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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 05.04.2006
Aktenzeichen: 4 AZR 618/05
Rechtsgebiete: Arbeitsvertragsrichtlinien, Vergütungstarifvertrag, AnwendungsTV Berlin


Vorschriften:

Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-DW-EKD)
Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT für den Bereich des Bundes und für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 31. Januar 2003
AnwendungsTV Berlin vom 31. Juli 2003
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

Hinweise des Senats: Parallelsache zu 5. April 2006 - 4 AZR 33/05 -, - 4 AZR 60/05 -, - 4 AZR 80/05 -, - 4 AZR 231/05 -, - 4 AZR 237/05 -, - 4 AZR 240/05 -, - 4 AZR 244/05 -, - 4 AZR 325/05 -, - 4 AZR 390/05 - (führend) und - 4 AZR 617/05 -

4 AZR 618/05

Verkündet am 5. April 2006

In Sachen

hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Bepler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Wolter und Creutzfeldt sowie die ehrenamtlichen Richter Kiefer und Bredendiek für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 2. Dezember 2004 - 16 Sa 1895/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Dauer der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Wochenarbeitszeit und die sich daraus ergebende Vergütung des Klägers.

Die Beklagte ist eine kirchliche Einrichtung, die in Berlin vor allem im Bereich der Alten-, Behinderten- und Jugendhilfe tätig ist und etwa 1.450 Arbeitnehmer beschäftigt. Sie ist Mitglied im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg e. V. (DWBB; jetzt Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V., DWBO). In den von ihr abgeschlossenen Arbeitsverträgen mit ihren Mitarbeitern wurde seit den sechziger Jahren ua. auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes verwiesen. Im Jahre 1975 beschloss die Beklagte die einheitliche Einführung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-DW-EKD). Aus Gründen des Bestandsschutzes wurde festgelegt, dass für die Eingruppierung und Vergütung weiterhin die jeweiligen Regelungen des BAT/BMT Anwendung finden sollten. In der praktischen Umsetzung wurden dabei auch Vergütungsregelungen angewandt, die ausschließlich im öffentlichen Dienst des Landes Berlin galten, so ein örtlicher Sonderzuschlag für die Angestellten bis 1985 und durchgehend die Bezirkslohntarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer. Seit Juli 1999 werden in den Formulararbeitsverträgen bei der Beklagten die AVR-DW-EKD auch hinsichtlich der Eingruppierung und der Vergütung in Bezug genommen.

Der Kläger ist seit dem 1. Dezember 1989 bei der Beklagten als Maurer beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien vom gleichen Tage lautet auszugsweise wie folgt:

"Eingruppierung und Vergütung erfolgen für Angestellte nach dem Bundesangestellten-Tarifvertrag - BAT/Bund/Länder - und für Lohnempfänger nach dem Bundesmanteltarifvertrag - BMT/G -

in der Gruppe BMT-G VI Fallgr. 1

Grundgehalt/Lohn DM 2.458,92

...

Arbeiterzuschlag DM 67,--

...

Essenzuschlag DM 19,--

...

Die Arbeitszeit beträgt 39 Stunden/Woche gemäß AVR Grundlagen dieses Arbeitsvertrages sind im übrigen die Arbeitsvertragsrichtlinien des DIAKONISCHEN WERKES der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung. ...

Sonstige Vereinbarungen

Die vereinbarte Arbeitszeit beträgt 40 Std./Wo. mit Ansparung dienstfreier Arbeitstage gemäß § 9 e AVR. Bei allgemeiner Änderung der Arbeitsvertragsrichtlinien verändert sich die Stundenzahl entsprechend."

Bis zum 31. Dezember 2002 erhielt der Kläger für die für ihn maßgebliche Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden Lohn auf der Grundlage des BMT-G unter Anwendung der für das Land Berlin geltenden Bezirkstarifverträge.

Ab Januar 2003 führte das Land Berlin mit den Gewerkschaften Verhandlungen über eine modifizierte Anwendung des BAT, die am 31. Juli 2003 zum Abschluss eines Tarifvertrags zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (im Folgenden: AnwendungsTV Berlin) führten. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1

Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für die Arbeitnehmer ... des Landes Berlin.

