen dem Kläger durch Schreiben vom 28. Juni 1996 mit, daß seine normale Altersrente ab Vollendung des 65. Lebensjahres 1.259,00 DM betrüge und er für den Fall der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente mit Vollendung des 55. Lebensjahres monatlich 518,00 DM,

mit Vollendung des 60. Lebensjahres monatlich 899,00 DM und

mit Vollendung des 63. Lebensjahres monatlich 1.176,00 DM

erhalten solle.

Diese vorgezogenen Altersrenten berechneten die Sachverständigen wie folgt: Sie legten die vom Kläger bei Betriebstreue bis zum jeweiligen, angenommenen Fall der vorgezogenen Inanspruchnahme erdienbare Rente zugrunde, also die vom Kläger bei Betriebstreue bis zum 55., 60. oder 63. Lebensjahr zu erreichende Rente. Danach wurde dieser Rentenbetrag um 0,4 % für jeden Leistungsmonat vor Vollendung des 63. Lebensjahres gekürzt. Schließlich wurde dieser Betrag ein weiteres Mal im Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres gemindert (15/30,0833).

Gegen diese Berechnung wendet sich der Kläger. Er hat die Auffassung vertreten, es sei von der während der tatsächlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses verdienten Rente auszugehen, die dann nur um den versicherungsmathematischen Abschlag zu kürzen sei. Eine weitere zeitratierliche Kürzung hält der Kläger aus seinem Verständnis der Versorgungsvereinbarung für unzulässig. Bei anderer Auslegung läge darin eine unzulässige Dreifachkürzung mit mehrfacher Berücksichtigung seines vorzeitigen Ausscheidens.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß sein Anspruch auf vorgezogene Altersrente nach Art. 4 der VV der Beklagten vom 2. Juni 1981 ohne Berücksichtigung etwaiger Anpassungen nach § 16 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung

bei Inanspruchnahme mit Vollendung des 55. Lebensjahres 775,54 DM,

bei Inanspruchnahme mit Vollendung des 60. Lebensjahres 1.077,70 DM

und bei Inanspruchnahme mit Vollendung des 63. Lebensjahres 1.259,00 DM beträgt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält ihre Berechnung für richtig. Die Versorgungsvereinbarung sehe für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens eine ratierliche Kürzung, für den Fall eines vorgezogenen Bezuges einen versicherungsmathematischen Abschlag vor. Folglich werde jeder dieser Faktoren nur einmal berücksichtigt. Im übrigen sei auch eine Mehrfachberücksichtigung rechtlich zulässig.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger kann im Fall der Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente keine höheren Beträge verlangen, als ihm dies die Beklagte mit Schreiben vom 28. Juni 1996 hat mitteilen lassen.

Die vorgezogene in Anspruch genommene Betriebsrente des vorzeitig ausgeschiedenen Klägers ist in der Weise zu berechnen, daß die um den versicherungsmathematischen Abschlag gekürzte Rente, die er bei Betriebstreue bis zum Versorgungsfall erhalten würde, im Verhältnis der erreichten zu der bis zum Alter 65 erreichbaren Betriebszugehörigkeit gemindert wird.

I. Der Senat folgt dem Landesarbeitsgericht in seiner Auslegung der Versorgungsvereinbarung nicht.

1. Das Landesarbeitsgericht hat Art. 4 VV dahin ausgelegt, daß diese Vorschrift eine umfassende und eigenständige Regelung des Versorgungsfalles Vorgezogene Altersrente darstelle, die auch den Fall erfasse, daß der Arbeitnehmer mit erfüllter Wartezeit vor Vollendung des 55. Lebensjahres (frühester Zeitpunkt für die Vorgezogene Altersrente) ausgeschieden ist. Dazu hat es ausgeführt, das Wort "später" in 4.1 VV eröffne zumindest auch die Auslegungsmöglichkeit, daß der Arbeitnehmer bei Ausscheiden noch nicht 55 ist und demgemäß die vorgezogene Altersrente erst "später" (mit dem 55. Geburtstag) beginnen kann. Für den Charakter einer eigenständigen Regelung spreche auch die Hervorhebung der Vorgezogenen Altersrente als Leistungsart in 2.2 VV. Hingegen sei Art. 8 VV, der sich nur mit Versorgungsanwartschaften bezogen auf das normale Ruhestandsalter 65 beschäftige, grundsätzlich nicht auf die vorgezogene Altersrente gem. Art. 4 VV anzuwenden.

