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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 17.10.2000
Aktenzeichen: 3 AZR 7/00
Rechtsgebiete: BetrAVG, BGB


Vorschriften:

BetrAVG § 3 Abs. 1
BGB § 134
BGB § 812 Abs. 1 Satz 2
BGB § 817 Satz 2
Soll die in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes mit der bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres entstehenden betrieblichen Invalidenrente verrechnet werden, so ist die in der Verrechnungsabrede enthaltene aufschiebend bedingte Tilgungsbestimmung wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 BetrAVG unwirksam. Dem Arbeitgeber kann jedoch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung der Abfindung zustehen. § 817 Satz 2 BGB schließt diesen Anspruch nicht aus.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

3 AZR 7/00 11 Sa 685/99 Köln

Verkündet am 17. Oktober 2000

In Sachen

hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 17. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Bepler, die ehrenamtliche Richterin Frehse und den ehrenamtlichen Richter Dr. Kaiser für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. Oktober 1999 - 11 Sa 685/99 - aufgehoben, soweit es die Widerklage abgewiesen hat.

Der Kläger wird auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 34.200,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 4. August 1999 zu zahlen.

2. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung und der Revision haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Verrechnungsvereinbarung und die teilweise Rückzahlung der in einem Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung.

Der am 17. April 1939 geborene Kläger war vom 1. Mai 1959 bis zum 30. Juni 1996 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist nach der Versorgungsordnung vom 10. Januar 1980 versorgungsberechtigt. In Nr. V. dieser Versorgungsordnung ist der Anspruch auf Invalidenrente wie folgt geregelt:

"1. Wer vor Erreichen der Altersgrenze aus der Firma ausscheidet und nachweist, daß er von diesem Zeitpunkt ab Invalide ist, hat Anspruch auf eine Invalidenrente.

2. Invalidität im Sinne dieser Versorgungsordnung ist

2. 1 die Erwerbsunfähigkeit gemäß § 1247 RVO und § 24 AVG

...

3. Die Invalidität muß durch Vorlage des Rentenbescheides eines Sozialversicherungsträgers nachgewiesen werden. ..."

Mit Aufhebungsvertrag vom 27. November 1995 beendeten die Parteien das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Beklagten zur Vermeidung einer Kündigung. Sie vereinbarten "als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und sozialen Besitzstandes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG und gemäß § 3 Nr. 9 EStG eine Abfindung in Höhe von 314.000,-- DM". Außerdem erklärte die Beklagte, daß sie dem Kläger mit Beginn des Bezuges des gesetzlichen Altersruhegeldes eine Betriebsrente in Höhe von 1.765,00 DM zahlen werde. Ergänzend zum Aufhebungsvertrag schloß sie mit dem Kläger folgende Zusatzvereinbarung, die ebenfalls das Datum 27. November 1995 trägt:

"Sollte Ihnen vor Vollendung Ihres 60. Lebensjahres vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine Erwerbsunfähigkeitsrente zuerkannt werden, woraufhin wir Ihnen eine Invalidenrente zahlen müßten, so sind wir berechtigt, bis zur Vollendung Ihres 60. Lebensjahres den Teilbetrag der Ihnen gezahlten Abfindung auf den bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Zahlungsanspruch anzurechnen, der der Höhe nach der für diesen Zeitraum zu zahlenden Invalidenrente entspricht."

Mit Bescheid vom 16. Januar 1998 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dem Kläger ab 7. August 1997 eine gesetzliche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte berief sich auf die Zusatzvereinbarung und lehnte es ab, dem Kläger vor Vollendung seines 60. Lebensjahres für die Monate September 1997 bis April 1999 die von ihr errechnete betriebliche Invalidenrente in Höhe von monatlich 1.710,00 DM, insgesamt 34.200,00 DM zu zahlen.

