Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 06.08.2003
Aktenzeichen: 4 AZR 443/02
Rechtsgebiete: BAT-O, BAT-O/BL, BÄrzteO, Weiterbildungsordnung der Sächsischen Landesärztekammer


Vorschriften:

BAT-O § 22
BAT-O/BL Anl. 1 a
BÄrzteO <juris: BÄO> § 14 Abs. 1 Satz 2
BÄrzteO <juris: BÄO> § 14 Abs. 1 Satz 3
Weiterbildungsordnung der Sächsischen Landesärztekammer vom 8. November 1993 idF vom 16. November 1999 Anlage 1
Die fachärztliche Tätigkeit im Sinne der Vergütungsgruppe I b Fallgruppe 7 der Anlage 1 a zum BAT-O/BL setzt bei einem Arzt oder bei einer Ärztin, der (die) die Approbation und Facharztanerkennung in der ehemaligen DDR erhalten hat, voraus, daß die Approbation nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BÄrzteO fortgilt (Bestätigung von Senat 19. Januar 2000 - 4 AZR 837/98 - BAGE 93, 238 = AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 277).
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

4 AZR 443/02

Verkündet am 6. August 2003

In Sachen

hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. August 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Schliemann, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Friedrich und Dr. Wolter sowie die ehrenamtliche Richterin Pfeil und den ehrenamtlichen Richter Bredendiek für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 29. Mai 2002 - 9 Sa 29/02 - aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht auf die Berufung des beklagten Freistaats gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 30. Oktober 2001 - 7 Ca 4458/01 - die Klage für die Zeit ab 1. September 2000 abgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

2. Im übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Vergütung der Klägerin. Dabei geht es in erster Linie darum, ob die Klägerin, die in der ehemaligen DDR als Fachärztin für Allgemeinmedizin tätig war, eine dieser Facharztqualifikation entsprechende Tätigkeit auszuüben hat. Sie hat Gutachten nach Aktenlage durch Überprüfung und Bewertung vorgelegter Befunde verschiedener Ärzte/Fachärzte zu erstellen und zu entscheiden, ob und in welchem Umfang ein Antragsteller etwa als (schwer-)behinderter Mensch anerkannt wird und welche Merkmale, zum Beispiel Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), in den Ausweis aufzunehmen sind.

Die am 12. September 1943 geborene Klägerin ist seit dem 25. April 1974 als Fachärztin für Allgemeinmedizin anerkannt. Sie ist Mitglied des Deutschen Beamtenbundes. Seit 1. April 1999 ist die Klägerin bei dem beklagten Freistaat in dessen Amt für Familie und Soziales (AFS) C im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts, jetzt SGB IX, mit der Erstellung von Gutachten nach Aktenlage und Untersuchungsgutachten als angestellte "Gutachterärztin" oder "Ärztin für medizinische Begutachtung" beschäftigt. § 2 des Arbeitsvertrages vom 5. März 1999 lautet:

"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung."

§ 4 lautet:

"Die Angestellte ist in der Vergütungsgruppe I b BAT-O der Anlage 1 a zum BAT-O eingruppiert (§ 22 Abs. 3 BAT-O)."

§ 5 lautet:

"Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages sowie Vereinbarungen von Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden."

Vor ihrer Einstellung beim Beklagten war die Klägerin vom 1. September 1974 bis 31. Dezember 1981 als Fachärztin für Allgemeinmedizin in der Poliklinik S und vom 1. Januar 1982 bis 29. Februar 1996 als Stations- oder Oberärztin in den Staatsbädern B E/B B jeweils in Teilzeitbeschäftigung tätig. In dem Zeitraum vom 1. April 1996 bis 31. März 1999 war sie bei der Arbeitsmedizinischen Dienste GmbH C beschäftigt. Mit Bescheid vom 26. Juni 2000 setzte der Beklagte den Beginn der Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O auf den 1. August 1989 fest.

Im Organisationsplan des Amtes für Familie und Soziales sind die Aufgaben der Klägerin wie folgt beschrieben:

- Einarbeitung und Fortbildung der Ärzte und der Außengutachter einschließlich Stichprobenkontrolle und Prüffreigaben, soweit nicht anderen Mitarbeitern übertragen;

- Vergabe von Einzelaufträgen an Außengutachter;

- Überprüfung von Gutachten;

- Gutachtertätigkeit;

- Stellungnahmen zu Rücknahmeentscheidungen nach § 45 SGB X;

- fachtechnische Prüfung der Kosten der Beweiserhebung in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsgebiet der Verwaltung "Ärztlicher Dienst" in Einzelfällen;

- Abfassung von ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen nach Untersuchung, nach Aktenlage, nach Hausbesuchen und Bearbeitung von Rückfragen zu bereits vorliegenden Stellungnahmen zu allen medizinischen Sachfragen im BVG, der Nebengesetze im SchwbG und im LblindG;

- Mitwirkung bei der Beiziehung von Fremdunterlagen im Einzelfall;

- Abfassen von ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen zur Heil- und Krankenhausbehandlung;

- Beurteilung zu Maßnahmen der KOF nach § 26c BVG bzw. §§ 68, 69 BSHG bzw. Pflege-VG.