2. a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß die Versorgungsvereinbarung mit der "Vorgezogenen Altersrente" einen eigenständigen Versorgungsfall regelt. Das ist bereits dem Wortlaut von 2.2 VV zu entnehmen, der - in Zusammenhang mit der Überschrift von Art. 2 VV - vier Leistungsarten aufzählt. Auch die Systematik der tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarung spricht dafür; denn in den nachfolgenden vier Tarifartikeln wird jede einzelne Leistungsart in ihren besonderen Voraussetzungen und anknüpfend an einen jeweils eigenen Versorgungsfall beschrieben: Art. 3 VV knüpft an die Vollendung des 65. Lebensjahres als Versorgungsfall für die Altersrente an, Art. 5 VV an die Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit für die Invalidenrente und Art. 6 VV an das Ableben für die Hinterbliebenenrente. Für die vorgezogene Altersrente nennt Art. 4 VV als Voraussetzung die Vollendung mindestens des 55. Lebensjahres. Damit bestimmt Art. 4 VV die Voraussetzungen für eine vorgezogene Inanspruchnahme der Betriebsrente unabhängig von § 6 BetrAVG.

b) Für den Fall der vorgezogenen Altersrente geht Art. 4 VV - ebenso wie die Artikel 3, 5 und 6 VV für die anderen Versorgungsfälle - davon aus, daß das Arbeitsverhältnis bis zum Eintritt des Versorgungsfalles noch besteht. Dies ergibt wiederum der Wortlaut des 4.1 VV, der einen Anspruchserwerb "bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses" für den "Arbeitnehmer" vorsieht, also gem. 1.3 VV für den festangestellten Voll- oder Teilzeitbeschäftigten. Die Systematik des Tarifwerkes stützt diese Auslegung: Auch die Artikel 3, 5 und 6 VV setzen voraus, daß der Berechtigte bis zum Eintritt des Versorgungsfalles noch im Arbeitsverhältnis steht. Die einzig vorgesehene Ausnahme, das Ableben eines Rentners, wird im Fall der Hinterbliebenenversorgung durch 6.1 Abs. 2 VV gesondert geregelt.

Die Versorgungsvereinbarung überläßt es dabei dem Arbeitnehmer, der die Wartezeit erfüllt hat und mindestens 55 Jahre alt ist, wie lange vor seinem 65. Lebensjahr er das Arbeitsverhältnis beenden und vorgezogene Altersrente beziehen will. Die Versorgungsvereinbarung sieht dafür den Zeitraum zwischen der Vollendung des 55. und des 65. Lebensjahres vor, jedoch keine festen Stichtage. Die seitens der Beklagten in der umstrittenen Auskunft vom 28. Juni 1996 gewählten Zeitpunkte Vollendung des 55., 60. und 63. Lebensjahres dienen nur als Beispielsfälle - worüber zwischen den Parteien auch kein Streit besteht. 4.1 VV legt demgemäß für das Wahlrecht des Arbeitnehmers ein Mindestalter (55) und ein Höchstalter (65) fest. Nur auf diese Wahlmöglichkeit bezieht sich die Formulierung in 4.1 1. Halbs. VV, der Arbeitnehmer habe Anspruch auf eine "sofort oder später beginnende" vorgezogene Altersrente. Wenn der Arbeitnehmer bei erfüllter Wartezeit das Arbeitsverhältnis an seinem 55. Geburtstag beendet, hat er "sofort" Anspruch auf vorgezogene Altersrente, beendet er es erst "später", aber vor dem 65. Geburtstag, so entsteht auch der Betriebsrentenanspruch erst später.

Ergibt somit die Auslegung nach Wortlaut und tariflichem Gesamtzusammenhang, daß Art. 4 VV nur den Fall der Betriebstreue bis zum Versorgungsfall regelt, so erweist sich die Annahme des Landesarbeitsgerichts, Art. 4 VV regele auch den Fall des früher Ausgeschiedenen, dessen Rente erst später, dh. frühestens mit Vollendung des 55. Lebensjahres beginne, als nicht tragfähig.

c) Dem Landesarbeitsgericht kann auch nicht in seiner Auslegung des Art. 8 VV gefolgt werden. Diese Bestimmung bezieht sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht nur auf den Versorgungsfall Alter 65, sondern auf alle Versorgungsfälle, auch auf den der vorgezogenen Altersrente.