Der Kläger hat die in der Zusatzvereinbarung enthaltene Verrechnungsabrede wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 BetrAVG für unwirksam gehalten und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 34.200,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich aus einem monatlichen Bruttobetrag von 1.710,00 DM jeweils ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Oktober 1997, 1. November 1997, 1. Dezember 1997, 1. Januar 1998, 1. Februar 1998, 1. März 1998, 1. April 1998, 1. Mai 1998, 1. Juni 1998, 1. Juli 1998, 1. August 1998, 1. September 1998, 1. Oktober 1998, 1. November 1998, 1. Dezember 1998, 1. Januar 1999, 1. Februar 1999, 1. März 1999, 1. April 1999 und 1. Mai 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise auf ihre Widerklage den Kläger zu verurteilen, an sie 34.200,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zusatzvereinbarung sei wirksam. Das Abfindungsverbot des § 3 Abs. 1 BetrAVG erstrecke sich auf diese Verrechnungsabrede nicht. Falls sie unwirksam sei, stehe der Beklagten in Höhe von 34.200,00 DM ein Rückzahlungsanspruch zu. Die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung habe den Lebensstandard des Klägers bis zum Beginn der Zahlung von Altersrente ab Mai 1999 sichern sollen. Mit dem vorzeitigen Bezug von Invalidenrente sei der Rechtsgrund für diese Überbrückungsbeihilfe weggefallen.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen. Er hat bestritten, daß die Abfindung ausfallende Gehaltsansprüche abgelten sollte, und die Auffassung vertreten, der vereinbarte Rechtsgrund für die Zahlung der vollen Abfindung bestehe auch bei einem Bezug von Invalidenrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres. Im übrigen schließe § 817 Satz 2 BGB die Rückforderung aus.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die im Berufungsverfahren erhobene Widerklage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte die vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte nicht nur der Klage, sondern auch der Widerklage stattgeben müssen.

A) Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Revision der Beklagten auch insoweit zulässig, als sie sich gegen die Abweisung der Widerklage richtet.

1. Die Beklagte hat zwar in der Revisionseinlegungsschrift lediglich angekündigt, daß sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen werde. Sie war aber nicht gehindert, in der Revisionsbegründung einen weitergehenden Revisionsantrag zu stellen.

a) Die Revisionseinlegungsschrift muß nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 553 ZPO keine Anträge enthalten. Erst für die Revisionsbegründung sind Anträge vorgeschrieben (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 554 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG). Enthält die Rechtsmittelschrift bereits einzelne, aber nicht alle vom Rechtsmittelführer in der Vorinstanz gestellten Anträge, so kann allein daraus noch nicht auf eine entsprechende Beschränkung des Rechtsmittels geschlossen werden. Der Rechtsmittelführer muß sich eine Erweiterung der Anträge nicht ausdrücklich vorbehalten. Er verliert diese Möglichkeit nur insoweit, als er auf das Rechtsmittel teilweise verzichtet und in diesem Umfang das Urteil Rechtskraft erlangt. Ein derartiger Verzicht setzt voraus, daß klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck kommt, das Urteil der Vorinstanz solle teilweise hingenommen und nicht mehr angefochten werden (BAG 4. August 1993 - 4 AZR 511/92 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 38 = EzA ZPO § 518 Nr. 36, zu I 1 der Gründe im Anschluß an BGH 30. März 1983 - IVb ZR 19/82 - NJW 1983, 1561 ff., zu 2 der Gründe mwN).

b) Ein derartiger Wille ist der vorliegenden Revisionseinlegungsschrift nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen. Die Beklagte hat sich in diesem Schriftsatz überhaupt nicht zur Widerklage geäußert. Die Revisionseinlegungsschrift läßt nicht erkennen, ob es sich dabei um ein Versehen handelte, ob die Weiterverfolgung der Widerklage noch geprüft wurde und vorbehalten blieb oder ob die Revision auf die Abweisung der Klage beschränkt werden sollte. Zweifel genügen für die Annahme eines Rechtsmittelverzichts nicht (vgl. BAG 4. August 1993 - 4 AZR 511/92 - aaO, zu I 2 der Gründe).

