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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.01.2000
Aktenzeichen: 4 AZR 814/98
Rechtsgebiete: Manteltarifvertrag für den Hessischen Einzelhandel vom 10/11. Juli 1989 idF vom 16/17. Juni 1993


Vorschriften:

Manteltarifvertrag für den Hessischen Einzelhandel vom 10/11. Juli 1989 idF vom 16/17. Juni 1993 § 5 Nr. 6
Leitsätze:

Wenn arbeitsvertraglich neben einer festen untertariflichen Vergütung auch Provisionszahlungen vereinbart sind, führt die Sicherung eines monatlichen festen Betrages (sog. "Fixum") in Höhe des tariflichen Gehalts durch § 5 Nr. 6 MTV für den Hessischen Einzelhandel nur dazu, daß monatlich unter Einbeziehung der Provisionszahlungen mindestens das tarifliche Gehalt, nicht aber, daß zusätzlich zu den Provisionen eine feste Vergütung in Höhe des Tarifgehaltes gezahlt werden muß.

Aktenzeichen: 4 AZR 814/98 Bundesarbeitsgericht 4. Senat Urteil vom 19. Januar 2000 - 4 AZR 814/98 -

I. Arbeitsgericht Urteil vom 16. Juli 1996 Darmstadt - 3 Ca 494/95 -

II. Landesarbeitsgericht Urteil vom 24. Juni 1998 Hessisches - 8 Sa 521/97 -


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

4 AZR 814/98 8 Sa 521/97

Verkündet am 19. Januar 2000

der Geschäftsstelle

In Sachen

Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin,

pp.

Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte,

hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Schliemann, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Friedrich und Dr. Wolter, die ehrenamtlichen Richter Wehner und Weßelkock für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Juni 1998 - 8 Sa 521/97 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 16. Juli 1996 - 3 Ca 494/95 - wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Vergütung in dem Zeitraum von Januar 1993 bis Oktober 1995.

Die Klägerin war seit dem 1. Mai 1992 bei der Beklagten als Verkäuferin im Einzelhandelsgeschäft in B beschäftigt. In dem zugrunde liegenden Arbeitsvertrag vom 20. März 1992 ist ua. bestimmt:

"§ 5 Gehaltszahlung

1. Der Arbeitnehmer versichert, daß er im 7. Berufsjahr, 7. Tätigkeitsjahr steht, Ausbildungsjahre sind dabei nicht mitgezählt.

2. Der Arbeitnehmer wird in die Gehaltsgruppe B I a/B 2 Berufs-/Tätigkeitsjahr eingestuft.

3. Das monatliche Bruttoentgelt setzt sich zusammen aus:

Grundgehalt 1.950,00 DM

etwaige pauschale Zulage 150,00 DM

Monatsentgelt insgesamt 2.100,00 DM.

...

§ 7 Sonderzuwendungen

1. Sonderleistungen, wie zB Gratifikationen, Jahrestantiemen, Provisionen oder sonstige Sonderzuwendungen sind, auch wenn sie wiederholt gezahlt werden, jederzeit widerrufliche freiwillige Leistungen des Arbeitgebers; ein Anspruch des Arbeitnehmers auf solche Leistungen oder auf eine bestimmte Höhe dieser Leistungen besteht nicht.

...

§ 25 Sonstige Vereinbarungen

Es werden weiter folgende Vereinbarungen getroffen:

Frau H erhält Prämien und Provisionen gemäß betrieblicher Vereinbarung. Als Arbeitszeit sind 143 Stunden je Monat vereinbart.

Seit Anfang 1993 erhielt die Klägerin ein Monatsgehalt von 2.155,00 DM, eine Parkplatzzulage von 85,00 DM sowie eine Umsatzprovision in monatlich wechselnder Höhe. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien unterfiel im streitgegenständlichen Zeitraum dem Manteltarifvertrag für den Hessischen Einzelhandel in der Fassung vom 16./17. Juni 1993 (MTV) und den Gehaltstarifverträgen für den Hessischen Einzelhandel (GTV) in den Fassungen vom 28. Mai 1992, vom 16./17. Juni 1993 und vom 29. Juni 1995, weil diese für allgemeinverbindlich erklärt worden waren. Mit Schreiben vom 11. September 1995 hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemacht, daß das der Klägerin gezahlte Gehalt nicht dem tariflichen Gehalt entspreche, und hat rückwirkend die Abrechnung und Auszahlung des tariflichen Gehalts verlangt. Die Beklagte hat mit dem Antwortschreiben vom 15. September 1995 dargelegt, daß in der Zeit von Januar bis August 1995 die gezahlte Vergütung unter Einbeziehung der Provisionen und der Parkplatzzulage nur 115,59 DM unter der tariflichen Vergütung gelegen habe.