Bereits der Wortlaut der Eingangsformulierung von 8.1 VV gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß "vor Eintritt des Versorgungsfalles" lediglich bezogen ist auf den "Ablauf des Monats, in dem der ausscheidende Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet hat" (3.1 und 3.2 VV). Ebenso gibt es weder im Wortlaut des Art. 8 VV noch in der Systematik des Tarifwerkes Hinweise darauf, daß die Leistungsart "vorgezogene Altersrente" von der Unverfallbarkeitsregelung des Art. 8 VV ausgenommen werden sollte. Vielmehr enthält der Wortlaut von 8.3 VV einen zwingenden Hinweis darauf, daß die Tarifparteien mit Art. 8 VV alle vier Versorgungsfälle der Versorgungsvereinbarung erfassen wollten: Unter den dort genannten Voraussetzungen - ordentliche Arbeitgeberkündigung oder einvernehmliche Auflösung; Ausscheiden nach Vollendung des 45. Lebensjahres; Betriebszugehörigkeit von wenigstens 240 Monaten - soll anstelle der gem. 8.2 VV ratierlich gekürzten Versorgungsanwartschaft eine ungekürzte "Versorgungsanwartschaft gem. Art. 3, 4, 5 und/oder 6" treten. Wenn aber die begünstigende Regel des 8.3 VV, die unter bestimmten Voraussetzungen die ratierliche Kürzung des 8.2 VV entfallen läßt, auf die im jeweiligen Versorgungsfall ohne Kürzung errechnete Versorgungsanwartschaft verweist und dabei ausdrücklich auch Art. 4 VV erwähnt, läßt dies nur den Schluß zu, daß die im Falle des Fehlens der günstigen Voraussetzungen anzuwendende Grundregel des 8.2 VV ebenfalls Art. 4 VV erfaßt. Auf den Fall des Klägers, der vorgezogene Altersrente als vorzeitig Ausgeschiedener beansprucht, sind Art. 4 und sodann Art. 8 der VV kumulativ anzuwenden.

3. Ausgangspunkt für die Berechnung der Betriebsrente des Klägers ist 4.2 Satz 1 VV, der auf 3.3 a) Abs. 1 VV verweist. Danach werden für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr 1 % des Endgehaltes bis zur Beitragsbemessungsgrenze und 2 % des darüberliegenden Differenzgehaltes gewährt. Gem. 1.7 VV sind anrechnungsfähige Dienstjahre die ununterbrochenen vollen Dienstjahre und -monate der Beschäftigung, wobei der Zeitraum mit dem Monat der Anstellung beginnt. Das Ende dieses Zeitraumes ist auf den Monat des Eintritts des Versorgungsfalles "bzw." den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses festgelegt. Letzteres ist in Konstellationen wie der vorliegenden nicht aus sich heraus verständlich und hat zum Streit zwischen den Parteien beigetragen: Die Beklagte rechnet bei der vorgezogenen Altersrente 55 im Falle des Klägers mit etwas mehr als 20 Jahren als der vom Kläger bis zum 55. Lebensjahr erreichbaren Dienstzeit, der Kläger rechnet mit 15 Jahren, also seiner tatsächlich zurückgelegten Dienstzeit.

Wird jedoch die aus sich heraus nur selten verständliche Konjunktion "bzw." durch "oder" ersetzt, so wird deutlich, daß die Tarifvertragsparteien mit den beiden Beendigungsvarianten alternative Sachverhalte regeln wollten: Wird die Dienstzeit für den Eintritt des Versorgungsfalles berechnet, so soll dessen Monat als Ende genommen werden. Kommt es dagegen wie etwa bei der Berechnung der Wartefrist oder der Unverfallbarkeit auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an, so ist der Tag dieses Ereignisses maßgebend. Da, wie bereits ausgeführt, die Versorgungsvereinbarung bei allen vier Versorgungsfällen im Grundsatz davon ausgeht, daß das Arbeitsverhältnis bis zum Versorgungsfall besteht, macht 1.7 Satz 2 VV zudem nur dann einen Sinn, wenn für eine Berechnung auf den Versorgungsfall auf dessen Zeitpunkt abgestellt wird. Schließlich muß vorliegend 1.7 Satz 2 VV im tariflichen Gesamtzusammenhang mit 8.2 Abs. 1 Satz 2 VV gesehen werden: Diese später eingefügte Vorschrift bestimmt, daß der planmäßige Anspruch auf den Eintritt des Versorgungsfalles berechnet werden soll, ohne daß zunächst die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt wird, verweist also deutlich auf 1.7 Satz 2 2. Halbs. 1. Alt. VV.

4. Daraus ergibt sich folgende Berechnungsweise: Zunächst ist der Prozentsatz des versorgungsfähigen Monatsgehalts zu ermitteln, den der Kläger bei Betriebstreue bis zum Versorgungsfall erdient hätte. Bei Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente mit Vollendung des 55. Lebensjahres sind dies zB 20,0833 % aus dem Gehalt bis zur Beitragsbemessungsgrenze, also aus 7.366,67 DM. Hinzu kommen 40,1666 % aus dem überschießenden Gehaltsbestandteil, also aus 513,33 DM. Dies ergibt einen Rentengrundbetrag von 1.685,65 DM. Anschließend erfolgt die Kürzung um 0,4 % für jeden Monat, den die Rente vor dem 63. Lebensjahr in Anspruch genommen wird, im Beispielsfall also um 96 Monate oder 38,4 % auf 1.038,36 DM. Der so ermittelte Betrag ist im Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zu der bis Lebensalter 65 möglichen Betriebszugehörigkeit, also im Verhältnis 15/30,0833 zu kürzen. Aufgerundet auf volle DM-Beträge sind dies die dem Kläger in der Auskunft vom 28. Juni 1996 mitgeteilten Beträge, also beim Beispiel der vorgezogenen Altersrente mit 55 518,00 DM.

