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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 09.05.2007
Aktenzeichen: 4 ABR 67/05
Rechtsgebiete: BetrVG 1972, TVG, RTV 2003


Vorschriften:

BetrVG 1972 § 99
TVG § 1
RTV 2003 § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

Hinweise des Senats: zur Eingruppierung in Lohngr. 7 des RTV 2003 vgl. Senat - 4 AZR 757/06 - (Leitsache), - 4 AZR 194/06 -, - 4 AZR 386/06 - und - 4 AZR 758/06 -

4 ABR 67/05

Verkündet am 9. Mai 2007

In dem Beschlussverfahren

hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 9. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Bepler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Bott und Dr. Wolter sowie die ehrenamtlichen Richter Hannig und Grimm für Recht erkannt:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 28. Oktober 2005 - 13 TaBV 30/05 - wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten über die Umgruppierung von sechs Mitarbeitern. Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Gebäudereinigungs- und Dienstleistungsunternehmen. Weiterer Beteiligter ist der in ihrem Betrieb gebildete Betriebsrat. Für die Arbeitgeberin und ihre gewerblichen Beschäftigten gelten die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer der Gebäudereinigung. Die Eingruppierung dieser Beschäftigten bestimmte sich demzufolge bis zum 31. März 2004 nach dem (allgemeinverbindlichen) Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereinigerhandwerk vom 16. August 2000 (RTV 2000). Der RTV 2000 wurde mit Wirkung vom 1. April 2004 durch den (ebenfalls allgemeinverbindlichen) Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 4. Oktober 2003 (RTV 2003) abgelöst, dessen Regelungen zur Eingruppierung der Beschäftigten grundlegend von denjenigen des RTV 2000 abweichen und keine Überleitungsregelung enthalten.

Am 19. April 2004 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Eingruppierung ua. der gewerblichen Arbeitnehmer J, P, B, N, H und T in die Lohngr. 6 des § 7 Ziff. 3.2 RTV 2003. Bei diesen Arbeitnehmern handelt es sich um Gebäudereinigergesellen, die weit überwiegend Tätigkeiten in der Glasreinigung ausüben. Mit Schreiben vom 23. April 2004 verweigerte der Betriebsrat unter Verweis auf § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG die Zustimmung. Die Glas- und Gebäudereinigergesellen seien tarifgerecht vielmehr in die Tarifgruppe 7 einzugruppieren. Die Tarifgruppe 6 gelte lediglich für Helfer.

Daraufhin hat die Arbeitgeberin das vorliegende Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet. Sie hat die Ansicht vertreten, nach den neuen tariflichen Regelungen komme es ausschließlich auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit und nicht auf vorhandene Qualifikationen an. Dementsprechend seien alle sechs hier betroffenen Arbeitnehmer trotz ihrer Berufsausbildung nunmehr der Lohngr. 6 RTV 2003 zuzuordnen, denn für die normale Glasreinigung sei nicht ersichtlich, wieso hierfür Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich seien, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt würden. In vielen Betrieben der Branche - wie auch zum Teil in ihrem Betrieb - werde die Glasreinigung durch angelernte Kräfte durchgeführt. Andere Betriebe bedienten sich Subunternehmern, die ausschließlich mit angelernten Kräften arbeiteten. Eine Berufsausbildung sei für die Tätigkeit der Glasreinigung nicht erforderlich.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmer J, P, B, N, H und T in die Lohngr. 6 des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, für Gesellen sei unverändert die Lohngr. 7 RTV 2003 maßgeblich. Dies lasse sich ua. aus den Regelungen in § 7 Ziff. 6 RTV 2003 zum Lohn für Beschäftigte nach abgelaufener Ausbildungszeit bis zum Ablegen der Gesellenprüfung und bei vorzeitiger Ablegung der Gesellenprüfung entnehmen. Unverändert seien daher Arbeitnehmer, die Reinigungsarbeiten ausführten und zusätzlich über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügten, in Lohngr. 7 RTV 2003 einzugruppieren. Es sei nämlich nicht das Ziel der Tarifänderung gewesen, sich vom Prinzip der Bezahlung nach Ausbildung zu lösen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde erstrebt der Betriebsrat die Zurückweisung des Antrags. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.

Die Vorinstanzen haben die Zustimmung des Betriebsrats zu Recht ersetzt.

Der Betriebsrat hat die Zustimmung zur Umgruppierung der Beschäftigten J, P, B, N, H und T zu Unrecht verweigert. Ein Verweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG liegt nicht vor. Die beabsichtigte Umgruppierung der genannten gewerblichen Arbeitnehmer entspricht auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen dem RTV 2003 und verstößt daher nicht gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag nach § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG.