Mit der am 13. Oktober 1995 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Sie macht für die Zeit von Januar 1993 bis Oktober 1995 die Differenz zwischen dem ihr gezahlten Monatsentgelt von 2.155,-- DM und dem jeweiligen tariflichen Gehalt, berechnet für ihre wöchentliche Arbeitszeit von 33 Stunden, geltend.

Die Klägerin ist der Meinung, daß ihr das Tarifgehalt unabhängig von der ihr gezahlten Provision zusteht. Sie beruft sich insoweit auf § 5 Nr. 6 MTV, wonach das monatliche Fixum mindestens dem monatlichen Tarifgehalt entsprechen müsse und die Provision zusätzlich zu zahlen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 17.354,98 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus 323,20 DM ergebenden Nettobetrag sei 1. Februar 1993, aus dem sich aus 361,80 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 1. März 1993, aus dem sich aus jeweils 440,29 DM brutto ergebenden Nettobetrag sei 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober und 1. November 1993, aus dem sich aus jeweils 486,21 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 1. Dezember 1993, 1. Januar, 1. Februar, 1. März und 1. April 1994, aus dem sich aus jeweils 537,69 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 1994, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai und 1. Juni 1995 und aus dem sich aus jeweils 637,79 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober und 1. November 1995 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Meinung, daß durch § 5 Nr. 6 MTV sichergestellt werden solle, daß der Arbeitnehmer in jedem Falle das Tarifgehalt erhalte, auch wenn sich sein Gehalt aus verschiedenen Vergütungen zusammensetze. Das Tarifgehalt werde nicht unterschritten, wenn die gezahlte Vergütung unter Einschluß der Provisionen und der Zahlung für den Parkplatz das Tarifgehalt erreiche. Im übrigen stehe der Klägerin das tarifliche Gehalt nach dem Arbeitsvertrag und nach dem allgemeinverbindlichen Lohn- und Gehaltstarifvertrag für den Hessischen Einzelhandel zu.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 650,21 DM nebst Zinsen stattgegeben, dh. in Höhe der Summe der Differenzen zwischen dem Tarifgehalt und der tatsächlich gezahlten Vergütung unter Einbeziehung der Provision und der Parkplatzzulage in den Monaten Februar bis Juli 1995. Auf die Berufung der Klägerin hin hat das Landesarbeitsgericht ihr weitere 13.984,73 DM nebst Zinsen zuerkannt, dh. die Differenz zwischen dem Tarifgehalt und der tatsächlich gezahlten Vergütung unter Einbeziehung der Parkplatzzulage, aber ohne Einbeziehung der Provision, und zwar für den gesamten Zeitraum von Januar 1993 bis Oktober 1995. Mit der Revision strebt die Beklagte die Zurückweisung der Berufung an. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist begründet. Der Klägerin stehen keine weitergehenden Ansprüche über den von dem Arbeitsgericht rechtskräftig ausgeurteilten Betrag von 650,21 DM zu.

Im Ergebnis zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Oktober 1995 zusätzlich zu der ihr gewährten Provision in wechselnder Höhe die Differenz zwischen der ihr tariflich zustehenden Vergütung und dem ihr von der Beklagten bezahlten Grundgehalt von 2.155,-- DM zuzüglich 85,-- DM Parkplatzzulage zugesprochen. Die dabei von dem Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung des § 6 Abs. 5 MTV hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

2. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht stillschweigend davon ausgegangen, daß der Klägerin auf Grund der für allgemeinverbindlich erklärten GTV idF vom 28. Mai 1992, vom 16./17. Juni 1993 und vom 29. Juni 1995 die Vergütung nach der Gehaltsgruppe B I a ab 5. Berufsjahr zustand, und zwar anteilig im Hinblick auf ihre vertraglich festgelegte Arbeitszeit von 33 Stunden wöchentlich im Verhältnis zu der tariflichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden wöchentlich (§ 2 Ziff. 1 MTV). Hierüber streiten die Parteien auch nicht.