...

§ 3

Maßgaben zur Arbeitszeit

...

C. Arbeiter (außer Arbeiter bei den Berliner Forsten)

(1) Die besondere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Sinne des § 14 Abs. 1 BMT-G/BMT-G-O beträgt ausschließlich der Pausen

...

für Arbeiter der Lohngruppen 7 bis 9 90 v. H. der nach der vorstehend genannten manteltarifvertraglichen Vorschrift maßgebenden Arbeitszeit.

Die vorstehenden Regelungen gelten für nichtvollbeschäftigte Arbeiter entsprechend (§ 25 Abs. 1 BMT-G/BMT-G-O), soweit nicht § 5 eine abweichende Regelung enthält.

(2) Die zu erbringende regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 37 Stunden wöchentlich. Für die Berechnung des Durchschnitts gilt § 14 Abs. 1 Unterabs. 2 und die Protokollerklärung zu Abs. 1 BMT-G/BMT-G-O.

...

Die zu erbringende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Arbeitern, deren individuelle besondere Arbeitszeit weniger als die Arbeitszeit eines Arbeiters mit der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit im Sinne des Absatzes 1 beträgt, errechnet sich aus dem Verhältnis, in dem die zu erbringende Arbeitszeit des entsprechenden Vollbeschäftigten zur besonderen Arbeitszeit des entsprechenden Vollbeschäftigten steht, soweit nicht § 5 eine abweichende Regelung enthält.

(3) Das Zeitguthaben, das der Arbeiter durch die gemäß Absatz 2 regelmäßig zu erbringende über die nach Absatz 1 geltende Arbeitszeit hinaus erarbeitet, wird auf einem Arbeitszeitkonto angesammelt. § 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 BMT-G/BMT-G-O gilt insoweit nicht. ...

§ 4

Maßgaben zur Höhe der Bezüge

...

B. Arbeiter (außer Arbeiter bei den Berliner Forsten)

(1) Die Höhe des Monatstabellenlohnes und des Sozialzuschlages beträgt für

...

Arbeiter der Lohngruppen 7 bis 9 90 v.H. der tarifvertraglich - ... - vorgesehenen Beträge. Die Anlagen zum Monatslohntarifvertrag Nr. 28 zum BMT-G vom 31. Januar 2003 ... gelten unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Vom-Hundert-Sätze; dies gilt nicht für die Berechnung eines auf eine Stunde entfallenden Anteils des Lohnes. ...

§ 8

Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen

Betriebsbedingte Kündigungen mit dem Ziel der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind vom 1. August 2003 bis zum 31. Dezember 2009 ausgeschlossen. ..."

Hinsichtlich der vom BMT-G abweichenden Regelungen wurde die Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) - mit einer hier nicht relevanten Ausnahme - ausgeschlossen.

Die Beklagte bot im Folgenden all ihren Arbeitnehmern eine Arbeitsvertragsänderung an, wonach die AVR des Diakonischen Werkes in jeder Hinsicht in Bezug genommen werden. Der Kläger und etwa 160 weitere Arbeitnehmer der Beklagten nahmen dieses Angebot nicht an.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich entsprechend der Zeit- und Vergütungsregelungen des AnwendungsTV Berlin seine Arbeitszeit und seine Vergütung um 10 % reduziere und forderte ihn auf, ab 1. Januar 2004 nur noch 34,65 Wochenstunden zu arbeiten. Der Kläger widersprach dieser Auffassung mit Schreiben vom 18. Dezember 2003. Ab dem 1. Januar 2004 zahlte die Beklagte dem Kläger eine um 10 % reduzierte Vergütung.