2. Die Beklagte hat den Revisionsantrag, der die Widerklage umfaßte, innerhalb der einmonatigen Revisionsbegründungsfrist (§ 74 Abs. 1 ArbGG) gestellt. Die fristgerechte Revisionsbegründung erfüllt auch hinsichtlich der Widerklage die Formerfordernisse des § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO. Für jeden von der Revisionsbegründung erfaßten Streitgegenstand ist zwar im einzelnen darzulegen, warum die Erwägungen des angefochtenen Urteils unrichtig sind (vgl. ua. BAG 16. Oktober 1991 - 2 AZR 332/91 - BAGE 68, 333, 336). Die Anforderungen an die Revisionsbegründung hängen aber auch vom Inhalt der angegriffenen Entscheidung ab. Das Berufungsurteil hat sich mit dem im Wege der Widerklage geltend gemachten Rückforderungsanspruch nicht näher auseinandergesetzt. Das Landesarbeitsgericht hat ohne weitere Begründung angenommen, die Unwirksamkeit der Verrechnungsabrede schließe auch einen Bereicherungsanspruch der Beklagten aus. Sie hat in der Revisionsbegründung ausgeführt, weshalb ihrer Ansicht nach der Rechtsgrund für die zurückgeforderte Zahlung weggefallen und der Kläger bei Unwirksamkeit der Verrechnungsvereinbarung ungerechtfertigt bereichert sei. Dies stellt eine ausreichende Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Urteil dar, das die Widerklage nur summarisch behandelt hat.

B) Die Revision ist unbegründet, soweit die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Sie ist verpflichtet, dem Kläger für die Monate September 1997 bis einschließlich April 1999 die zugesagte Invalidenrente zu zahlen. Dieser Betriebsrentenanspruch ist nicht erloschen.

I. Nach Nr. V. der Versorgungsordnung ist der Anspruch auf Invalidenrente am 7. August 1997 entstanden. Der Kläger ist vor Erreichen der Altersgrenze bei der Beklagten ausgeschieden und hat durch Vorlage des Rentenbescheides der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nachgewiesen, daß er seit dem 7. August 1997 im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung erwerbsunfähig ist. Nach Nr. XI. Abs. 2 Satz 1 der Versorgungsordnung ist die erste Rente für den Monat zu zahlen, der auf die Entstehung des Versorgungsanspruchs folgt. Demnach stand dem Kläger ab September 1997 die Invalidenrente zu. Über deren Höhe besteht zwischen den Parteien kein Streit.

II. Die Beklagte konnte die dem Kläger auf Grund des Aufhebungsvertrages gezahlte Abfindung nicht mit der ihm bis zur Vollendung seines 60. Lebensjahres zustehenden Invalidenrente verrechnen. Die Verrechnungsabrede in der Zusatzvereinbarung vom 27. November 1995 ist nach § 134 BGB iVm. § 3 Abs. 1 BetrAVG unwirksam.

1. Die Zusatzvereinbarung enthält einerseits eine auflösende Bedingung für die gewährte Abfindung und andererseits eine aufschiebend bedingte Tilgungsbestimmung für die bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zu zahlende Invalidenrente. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem zum Ausdruck gebrachten Zweck der getroffenen Vereinbarungen.

