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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 21.03.2000
Aktenzeichen: 3 AZR 72/99
Rechtsgebiete: BetrAVG
Vorschriften:
BetrAVG § 9 | |
BetrAVG § 7 |
1. Der PSV hat die dem Berechtigten zustehenden Versorgungsansprüche oder -anwartschaften schriftlich mitzuteilen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Unterbleibt die Mitteilung, so sind nicht nur Ansprüche, sondern auch Anwartschaften spätestens ein Jahr nach dem Sicherungsfall anzumelden ( § 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BetrAVG). Auf den Eintritt des Versorgungsfalles kommt es nicht an.
2. Hat der Berechtigte einen Anwartschaftsausweis erhalten, ist der PSV nur durch die Verjährungsvorschriften (§ 196 Abs. 1 Nr. 8, 9 BGB) vor der Geltendmachung von Ansprüchen für lange zurückliegende Zeiträume geschützt.
Aktenzeichen: 3 AZR 72/99 Bundesarbeitsgericht 3. Senat Urteil vom 21. März 2000 - 3 AZR 72/99 -
I. Arbeitsgericht Köln - 6 Ca 1734/97 - Urteil vom 23. Oktober 1997
II. Landesarbeitsgericht Köln - 7 Sa 132/98 - Urteil vom 4. November 1998
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! Urteil
Verkündet am 21. März 2000
Kaufhold, der Geschäftsstelle
In Sachen
Beklagter, Berufungsbeklagter und Revisionskläger,
pp.
Kläger, Berufungskläger und Revisionsbeklagter,
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Bepler sowie die ehrenamtlichen Richter Schoden und Dr. Auerbach für Recht erkannt:
Tenor:
1.Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 4. November 1998 - 7 Sa 132/98 - wird zurückgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, von welchem Zeitpunkt an der Beklagte für Versorgungsansprüche des Klägers einstehen muß.
Der Kläger ist am 18. Mai 1941 geboren. Er war vom 16. Juni 1969 bis zum 31. Mai 1983 bei der G GmbH & Co. KG, D , beschäftigt. Am 31. Mai 1983 wurde über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet. Dieses Unternehmen hatte dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unter Einschaltung einer Unterstützungskasse versprochen. Ab Vollendung des 65. Lebensjahres oder ab Eintritt der Invalidität sollte er 100,00 DM monatlich erhalten.
Der Kläger meldete seine Versorgungsansprüche beim Beklagten an, der ihm unter dem 4. Januar 1984 einen Anwartschaftsausweis erteilte.
Durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt Westfalen vom 4. Mai 1990 wurde dem Kläger mit Rentenbeginn 1. März 1987 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt. Unter Bezugnahme auf diesen Bescheid wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 20. Dezember 1995 an den Beklagten und beantragte Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Der Beklagte zahlte daraufhin ab Dezember 1995 eine monatliche Betriebsrente von 37,70 DM. Wegen der vorangegangenen Zeit berief er sich auf Verjährung sowie auf § 9 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG.
Mit seiner am 21. Februar 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst die Nachzahlung der monatlichen Betriebsrente von 37,70 DM für 48 Monate in der Gesamthöhe von 1.809,60 DM verlangt. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben seine Klage für die Zeit bis zum 31. Dezember 1994 wegen Verjährung abgewiesen. Der Kläger hatte zwar insoweit zunächst Revision eingelegt, sie aber wieder zurückgenommen.
Wegen der nicht verjährten Betriebsrentenansprüche für die Zeit von Januar bis November 1995 hat der Kläger sich darauf berufen, § 9 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG schließe seinen Anspruch für diesen Zeitraum nicht aus. Diese Vorschrift sei nicht anwendbar.
Der Kläger hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 414,70 DM zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit dem 27. Februar 1997.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, nach § 9 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG schulde er Leistungen erst mit dem Ersten des Monats der Anmeldung der Versorgungsansprüche, also erst ab Dezember 1995. Der Kläger habe seine Versorgungsansprüche nicht binnen eines Jahres seit dem Versorgungsfall angemeldet. Im übrigen habe er sie auch verwirkt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage auch hinsichtlich der Betriebsrentenansprüche für das Jahr 1995 abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage auf die Berufung des Klägers insoweit stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, der die Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung erster Instanz anstrebt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Er muß für den Versorgungsanspruch wegen Invalidität, den der Kläger bei der Gemeinschuldnerin erworben hat, nach § 7 Abs. 2 BetrAVG in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 37,70 DM monatlich einstehen, soweit dieser Anspruch nicht verjährt ist. Dies betrifft die Zeit seit dem 1. Januar 1995 (§ 196 Abs. 1 Nr. 9, § 209 Abs. 1 BGB), also Rentenansprüche für die Monate Januar bis November 1995 in Höhe von 414,70 DM. Dieser Anspruch des Klägers ist weder nach § 9 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BetrAVG erloschen, noch ist seine Geltendmachung durch den Kläger verwirkt.
I. Entgegen der Auffassung des Beklagten war der Kläger nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BetrAVG verpflichtet, seinen Anspruch auf Invaliditätsversorgung innerhalb eines Jahres seit dem Versorgungsfall oder seiner Feststellung beim beklagten Träger der Insolvenzsicherung anzumelden. Die Leistungspflicht des Beklagten begann deshalb auch nicht erst im Monat der tatsächlichen Geltendmachung durch den Kläger im Dezember 1995.