3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht der Klägerin diese tarifliche Vergütung nicht zusätzlich zu der Provision in wechselnder Höhe zu. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung auf § 5 Nr. 6 MTV gestützt, der folgenden Wortlaut hat:

Bezieht ein/e Arbeitnehmer/in verschiedene Arten von Vergütungen (Fixum und Provision, ausgenommen Stück- oder ähnliche Prämien), so muß das monatliche Fixum mindestens dem monatlichen Tarifgehalt/Tariflohn entsprechen.

Das Landesarbeitsgericht hat diese Regelung dahingehend ausgelegt, daß unter Fixum ein im voraus vereinbarter monatlicher fester Betrag zu verstehen sei. Die der Klägerin gewährten Provisionen dagegen seien als umsatzabhängige Vergütung von unterschiedlicher Höhe und im übrigen gem. § 7 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages eine jederzeit widerrufliche freiwillige Leistung. Deshalb stehe der Klägerin unabhängig von den Provisionen ein Anspruch auf einen festen monatlichen Betrag in Höhe des Tarifgehaltes zu. Diese Auslegung des § 5 Abs. 6 MTV hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (Senat 5. Oktober 1999 - 4 AZR 578/98 - AP § 4 TVG Verdienstsicherung Nr. 15, zu I 2 a der Gründe).

b) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht zunächst davon aus, daß unter Fixum ein monatlich feststehender Betrag zu verstehen sei. Das entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach unter Fixum der feste Teil des Entgelts zu verstehen ist, und zwar im Gegensatz zu dem variablen, nach Leistung oder Arbeitszeit bemessenen Entgelt (Gabler Wirtschaftslexikon 13. Aufl. S 1169; Meyers Enzyklopädisches Lexikon 9. Aufl. Bd. 8 S 848).Unzutreffend ist aber die Begründung des Landesarbeitsgerichts dafür insoweit, als sie auf die Freiwilligkeit und jederzeitigen Widerruflichkeit der Provision abstellt. Dabei wird übersehen, daß § 25 des Arbeitsvertrages hinsichtlich der Provision auf betriebliche Vereinbarungen verweist, so daß der allgemeine Freiwilligkeitsvorbehalt für Sonderzuwendungen in § 7 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages offensichtlich nicht einschlägig ist. Unabhängig von der Freiwilligkeit bzw. Widerruflichkeit der Provision kann diese nicht als Fixum iSd. Tarifvertrages angesehen werden, weil sie leistungsabhängig und somit in der Höhe variabel ist. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält als "Fixum" iSv. § 5 Nr. 6 MTV nur das Grundgehalt von zuletzt 2.155,-- DM und die Parkplatzzulage von 85,-- DM.

c) Fehlerhaft aber ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts insoweit, als sie aus dem Verständnis von Fixum als feststehendem Teil der Bezüge schlußfolgert, das Fixum sei das tarifliche Gehalt und dies stehe der Klägerin unabhängig und damit zusätzlich zu der ihr gezahlten Provision zu. Dabei unterscheidet das Landesarbeitsgericht nicht hinreichend zwischen der dem MTV entsprechenden Regelung und den Konsequenzen bei einer nicht tarifkonformen Regelung. Vorliegend kommt es auf die Konsequenzen der tariflichen Regelung in § 5 Nr. 6 MTV für den Fall an, daß bei einer Vergütung mit verschiedenen Elementen das Fixum im Sinne der festen Vergütungsbestandteile unter dem tariflichen Gehalt liegt und zusätzlich variable Provisionen gezahlt werden. § 5 Nr. 6 MTV sichert nur das tarifliche Gehalt als monatliches Mindest-einkommen, führt aber nicht dazu, daß die festen Einkommensbestandteile bis zum tariflichen Gehalt aufgestockt und zusätzlich die variablen Provisionen gezahlt werden müssen. Die Regelung in § 5 Nr. 6 MTV ist vielmehr als Garantie eines monatlichen Mindesteinkommens in Höhe des tariflichen Gehalts zu verstehen, bei dem auch die variablen Provisionen mitzurechnen sind. Zu einer Erhöhung der vertraglichen Vergütung führt die Regelung deshalb nur in den Monaten, in denen die feste Vergütung zuzüglich der Provision unter der tariflichen Vergütung liegt.

