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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.01.2000
Aktenzeichen: 4 AZR 837/98
Rechtsgebiete: BAT-O/VKA, VergGr., BÄrzteO, ÖGDG-MV
Vorschriften:
BAT-O/VKA § 22 | |
BAT-O/VKA § 23 | |
VergGr. I b | |
VergGr. I a "Ärzte" der Anl. 1 a zum BAT-O/VKA | |
BÄrzteO § 14 Abs. 1 Satz 2 | |
BÄrzteO § 14 Abs. 1 Satz 3 | |
ÖGDG-MV § 15 (Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Land Mecklenburg-Vorpommern) |
Die fachärztliche Tätigkeit im Sinne der Vergütungsgruppe I b Fallgruppe 1 BAT-O/VKA setzt bei einem Arzt, der seine Approbation und Facharztanerkennung in der ehemaligen DDR erhalten hat, voraus, daß die Approbation nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BÄrzteO fortgalt und daß die verliehene Bezeichnung als Facharzt nach § 14 Abs. 1 Satz 3 BÄrzteO in Verbindung mit den landesrechtlichen Vorschriften weitergeführt werden konnte.
Aktenzeichen: 4 AZR 837/98 Bundesarbeitsgericht 4. Senat Urteil vom 19. Januar 2000 - 4 AZR 837/98 -
I. Arbeitsgericht Stralsund - 3 Ca 1554/96 - Urteil vom 14. April 1997
II. Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - 5 Sa 243/97 - Urteil vom 17. August 1998
4 AZR 837/98 5 Sa 243/97
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 19. Januar 2000
der Geschäftsstelle
In Sachen
Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin,
pp.
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,
hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Schliemann, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Friedrich und Dr. Wolter, die ehrenamtlichen Richter Wehner und Weßelkock für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 17. August 1998 - 5 Sa 243/97 - wird insoweit zurückgewiesen, als die Klage unter entsprechender Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 14. April 1997 - 3 Ca 1554/96 - für die Zeit bis zum 2. Oktober 1998 abgewiesen worden ist.
2. Im übrigen werden auf die Revision der Klägerin das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 17. August 1998 - 5 Sa 243/97 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten sich um die tarifgerechte Vergütung der Klägerin.
Die Klägerin, die in der ehemaligen DDR ab dem 16. August 1969 die Approbation als Arzt und ab dem 15. Oktober 1974 die Anerkennung als Facharzt für Kinderkrankheiten erhalten hat, war in dem Medizinischen Zentrum des kommunalen Gesundheitswesens Greifswald seit dem 1. September 1978 als Jugendärztin tätig. Auf Grund des Änderungsvertrages vom 14. Juni 1991 ist sie seit dem 1. Juli 1991 als vollbeschäftigte Angestellte in der Funktion einer Schulärztin in der Abteilung "Schul-/Jugendärztlicher Dienst" tätig. In § 1 des Vertrages ist vorbehaltlich der Überpüfung bis zum 31. Dezember 1992 die Vergütung nach der Vergütungsgruppe I b BAT-O/VKA festgelegt worden. Nach § 2 finden die jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung, die von der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände abgeschlossen worden sind.
Nach der Stellenbeschreibung vom 1. April 1994 ist die Klägerin mit einem Zeitanteil von 60 % mit schulärztlichen Untersuchungen befaßt. Nach § 15 Abs. 2 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Land Mecklenburg-Vorpommern (ÖGDG) führen die Gesundheitsämter durch ihren kinder- und jugendärztlichen Dienst ua. bei Kindern vor der Einschulung sowie während der Schulzeit regelmäßig Untersuchungen mit dem Ziel durch, Krankheiten und Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und den Gesundheits- und Entwicklungsstand der Kinder festzustellen, soweit das für schulische Entscheidungen bedeutsam ist. In der nach § 15 Abs. 3 ÖGDG erlassenen Verordnung über kinder- und jugendärztliche sowie -zahnärztliche Untersuchungen (SchulgesundheitspflegeVO) ist ua. festgelegt:
"§ 1
Anwendungsbereich
Diese Verordnung regelt Art, Umfang und Zeitpunkt der Untersuchungen, die die Gesundheitsämter
1. bei Kindern vor der Einschulung sowie bei Kindern und Jugendlichen während der Schulzeit mit dem Ziel durchführen, Krankheiten und Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und den Gesundheits- und Entwicklungsstand der Kinder und Jugendlichen festzustellen, soweit dies für schulische Entscheidungen bedeutsam ist (schulärztliche Untersuchungen),
...