Am 27. Juni 2000 beantragte die Klägerin die Anerkennung des Fallgruppenaufstiegs ab dem 1. April 1999. Wegen der Ausschlußfrist nach § 70 BAT-O erhielt die Klägerin ab dem 1. Januar 2000 Vergütung entsprechend der VergGr. I a BAT-O. Nachdem bei dem Beklagten das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. Oktober 1999 - 10 Sa 3/99 - bekannt geworden war, teilte das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales der Klägerin unter dem 1. März 2001 mit, daß bei der Feststellung der Vergütungsgruppe ein rechtlicher Irrtum unterlaufen sei und insoweit im Wege der korrigierenden Rückgruppierung unter Berücksichtigung des Fallgruppenaufstiegs lediglich eine Bezahlung entsprechend der VergGr. I b (Fallgr. 13) der Anlage 1 a zum BAT-O in Betracht komme. Seit dem 15. März 2001 erhält die Klägerin lediglich Vergütung entsprechend der VergGr. I b BAT-O. Ferner hat der Beklagte den zuvor gezahlten Unterschiedsbetrag zwischen den VergGr. I a und I b BAT-O unter Wahrung der Ausschlußfrist für die Zeit ab 1. September 2000 von den Gehaltszahlungen einbehalten.

Bei verschiedenen anderen Fachärzten für Allgemeinmedizin sowie bei einer Ärztin für Anästhesieologie wurde ebenfalls eine korrigierende Rückgruppierung vorgenommen, während Fachärzte für Innere Medizin, Chirurgie und Orthopädie weiterhin entsprechend der VergGr. I a BAT-O bezahlt wurden und werden.

Mit Schreiben vom 14. Juni 2001 forderte die Klägerin den beklagten Freistaat erfolglos auf, die korrigierende Rückgruppierung zurückzunehmen. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Freistaats, die Klägerin seit dem 1. April 1999 nach der VergGr. I b Fallgr. 7 BAT-O und seit dem 1. Januar 2000 nach der VergGr. I a BAT-O zu vergüten. Sie hat die Auffassung vertreten, sie übe fachärztliche Tätigkeiten aus. Ein Facharzt für Allgemeinmedizin setzte seine besonderen Kenntnisse nicht nur in der lebensbegleitenden Betreuung von Patienten, sondern auch bei deren Begutachtung ein. Dies zeige sich etwa bei der Auswertung und Gesamtbetrachtung der vorhandenen fachärztlichen Befunde. Nur auf Grund der umfassenden Ausbildung in Grundkenntnissen der verschiedensten medizinischen Fachgebiete sei es der Klägerin möglich, die erforderliche Gesamtschau in der Bewertung vorzunehmen und festzustellen, ob die von den Antragstellern vorgelegten und zusätzlich angeforderten Befunde in sich stimmig seien.

Die vom Beklagten vorgenommene Differenzierung im Hinblick auf Fachärzte anderer Richtungen verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, denn auch bei Fachärzten für Innere Medizin, Chirurgie, der Kinderheilkunde sowie der Orthopädie gehöre nach der Sächsischen Weiterbildungsordnung die Therapie oder Rehabilitation. Die Gutachtenaufträge würden nach Akteneingang rein zufällig auf die verschiedenen Ärzte und Fachärzte ohne Berücksichtigung besonderer Qualifikationen verteilt.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 1. April 1999 nach der VergGr. I b Fallgr. 7 BAT-O und seit dem 1. Januar 2000 nach der VergGr. I a BAT-O zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen den VergGr. I b und I a BAT-O, beginnend mit dem 15. Januar 2000 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit jeweils 4 % Zinsen und ab dem 1. Mai 2000 mit 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 zu verzinsen.

