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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 20.02.2002
Aktenzeichen: 4 AZR 524/00
Rechtsgebiete: BGB, TVG
Vorschriften:
BGB § 133 | |
BGB § 157 | |
TVG § 3 | |
TVG § 4 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 20. Februar 2002
In Sachen
hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Schliemann, die Richter am Bundesarbeitsgericht Bott und Dr. Friedrich sowie die ehrenamtliche Richterin Pfeil und den ehrenamtlichen Richter Münter für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 12. Juli 2000 - 8 Sa 32/00 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger für die Monate Januar bis März 1999 zustehenden Vergütung.
Der nicht tarifgebundene Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Metallindustrie mit Sitz in Hamburg, seit dem 2. März 1964 beschäftigt. Durch den Arbeitsvertrag der Parteien vom 22. Januar 1968 wurde er "mit Wirkung vom 1. Januar 1968 ins Angestelltenverhältnis" übernommen. In diesem Vertrag ist, soweit hier von Interesse, vereinbart:
...
Dem Arbeitsverhältnis liegt der jeweils gültige Manteltarifvertrag für Angestellte der Metallindustrie Hamburg einschließlich der hierzu ergangenen Zusatzabkommen zugrunde ...
Sie werden in die Gehaltsgruppe T 3 eingestuft. Ihr Gehalt setzt sich wie folgt zusammen:
Tarif....................................................... DM 564,--
Jederzeit widerrufliche und anrechenbare außertarifliche Zulage................... DM 336,--
insgesamt DM 900,--
...
Bei der Beklagten, die vom 24. September 1956 bis zum 30. Juni 1998 Mitglied im tarifvertragschließenden Arbeitgeberverband Nordmetall war, werden seit jeher mit allen Arbeitnehmern ohne Rücksicht auf deren - auch im Falle des Klägers - der Beklagten bei Vertragsschluß auch nicht bekannter etwaiger Gewerkschaftszugehörigkeit die Anwendung der einschlägigen Tarifverträge einzelvertraglich vereinbart. Die Beklagte verwandte in den Arbeitsverträgen für die Verweisung auf tarifrechtliche Regelungen verschiedene Formulierungen.
Mit Wirkung ab 1. Januar 1999 trat der Gehaltstarifvertrag für die Angestellten in der Metallindustrie Hamburgs und Umgebung vom 2. März 1999 in Kraft - nachfolgend: GTV 99 -. Der Kläger, vergütet nach dem bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Gehaltstarifvertrag vom 1. April 1998, beansprucht von der Beklagten die sich aus dem GTV 99 ergebenden Einmalzahlungen und die lineare Tarifgehaltserhöhung für die Monate Januar bis März 1999. Diese Ansprüche des Klägers belaufen sich nach dessen von der Beklagten nicht als fehlerhaft gerügten Berechnung auf 1.473,73 DM brutto.
Im Mai 1999 gewährte die Beklagte allen ihren Beschäftigten entsprechend dem Aushang 12/99 eine Sonderzahlung für das Jahr 1998, im Falle des Klägers in Höhe von 685,00 DM brutto. In dem Aushang heißt es ua., daß die Geschäftsleitung mit Befürwortung des Betriebsrats beschlossen habe, "in Anbetracht des positiven Ergebnisses des vergangenen Geschäftsjahres" eine Sonderzahlung zu gewähren. Weiter heißt es in dem Aushang:
...
Diese Sonderzahlung ist nicht als Ausgleich für die von einigen Mitarbeiter(inne)n geforderte Tariferhöhung gedacht. Den Mitarbeiter(inne)n, die ihren vermeintlichen Anspruch auf Tariferhöhung durch eine erfolgreiche Klage bestätigt bekommen, wird diese Sonderzahlung auf ihren vermeintlichen Anspruch angerechnet. Die Sonderzahlung ist ausdrücklich an diese Bedingung geknüpft.
...