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Kürzung der Wochenarbeitszeit und der Vergütung. Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für die Monate Januar bis März 2004 die Vergütung für 38,5 Wochenstunden zu. Die im AnwendungsTV Berlin vorgesehenen Arbeitszeit- und Vergütungskürzungen seien ihm gegenüber nicht gerechtfertigt, weil sich seine Arbeitszeit nach den AVR richte und der AnwendungsTV Berlin für sein Arbeitsverhältnis nicht gelte.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers ab dem 1. Januar 2004 38,5 Stunden beträgt;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate Januar bis März 2004 699,72 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 4. Mai 2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die arbeitsvertragliche Inbezugnahmeklausel die Gleichstellung des Klägers mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Lande Berlin beinhalte. Die im AnwendungsTV Berlin vorgesehenen Kürzungen von Arbeitszeit und Vergütung gälten deshalb auch für das Arbeitsverhältnis des Klägers.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte verfolgt mit der vom Senat mit Beschluss vom 14. September 2005 zugelassenen Revision ihr Ziel der Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zu Recht zurückgewiesen. Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beträgt 38,5 Stunden. Das ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag iVm. den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der EKD in der Fassung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg (AVR-DW-BB). Der AnwendungsTV Berlin findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

A. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass sich die Arbeitszeit und die Vergütung des Klägers nicht nach dem AnwendungsTV Berlin richten. Die Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf die Arbeitszeitregelung der AVR sei so eindeutig, dass eine abweichende Auslegung nicht möglich sei. Es könne zwar angenommen werden, dass die Beklagte für den Fall, dass man ein Auseinanderlaufen der Arbeitszeitregelungen in den AVR-DW-EKD und der für das Land Berlin maßgeblichen Vorschriften für möglich gehalten hätte, dem Kläger nur eine an das Land Berlin angebundene Regelung angeboten hätte. Dies sei aber tatsächlich nicht geschehen.

B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und weitgehend in der Begründung. Die Arbeitszeit des Klägers beträgt 38,5 Wochenstunden. Die Arbeitszeitreduzierung nach dem AnwendungsTV Berlin gilt nicht für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Dem Kläger steht deshalb die sich aus dem BMT-G ergebende Vergütung für 38,5 Wochenstunden zu. Die Differenz hinsichtlich der Höhe des entsprechenden Lohnes ist rechnerisch unstreitig.

I. Die Klage ist zulässig. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann eine Feststellungsklage auch einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis betreffen, wie bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder den Umfang einer Leistungspflicht (BAG 23. Juni 1992 - 1 AZR 57/92 - AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 1). Das erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers liegt vor. Die maßgebliche Wochenarbeitszeit ist zwischen den Parteien streitig und kann durch die begehrte Feststellung geklärt werden (vgl. dazu BAG 10. Februar 2005 - 6 AZR 182/04 - EzBAT BAT SR 2r Nr. 3 Nr. 4).

II. Die Klage ist auch begründet.

1. Die von dem Kläger zu leistende Wochenarbeitszeit beträgt 38,5 Stunden.

Das ergibt eine Auslegung des Arbeitsvertrags.

a) Bei der Arbeitszeitklausel im Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um eine typische Vertragsklausel, die in zahlreichen Verträgen der Beklagten mit ihren Arbeitnehmern vereinbart worden ist. Das Verständnis und die Auslegung typischer Vertragsklauseln unterliegen der uneingeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr. zB Senat 1. August 2001 - 4 AZR 129/00 - BAGE 98, 293, 299).

b) Eine Reduzierung der im Arbeitsvertrag des Klägers ausdrücklich unter Bezug auf die AVR-DW-EKD genannten Wochenarbeitszeit von derzeit 38,5 Stunden scheidet aus, weil die Auslegung des Arbeitsvertrags ergibt, dass die Verweisung auf den BMT-G nur die Eingruppierung und die Vergütung, nicht aber die Arbeitszeit erfasst. Im Übrigen beabsichtigten die Parteien keine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst des Landes Berlin.

aa) Die von dem Kläger arbeitsvertraglich zu leistende Wochenarbeitszeit richtet sich nicht nach dem BMT-G, sondern nach den AVR-DW-EKD. Das ergibt sich, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend annimmt, bereits aus dem Wortlaut des Arbeitsvertrags. Dort ist ausdrücklich geregelt, dass die Arbeitszeit "39 Stunden/Woche gemäß AVR" beträgt. Die regelmäßige Arbeitszeit gem. § 9 Abs. 1 AVR-DW-EKD belief sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags am 1. Dezember 1989 auch auf 39 Wochenstunden.