a) Im Aufhebungsvertrag wird die Abfindung als "Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und des sozialen Besitzstandes" bezeichnet. Im unmittelbaren Anschluß an die Abfindungsvereinbarung wird darauf hingewiesen, daß die Beklagte dem Kläger mit Beginn des Bezuges des gesetzlichen "Altersruhegeldes" die Werksrente zahlen werde. Die Invalidenrente wird dagegen nicht erwähnt. Sie gewinnt Bedeutung, wenn der Arbeitnehmer erwerbs- oder berufsunfähig wird, bevor ihm die Altersrente zusteht. Die Invalidenversorgung setzt voraus, daß der berufs- oder erwerbsunfähige Arbeitnehmer bei der Beklagten ausscheidet. Er erhält dann vorzeitig die der sozialen Absicherung dienende Betriebsrente. Der Kläger meint, er könne die volle Abfindung behalten und zusätzlich die betriebliche Invalidenrente verlangen. Der Entschädigungszweck der Abfindung und die Nichterwähnung der Invalidenrente - im Gegensatz zur Altersrente - deuten darauf hin, daß die Beklagte zu keiner derartigen "Doppelleistung" verpflichtet werden sollte. Ob bereits die im Aufhebungsvertrag enthaltenen Hinweise für eine die Rechte des Klägers einschränkende Auslegung ausgereicht hätten, erscheint mehr als zweifelhaft, kann jedoch im vorliegenden Fall dahinstehen. Jedenfalls in der Zusatzvereinbarung haben die Parteien unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß dem Kläger die Abfindung insoweit nicht mehr zustehen soll, als die Beklagte ihm bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres eine Invalidenrente zahlen muß. In diesem Umfang soll der Abfindungsanspruch wegfallen. Dementsprechend ist das Entstehen eines Anspruchs auf Invalidenrente bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres als auflösende Bedingung für den Abfindungsanspruch anzusehen.

b) Nach der Zusatzvereinbarung ist die Beklagte berechtigt, den von der auflösenden Bedingung erfaßten Teilbetrag der Abfindung auf die Invalidenrente "anzurechnen". Die Parteien haben nicht den Ausdruck "aufrechnen" verwandt. Der Vorbehalt einer Aufrechnung durch einseitige Willenserklärung wäre überflüssig gewesen. Dieses Gestaltungsrecht ergibt sich bereits aus §§ 387 ff. BGB. Sowohl für die Aufrechnung durch einseitige Willenserklärung als auch für Aufrechnungsvereinbarungen, die vor der Fälligkeit der aufzurechnenden Gegenforderung getroffen wurden, gilt das Verbot des § 394 BGB iVm. §§ 850 ff. ZPO (vgl. BGH 25. Februar 1999 - IX ZR 353/98 - NJW 1999, 3264 ff., zu III der Gründe mwN). Es schließt eine Aufrechnung gegenüber nicht pfändbaren Forderungen aus. Mit der "Anrechnung" sollte ein von diesem Aufrechnungsverbot nicht erfaßter Erlöschenstatbestand geschaffen werden.

Der Ausdruck "anrechnen" oder "verrechnen" ist bei Vorschüssen und Tilgungsbestimmungen gebräuchlich. Entsprechend dieser Terminologie enthält die Zusatzvereinbarung eine aufschiebende Tilgungsbestimmung. Bei vorzeitiger Erwerbsunfähigkeit sollte ein Teil der Abfindung als Vorauszahlung auf die dem Kläger zustehende Invalidenrente anzusehen sein.

2. Diese Tilgungsbestimmung ist nicht deshalb unwirksam, weil sie an eine Bedingung geknüpft ist. Sie verstößt jedoch gegen das Abfindungsverbot des § 3 Abs. 1 BetrAVG.

a) Im vorliegenden Fall ist es unerheblich, daß die Ausübung von Gestaltungsrechten grundsätzlich bedingungsfeindlich ist und die für Rechtsgeschäfte geltenden Grundsätze auch auf einseitige Tilgungsbestimmungen anzuwenden sind (vgl. BGH 6. Dezember 1988 - XI ZR 81/88 - BGHZ 106, 163, 166; 20. Juni 1990 - XII ZR 98/89 - NJW 1990, 3194, 3195, zu 2 b der Gründe). Die Parteien haben eine Tilgungsvereinbarung geschlossen. Vertragliche Gestaltungen unterliegen nicht den Beschränkungen, die für einseitige Rechtsgeschäfte gelten. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können Schuldner und Gläubiger eine Vereinbarung über die Zuordnung der Leistung schließen, die das einseitige Bestimmungsrecht des Schuldners beseitigt (vgl. BGH 20. Juni 1984 - VIII ZR 337/82 - BGHZ 91, 375, 379).