§ 3
Art und Zeitpunkt der schulärztlichen Untersuchungen
(1) Schulärztliche Untersuchungen sind bei allen Kindern durchzuführen
1. vor der Einschulung im Rahmen des Schulaufnahmeverfahrens (Einschulungsuntersuchung),
2. in der vierten Klasse,
3. in der achten Klasse.
...
§ 4
Umfang der schulärztlichen Untersuchungen
(1) Bei den Untersuchungen nach § 3 Abs. 1 ist die Eigen- und Familienanamnese zu erheben. Die Angaben sind freiwillig. Die Anamnese kann auch durch eine schriftliche Befragung eines Personensorgeberechtigten erhoben werden.
(2) Im Rahmen der Untersuchungen nach § 3 Abs. 1 sind durchzuführen
1. eine klinische Ganzkörperuntersuchung,
2. eine grobneurologische Prüfung,
3. eine Prüfung des Hör- und Sehvermögens,
4. eine Überprüfung des Impfstatus.
Im Rahmen der Einschulungsuntersuchungen sind zur Beurteilung der Schulfähigkeit insbesondere die sprachliche und motorische Entwicklung sowie die Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsfähigkeit der Kinder zu prüfen. Diese Untersuchungen sind nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft durchzuführen.
(3) Kann der Arzt den Gesundheits- und Entwicklungszustand des Kindes oder des Jugendlichen auf Grund der Untersuchungen nach Absatz 2 nicht beurteilen, kann er im Einvernehmen mit den Personensorgeberechtigten zusätzliche Untersuchungen durchführen oder diese durch einen anderen Arzt durchführen lassen.
(4) Das Gesundheitsamt übermittelt der Schule das Ergebnis der Untersuchung, soweit dies für schulische Entscheidungen bedeutsam ist. Der Schule ist Beratung im Hinblick auf solche Entscheidungen anzubieten, die auf Grund von drohenden oder festgestellten Gesundheits- und Entwicklungsstörungen bei einzelnen Schülern erforderlich werden."
Mit den Schreiben vom 28. April 1996 und 20. Juni 1996 hat die Klägerin bei der Beklagten vergeblich die Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe I a BAT-O/VKA ab November 1995 geltend gemacht.
Mit der am 30. November 1996 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin diesen Anspruch weiter. Sie ist der Meinung, daß es sich bei den schulärztlichen Untersuchungen um eine fachärztliche Tätigkeit iSd. Vergütungsgruppe I a BAT-O/VKA handele. Die Anforderungen an den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst erforderten die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen eines Facharztes für Kinderheilkunde. Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß ihre Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst nicht die Diagnostik im Krankheitsfall mit der entsprechenden Therapie umfasse. Für die Anerkennung ihrer Tätigkeit als Fachärztin sei nicht erforderlich, daß sie das ganze Spektrum der fachärztlichen Tätigkeiten abdecke. Im übrigen verweist die Klägerin auf die Ausschreibungs- und Eingruppierungspraxis für Schulärzte im öffentlichen Dienst, die für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe I b/I a BAT-O/VKA spreche.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr Vergütung nach der Vergütungsgruppe I a (Fallgruppe 1) BAT-O/VKA ab dem 1. November 1995 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Meinung, daß die Tätigkeit der Klägerin bei den schulärztlichen Untersuchungen keine (kinder-) fachärztlichen Kenntnisse voraussetze, so daß die Klägerin dort nicht als Fachärztin tätig sei. Diese Aufgaben könnten nicht nur von Kinderfachärzten, sondern auch von Ärzten anderer Fachdisziplinen wahrgenommen werden. Dementsprechend seien die Gesundheitsämter der Region und auch im übrigen Bundesgebiet mit Ärzten unterschiedlicher Fachqualifikation besetzt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nur zum Teil begründet. Sie ist zurückzuweisen, soweit die Klage auf die höhere Vergütung für die Zeit bis zum 2. Oktober 1998 abgewiesen worden ist. Im übrigen ist der Rechtsstreit zurückzuverweisen, weil noch nicht entscheidungsreif ist, ob der Klägerin für einen Zeitraum danach die begehrte Eingruppierung zusteht.