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Auslegung der vertraglichen Bezugnahmeklausel ergebe, daß eine dynamische und konstitutive Bezugnahme auf die jeweils geltenden Tarifverträge einschließlich der tariflichen Gehaltsregelungen gewollt gewesen sei. An diese Vereinbarung sei die Beklagte trotz ihres Austritts aus dem Arbeitgeberverband gebunden. Er müsse sich deshalb mit Erfolg auf den ausdrücklichen und unmißverständlichen Wortlaut des Vertragstextes berufen können. Eine Anrechnung der Sonderzahlung auf seine Ansprüche nach dem GTV 99 sei unzulässig.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.473,73 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Ansicht handele es sich bei der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel um eine Gleichstellungsabrede, die den Zweck habe, die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen gleichzustellen. Im übrigen sei auf die etwaigen Ansprüche des Klägers aus dem GTV 99 die an ihn von ihr im Mai 1999 geleistete Sonderzahlung anzurechnen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Klage weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Mit Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gehaltserhöhung nach dem GTV 99.
1. Ein tariflicher Anspruch auf Gehalt nach dem GTV 99 kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nicht tarifgebunden ist (§ 3 Abs. 1 TVG). Damit fehlt es bereits aus diesem Grunde an der für die normative Geltung des GTV 99 erforderlichen beiderseitigen Tarifgebundenheit (§ 4 Abs. 1 TVG). Zudem ist die Beklagte wegen ihres Verbandaustritts zum 30. Juni 1998 nicht an den GTV 99 gebunden.
2. Der GTV 99 ist auch nicht kraft der im Arbeitsvertrag der Parteien vom 22. Januar 1968 vereinbarten Bezugnahmeklausel schuldrechtlich anzuwenden.
a) Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß die Bezugnahmeklausel auch auf die tariflichen Gehaltsregelungen für die Angestellten in der Metallindustrie Hamburgs und Umgebung dynamisch verweist. So hat sich die Beklagte auch verhalten.
b) Gleichwohl hat der Kläger, wie die Vorinstanzen mit Recht erkannt haben, keinen vertraglichen Anspruch auf Vergütung nach dem GTV 99. Denn die von ihm mit der zur Zeit des Vertragsschlusses tarifgebundenen Beklagten vereinbarte - dynamische - Bezugnahme ua. auf den für den Betrieb der Beklagten einschlägigen Gehaltstarifvertrag ist gem. §§ 133, 157 BGB als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen. Eine Gleichstellungsabrede erfaßt keine Tarifregelungen oder deren Änderungen, die erst nach Beendigung der Tarifgebundenheit des Arbeitsgebers entstehen bzw. abgeschlossen werden.
Der Senat hat durch Urteil vom 26. September 2001 (- 4 AZR 544/00 - DB 2002, 1005 auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) für einen hinsichtlich der entscheidungserheblichen Umstände ebenso gelagerten Fall entschieden, daß eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Vertrag typischerweise eine Gleichstellungsabrede ist. Er hat seine Auffassung ausführlich mit dem Zweck der von einem tarifgebundenen Arbeitgeber allgemein mit seinen Arbeitnehmern vereinbarten Bezugnahme auf die einschlägigen tariflichen Regelungen, der Interessenlage (zB Vermeidung von Anreizen zum Gewerkschaftsbeitritt) und der soziotypischen Ausgangslage bei Vertragsschluß (zB Kenntnis oder Unkenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens der Verbandszugehörigkeit der jeweils anderen Vertragspartei) ausführlich begründet. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat Bezug. Er hält an ihnen nach deren nochmaliger Überprüfung fest.