aa) Der Wortlaut der Regelung steht dieser Auslegung nicht entgegen. § 5 Nr. 6 MTV verwendet den Begriff "Fixum" zweimal mit einem erkennbar unterschiedlichen Bedeutungszusammenhang, zum einem zur Erläuterung des Anwendungsbereichs dieser Regelung, dh. bei Bezug von verschiedenen Arten von Vergütungen, mit dem Klammerzusatz "Fixum und Provision, ausgenommen Stück- und ähnliche Prämien", und zum anderen mit der Festlegung, daß das monatliche "Fixum" mindestens dem monatlichen Tarifgehalt entsprechen muß. Aus dem Wort "Fixum" ergibt sich hier keine verbindliche Aussage über die Konsequenzen für den Fall der Festlegung einer unter- tariflichen Vergütung zuzüglich einer variablen Provision. Auch die Erläuterung in dem Klammerzusatz führt insoweit zu keiner Klärung. Zwar wird durch die Nebeneinanderstellung von Fixum und Provision die Auslegung nahegelegt, daß Fixum im Sinne der tariflichen Regelung keine Provision sein kann. Dabei würde aber verkannt, daß auch bei Provisionen feste Bestandteile im Sinne einer Mindestprovision bzw. Garantieprovision vereinbart werden können. Insbesondere aber ergibt sich auch aus diesem erläuternden Klammerzusatz nichts für die Beantwortung der vorliegend entscheidenden Fragestellung nach der Anrechenbarkeit der variablen Provisionen auf das tariflich geforderte Fixum in Höhe des tariflichen Gehalts.

bb) Gegen diese Auslegung spricht auch nicht, wie das Landesarbeitsgericht argumentiert, daß dann § 5 Nr. 6 neben § 5 Nr. 1 und 4 MTV keinen eigenen Regelungsinhalt habe. Zwar legt § 5 Nr. 4 MTV mit der Formulierung, daß das tarifliche Gehalt nicht unterschritten werden dürfe, den Charakter der tariflichen Vergütung als Mindestvergütung fest. § 5 Nr. 6 behandelt - darüber hinausgehend - aber die Fallkonstellation einer aus verschiedenen Arten zusammengesetzten Vergütung, bei der sich ua. die Frage stellt, ob der Anspruch auf das monatliche tarifliche Gehalt durch Verrechnung mit höheren Provisionszahlungen in anderen Monaten erfüllt werden kann. Insoweit hat eine Regelung über ein monatliches Mindesteinkommen auch bei einer vertraglichen Vergütungsregelung mit einem festem Gehalt und untertariflichen Grundgehalt und variablen Provisionszahlungen eine besondere Funktion.

cc) Für diese Auslegung spricht auch, daß in den MTV für den Einzelhandel in anderen Tarifbezirken entsprechende Regelungen getroffen worden sind. So bestimmt zB § 10 Ziff. 12 MTV für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern vom 2. September 1996, daß auch dann, wenn Provisionen vereinbart sind, für den einzelnen Monat mindestens ein Entgelt in Höhe des Tarifanspruchs gezahlt werden muß, ohne daß eine Anrechnung auf Bezüge in anderen Zeiträumen erfolgen kann. Damit ist im Sinne eines monatlichen Mindestgarantieeinkommens eine klare Regelung dahingehend getroffen worden, daß bei einer Aufteilung der Vergütung in ein untertarifliches Grundgehalt und eine variable Provision monatlich zumindest eine Zahlung in Höhe des Tarifgehalts erfolgen muß.