1. Nach § 2 des Änderungsvertrages vom 14. Juni 1991 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach den für die Angestellten jeweils geltenden Tarifverträgen, die von der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände für den Bereich des für den Arbeitgeber zuständigen Kommunalen Arbeitgeberverbandes und von diesem abgeschlossen worden sind.
Für die Eingruppierung der Klägerin sind deshalb die nachfolgenden Tätigkeitsmerkmale für Ärzte der Anlage 1 a zum BAT-O/VKA maßgebend:
"Vergütungsgruppe I b
1. Fachärzte mit entsprechender Tätigkeit.
...
7. Ärzte nach fünfjähriger ärztlicher Tätigkeit.
Vergütungsgruppe I a
1. Fachärzte mit entsprechender Tätigkeit nach achtjähriger ärztlicher Tätigkeit in der Vergütungsgruppe I b."
2. Die als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässige Klage kann nur dann Erfolg haben, wenn mindestens die Hälfte der die gesamte Arbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge einem Tätigkeitsmerkmal der von ihr in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT-O).
3. Das Landesarbeitsgericht hat ausgehend von der ständigen Rechtsprechung zum Begriff des Arbeitsvorganges (ua. BAG 10. Dezember 1997 - 4 AZR 221/96 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 237) angenommen, daß die Schuluntersuchungen mit einem Zeitanteil von unstreitig 60 % einen Arbeitsvorgang darstellen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
4. Das Landesarbeitsgericht hat entschieden, daß die Klägerin als Fachärztin für Kinderheilkunde keine "entsprechende Tätigkeit" im Sinne der Vergütungsgruppe I b Fallgruppe 1 BAT-O ausübe, so daß ein Zeitaufstieg in die Vergütungsgruppe I a Fallgruppe 1 nach achtjähriger Tätigkeit nicht erfolgen könne. Dem folgt der Senat nur teilweise.
a) Entgegen der Rüge der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Tarifbegriff "mit entsprechender Tätigkeit" nicht verkannt. Mit Recht geht es davon aus, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats diese Voraussetzung vorliegt, wenn die Tätigkeit der konkreten Ausbildung des betreffenden Angestellten entspricht. Die Tätigkeit muß die Fähigkeit erfordern, die ein einschlägig ausgebildeter Angestellter hat. Nicht ausreichend ist es, wenn die entsprechenden Kenntnisse des Angestellten für seinen Aufgabenkreis lediglich nützlich oder erwünscht sind; sie müssen vielmehr im zuvor erläuterten Sinne zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich, dh. heißt notwendig sein (BAG 23. Mai 1979 - 4 AZR 576/77 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 24).
Der von der Revision genannten Entscheidung des Senats vom 31. Mai 1989 - 4 AZR 108/89 - ZTR 1989, 352 läßt sich ein abweichender Rechtssatz nicht ableiten. In dieser Entscheidung wird ohne nähere Konkretisierung von der tarifvertraglichen Formulierung ausgegangen, daß eine der Facharztqualifikation entsprechende Tätigkeit gefordert ist. Ausgehend davon führt der Senat aus, daß nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die von jenem Kläger ausgeübte Tätigkeit der in der Weiterbildungsordnung für den Facharzt für innere Medizin beschriebenen Tätigkeit entspricht. Aus dem Umstand, daß jener Kläger die Tätigkeiten ausübt, für die er nach der Weiterbildungsordnung als Facharzt für innere Medizin qualifiziert wird, hat das Landesarbeitsgericht nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend geschlossen, daß er auch entsprechende Tätigkeit im Sinne des Tarifvertrages ausübt. Das entspricht inhaltlich der vom Bundesarbeitsgericht in späteren Entscheidungen spezifizierten Rechtsprechung.