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Abfindungsverbot des § 3 Abs. 1 BetrAVG auf die Zusatzvereinbarung vom 27. November 1995 anzuwenden.

aa) Der Senat hält daran fest, daß unter den sachlichen Geltungsbereich des § 3 BetrAVG auch Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Verrechnung künftiger Rentenansprüche mit einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes fallen (BAG 24. März 1998 - 3 AZR 800/96 - BAGE 88, 212, 214 f.; 21. März 2000 - 3 AZR 127/99 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 1 der Gründe). Das betriebsrentenrechtliche Abfindungsverbot will sicherstellen, daß dem Versorgungsberechtigten die zugesagte Betriebsrente bei Eintritt des Versorgungsfalles auch tatsächlich zur Verfügung steht (vgl. ua. Andresen/Förster/Rößler/Rühmann, Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Stand: 1. August 1999 Teil 10 D Rn. 2; Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. § 3 Rn. 2; Höfer BetrAVG Stand: Juli 2000 § 3 Rn. 2073; Griebeling Betriebliche Altersversorgung Rn. 422). Der Arbeitnehmer soll davon abgehalten werden, die vor Eintritt des Versorgungsfalles ausgezahlte Geldsumme für die Vermögensbildung oder den Konsum statt für die vorgesehene Versorgung zu verwenden. Nach dem Normzweck kommt es nicht auf die formale Ausgestaltung an. Entscheidend ist, ob im wirtschaftlichen Ergebnis eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft abgefunden wird.

bb) Die zwischen den Parteien geschlossene Verrechnungsabrede ist nach diesen Kriterien als Abfindung für die Invalidenrente anzusehen. Wenn vor Vollendung des 60. Lebensjahres der Versorgungsfall der Invalidität eintrat, sollte die bis zu diesem Zeitpunkt anfallende Invalidenrente durch die bereits gezahlte Abfindung getilgt sein. Dies bedeutet, daß die bis zum 60. Lebensjahr entstehenden Ansprüche auf Invalidenrente kapitalisiert werden sollten. Das Kapital sollte dem Kläger schon vor Eintritt der Invalidität zufließen. Er war nicht gehindert, das Geld für andere Zwecke als die Invalidenversorgung zu verwenden.

cc) Die Verrechnungsabrede ist nicht deshalb wirksam, weil sie lediglich einen Teilbetrag und nicht die gesamte im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung betrifft. Dieser Umstand begrenzt den Verstoß gegen § 3 Abs. 1 BetrAVG und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen. Soweit die aufschiebend bedingte Tilgungsbestimmung reicht, wollte die Beklagte ausschließen, bei vorzeitiger Invalidität des Klägers eine Betriebsrente zahlen zu müssen. Dieser Teil der Zusatzvereinbarung ist nach § 3 Abs. 1 BetrAVG iVm. § 134 BGB unwirksam.

dd) Die Verrechnungsvereinbarung beschränkt sich zwar auf den Versorgungsfall Invalidität und auf die bis zum 60. Lebensjahr des Klägers entstehenden Versorgungsrechte. § 3 BetrAVG verbietet aber nach seinem Wortlaut und Schutzzweck nicht nur die vollständige Abfindung aller Versorgungsrechte, sondern auch Teilabfindungen. Von diesem Grundsatz weicht lediglich die Ausnahmeregelung des seit dem 1. Januar 1999 geltenden § 3 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG ab. Nach dieser Vorschrift kann dem Arbeitnehmer für den Teil einer Anwartschaft, der während eines Insolvenzverfahrens erdient worden ist, ohne seine Zustimmung eine einmalige Abfindung gewährt werden, wenn die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt und das Unternehmen liquidiert wird. Eine vergleichbare Sach- und Interessenlage liegt nicht vor.