Ferner haben die Parteien die ausdrückliche Zusatzvereinbarung über die seinerzeit erhöhte Arbeitszeit des Klägers (40 Wochenstunden) mit der Ansparung dienstfreier Arbeitstage "gemäß § 9 e AVR" vereinbart. § 9e AVR-DW-EKD lautet in der damals geltenden Fassung (die Regelung ist inzwischen abgeschafft) wie folgt:

"§ 9e Arbeitszeitverkürzung durch Dienstvereinbarung

(Dienstfreie-Arbeitstage)

(1) Zur Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung soll für Teile der Einrichtung oder für die gesamte Einrichtung eine Dienstvereinbarung mit dem Inhalt der Absätze 2 bis 9 abgeschlossen werden.

(2) Es wird weiterhin durchschnittlich 40 Stunden pro Woche (Normalarbeitszeit) gearbeitet.

(3) Der Zeitausgleich zwischen der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit (§ 9 Abs. 1) und der Normalarbeitszeit erfolgt ... bei Zahlung der Urlaubsvergütung (§ 28 Abs. 10) durch Dienstfreie-Arbeitstage.

..."

In den folgenden Absätzen war die Durchführung dieses Zeitausgleichs im Einzelnen geregelt. Im BMT-G von 1989 war in § 14a (Arbeitszeitverkürzung durch freie Tage) eine ähnliche Regelung enthalten, die aber sowohl materiell als auch vom Verfahren her deutlich abwich. Mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 9e AVR-DW-EKD haben die Parteien deutlich gemacht, dass sich ihre Arbeitszeitregelungen insgesamt nach den AVR-DW-EKD richten sollten und keineswegs nach dem BMT-G.

Sodann haben die Parteien im Arbeitsvertrag vereinbart, dass bei "allgemeiner Änderung der Arbeitsvertragsrichtlinien ... sich die Stundenzahl entsprechend" verändert. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend bemerkt, ist diese dynamische Verweisung an Deutlichkeit nicht zu überbieten. So entsprach auch die unstreitig bis zum 31. Dezember 2002 geltende wöchentliche Arbeitszeit des Klägers mit 38,5 Stunden der Absenkung, die in den AVR-DW-EKD zum 1. April 1990 vorgenommen worden war.

Die Auffassung der Revision, der Verweis auf die AVR sei "als nicht geschrieben anzusehen", kann sich nicht auf anerkannte Auslegungsgrundsätze berufen.

bb) Angesichts dieser Vereinbarung kann der Arbeitsvertrag nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass der BMT-G nicht nur für die Eingruppierung und Vergütung, sondern auch für die Arbeitszeit des Klägers gelten sollte.

(1) Die ausdrückliche Bezugnahme der Parteien auf den BMT-G erfolgte ausschließlich hinsichtlich der Regelungen zur Eingruppierung und Vergütung, mithin auf den Abschnitt V (§§ 19 - 32) des BMT-G und die nach § 20 Abs. 2 BMT-G hierzu ergangenen Monatslohntarifverträge (MLT) nebst dem Rahmentarifvertrag zu § 20 Abs. 1 BMT-G II. Die Arbeitszeit ist im BMT-G dagegen im Abschnitt IV (§§ 14 - 18) geregelt, der von den Arbeitsvertragsparteien gerade nicht in Bezug genommen worden ist.

(2) Die Anwendung der Arbeitszeitregeln des BMT-G ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus einem untrennbaren synallagmatischen Verhältnis der Arbeitszeit zur Vergütung. Zwar stehen Arbeitszeit und Vergütung in einem synallagmatischen Zusammenhang. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass ihre Regelungen in demselben Normsystem enthalten sein müssen.

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bestimmt zum einen diejenige Zeit, für die die tarifvertraglich festgelegte Vergütung gewährt wird. Sie bestimmt zum anderen diejenige Arbeitszeit, die von dem Arbeitnehmer tatsächlich zu leisten ist, sofern keine abweichende Regelung getroffen wird. Auf Grund des Synallagmas zwischen Arbeitszeit und Vergütung muss die Bezugsgröße für diejenige Vergütung, die sich aus dem BMT-G ergibt, auch die im BMT-G festgesetzte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sein. Das zwingt aber nicht dazu, dass auch die tatsächlich zu leistende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sich nach dem BMT-G richten muss. Die tatsächlich vom Arbeitnehmer zu leistende Arbeitszeit kann ohne weiteres einem anderen Regelwerk entnommen werden als die dafür zu zahlende Vergütung. Steht nach dem Arbeitsvertrag und den AVR-DW-EKD fest, welche wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu leisten hat, so hat er einen Anspruch auf diejenige Vergütung, die ein Arbeiter im öffentlichen Dienst in derjenigen Lohngruppe, die für die Tätigkeit des Arbeitnehmers maßgeblich ist, für die von diesem zu leistende Arbeitszeit verlangen kann.