b) Ausgehend davon hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß für die sachgerechte Erledigung der schulärztlichen Untersuchungen die Ausbildung zur Fachärztin für Kinderheilkunde nicht erforderlich sei. Die dafür vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründungen rechtfertigen diese Entscheidung nicht.
aa) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht allerdings im Rahmen der ausführlichen Darstellung der einschlägigen Regelungen zu den von der Klägerin durchzuführenden schulärztlichen Untersuchungen in § 15 Abs. 2 ÖGDG und in der SchulgesundheitspflegeVO darauf hingewiesen, daß diese Regelungen jedenfalls nicht ausdrücklich vorschreiben, daß die Untersuchungen von Fachärzten der Kinderheilkunde durchgeführt werden müssen.
bb) Das Landesarbeitsgericht stellt im übrigen insbesondere darauf ab, daß das Erfordernis fachärztlicher Kenntnisse der Kinderheilkunde dem zulässigen Zweck der gesetzlich angeordneten Reihenuntersuchungen der Schüler widerspreche, weil diese Untersuchungen einen staatlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellten; dieser müsse so geringfügig wie möglich gehalten werden, so daß schon von Verfassungs wegen eine umfassende kinderfachärztliche Reihenuntersuchung nicht angeordnet werden könne. Dem kann nicht gefolgt werden. Aus der Verfassung, insbesondere aus dem von dem Landesarbeitsgericht herangezogenen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, kann hinsichtlich der erforderlichen Qualifikation nichts abgeleitet werden, jedenfalls nicht, daß es dem Zweck der gesetzlich angeordneten Untersuchungen widerspreche, wenn der durchführende Arzt dabei fachärztliche Fähigkeiten und Kenntnisse einsetzen müsse. Zudem sind der Umfang und der Zweck der Untersuchungen durch das ÖGDG bzw. durch die SchulgesundheitspflegeVO festgelegt, die offensichtlich auch nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Die Frage, ob diese Untersuchungen eine Facharztqualifikation voraussetzen, tangiert diese verfassungsrechtliche Zulässigkeit nicht. Es ist nicht einzusehen, warum eine Untersuchung durch einen höher oder jedenfalls spezifischer qualifizierten Arzt einen gravierenderen Eingriff darstellen soll als die Untersuchung durch einen Arzt ohne diese zusätzliche Qualifikation. Vielmehr dient es dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit iSv. Art. 2 Abs. 2 GG, wenn der die Schuluntersuchungen durchführende Arzt die erforderliche Fachkunde aufzuweisen hat.
cc) Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung weiter darauf abgestellt, daß zwar ein Kinderfacharzt auf Grund der Inhalte seiner entsprechenden Weiterbildung in der Lage sei, die gesetzlich vorgesehenen schulärztlichen Untersuchungen durchzuführen. Dazu seien aber auch Ärzte anderer Fachrichtungen in der Lage, so der Arzt für Allgemeinmedizin auf Grund der in der entsprechenden Weiterbildung erworbenen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten. Daraus schließt das Landesarbeitsgericht, daß die Kenntnisse der Klägerin als Fachärztin für Kinderheilkunde für die Durchführung der Schuluntersuchungen zwar nützlich und wünschenswert, aber nicht unerläßlich seien.