Der beklagte Freistaat hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die Voraussetzungen für eine korrigierende Rückgruppierung hätten vorgelegen, da sich die bisherige Eingruppierung als fehlerhaft erwiesen habe und der Beklagte einem Rechtsirrtum unterlegen sei. Für die von der Klägerin geforderte Vergütung sei eine der Facharztausbildung entsprechende Tätigkeit Voraussetzung, die die Klägerin jedenfalls nicht im tariflich geforderten Umfang von 50 % ausübe. Die von der Klägerin zu verrichtende Gutachtertätigkeit werde von der Weiterbildungsordnung für den Facharzt im Bereich der Allgemeinmedizin nicht erfaßt. Die spezifische Tätigkeit eines Facharztes für Allgemeinmedizin könne sich nur in der lebensbegleitenden Behandlung von Patienten entfalten. Die von der Klägerin ausgeübte Gutachtertätigkeit verlange von ihr keine fachärztlichen Kenntnisse, sondern sei mit den vorhandenen Kenntnissen auch ohne Facharztbezeichnung zu bewältigen.

Fachärzte für Innere Medizin, Chirurgie, Orthopädie und Neurologie/Psychiatrie seien nicht zurückgruppiert worden, weil diese ihre fachärztlichen Spezialkenntnisse in die Begutachtung einbringen könnten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Maßgabe stattgegeben, daß die Wörter "Fallgr. 7" entfallen. Auf die Berufung des beklagten Freistaats hat das Landesarbeitsgericht die Klage in Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils teils als unzulässig, teils als unbegründet abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision bittet die Klägerin um die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der beklagte Freistaat beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist überwiegend zulässig und soweit sie zulässig ist, ist sie zum Teil begründet. Sie ist zurückzuweisen, soweit die Klage auf die höhere Vergütung für die Zeit bis zum 31. August 2000 abgewiesen worden ist. Im übrigen ist der Rechtsstreit zurückzuverweisen, weil noch nicht entscheidungsreif ist, ob der Klägerin für den Zeitraum danach die begehrte Vergütung zusteht.

Die Revision ist unzulässig, soweit die Klägerin eine fallgruppenbezogene Feststellung begehrt.

Denn das Arbeitsgericht hat keine Fallgruppenfeststellung getroffen und die Klägerin hat insoweit keine (Anschluß-)Berufung eingelegt, so daß die Fallgruppenfeststellung insoweit rechtskräftig abgewiesen ist. Eine Klageerweiterung in der Revisionsinstanz - unabhängig von ihrer Zulässigkeit - liegt nicht vor. Die Klägerin verlangt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, das ja gerade keine Fallgruppenfeststellung getroffen hat.

I. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß die Klage überwiegend als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig ist. Das ist für den Zeitraum der Fall, in dem die Klägerin entgegen ihren Vorstellungen keine Vergütung nach VergGr. I a BAT-O erhalten hat, also ab 1. September 2000. Für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis 30. August 2000 hat sie tatsächlich Vergütung nach VergGr. I a BAT erhalten. Soweit im nach Auffassung der Klägerin wiederherzustellenden Urteil erster Instanz festgestellt ist, daß der beklagte Freistaat verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 1. April 1999 nach der VergGr. I b BAT-O zu vergüten, verkennt die Klägerin, daß sie ab 1. April 1999 tatsächlich Vergütung nach VergGr. I b BAT-O, ab 1. Januar 2000 Vergütung nach VergGr. I a erhalten hat. Damit ist für diese Zeiträume ein Feststellungsinteresse nicht gegeben. Die Revision war insoweit zurückzuweisen.

Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats ausgeführt, daß sich eine Eingruppierungsfeststellungsklage sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Zukunft beziehen kann und auch Zinsforderungen Gegenstand einer solchen Feststellungsklage sein können.

II. Soweit die Klage zulässig ist, war der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf Vergütung nach VergGr. I a BAT-O ab dem 1. September 2000 hat. Es bedarf insoweit weiterer tatsächlicher Feststellungen.

1. Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 5. März 1999 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach den Tarifverträgen zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder jeweils geltenden Fassung.

Für die Eingruppierung der Klägerin sind daher die nachfolgenden Tätigkeitsmerkmale für Ärzte der Anlage 1 a zum BAT-O/BL maßgebend:

"Vergütungsgruppe II a

...

4. Ärzte

...

Vergütungsgruppe I b

...

7. Fachärzte mit entsprechender Tätigkeit

...

13. Ärzte nach fünfjähriger ärztlicher Tätigkeit

Vergütungsgruppe I a

...

4. Fachärzte mit entsprechender Tätigkeit nach achtjähriger ärztlicher Tätigkeit in Vergütungsgruppe I b.

..."

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß der beklagte Freistaat die objektive Fehlerhaftigkeit der der Klägerin mitgeteilten VergGr. I a BAT-O dargelegt hat.