III. Die dem Kläger bis einschließlich April 1999 zustehenden Ansprüche auf Invalidenrente sind nicht teilweise durch Aufrechnung erloschen. Die Beklagte hat keine Aufrechnungserklärung im Sinne des § 388 BGB abgegeben. Sie hat sich auf die von den Aufrechnungsvoraussetzungen unabhängige Verrechnungsabrede berufen. Die darin enthaltene Tilgungsbestimmung hätte, wenn sie wirksam gewesen wäre, nach § 362 BGB zu einem Erlöschen des Betriebsrentenanspruchs durch Erfüllung geführt. Für den Fall, daß die Verrechnungsabrede unwirksam ist, hat die Beklagte den von dieser Vereinbarung erfaßten Teil der Abfindung im Wege der Widerklage in vollem Umfang zurückgefordert.

Eine Aufrechnung war nach § 394 BGB ohnehin nicht möglich, soweit die Invalidenrente nach § 850 c ZPO nicht der Pfändung unterworfen war. Eine Erhöhung des pfändbaren Betrages durch Zusammenrechnung der Betriebsrente und der Sozialversicherungsrente bedarf nach § 850 e Nr. 2 iVm. Nr. 2 a ZPO eines Zusammenrechnungsbeschlusses des Vollstreckungsgerichts. Dieser Beschluß wirkt nur zugunsten des Vollstreckungsgläubigers, der ihn erwirkt hat (BAG 23. April 1996 - 9 AZR 940/94 - AP ZPO § 850 e Nr. 3 = EzA ZPO § 850 e Nr. 3, zu I 3 b der Gründe). Die Aufrechenbarkeit hätte auch nicht durch eine entsprechende Anwendung des § 850 e Nr. 2 und Nr. 2 a ZPO erweitert werden können (BAG 23. April 1996 - 9 AZR 940/94 - aaO, zu I 3 c der Gründe). Ein Sonderfall, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, lag nicht vor. Auch in diesem Zusammenhang kann die Wertung des § 3 BetrAVG nicht unberücksichtigt bleiben.

C) Die Revision ist begründet, soweit die Beklagte ihre Widerklage weiterverfolgt. Der Beklagten steht der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch zu.

I. Die Widerklage ist entgegen der Ansicht des Klägers zulässig.

1. Die Beklagte hat sie hilfsweise für den Fall erhoben, daß der Klage stattgegeben wird. Gegen diese innerprozessuale Bedingung bestehen keine Bedenken (vgl. ua. BAG 21. Januar 1997 - 1 ABR 53/96 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 27 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 23, zu B II 1 der Gründe; BGH 13. Mai 1996 - II ZR 275/94 - BGHZ 132, 390, 397 f. mwN).

2. Eine bereits bestehende Rechtshängigkeit steht der Widerklage nicht entgegen. Klage und Widerklage betreffen nicht denselben Streitgegenstand. Der Kläger hat Betriebsrentenansprüche für die Monate September 1997 bis April 1999 eingeklagt. Die Beklagte verlangt mit der Widerklage Rückzahlung eines Teils der im Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung. Ob Klage- und Widerklageforderung durch die Verrechnungsabrede untrennbar miteinander verknüpft sind, ist keine Zulässigkeits-, sondern eine Begründetheitsfrage, zumal bei einer Teilunwirksamkeit der Zusatzvereinbarung beide Forderungen nebeneinander bestehen können.

II. Der Kläger ist verpflichtet, der Beklagten die Abfindung in Höhe von 34.200,00 DM zurückzuzahlen. § 817 Satz 2 BGB steht der Rückforderung nicht entgegen.

