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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 14.12.2005
Aktenzeichen: 4 AZR 522/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 256 Abs. 1 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 14. Dezember 2005
In Sachen
hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 14. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Bepler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Bott und Dr. Wolter sowie die ehrenamtliche Richterin Pfeil und den ehrenamtlichen Richter Rupprecht für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 11. August 2004 - 4 Sa 343/04 - aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. Dezember 2003 - 79 Ca 22958/03 - abgeändert:
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die zutreffende Vergütung des Klägers für die Monate Januar und März 2003.
Der Kläger, seinerzeit Student der Rechtswissenschaften, trat am 1. Oktober 2002 als Saalassistent zur Aushilfe in die Dienste der Beklagten, die in B eine Spielbank betreibt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmt sich nach dem "Befristeten Aushilfsarbeitsvertrag" vom 23. September 2002, der über den vereinbarten Fristablauf am 31. März 2003 fortgeführt worden ist. In dessen § 3 ist ein Stundenlohn von 9,36 Euro "gemäß abschließender Regelung in der Anlage zum Tronc- und Gehaltstarifvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung" vereinbart. Zudem ist dort geregelt, dass "mit dieser Regelung sämtliche aus dem jeweiligen Tarifvertrag sich ergebenden Entgeltansprüche, insbesondere Zuschläge, Zulagen und Sondervergütungen, abgegolten" sind.
Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als sechzig Aushilfen, überwiegend Studenten. Die Einsätze der studentischen Aushilfskräfte in der Gruppe der Saalassistenten erfolgen auf der Grundlage von Absprachen mit der technischen Leitung.
Die Beklagte hatte am 7. Februar 2000 mit der damaligen Gewerkschaft HBV den "Rahmentarifvertrag (Klassisches Spiel)" und den "Tronc- und Gehaltstarifvertrag (Klassisches Spiel)" abgeschlossen. Diese Tarifverträge wandte sie auch bei den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern an. Die genannten Tarifverträge wurden am 1. September 2003 durch inhaltsgleiche Abschlüsse zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di abgelöst.
Der entsprechend dem Inhalt seines Arbeitsvertrages vergütete Kläger, der seit dem 1. März 2003 Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, erhebt Anspruch darauf, nach den Regelungen des Tronc- und Gehaltstarifvertrages für die Beklagte vergütet zu werden. Insbesondere fordert er die Zahlung von Zuschlägen für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, der Beiträge zur Zukunftssicherung, der Weihnachtsgratifikation, der Kleidergeldzulage und des Anteils am Trinkgeldaufkommen nach diesem Tarifvertrag. Diese Ansprüche hat er mit Schreiben vom 9. April 2003 und 6. Mai 2003 gegenüber der Beklagten erfolglos geltend gemacht. Gegenstand seiner Klage sind restliche Vergütungsansprüche für die Monate Januar und März 2003, für die er im ersten Rechtszug Zahlungsanträge - für Januar 248,45 Euro, für März 170,75 Euro jeweils nebst Verzugszinsen -, hilfsweise stufenweise Anträge auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung ihrer Richtigkeit und Zahlung angekündigt hatte. Einem Hinweis des Arbeitsgerichts folgend hat er seine Klage geändert und erstrebt nunmehr die Feststellung seines Anspruchs auf Vergütung für die genannten beiden Monate entsprechend den einschlägigen Haustarifverträgen der Beklagten.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das für die Zulässigkeit seiner Klage erforderliche Feststellungsinteresse liege vor. Infolge der Intransparenz des Vergütungssystems sei es ihm nicht möglich, die genaue Stundenvergütung zu errechnen, welche sich auf der Basis der tarifvertraglichen Regelung für ihn ergäbe. Das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Vergütungshöhe sei kompliziert und undurchsichtig. Es erschließe sich nicht allein aus dem Text der Tarifverträge. Den tarifvertraglichen Regelungen fehle es diesbezüglich an Eindeutigkeit und Vollständigkeit. Zudem seien ihm wesentliche Berechnungsdaten nicht bekannt. Zum Anspruchsgrund des Vergütungsanspruchs hat der Kläger geltend gemacht, ihm stehe auf Grund des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Bezahlung als Teilzeitkraft nach den Regelungen der einschlägigen Haustarife zu, da er bei gleicher Arbeitsleistung ansonsten ungerechtfertigt ungleich behandelt werde. Zudem folge sein Anspruch für März 2003 aus der normativen Geltung der Tarifverträge.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm in den Monaten Januar 2003 und März 2003 eine Vergütung entsprechend dem Tronc- und Gehaltstarifvertrag (Klassisches Spiel) vom 7. Februar 2000 und dem Tarifvertrag über die Trinkgelder der Saalassistenten, Kassierer und in der Reception des Klassischen Spiels vom 7. Februar 2000 in der Höhe zu zahlen, die dem Studentenanteil einer Teilzeitkraft entspricht, die nicht als Aushilfe beschäftigt wird.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Feststellungsklage sei wegen des Vorrangs der Leistungsklage, ggf. in Form einer Stufenklage unzulässig. Zudem sei die Klage unschlüssig. Denn ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liege schon deshalb nicht vor, weil der Aushilfsstundensatz für Studenten höher sei als der Stundenlohn der dauerhaft als Saalassistenten beschäftigten Arbeitnehmer; eine Schlechterstellung wegen der Nichtzahlung von Kleidergeld oder Trinkgeldabschlägen lasse sich allenfalls mittels einer - vom Kläger versäumten -Vergleichsberechnung feststellen. Die tarifliche Regelung der Herausnahme von "Aushilfen" aus dem Geltungsbereich der Tarifverträge sei rechtswirksam und keine Diskriminierung von Teilzeitkräften. Sie beruhe darauf, dass für diese keine Mindestarbeitszeit und keine Dienstverpflichtung vorgesehen sei. Insoweit genieße das Grundrecht der Koalitionsfreiheit Vorrang vor dem Gleichheitssatz.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte weiter die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Der Kläger kann die von ihm erstrebte Feststellung nicht mit Erfolg verlangen, da der Feststellungsantrag unzulässig ist. Dies haben die Vorinstanzen verkannt.