Über die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit besteht zwischen den Parteien kein Streit. Die Parteien sind von der Beschreibung der Aufgaben der Klägerin im Organisationsplan des Amtes für Familie und Soziales ausgegangen. Der beklagte Freistaat hat die Fehlerhaftigkeit der mitgeteilten Eingruppierung in der VergGr. I a BAT-O damit begründet, daß die in der Versorgungsverwaltung beschäftigten Fachärzte/Fachärztinnen für Allgemeinmedizin, die überwiegend mit der Erstellung von Gutachten nach Aktenlage und Untersuchungen im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts beschäftigt sind, keine fachärztlichen Tätigkeiten iSd. VergGr. I b Fallgr. 7 des Allgemeinen Teils der Anlage 1 a zum BAT-O ausübten. Der beklagte Freistaat hat sich insoweit auf die einschlägige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. Oktober 1999 - 10 Sa 3/99 - (ZTR 2000, 78 = EzBAT §§ 22, 23 BAT B4 VergGr. II a Nr. 1) berufen.

Das reicht entgegen der Auffassung der Revision aus. Die Revision meint, der beklagte Freistaat sei seiner ihm bei der Rückgruppierung obliegenden Darlegungslast deswegen nicht nachgekommen, weil er nicht dargelegt habe, warum und inwieweit sich der Fall der Klägerin im Hinblick auf das Tarifmerkmal "Facharzt mit entsprechender Tätigkeit" von den Fällen ihrer Kollegen/Kolleginnen unterscheide, die als Fachärzte und Fachärztinnen für Innere Medizin, Orthopädie, Chirurgie etc. die gleiche Gutachtertätigkeit leisteten, aber im Gegensatz zu dieser in der VergGr. I a BAT-O eingruppiert seien. Dabei verkennt die Revision, daß es um die Eingruppierung der Klägerin ging und nicht um die aller Gutachterärzte. Im übrigen hat das Berufungsgericht den Vortrag des beklagten Freistaats aufgegriffen, daß die Fachärzte anderer Richtungen ihre fachspezifischen Kenntnisse einbringen müßten.

3. Das Landesarbeitsgericht hat ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des Senats zum Begriff des Arbeitsvorgangs (ua. 10. Dezember 1997 - 4 AZR 221/96 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 237) angenommen, daß die Gutachtertätigkeiten im Bereich des Versorgungs- oder Schwerbehindertenrechts einen einzigen einheitlichen Arbeitsvorgang darstellen. Das ist jedenfalls deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, weil weit mehr als die Hälfte der Arbeitszeit der Klägerin die Erstellung von Gutachten nach Aktenlage ausfüllt, die Klägerin also auf bereits vorhandene Gutachten anderer Ärzte oder Fachärzte zurückgreift. Arbeitsergebnis ist das jeweils erstellte Gutachten. Lediglich zu einem geringen Teil, nämlich mit einem Zeitanteil von 10 - 20 %, erfolgen in Zweifelsfällen eigene Untersuchungen der Klägerin, ua. auch bei Hausbesuchen.

4. Das Landesarbeitsgericht hat entschieden, die Klägerin übe als Fachärztin für Allgemeinmedizin keine "entsprechende Tätigkeit" iSd. VergGr. I b Fallgr. 7 aus, so daß ein Zeitaufstieg in die VergGr. I a Fallgr. 4 nach achtjähriger Tätigkeit nicht erfolgt sei.

Es hat im Anschluß an die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. Oktober 1999 (- 10 Sa 3/99 - aaO) angenommen, bei der Gutachtertätigkeit der Klägerin mangele es an einer für einen Facharzt der Allgemeinmedizin entsprechenden Tätigkeit. Der Aufgabenbereich der Klägerin sei gerade nicht davon gekennzeichnet, die Betreuung von Menschen jeden Alters bei jeder Art von Gesundheitsstörungen wahrzunehmen. Die Erstdiagnose und -behandlung stehe bei der klägerischen Tätigkeit nicht im Vordergrund; sie werde umgekehrt im Regelfall geradezu ausgeschlossen sein. Die Klägerin habe vielmehr bereits vorhandene Diagnosen zu bewerten. Soweit die Klägerin selbst Untersuchungen durchführe, geschehe dies nicht zum Zwecke der Erstdiagnose und -behandlung, sondern um Unstimmigkeiten und Zweifelsfälle abzuklären. Im übrigen verwende die Klägerin nur einen geringen, jedenfalls unter 50 % liegenden Anteil ihrer Arbeitszeit für eigene Untersuchungen.