1. Da die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dem Kläger vor Vollendung seines 60. Lebensjahres eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligte, ist die im Ergänzungsvertrag vereinbarte auflösende Bedingung für den Abfindungsanspruch eingetreten. Sie ist auch wirksam. Ob sich der Zusatzvereinbarung ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch durch ergänzende Vertragsauslegung entnehmen läßt, kann offen bleiben. Der Eintritt der auflösenden Bedingung führt zumindest dazu, daß insoweit der rechtliche Grund für die Abfindungszahlung später weggefallen ist und der Beklagten nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Bereicherungsanspruch zusteht.

a) Die auflösende Bedingung für die wegen des vorzeitigen Ausscheidens zu zahlende Abfindung verstößt nicht gegen § 3 Abs. 1 BetrAVG. Diese Bedingung ist von der gleichzeitig vereinbarten Verrechnungsabrede zu unterscheiden. Durch die Verrechnungsabrede, die eine aufschiebend bedingte Tilgungsbestimmung enthält, sollte bei vorzeitigem Eintritt einer Invalidität der Rechtsgrund für einen Teil der geleisteten Zahlungen ausgewechselt werden. Lediglich insoweit handelt es sich um eine gegen § 3 Abs. 1 BetrAVG verstoßende Abfindung für die betriebliche Invalidenrente. § 3 Abs. 1 BetrAVG regelt nicht, ob dem Arbeitnehmer eine für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlte Abfindung auch dann verbleiben muß, wenn er vorzeitig eine Betriebsrente bezieht. Höfer (aaO ART Rn. 747.1) weist zutreffend darauf hin, daß § 3 Abs. 1 BetrAVG nur die vorzeitige Kapitalisierung der Versorgungsanwartschaft verhindern, aber nicht unantastbare Sonderleistungen schaffen will.

b) Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Aufhebungsverträge einer Billigkeitskontrolle (entsprechende Anwendung des § 315 BGB) unterliegen. Die vereinbarte auflösende Bedingung hält auch einer Billigkeitskontrolle stand. Laut Aufhebungsvertrag sollte der Kläger die Abfindung "als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und des sozialen Besitzstandes" erhalten. Die Invalidenrente setzt voraus, daß der Versorgungsberechtigte bei der Beklagten ausscheidet. Das Arbeitsverhältnis wäre demnach mit Eintritt der Invalidität unabhängig von den betrieblichen Gründen ohnehin beendet worden. Die Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die sie ergänzende betriebliche Invalidenrente dienen der sozialen Absicherung des Klägers. Eine Einschränkung des wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingeräumten Abfindungsanspruchs bei vorzeitiger Invalidität ist demnach zweckgerecht.

2. § 817 Satz 2 BGB schließt den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch nicht aus. Diese Vorschrift gilt für alle Bereicherungsansprüche wegen rechtsgrundloser Leistung. Es genügt, daß nur der Leistende gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (vgl. ua. BAG 7. Dezember 1962 - 1 AZR 245/61 - AP GG Art. 12 Nr. 28; BGH 14. Juli 1993 - XII ZR 262/91 - WM 1993, 1765 ff., zu II 3 b der Gründe). Der Anwendungsbereich des § 817 Satz 2 BGB wird jedoch durch den Schutzzweck des gesetzlichen Verbots begrenzt (vgl. ua. BAG 28. Juli 1982 - 5 AZR 46/81 - BAGE 39, 226, 229; BGH 8. November 1979 - VII ZR 337/78 - BGHZ 75, 299, 305). Weder die Zahlung der Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes noch die aufschiebende Bedingung dieses Abfindungsanspruchs verstoßen gegen § 3 Abs. 1 BetrAVG. Das betriebsrentenrechtliche Abfindungsverbot verlangt nicht, daß der Kläger die Invalidenrente zusätzlich zur vollen Abfindung erhält. Ausschließlich die vereinbarte Verrechnung und die damit verbundene teilweise Kapitalisierung der Invalidenrente sind verboten.

Ende der Entscheidung

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