I. Für das Feststellungsbegehren des Klägers fehlt das von § 256 Abs. 1 ZPO geforderte Feststellungsinteresse.
1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das besondere Feststellungsinteresse nach dieser Vorschrift muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., zB Senat 30. Mai 2001 - 4 AZR 387/00 - BAGE 98, 42, 45, zu I 1 a der Gründe; BAG 26. September 2002 - 6 AZR 523/00 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 73 = EzA ZPO § 256 Nr. 67, zu I 2 der Gründe; 6. November 2002 - 5 AZR 364/01 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 78 = EzA ZPO § 256 Nr. 68, zu 1 a der Gründe; 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2, zu I 1 der Gründe; 31. August 2005 - 5 AZR 136/05 -). Das Feststellungsinteresse ist aber nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird (st. Rspr., Senat 29. November 2001 - 4 AZR 757/00 - BAGE 100, 43, 51, zu I 2 b der Gründe; BAG 19. Februar 2002 - 3 AZR 589/99 -, zu III der Gründe; 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - aaO, zu I 1 b der Gründe mwN). Es liegt nicht vor, wenn nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses, abstrakte Rechtsfragen oder rechtliche Vorfragen zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden. Durch eine Entscheidung hierüber wird kein Rechtsfrieden geschaffen. In einem solchen Fall dient die Feststellungsklage lediglich dazu, durch das Gericht abstrakte Rechtsfragen klären zu lassen. Das ist unzulässig.
2. Das Feststellungsinteresse ist hier nicht gegeben.
a) Die vom Kläger erstrebte Feststellung ist nicht geeignet, Rechtsfrieden zu schaffen. Sie beschränkt sich darauf, gerichtlich den Streit entscheiden zu lassen, ob dem Kläger für die Monate Januar und März 2003 Vergütung nach dem Tronc- und Gehaltstarifvertrag (Klassisches Spiel) und dem Tarifvertrag über die Trinkgelder der Saalassistenten, Kassierer und in der Reception des Klassischen Spiels - jeweils vom 7. Februar 2000 - zusteht. Durch die vom Kläger erstrebte Feststellung wird nicht geklärt, wie die vom Kläger geforderte Vergütung zu berechnen ist. Gerade dies will aber der Kläger ua. durch den Rechtsstreit festgestellt wissen. Denn er begründet sein rechtliches Interesse an der von ihm erstrebten Feststellung ua. damit, dem Vergütungssystem der Beklagten fehle jegliche Transparenz. Das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Vergütungshöhe sei kompliziert und undurchsichtig. Es erschließe sich nicht allein aus dem Text der Tarifverträge. Den tarifvertraglichen Regelungen fehle es diesbezüglich an Eindeutigkeit und Vollständigkeit. Die Vergütungshöhe sei ohne Kenntnis des genauen Berechnungsverfahrens nicht ermittelbar. Zudem seien ihm wesentliche Berechnungsdaten nicht bekannt.
Über diese Fragen ist nach dem Klageantrag nicht zu entscheiden. Er ist daher nicht geeignet, das Rechtsverhältnis abschließend hinsichtlich derjenigen Rechtsfragen zu klären, die der Kläger selbst für klärungsbedürftig hält. Aus dem Antrag des Klägers hätte sich präzise ergeben müssen, welche Berechnungsmethode und -größen er festgestellt wissen will (Senat 29. November 2001 - 4 AZR 757/00 - BAGE 100, 43, 51, zu I 2 b der Gründe; vgl. BAG 19. Februar 2002 - 3 AZR 589/99 -).
Schon deshalb ist seine Klage unzulässig, so dass es nicht mehr darauf ankommt, ob dieses Ergebnis auch aus dem Vorrang der Leistungsklage in Form einer Stufenklage folgt.
b) Die Prozessgeschichte vermag an der Abweisung der Klage durch das Revisionsgericht nichts zu ändern. Der Kläger hat seine angekündigten Anträge auf Zahlung - bezüglich derer die Berechnung der von ihm geforderten, präzise bezifferten Beträge darzulegen gewesen wäre -, hilfsweise nach vorhergehend zu erteilender Auskunft und eidesstattlicher Versicherung ihrer Richtigkeit, zwar deshalb geändert, weil das Arbeitsgericht ihn dazu mit dem Hinweis, ein Feststellungsantrag werde von ihm für "sachdienlich" gehalten, angeregt hat. Die Beklagte hat aber bereits mit der Erstbegründung ihrer Berufung gerügt, die Feststellungsklage sei unzulässig, weil es dem Kläger möglich sei, seine Ansprüche in Form einer Leistungsklage - ggf. als Stufenklage - zu verfolgen. Der Kläger hatte daher Veranlassung, seinen Klageantrag zu überdenken, insbesondere zu erwägen, seine erstinstanzlich vor der Klageänderung verfolgten Anträge hilfsweise zu stellen. Dem Berufungsgericht ist kein Verfahrensfehler vorzuwerfen. Auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung, die Feststellungsklage sei zulässig, hatte es keinen Anlass, eine Antragsänderung anzuregen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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