Mit dieser Argumentation verkennt das Landesarbeitsgericht, daß die tariflichen Voraussetzungen auch dann erfüllt sind, wenn für die übertragene Aufgabe nicht nur eine Facharztqualifikation als erforderlich in Betracht kommt, sondern ggf. auch eine andere. Das Landesarbeitsgericht geht ersichtlich davon aus, daß sich die Tätigkeitsfelder unterschiedlicher Fachärzte überschneiden können, was wegen der wachsenden Zahl der Facharztbezeichnungen (zB 41 verschiedene Facharztbezeichnungen in der Muster-Weiterbildungsordnung des 95. Deutschen Ärztetages 1992) zutreffen mag. Wenn deshalb für die sachgerechte Durchführung der schulärztlichen Untersuchungen auf Grund einer solchen Überschneidung der Tätigkeitsfelder entweder die Qualifikation als Facharzt für Kinderheilkunde oder zB die als Facharzt für Allgemeinmedizin erforderlich ist, kann für beide Fachärzte angenommen werden, daß sie eine ihrer Facharztqualifikation entsprechende Tätigkeit ausüben. Entscheidend kommt es dabei darauf an, ob die Aufgaben nicht ohne die eine oder andere bestimmte Facharztqualifikation fachgerecht erfüllt werden können, wenn und weil die allgemeine auf Grund der ärztlichen Ausbildung bis zur Approbation erworbene Qualifikation, ggf. ergänzt durch allgemeine oder besondere Berufserfahrung nicht genügt. Das Landesarbeitsgericht hat somit mit einer rechtsfehlerhaften Argumentation das Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen "mit entsprechender Tätigkeit" verneint. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts enthält auch nicht die notwendigen tatsächlichen Feststellungen, die den Senat in die Lage versetzten, über diese Voraussetzung selbst zu entscheiden.
5. Auf Grund des festgestellten Sachverhalts ist der Rechtsstreit lediglich insoweit entscheidungsreif, als der Klägerin die begehrte Eingruppierung jedenfalls bis zum 2. Oktober 1998 nicht zusteht. Denn die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe I a Fallgruppe 1 BAT-O/VKA setzt die vorhergehende achtjährige ärztliche Tätigkeit in der Vergütungsgruppe I b BAT-O/VKA voraus, wobei sich die Klägerin auf eine achtjährige Tätigkeit als Fachärztin iSd. Vergütungsgruppe I b Fallgruppe 1 BAT-O/VKA beruft. Die Klägerin kann aber frühestens ab dem Beitrittstermin vom 3. Oktober 1990 als Ärztin und damit auch als Fachärztin im tariflichen Sinne tätig gewesen sein.
Denn nach der Rechtsprechung des Senats verwenden die Tarifvertragsparteien des BAT mit dem Begriff Arzt einen Rechtsbegriff, der durch die gesetzlichen Regelungen des Medizinalrechts der Bundesrepublik Deutschland vorgegeben ist (ua. BAG 25. September 1996 - 4 AZR 200/95 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 218). Nach § 2 a BÄrzteO darf die Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin" nur führen, wer als Arzt approbiert oder nach § 2 Abs. 2, 3 oder 4 zur Ausübung des ärztlichen Berufs befugt ist. Eine Approbation, die vor dem 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigte, gilt als Approbation im Sinne der BÄrzteO, soweit sie - wie hier - vor dem 1. Juli 1988 erteilt und nicht eingeschränkt worden ist (§ 14 Abs. 1 BÄrzteO idF der Anl. I Kap. X Sachgebiet D Abschn. II Nr. 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23. September 1990). Von dieser beschränkten Anerkennung einer ärztlichen Tätigkeit in der ehemaligen DDR für die Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen einer ärztlichen Tätigkeit ist der Senat wiederholt ausgegangen (BAG 5. Dezember 1990 - 4 AZR 285/90 - BAGE 66, 306; BAG 14. April 1999 - 4 AZR 215/98 - AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 12). Das gilt entsprechend auch für den Begriff des Facharztes. § 14 Abs. 1 Satz 3 BÄrzteO bestimmt, daß sich die Berechtigung zur weiteren Führung einer im Zusammenhang mit der Anerkennung als Facharzt verliehenen Bezeichnung durch den Inhaber einer in Satz 2 genannten Approbation, die am Tage vor dem Wirksamwerden des Beitritts eine solche Bezeichnung in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebieten führen dürfen, nach Landesrecht richtet. Danach setzt der Status als Facharzt unabhängig von den landesrechtlichen Vorschriften über die Weiterführung der Anerkennung als Facharzt die Approbation iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 BÄrzteO voraus, die nicht vor dem 3. Oktober 1990 gegeben ist. Somit kann die Klägerin nicht vor dem 3. Oktober 1990 als Fachärztin im tariflichen Sinne angesehen werden.