dd) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene abweichende Auslegung verbietet sich insbesondere auch deshalb, weil dadurch mit unbilligen Ergebnissen in vertragliche Vergütungsregelungen eingegriffen würde. Denn wenn ein Arbeitgeber neben einem untertariflichen Grundgehalt einem Arbeitnehmer variable Provisionen gewährt und einem anderen Arbeitnehmer hinsichtlich dieser Provisionen insoweit tarifkonform eine Garantieprovision zusagt, die zusammen mit dem Grundgehalt das Tarifgehalt erreicht, so führt das nach der hier vertretenen Auslegung dazu, daß auch der Beschäftigte ohne Garantieprovision im Sinne eines monatlichen Mindesteinkommens jeden Monat zumindest die tarifliche Vergütung erhält und er somit dem anderen Beschäftigen mit der tarifkonformen Regelung gleichgestellt wird. Die abweichende vom Landesarbeitsgericht vertretene Meinung führt demgegenüber dazu, daß bei dem Beschäftigten ohne Garantieprovision das Grundgehalt bis zur Höhe der tariflichen Vergütung aufgestockt werden muß und der Beschäftigte darüber hinaus die variable Provision erhält. Damit wäre er nicht nur dem anderen Beschäftigten mit der tarifkonformen Garantieprovision gleichgestellt, sondern gegenüber diesem bessergestellt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien dieses sinnwidrige Ergebnis gewollt haben.

ee) Diese Auslegung entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Die Entscheidung vom 29. Oktober 1986 (- 4 AZR 643/85 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 14 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 5) betraf den gleichlautenden § 8 Abs. 6 MTV für den Einzelhandel in NRW. Der Arbeitnehmer erhielt ebenfalls neben einem untertariflichen Grundgehalt Provisionen, wobei aber eine Prämie garantiert war, die zusammen mit dem Grundgehalt die tarifliche Vergütung überstieg. Der Senat hat erkannt, daß die garantierte Prämie als Fixum im tariflichen Sinne anzusehen sei und deshalb kein zusätzlicher Anspruch des Klägers auf die Differenz zwischen dem Grundgehalt und dem Tarifgehalt bestehe. Dabei stellte der Senat darauf ab, daß nach der tariflichen Regelung der Arbeitnehmer monatlich einen festen Betrag (Fixum) erhalten solle, der der Höhe nach mindestens dem Tarifgehalt entspreche, und daß es nicht darauf ankomme, wie dieses Fixum bezeichnet werde. Zwar enthält diese Entscheidung auch den Satz, daß dieser feste Betrag im voraus vereinbart sein müsse. Da aber in dem zugrunde liegenden Fall diese Festlegung im voraus erfolgt war, hatte der Senat keine Veranlassung, zu der Frage Stellung zu nehmen, welche Rechtsfolgen sich aus der einschlägigen tarifvertraglichen Regelung ergeben, wenn die im voraus der Höhe nach festgelegten Vergütungsbestandteile zusammen nicht die Höhe der tariflichen Vergütung erreichen.

Die Entscheidung vom 25. Oktober 1989 (- 4 AZR 743/87 - nv.) betrifft die auch hier einschlägige Regelung des § 5 Nr. 6 MTV. Dem Kläger war vertraglich wie vorliegend ein untertarifliches Grundgehalt, Provisionen und Prämien zugesagt worden. Der Senat hat ebenfalls auf den erkennbaren Sinn der tariflichen Regelung, dem Arbeitnehmer das Tarifgehalt als Mindesteinkommen zu sichern, abgestellt und die Anrechnung eines Teils der Provision auf das geschuldete Tarifgehalt für zulässig erklärt. Allerdings hat der Senat entscheidend darauf abgestellt, daß ein monatliches Fixum in Höhe der tariflichen Vergütung schon dadurch gegeben sei, daß dem Kläger auf Grund des allgemeinverbindlichen Gehaltstarifvertrages ein unabdingbarer Anspruch zustehe, der nicht unterschritten werden dürfe. Im Ergebnis aber hat der Senat in diesen beiden Entscheidungen einen über die vertragliche Regelung hinausgehenden Anspruch verneint, wenn die tatsächlich geleisteten Zahlungen einschließlich der Provisionen die tarifliche Vergütung nicht unterschritten haben.

4. Demgemäß stehen der Klägerin zusätzliche Ansprüche nur für die Monate zu, in denen sie mit dem Grundgehalt einschließlich der Provisionen unterhalb des tariflichen Gehalts geblieben ist. Diese Differenzbeträge sind für den Zeitraum von Februar bis Juli 1995 durch das rechtskräftige Urteil des Arbeitsgerichts ausgeurteilt worden. Daß entsprechende Differenzbeträge auch in den anderen Monaten des in Frage stehenden Zeitraums aufgetreten sind, hat die Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch in der Berufungsinstanz nicht vorgetragen. Somit stehen der Klägerin keine Gehaltsansprüche zu, die über die vom Arbeitsgericht ausgeurteilten hinausgehen.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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