aa) Wegen der arbeitsrechtlich vorstrukturierten Bedingungen bei Vertragsschluß kommt es danach nicht darauf an, ob dem Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers bekannt war, etwa weil dieser sie offengelegt hat. Wie der Kläger zutreffend ausführt, darf der Arbeitgeber bei Vertragsschluß nicht erfragen, ob der Arbeitnehmer tarifgebunden ist oder nicht. Wenn ein Arbeitgeber von sich aus die Anwendbarkeit der einschlägigen Tarifverträge anbietet, erfolgt das typischerweise deshalb, weil er an die in Bezug genommenen Tarifverträge gebunden ist und mit der Bezugnahme eine Gleichstellung der tarifgebundenen und der nichttarifgebundenen Arbeitnehmer erreichen will. Diese objektiven, durch das arbeitsrechtliche Frageverbot nach der Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers bedingten Umstände sind von dem Empfängerhorizont des verständigen Arbeitnehmers her erkennbar. Wenn keine entgegenstehenden Anhaltspunkte vorliegen, muß der Arbeitnehmer davon ausgehen, daß eine Bezugnahmeklausel, die von der Arbeitgeberseite angeboten wird, als Gleichstellungsabrede gemeint ist (Senat aaO, zu II 1 c bb (1) der Gründe).
bb) Es ist auch bedeutungslos, ob die Gleichstellungsabrede bei beiderseitiger Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses deklaratorisch oder - wie der Kläger annimmt - konstitutiv wirkt. Solange beide Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden sind, gilt der einschlägige Tarifvertrag gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für diese unmittelbar und zwingend. Daß der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber sich zugleich auf eine konstitutiv wirkende dynamische Verweisung berufen können, ist zwar zutreffend, aber nicht von praktischer Bedeutung. Nach Beendigung der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im Arbeitgeberverband und seiner Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG wirken die vormals unmittelbar und zwingend für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträge nach § 4 Abs. 5 TVG nach. Sie haben für dieses aber keine zwingende Wirkung mehr. Die nach wie vor geltende arbeitsvertragliche Vereinbarung, der Arbeitnehmer werde so gestellt, als wäre er tarifgebunden, führt auch bei konstitutiver Wirkung derselben nicht zur Teilnahme des Arbeitnehmers an den nach Verbandsaustritt des Arbeitgebers vereinbarten und in Kraft getretenen Tarifverträgen bzw. Tarifänderungen. Denn mangels der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im tarifschließenden Verband fehlt die Voraussetzung der beiderseitigen Tarifgebundenheit (§ 4 Abs. 1 TVG). Diesbezüglich trifft die Gleichstellungsabrede keine ersetzende Regelung (Senat aaO, zu II 1 c bb (3) der Gründe). Dies haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.
c) Bei der Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um eine Gleichstellungsabrede. Denn der von der seinerzeit tarifgebundenen Beklagten vorformulierte Arbeitsvertrag enthält eine dynamische Verweisung auf die einschlägigen Tarifverträge. Umstände, die eine davon abweichende Auslegung der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien gebieten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.
d) Die Gleichstellungsabrede der Parteien hat damit zur Folge, daß der GTV 99 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zur Anwendung kommt. Sie bewirkte, daß der nichttarifgebundene Kläger an der Tarifentwicklung des in Bezug genommenen Gehaltstarifvertrages teilnahm, wie wenn er tarifgebunden wäre. Die Gleichstellungsabrede ersetzte nur die - hier fehlende - durch die Mitgliedschaft in der zuständigen Gewerkschaft begründete Tarifgebundenheit. Deshalb nahm der Kläger kraft vertraglicher Vereinbarung nur solange an der Tarifentwicklung teil wie ein tarifgebundener Arbeitnehmer. Da der GTV 99 erst abgeschlossen worden ist, nachdem die Beklagte aus dem Tarifträgerverband ausgeschieden war, gilt er mangels Tarifgebundenheit der Beklagten nicht nach § 4 Abs. 1 TVG für die Arbeitsverhältnisse mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern. Demgemäß findet er auf Grund der Bezugnahmeklausel auch nicht auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung.
e) Auf die übrigen Gesichtspunkte der Rechtsverteidigung der Beklagten - korrigierende Vertragsauslegung, Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage, Anrechnung der Sonderzahlung auf den Klageanspruch - kommt es daher nicht an.
II. Die Beklagte hat gem. § 97 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Ende der Entscheidung
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