1. Der Beklagte stützt sich für seinen gegenteiligen Rechtsstandpunkt auf die Auffassung von Paulsdorff (Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung 2. Aufl. 1996 § 9 Rn. 9; ebenso wohl auch Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. § 9 Rn. 22; ähnlich Andresen/Förster/Rößler/Rühmann Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Stand 1999 Teil 13 A Rn. 1176). Hiernach ist § 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BetrAVG unter Berücksichtigung von § 7 Abs. 2 BetrAVG dahin auszulegen, daß anstelle des Begriffes "Sicherungsfall" der Begriff "Versorgungsfall" zu setzen ist. Anwärter könnten nach Insolvenzeintritt erst bei Eintritt ihres individuellen Versorgungsfalles einen Leistungsanspruch haben. Ihn könne der Träger der Insolvenzsicherung nur dann erfüllen, wenn der Anwärter bei ihm einen entsprechenden Antrag stelle. Dies gelte auch dann, wenn er bereits einen Anwartschaftsausweis erhalten habe. Für ein solches Normverständnis gebe es auch einen guten Sinn. Nach seinem gesetzlich vorgeschriebenen Finanzierungsverfahren müsse der Pensions-Sicherungs-Verein für Anwärter erst bei Eintritt eines Versorgungsfalles finanzielle Vorsorge durch Bildung einer beitragswirksamen Schadensrückstellung treffen. Wäre er gezwungen, dies ohne Antrag des Berechtigten zu tun, würde er im Laufe der Zeit eine immer größer werdende finanzielle Last für Umwandlungsrenten mitschleppen müssen, obwohl die Berechtigten möglicherweise längst verstorben seien oder aus sonstigen Gründen keine Ansprüche stellten.
2. Dem folgt der Senat nicht.
Der eindeutige Gesetzeswortlaut spricht dafür, daß Arbeitnehmer, die im Sicherungsfall noch Versorgungsanwärter waren, ihre betriebsrentenrechtliche Position innerhalb eines Jahres seit Eintritt des Sicherungsfalles und nicht - erst - seit Eintritt des Versorgungsfalles anzumelden haben, wollen sie vermeiden, daß die Einstandspflicht des Beklagten erst mit dem Monat der erstmaligen Geltendmachung des Versorgungsanspruchs beginnt (ebenso Höfer BetrAVG Stand 1999 § 9 Rn. 3035). Der gegenteilige Rechtsstandpunkt steht im Widerspruch dazu, daß das Gesetz die rechtzeitige Geltendmachung von "Ansprüchen oder Anwartschaften" verlangt. Käme es bei Personen, die zum Zeitpunkt des Sicherungsfalles Versorgungsanwärter waren, auf den Eintritt des Versorgungsfalles an, hätte es genügt, nur eine Geltendmachung des Versorgungsanspruchs innerhalb der Jahresfrist zu verlangen. Mit Eintritt des Versorgungsfalles gibt es keine Versorgungsanwartschaften mehr, sondern nur noch Versorgungsansprüche. Den Billigkeitserwägungen, die für die Gegenauffassung zugunsten der Versorgungsanwärter ins Feld geführt werden, kann regelmäßig durch Anwendung des Ausnahmetatbestandes des § 9 Abs. 1 Satz 2 aE BetrAVG Rechnung getragen werden. Hiernach tritt der Rechtsverlust bei Versäumung der Ausschlußfrist dann nicht ein, wenn der Berechtigte an der rechtzeitigen Anmeldung ohne sein Verschulden verhindert war.
Die aufgeworfene Frage muß nicht abschließend beantwortet werden. Die Pflicht, innerhalb der Jahresfrist des § 9 Abs. 1 BetrAVG Ansprüche oder Anwartschaften anzumelden, besteht jedenfalls nur, wenn der beklagte Träger der Insolvenzsicherung dem Berechtigten den zustehenden Anspruch oder die zustehende Anwartschaft nicht mitgeteilt hat. Die von Paulsdorff für seine Gegenauffassung genannten Umstände betreffen, wie Höfer (aaO) zu Recht betont, nur verwaltungsmäßige Probleme, die eine Ausdehnung der Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG weit über seinen Wortlaut hinaus nicht rechtfertigen können. Wenn der Beklagte seine Mitteilung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG in Form des Anwartschaftsausweises gemacht hat, ist sowohl für ihn als auch für den Berechtigten die Rechtslage dem Grunde nach geklärt. Für die Annahme, es bedürfe nach der Geltendmachung einer Anwartschaft und der Erteilung des Anwartschaftsausweises zusätzlich nach dessen Entstehung der Geltendmachung des Versorgungsanspruchs, findet sich im Gesetz keine Stütze. Hat der Beklagte eine Mitteilung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG gemacht, muß er grundsätzlich damit rechnen, auch für rückständige Betriebsrentenansprüche von Personen in Anspruch genommen zu werden, die zum Zeitpunkt des Insolvenzfalles Versorgungsanwärter waren. Er ist wie der Arbeitgeber, dessen Arbeitnehmer mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, nur durch die allgemeinen Verjährungsvorschriften vor der Geltendmachung lange zurückliegender Ansprüche geschützt. Mit der Zwei-Jahres-Frist des § 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB ist dieses Risiko für den Beklagten nicht unzumutbar hoch.
II. Der Anspruch des Klägers ist nicht verwirkt. Der Beklagte wußte aufgrund der Mitteilungen des Klägers, daß dieser Anwartschaftsberechtigter war. Besondere Umstände, aufgrund derer ihm die Erfüllung der nicht verjährten Ansprüche unzumutbar sein könnte, hat der Beklagte nicht vorgetragen.
III. Die Kostenentscheidung folgt § 72 Abs. 5 ArbGG, §§ 97, 566, 515 Abs. 3 ZPO.
Ende der Entscheidung
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