Es ist zwar grundsätzlich der Auffassung gefolgt, die Klägerin benötige zu ihrer Gutachtertätigkeit nicht die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Facharztes für Allgemeinmedizin, um zutreffende Entscheidungen fällen zu können. Da die Allgemeinmedizin die Betreuung von jeder Art der Gesundheitsstörung umfasse, würden Fachärzte für Allgemeinmedizin in der Regel - sofern sie hausärztlich tätig seien - mit einem viel breiteren Spektrum von Gesundheitsstörungen konfrontiert als Fachärzte anderer Gebiete. Dies entspreche dem Wesen der Allgemeinmedizin. Umgekehrt bedeute dies jedoch nicht zwangsläufig, daß die Klägerin mit ihrer Facharztausbildung bei dem Beklagten auch fachärztlich tätig werde. Auch die eigenverantwortliche Entscheidung, ob im Rahmen der Begutachtung weitere Stellungnahmen von Fachärzten anderer Gebiete notwendig seien, führe nicht zu der einem Facharzt entsprechenden Tätigkeit im Sinne der Vergütungsordnung. Denn auch hier werde die Klägerin nicht primär diagnostizierend oder aber hausärztlich behandelnd tätig. Zwar gehörten nach der Weiterbildungsordnung in der Allgemeinmedizin eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten im Hinblick auf eine hausärztliche Tätigkeit in der Dokumentation von Befunden, im ärztlichen Berichtswesen, in den einschlägigen Bestimmungen der Sozialgesetzgebung und in den für die Arzt-Patienten-Beziehung wichtigen Rechtsnormen zum Inhalt und Ziel der Weiterbildung. Aber es handele sich insoweit gerade um die Dokumentation von hausärztlichen Befunden, die die Klägerin bei ihrer jetzigen Tätigkeit zugrunde lege.

5. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

a) Die Eingruppierung in der VergGr. I a (Fallgr. 4) setzt die vorhergehende achtjährige ärztliche Tätigkeit in der VergGr. I b voraus, wobei sich die Klägerin auf eine achtjährige Tätigkeit als Fachärztin iSd. VergGr. I b Fallgr. 7 beruft. Die Klägerin kann frühestens ab dem Beitrittstermin vom 3. Oktober 1990 als Ärztin und damit auch als Fachärztin im tariflichen Sinne tätig gewesen sein.

Nach der Rechtsprechung des Senats verwenden die Tarifvertragsparteien des BAT mit dem Begriff Arzt einen Rechtsbegriff, der durch die gesetzlichen Regelungen des Medizinalrechts der Bundesrepublik Deutschland vorgegeben ist (ua. 25. September 1996 - 4 AZR 200/95 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 218). Nach § 2a BÄrzteO darf die Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin" nur führen, wer als Arzt approbiert oder nach § 2 Abs. 2, 3 oder 4 zur Ausübung des ärztlichen Berufs befugt ist. Eine Approbation, die vor dem 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigte, gilt als Approbation iSd. BÄrzteO, soweit sie - wie hier - vor dem 1. Juli 1988 erteilt und nicht eingeschränkt worden ist (§ 14 Abs. 1 BÄrzteO idF der Anlage I Kapitel X Sachgebiet D Abschnitt II Nr. 1 des Einigungsvertrags vom 31. August 1990 - Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990 BGBl. II S. 885). Von dieser beschränkten Anerkennung einer ärztlichen Tätigkeit in der ehemaligen DDR für die Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen einer ärztlichen Tätigkeit ist der Senat wiederholt ausgegangen (5. Dezember 1990 - 4 AZR 285/90 - BAGE 66, 306 = AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 153; 14. April 1999 - 4 AZR 215/98 - BAGE 91, 177 = AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 12). Das gilt entsprechend auch für den Status als Facharzt im tariflichen Sinne. § 14 Abs. 1 Satz 3 BÄrzteO bestimmt, daß sich die Berechtigung zur weiteren Führung einer im Zusammenhang mit der Anerkennung als Facharzt verliehenen Bezeichnung durch den Inhaber einer in Satz 2 genannten Approbation, die am Tage vor dem Wirksamwerden des Beitritts eine solche Bezeichnung in den in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebieten führen dürfen, nach Landesrecht richtet. Danach setzt der Status als Facharzt unabhängig von den landesrechtlichen Vorschriften über die Weiterführung der Anerkennung als Facharzt die Approbation iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 BÄrzteO voraus, die nicht vor dem 3. Oktober 1990 gegeben ist. Somit kann die Klägerin nicht vor dem 3. Oktober 1990 als Fachärztin im tariflichen Sinne angesehen werden.