II. Damit wirkt sich die zwischen vorgezogener Inanspruchnahme und 65. Lebensjahr fehlende Betriebszugehörigkeit in zweifacher Hinsicht auf die Betriebsrentenansprüche des Klägers aus. Zum einen wird die bis zum Versorgungsfall "Vorgezogene Altersrente" erreichbare Rente aufsteigend berechnet; zum anderen wird diese Rente zeitratierlich gekürzt und zwar im Verhältnis der erreichten zu der bis 65 erreichbaren Betriebszugehörigkeit. Hinzu kommen bei Inanspruchnahme vor Vollendung des 63. Lebensjahres versicherungsmathematische Abschläge. Eine solche in einem Tarifvertrag vorgesehene Berechnungsformel ist indes nicht zu beanstanden.

Nach dem Urteil des Senats vom 23. Januar 2001 (- 3 AZR 164/00 - ZIP 2001, 1971) darf bei der Berechnung der vorgezogen in Anspruch genommenen Betriebsrente des vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmers die fehlende Betriebstreue zwischen dem vorgezogenen Ruhestand und der festen Altersgrenze grundsätzlich nicht zweifach mindernd berücksichtigt werden. Soweit allerdings die Versorgungsordnung keine versicherungsmathematischen Abschläge wegen des früheren und längeren Bezugs der vorgezogenen Betriebsrente vorsieht, kann eine Kürzung stattdessen in der Weise erfolgen, daß die fehlende Betriebstreue zwischen vorgezogener Inanspruchnahme und fester Altersgrenze zusätzlich mindernd berücksichtigt wird; diese Kürzung ist als "unechter versicherungsmathematischer Abschlag" anzusehen. Diese Rechtsprechung hat der Senat damit begründet, daß eine zweite zeitratierliche Kürzung der Wertung des § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG widerspreche. Sie ist jedoch auf Tarifverträge nicht anwendbar. Die Tarifvertragsparteien brauchen die Wertung des § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG nicht zu beachten, weil gem. § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG von § 2 BetrAVG in Tarifverträgen abgewichen werden kann.

III. Der Versorgungstarifvertrag ist auch nicht insoweit unwirksam. Soweit er mit der aufsteigenden Berechnung einerseits und der ratierlichen Kürzung andererseits bei vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern die fehlende Betriebstreue mehrfach berücksichtigt, verstößt dies nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind zwar die Tarifvertragsparteien unmittelbar an den Gleichheitssatz der Verfassung gebunden (BAG 27. Februar 1996 - 3 AZR 886/94 - BAGE 82, 193, 198, zu B III 3 a und b der Gründe; 4. April 2000 - 3 AZR 729/98 - AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 2 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 19, zu III 2 der Gründe). Jedoch stellt die Rechtsprechung des Senates zur unzulässigen Mehrfachberücksichtigung fehlender Betriebstreue keine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes dar, dem die Tarifvertragsparteien unterworfen wären. Der Senat hat seine Rechtsprechung zur mehrfachen Berücksichtigung fehlender Betriebstreue nicht mit Art. 3 GG, sondern mit der gesetzgeberischen Wertung des § 2 BetrAVG begründet. Stellt aber der Gesetzgeber eben diese gesetzliche Vorschrift den Tarifvertragsparteien zur Disposition, so können sie selbst darüber befinden, wie sie bei den einzelnen Versorgungsfällen die fehlende Betriebstreue bewerten. Sie konnten daher auch in der vorliegenden Versorgungsvereinbarung eine mehrfache Berücksichtigung dieses Faktors vorsehen. Auch in Anbetracht der Bindung der Tarifvertragsparteien an den allgemeinen Gleichheitssatz müssen daher die der Versorgungsvereinbarung Unterworfenen eine zweifache Berücksichtigung ihrer mangelnden Betriebstreue hinnehmen. Dies gilt erst recht, wenn wie vorliegend ein gesetzesunabhängiger Versorgungsfall "Vorgezogene Altersrente" in der Versorgungsvereinbarung geschaffen wurde und diese eigene Berechnungsregeln vorhält.

Ende der Entscheidung

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