cc) Der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme der Eingruppierungs- und Vergütungsregelungen des BMT-G kann entgegen der Auffassung der Revision auch keine Gleichstellungsabrede mit den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes des Landes Berlin entnommen werden.

(1) Eine Gleichstellungsabrede im Sinne der bisherigen Senatsrechtsprechung liegt bereits deshalb nicht vor, weil der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist und deshalb durch Inbezugnahmeklausel eine Gleichstellung der tarifgebundenen mit den nichttarifgebundenen Arbeitnehmern nicht hergestellt werden kann. Objektive Voraussetzung für die der Auslegungsregel zu Grunde liegende Interessenlage und für die Auslegung der Verweisungsklausel als Gleichstellungsabrede ist die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers (26. September 2001 - 4 AZR 544/00 - BAGE 99, 120, 126 ff.; 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - BAGE 105, 284, 287 ff.; 25. September 2002 - 4 AZR 294/01 -BAGE 103, 9, 14, jeweils mwN). Die Verweisungsklausel soll lediglich die Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzen, nicht die des Arbeitgebers (vgl. Senat 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 34 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 29, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

(2) Auch die Beklagte selbst hat in ihrem Schreiben vom 9. Dezember 2003 nicht die exakte Umsetzung der Arbeitszeitregelungen des AnwendungsTV Berlin verlangt.

Dieser unterscheidet zwischen der "besonderen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit", die - wie die gezahlte Vergütung - auf 90 % der Arbeitszeit des § 14 Abs. 1 BMT-G/BMT-G-O herabgesetzt wurde, und der von dem Arbeitnehmer "zu erbringenden regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit" von 37 Stunden, wobei die Differenz zwischen der zu vergütenden und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit dem Arbeitnehmer auf einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben wird. Die Beklagte dagegen hat diese Unterscheidung nicht vorgenommen, sondern lediglich die Ableistung von nur noch 34,65 Wochenstunden gegen eine entsprechend abgesenkte Vergütung verlangt und damit selbst deutlich gemacht, dass sie von einer für die Arbeiter des Landes Berlin zu leistenden Wochenarbeitszeit abweicht.

(3) Durch die Annahme einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden gemäß Arbeitsvertrag oder AVR-DW-EKD wird das in § 44 LHO Berlin und den dazu ergangenen Nebenbestimmungen normierte "Besserstellungsverbot" nicht nur nicht verletzt, sondern im Gegenteil gesichert. Ein vergleichbarer Arbeiter des öffentlichen Dienstes im Land Berlin, der 38,5 Wochenstunden arbeitet, kann genau die Vergütung verlangen, die der Kläger beansprucht. Daran hat sich durch den AnwendungsTV Berlin nichts geändert, da dieser lediglich die "besondere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit" der ihm unterfallenden Arbeitsverhältnisse neu regelt. Für 90 % der nach der "manteltarifvertraglichen Vorschrift maßgebenden Arbeitszeit" wird nur 90 % der Vergütung gezahlt. Das Verhältnis von Arbeitszeit und Vergütung bleibt durch den AnwendungsTV Berlin demnach unangetastet, was in § 4 B Abs. 1 letzter Halbsatz AnwendungsTV Berlin zum Ausdruck kommt. In der Vorschrift ist die Absenkung der Monatstabellenlöhne in Abhängigkeit von der Arbeitszeit im Einzelnen beziffert, jedoch ausdrücklich festgehalten, dass die Absenkung für Stundenlöhne nicht gilt. Eine Besserstellung des Klägers und anderer Arbeitnehmer der Beklagten wird durch die Beschäftigung für 38,5 Wochenstunden deshalb nicht bewirkt. Im Gegenteil würde durch die partielle, dh. auf die Arbeitszeitregelung bezogene Geltung des AnwendungsTV Berlin eine Schlechterstellung der Arbeitnehmer der Beklagten eintreten, da diesen die Kompensationsleistungen aus dem AnwendungsTV Berlin, zB das Verbot betriebsbedingter Kündigungen für sechseinhalb Jahre, nicht zukommen würde.