1. Der RTV 2003 gilt für die Arbeitgeberin und die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer mit seiner Allgemeinverbindlicherklärung ab dem 1. April 2004 gem. § 5 Abs. 4 TVG unmittelbar und zwingend (vgl. § 4 Abs. 1 TVG). Er beinhaltet in § 7 ein kollektives Entgeltschema, das die Zuordnung der gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung nach Tätigkeitsmerkmalen zu verschiedenen Vergütungsgruppen vorsieht.

2. Diese Norm lautet, soweit hier von Interesse:

"§ 7 Lohn und Eingruppierung

...

3. Lohngruppen

3.1 Eingruppierungsgrundsätze

3.1.1 Der/die Beschäftigte werden aufgrund ihrer überwiegenden Tätigkeit in eine Lohngruppe dieses Tarifvertrages eingruppiert. Für die Eingruppierung ist ausschließlich die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend.

...

3.2 Lohngruppen

...

Lohngruppe 6

Reinigungsarbeiten in fachlichen Teilbereichen der Glas- und Außenreinigung

Lohngruppe 7

Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden

...

6. Lohn vor und nach abgeschlossener Ausbildung

6.1 Beschäftigte, deren Ausbildungszeit abgelaufen ist und die aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, noch keine Gesellenprüfung ablegen konnten, haben Anspruch auf 95 % des Lohnes der Lohngruppe 7. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Lohn und dem Lohn der Lohngruppe 7 ist ihnen nach bestandener Gesellenprüfung vom Ablauf der Ausbildungsvertragszeit an nachzuzahlen.

6.2 Wird die Gesellenprüfung erfolgreich vor Ablauf des Ausbildungsverhältnisses abgelegt, so ist der Lohn der Lohngruppe 7 vom Tage der Gesellenprüfung an zu zahlen.

..."

3. Das Landesarbeitsgericht hat - kurz zusammengefasst - ausgeführt, aus Wortlaut und Gesamtzusammenhang des RTV 2003 ergebe sich, dass die Tarifvertragsparteien - anders als im RTV 2000 - nunmehr in § 7 Ziff. 3.1.1 Satz 2 RTV 2003 bei der Festlegung der Eingruppierungsgrundsätze ausschließlich auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abstellen. Es komme also nicht mehr auf den "bloßen" Abschluss einer Gesellenprüfung an (so § 7 Ziff. 3 I. RTV 2000), sondern ausschlaggebend sei, ob die mittels einer dreijährigen Berufsausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten auch tatsächlich erforderlich seien, um die vertraglich geschuldeten Tätigkeiten erbringen zu können. Dem stehe die Regelung betreffend den Lohn vor und nach abgeschlossener Ausbildung nicht entgegen.

4. Diese Auslegung ist zutreffend. Aus Wortlaut, Gesamtzusammenhang und Tarifgeschichte als den vorrangig für die Tarifauslegung maßgeblichen Kriterien (ständige Rechtsprechung des Senats zB 26. Januar 2005 - 4 AZR 6/04 - BAGE 113, 291, 299 mwN) folgt, dass ein Beschäftigter in Lohngr. 7 eingruppiert ist, wenn er tatsächlich überwiegend Tätigkeiten ausübt, die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, für die eine dreijährige Berufsausbildung benötigt wird.

a) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats erfordert das Tätigkeitsmerkmal der Lohngr. 7 nicht, dass der Beschäftigte für die Eingruppierung in diese Lohngruppe über eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum Gebäudereiniger/zur Gebäudereinigern verfügen muss. Das folgt schon aus dem Wortlaut des Tätigkeitsmerkmals der Lohngr. 7 selbst. Dieses stellt nicht auf die Anforderung der abgeschlossenen Berufsausbildung als Gebäudereiniger ab, sondern fordert die Ausübung von Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden. Demgegenüber erfordert die Eingruppierung in Lohngr. 8 die abgeschlossene Berufsausbildung. Denn dort ist die Anforderung "Geselle/Gesellin" (mit Ausbildereignungsprüfung) aufgestellt. Die Tarifgeschichte bestätigt die Entbehrlichkeit der abgeschlossenen Berufsausbildung für Lohngr. 7. Denn der RTV 2000 stellte in § 7 Ziff. 3 für den Anspruch auf den Ecklohn des Facharbeiters/der Facharbeiterin im Tätigkeitsbereich (1) - Glasreinigung und Gebäude-Außenreinigung folgende Voraussetzungen auf: "Das sind Beschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung und Beschäftigte, die erfolgreich die Gesellenprüfung abgelegt haben und in allen Fachbereichen des Gebäudereiniger-Handwerks eingesetzt werden können." Die formale Qualifikation ist aber nicht mehr Anknüpfungspunkt für die Eingruppierung in die Lohngr. 7 nach dem RTV 2003. Auch der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks, Bonn, führt in einem Schreiben an die Gebäudereiniger Innung Düsseldorf vom 18. Mai 2005 zur Lohngr. 7 aus: "Die neuen Eingruppierungs- und Entlohnungsgrundsätze lassen es im Gegensatz zu früher nun auch zu, besonders qualifizierten Mitarbeitern, die durch erhebliche Erfahrung überwiegend mit Tätigkeiten befasst sind, für die an sich eine dreijährige Ausbildung erforderlich ist, diese aber nicht besitzen, dort einzugruppieren und zu entlohnen." Die Arbeitgeberin macht ebenfalls nicht geltend, die Eingruppierung in Lohngr. 7 setze die erfolgreiche Ablegung der Gesellenprüfung nach erforderlicher mindestens dreijähriger Berufsausbildung voraus.