b) Ob der Klägerin ab dem 1. September 2000 die begehrte Eingruppierung nach der VergGr. I a BAT-O/BL zusteht, kann der Senat derzeit nicht entscheiden, weil es insoweit an den notwendigen tatsächlichen Feststellungen für die einschlägigen tariflichen Voraussetzungen fehlt.

aa) Das betrifft bereits den Status als Fachärztin im tariflichen Sinne. Hierfür reicht es nicht, daß die Klägerin in der ehemaligen DDR als Fachärztin für Allgemeinmedizin anerkannt ist. Vielmehr kommt es gem. § 14 Abs. 1 Satz 3 BÄrzteO darauf an, ob und gegebenenfalls ab wann die Klägerin nach den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften zur Führung der Bezeichnung Fachärztin für Allgemeinmedizin berechtigt ist. Insoweit fehlt es bisher an den entsprechenden Feststellungen.

bb) Das Landesarbeitsgericht wird insbesondere weiter zu klären haben, ob und ab wann der Klägerin zeitlich mindestens zur Hälfte ihrer Arbeitszeit Arbeitsvorgänge obliegen, die die Qualifikation als Fachärztin für Allgemeinmedizin erfordern.

aaa) Das Landesarbeitsgericht hat lediglich die Zeit ab 1. April 1999 zugrunde gelegt. Es gibt keine Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, welche Aufgaben die Klägerin seit Erlangung der Approbation im Sinne der BÄrzteO am 3. Oktober 1990 erfüllte, dh. als Stations- oder Oberärztin in den Staatsbädern B E/B B bis zum 29. Februar 1996 und ab 1. April 1996 bis 31. März 1999 als Ärztin bei der Arbeitsmedizinischen Dienste GmbH C. Für die insoweit nötigen Feststellungen bedarf es noch weiteren Sachvortrags der Klägerin.

bbb) Ausgehend davon ist aufzuklären, ob und ggf. ab wann die Klägerin für die Erfüllung der Aufgaben bei dem Beklagten der Qualifikation als Fachärztin für Allgemeinmedizin bedurfte. Auch hierzu bedarf es im Hinblick auf die obigen Hinweise tatsächlicher ergänzender Darlegungen der Parteien.

(1) Das Landesarbeitsgericht hat des weiteren ausgeführt, unter "entsprechender Tätigkeit" im Sinne der Vergütungsordnung sei diejenige Tätigkeit zu verstehen, die von einem Facharzt normalerweise ausgeübt werde. Nicht ausreichend sei es in diesem Zusammenhang, wenn die besonderen Facharztkenntnisse bei Ausübung der Tätigkeit nützlich seien. Während letzterer Satz der Rechtsprechung des Senats entspricht, greift der andere Satz zu kurz. Nach der Rechtsprechung des Senats liegt die Voraussetzung "mit entsprechender Tätigkeit" vor, wenn die Tätigkeit der Ausbildung des betreffenden Angestellten entspricht. Die Tätigkeit muß die Fähigkeit erfordern, die ein einschlägig ausgebildeter Angestellter hat. Nicht ausreichend ist es, wenn die entsprechenden Kenntnisse des Angestellten für seinen Aufgabenbereich lediglich nützlich oder erwünscht sind; sie müssen vielmehr im zuvor erläuterten Sinne zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich sein (23. Mai 1979 - 4 AZR 576/77 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 24; 19. Januar 2000 - 4 AZR 837/98 - BAGE 93, 238 = AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 277, zu 4 a der Gründe).