Das "Besserstellungsverbot" ist aber auch deshalb nicht von der Nichtgeltung des AnwendungsTV Berlin berührt, weil die nach §§ 23, 44 LHO Berlin durchgeführte Erforderlichkeitsprüfung die Notwendigkeit einer Wochenstundenzahl von 38,5 ergeben hat, da andernfalls die Zuwendung nicht hätte gewährt werden dürfen. Solange diese als erforderlich angesehene Arbeitszeit nicht abgesenkt worden ist, kann das "Besserstellungsverbot" durch die bloße Fortsetzung der bisherigen Arbeitszeitpraxis nicht verletzt werden.

(4) Es erscheint ferner zweifelhaft, ob die von der Beklagten gewählte Verweisungstechnik überhaupt geeignet ist, einen Sanierungstarifvertrag wie den AnwendungsTV Berlin in die bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse einzubeziehen. Dagegen spricht schon, dass es sich bei Sanierungstarifverträgen um Sonderregelungen handelt, die auf eine atypische, insbesondere wirtschaftlich schwierige Situation im unmittelbaren Geltungsbereich des Tarifvertrags reagieren. So verhält es sich auch beim AnwendungsTV Berlin, der der besonderen Situation im öffentlichen Dienst des Landes Berlin Rechnung tragen soll. Ob eine Verweisung in den Arbeitsverträgen eines nicht dem öffentlichen Dienst angehörenden Dritten, bei dem die diesen Tarifabschluss veranlassende Situation nicht oder jedenfalls nicht in gleicher Weise vorliegt, auf allgemein geltende Tarifverträge des öffentlichen Dienstes auch solche Sonderregelungen einbeziehen will, ist fraglich. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die arbeitsvertragliche Verweisung nur einzelne Regelungsbereiche des BAT, die dann im AnwendungsTV Berlin speziell für das Land Berlin geregelt werden, in Bezug nimmt, während für andere Bereiche, etwa das Kündigungsrecht, die AVR-DW-EKD maßgeblich sein und bleiben sollen. Die Einbeziehung des AnwendungsTV Berlin würde damit dazu führen, dass die Arbeitnehmer der Beklagten zwar die Nachteile des AnwendungsTV Berlin hätten, den Ausgleich, der besonders im Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für mehr als sechs Jahre liegt, aber nicht in Anspruch nehmen könnten, weil die Verweisungsklausel in keinem Fall in diesen Regelungsbereich reicht, die AVR-DW-EKD also maßgeblich bleiben. Die komplexe Regelung des AnwendungsTV Berlin würde damit entgegen dem Willen der Parteien dieses Tarifvertrags getrennt. Da - wie dargelegt - der arbeitsvertraglichen Verweisung, was den Umfang der Arbeitszeit angeht, jedoch keine Inbezugnahme des AnwendungsTV entnommen werden kann, kann diese Frage unentschieden bleiben.

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Vergütung für eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden, unabhängig davon, ob er in der streitigen Zeit von Januar bis März 2004 tatsächlich 38,5 Wochenstunden gearbeitet hat. Selbst wenn er nur die von der Beklagten geforderten 34,65 Wochenstunden gearbeitet hat, steht ihm die Vergütungsdifferenz gem. § 615 Satz 1 BGB zu, da sich die Beklagte insoweit in Annahmeverzug befand.

3. Die danach maßgeblichen Vergütungsansprüche für den streitigen Zeitraum hat der Kläger für die von ihm zu leistende bzw. geleistete Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden konkret beziffert; sie sind in der Höhe rechnerisch unstreitig und betragen in den Monaten Januar bis März 2004 jeweils 233,24 Euro brutto, woraus sich die Klagesumme ergibt.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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