b) Andererseits ist ein Beschäftigter nicht - unabhängig von der Art der von ihm überwiegend ausgeübten Tätigkeit - bereits dann in Lohngr. 7 eingruppiert, wenn er über eine abgeschlossene mindestens dreijährige Ausbildung zum Gebäudereiniger verfügt. Dies folgt aus dem klaren Wortlaut des § 7 Ziff. 3.1.1 Satz 2 RTV 2003: "Für die Eingruppierung ist ausschließlich die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend." Das Tarifrecht der Gebäudereinigung hat mit dieser Regelung eindeutig Abschied von der Bezahlung allein nach der formalen Qualifikation des Gebäudereinigergesellen genommen, wie sie noch der RTV 2000 vorsah. Die Tarifauslegung, es komme für die Eingruppierung in Lohngr. 7 nach wie vor allein auf die formale Qualifikation als Gebäudereinigergeselle an, wird auch nicht durch die Regelung in § 7 Ziff. 6 "Lohn vor und nach abgeschlossener Ausbildung" gestützt. Dabei handelt es sich um eine Sonderregelung der Vergütung für den Zeitraum des Wechsels des Auszubildenden zum Gebäudereiniger aus dem Ausbildungsverhältnis in das Arbeitsverhältnis. Diese Sonderregelung war auch schon in dem RTV 2000 enthalten (dort § 7 Ziff. 7). Die Systematik des § 7 RTV 2003 weist aus, dass es sich bei der Bestimmung des § 7 Ziff. 6 nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien nicht um eine Eingruppierungsrege-lung handelt, wie das Arbeitsgericht mit Recht ausgeführt hat. Mit der Eingruppierung in die Lohngruppen des RTV 2003 befasst sich allein und abschließend § 7 Ziff. 3. In Ziff. 3.1 sind die Eingruppierungsgrundsätze des RTV 2003, in Ziff. 3.2 die Tätigkeitsmerkmale der insgesamt neun Lohngruppen geregelt. Die Bestimmungen der nachfolgenden Ziff. 4 bis 8 des § 7 befassen sich demgegenüber nicht mit der Eingruppierung des Beschäftigten. Insbesondere in § 7 Ziff. 6 RTV 2003 ist nicht bestimmt, dass die dort aufgeführten Beschäftigten in Lohngr. 7 "eingruppiert" werden müssen (vgl. auch Senat in dem ebenfalls am 9. Mai 2007 entschiedenen Rechtsstreit - 4 AZR 757/06 - mit weiteren Ausführungen zu den Eingruppierungsgrundsätzen nach dem RTV 2003 und zu dem Tätigkeitsmerkmal der Lohngr. 7).

5. Danach ist der Widerspruch des Betriebsrats gegen die Umgruppierung der Beschäftigten J, P, B, N, H und T unbegründet. Der von ihm angeführte Widerspruchsgrund, für die Eingruppierung in Lohngr. 7 komme es entscheidend auf die formale Qualifikation als Gebäudereinigergesellen mit abgeschlossener mindestens dreijähriger Berufsausbildung an, entspricht nicht der Eingruppierungsregelung in § 7 Ziff. 3.1.1 RTV 2003. Darauf, dass die hier betroffenen Gebäudereinigergesellen in dem Arbeitsbereich der Glasreinigung Tätigkeiten ausüben, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, für deren Erwerb eine mindestens dreijährige Berufsausbildung benötigt wird, hat der Betriebsrat seinen Widerspruch nicht gestützt. Diesbezüglich fehlt es auch an jeglichem substantiierten Vorbringen in den Vorinstanzen. Mit der Rechtsbeschwerde macht der Betriebsrat ebenfalls lediglich geltend, die hier betroffenen Mitarbeiter führten "alle anstehenden Arbeiten in der Glasreinigung durch" und erledigten Arbeiten, die "über fachliche Teilbereiche hinausgehen". Dies sind Wertungen, deren Grundlagen nicht dargelegt worden, die daher möglicherweise nicht vorhanden sind. Zudem müssen die uneingeschränkt erledigten "anstehenden Arbeiten in der Glasreinigung" nicht so beschaffen sein, dass sie die volle Qualifikation als Gebäudereinigergeselle auf diesem Tätigkeitsbereich des Berufs abfordern.

Ende der Entscheidung

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