(2) Entscheidend ist, ob die Aufgaben nicht ohne die Qualifikation zur Fachärztin für Allgemeinmedizin fachgerecht erfüllt werden können, also die allgemeine auf Grund der ärztlichen Ausbildung bis zur Approbation erworbene Qualifikation, gegebenenfalls ergänzt durch allgemeine oder besondere Berufserfahrung nicht genügt. Das Vorliegen einer "entsprechenden Tätigkeit" im Tarifsinne kann nicht deswegen verneint werden, weil die Klägerin "nur" Gutachten erstellt. Es ist zwar richtig, daß sie damit abweichend von der Definition der Allgemeinmedizin in der Weiterbildungsordnung der Sächsischen Landesärztekammer in der Fassung der Änderungssatzung vom 16. November 1999 nicht die lebensbegleitende hausärztliche Betreuung von Menschen jeden Alters bei jeder Art der Gesundheitsstörung, unter Berücksichtigung der biologischen, psychischen und sozialen Dimensionen ihrer gesundheitlichen Leiden, Probleme oder Gefährdungen und die medizinische Kompetenz zur Entscheidung über das Hinzuziehen anderer Ärzte und Angehöriger von Fachberufen im Gesundheitswesen durchführt. Das ist aber auch nicht erforderlich. Denn "entsprechende Tätigkeit" obliegt auch der Fachärztin für Allgemeinmedizin, die mit ihrer Tätigkeit nicht die gesamte Definition der Allgemeinmedizin abdeckt. Einschränkungen gegenüber der normalen Tätigkeit einer Fachärztin für Allgemeinmedizin bedeuten nicht notwendigerweise eine Minderung der Qualifikationsanforderungen, auch wenn eine hausärztliche Betreuung oder lebensbegleitende Behandlung von Patienten nicht stattfindet (vgl. Senat 19. Januar 2000 - 4 AZR 837/98 - aaO, zu 6 b bb der Gründe betreffend Fachärztin für Kinderkrankheiten in der Tätigkeit einer Schulärztin mit schulärztlichen Untersuchungen).

(3) Was zur entsprechenden Tätigkeit eines Facharztes gehört, richtet sich nach den Bestimmungen des deutschen Medizinalrechts (Senat 25. September 1996 - 4 AZR 200/95 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 218, zu B II 4 der Gründe), und zwar nach den jeweiligen Weiterbildungsordnungen der Länder, hier der Weiterbildungsordnung der Sächsischen Landesärztekammer vom 8. November 1993 idF vom 16. November 1999. Nachdem, worauf die Revision zutreffend hingewiesen hat, zu der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin

- eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten im Hinblick auf eine hausärztliche Tätigkeit in der Koordinierung der ärztlichen Behandlung gegebenenfalls einschließlich der spezifischen Diagnostik und Therapie, auch durch Zusammenführung, Bewerten und Aufbewahren der Befunde sowie durch Führung des Patienten im medizinischen Versorgungssystem (Anlage I Nr. 1 Unternummer 1 2. Spiegelstrich),

- der Begutachtung und Bewertung von Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Arbeitsfähigkeit, der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit sowie der Pflegebedürftigkeit (Anlage I Nr. 1 Unternummer 1 12. Spiegelstrich),

- Dokumentation von Befunden, ärztlichem Berichtswesen, einschließlich den Bestimmungen der Sozialgesetzgebung (Sozialrecht, Krankenkassenverträge, Rentenversicherung, Unfallversicherung, Mutterschutzgesetz, Jugend- und Arbeitsschutzgesetz und andere Bestimmungen) und für die Arzt-Patienten-Beziehung wichtigen Rechtsnormen (Anlage I Nr. 1 Unternummer 1 15. Spiegelstrich)

gehören, kommt es darauf an, ob die Erstellung von (Akten-)Gutachten, bei denen die von dem Antragsteller vorgelegten Befunde verschiedener Ärzte und Fachärzte überprüft und bewertet werden mit der Entscheidung, ob und in welchem Umfang ein Antragsteller etwa als (schwer-)behinderter Mensch anerkannt wird und welche Merkmale in seinem entsprechenden Ausweis aufzunehmen sind, ein Maß an spezifischen Kenntnissen und Erfahrungen erfordert, wie es der Facharzt für Allgemeinmedizin aufweist.

Gutachten (nach Lage der Akten) können das oben skizzierte multidisziplinäre Wissen des Facharztes für Allgemeinmedizin erfordern. Solchen Gutachten liegen Äußerungen unterschiedlichster Ärzte und Fachärzte, in der Regel Äußerungen von Fachärzten anderer Bereiche wie Orthopädie, innere Medizin, zugrunde. Diese Äußerungen müssen zusammengeführt und gewichtet werden. Es muß unter der vorgegebenen Fragestellung zusammenfassend ein Ergebnis herbeigeführt werden oder es müssen, wenn das nicht möglich ist, weitere Untersuchungen vorgenommen oder veranlaßt werden. Die Beurteilung und Gewichtung der ärztlichen und fachärztlichen Stellungnahmen kann nicht nur ärztliches, sondern fachärztliches Wissen eines Facharztes für Allgemeinmedizin erfordern, um den unterschiedlichen, insbesondere fachärztlichen Stellungnahmen gerecht werden zu können. Der Facharzt für Allgemeinmedizin wird ua. in der Chirurgie, in der Inneren Medizin weitergebildet. Auch die Orthopädie und die Arbeitsmedizin können dazu gehören sowie zahlreiche andere Bereiche. Außerdem ergibt sich aus der Auflistung der eingehenden Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten im Hinblick auf eine hausärztliche Tätigkeit die Befähigung, andere ärztliche/fachärztliche Stellungnahmen zu beurteilen. Betrachtet man dies im Hinblick auf das Ziel der Weiterbildung, das mit Vermittlung, Erwerb und Nachweis eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Gesundheitsförderung, Prävention, Früherkennung von Krankheiten, Beratung, Diagnostik und Therapie, insbesondere beim unausgelesenen Krankengut unter Berücksichtigung der biologischen, psychischen und sozialen Dimensionen in der Langzeitbetreuung chronisch Kranker, in den Maßnahmen der ersten ärztlichen Hilfe bei Notfallpatienten, der Integration medizinischer, sozialer, pflegerischer und psychischen Hilfen einschließlich der Rehabilitation in den Behandlungsplan unter Einbezug des familiären und sozialen Umfeldes des Patienten beschrieben wird, so ist denkbar, daß in erster Linie dieses multidisziplinäre Spektrum den Facharzt für Allgemeinmedizin in die Lage versetzt, Gutachtertätigkeit zu erbringen. Der Gutachterarzt muß trotz der Tatsache fehlender lebensbegleitender Behandlung von Patienten in der Lage sein, der Gutachtertätigkeit gerecht zu werden, dh. Krankheiten, Krankheitsbilder, wie sie sich auf Grund der unterschiedlichen Befindungen, Stellungnahmen, Berichte, Arztbriefe usw. darstellen, in ihrer Bedeutung für die jeweilige Fragestellung, etwa, ob und in welchem Umfang eine (Schwer-)

Behinderung iSd. SGB IX oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegt, zu erkennen.

c) Vorliegend ist zu klären, ob die Erfüllung dieser Funktion der gutachterärztlichen Bewertung von der Klägerin ein Maß an spezifischen Kenntnissen und Erfahrungen erfordert, wie es (nur) ein Facharzt für Allgemeinmedizin hat. Das Landesarbeitsgericht wird der Klägerin Gelegenheit zu geben haben, ergänzend und ggf. an Hand von Beispielen darzulegen, was es ausmachen soll, daß und welche Kenntnisse, die durch die Qualifizierung zum Facharzt für Allgemeinmedizin erworben wurden, für die Gutachten nach Aktenlage im Vergleich zu einem Arzt ohne Facharztqualifikation erforderlich sind.

Hinsichtlich der Feststellungen zu den Qualifikationsanforderungen für die Erstellung von Gutachten nach Aktenlage bzw. der vorangegangenen Tätigkeit einerseits und der bei einem Facharzt für Allgemeinmedizin oder einem Arzt ohne Facharztqualifikation typischerweise vorliegenden Qualifikation andererseits kommt ggf. auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens (nach § 144 ZPO) in Betracht.

6. Zur Frage, ob der beklagte Freistaat gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen hat, weil und soweit er Fachärzte für Innere Medizin, Orthopädie und Chirurgie mit gleicher (Gutachter-)Tätigkeit wie die Klägerin bei dem Beklagten entsprechend der VergGr. I a bezahlt, wie die Klägerin vorträgt, sei lediglich vorsorglich ausgeführt, daß es bislang Behauptung der Klägerin geblieben ist, den anderen Fachärzten obläge die gleiche Gutachtertätigkeit. Das Landesarbeitsgericht hat den Vortrag des beklagten Freistaats in der Form aufgegriffen, Fachärzte für Innere Medizin, Chirurgie, Orthopädie und Neurologie/Psychiatrie seien deswegen nicht zurückgruppiert worden, weil diese ihre fachärztlichen Spezialkenntnisse in die Gutachten einzubringen hätten, wobei es den Vortrag ersichtlich dahin verstanden hat, daß die zu erstellenden Gutachten je nach Schwerpunkt auf die Fachärzte der betreffenden Ausrichtung verteilt werden und auf diese Weise gewährleistet wird, daß die (Gutachter-) Tätigkeit der jeweiligen Facharztqualifikation des angestellten Arztes entspricht. Wenn dieses Verständnis des Vortrags des beklagten Freistaats richtig ist, sind diese Gutachterärzte tarifgerecht eingruppiert. Ist das nicht richtig, so ist entweder die Eingruppierung fehlerhaft oder der Beklagte nimmt bewußt eine übertarifliche Bezahlung vor. Nur im letzteren Fall könnte eine Ungleichbehandlung vorliegen. Der Klägerin ist insoweit Gelegenheit zum ergänzenden Vortrag zu geben.

Ende der Entscheidung

Zurück