6. Ob der Klägerin ab dem 3. Oktober 1998 die begehrte Eingruppierung nach der Vergütungsgruppe I a BAT-O/VKA zusteht, kann der Senat derzeit nicht entscheiden, weil es insoweit an den notwendigen tatsächlichen Feststellungen für die einschlägigen tariflichen Voraussetzungen fehlt.
a) Das betrifft bereits den Status der Klägerin als Fachärztin für Kinderheilkunde im tariflichen Sinne. Hierfür reicht es nicht aus, daß die Klägerin in der ehemaligen DDR als Fachärztin für Kinderheilkunde anerkannt worden ist. Vielmehr kommt es gem. § 14 Abs. 1 Satz 3 BÄrzteO darauf an, ob und ggf. ab wann die Klägerin nach den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften zur Führung dieser Berufsbezeichnung berechtigt ist. Insoweit fehlt es bisher an entsprechenden Feststellungen.
b) Das Landesarbeitsgericht wird insbesondere weiter zu klären haben, ob und ab wann die Klägerin zeitlich überwiegend Aufgaben erfüllt, die die Qualifikation als Fachärztin für Kinderheilkunde erfordern.
aa) Insoweit stellt das Landesarbeitsgericht entsprechend dem bisherigen Vorbringen der Parteien allein auf die schulärztlichen Untersuchungen nach dem ÖGDG ab. Der Zuschnitt dieser Aufgaben und somit die insoweit gebotenen Anforderungen werden von dem ÖGDG erst seit dessen Inkrafttreten am 1. September 1994 bestimmt und von der SchulgesundheitspflegeVO erst seit dem 10. Juli 1996. Es gibt keine Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dazu, welche Aufgaben die Klägerin seit Erlangung der Approbation im Sinne der BÄrzteO am 3. Oktober 1990 erfüllte, dh. noch unter Geltung des Arbeitsvertrages vom 22. Mai 1978, der ihre Tätigkeit im Medizinischen Zentrum Greifswald als Jugendarzt mit berufsspezifischen Aufgaben (ua. Teilnahme am kinderärztlichen Bereitschaftsdienst und Mitarbeit im medizinischen Schutz) ausweist. Unklar ist auch, ob und ggf. wann sich im Zusammenhang mit dem Änderungsvertrag vom 14. Juni 1991 Änderungen in der Aufgabenstellung ergaben, und seit wann und ggf. mit welchen inhaltlichen Vorgaben und Anforderungen die Klägerin vor dem Inkrafttreten des ÖGDG schulärztliche Untersuchungen durchzuführen hatte.
bb) Ausgehend davon ist weiter aufzuklären, ob und ggf. ab wann die Klägerin für die Erfüllung der Aufgaben ihrer Qualifikation als Facharzt für Kinderheilkunde bedurfte. Hierzu bedarf es im Hinblick auf die obigen Hinweise tatsächlicher ergänzender Darlegungen der Parteien. Hinsichtlich der Feststellungen zu den Qualifikationsanforderungen für die Durchführung der schulärztlichen Untersuchungen bzw. der vorhergehenden anderen Tätigkeiten einerseits und der bei einem Facharzt für Kinderheilkunde bzw. einem Arzt ohne Facharztqualifikation typischerweise vorliegenden Qualifikationen andererseits kommt ggf. auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht.
Dabei wird ua. zu berücksichtigen sein, daß sich aus den einschlägigen Bestimmungen hinsichtlich der ärztlichen Tätigkeit bei den schulärztlichen Untersuchungen verschiedene Einschränkungen gegenüber der normalen fachärztlichen Tätigkeit ergeben, und zwar sowohl hinsichtlich des Zeitpunkts der Untersuchung als auch hinsichtlich der nach den einschlägigen Regelungen grundsätzlich beschränkten Untersuchungsmethoden. Entsprechend der spezifischen Zielsetzung der schulärztlichen Untersuchungen fällt auch die Behandlung der festgestellten Fehlentwicklungen und Krankheiten nicht in den Aufgabenbereich der Schulärzte. Diese Beschränkungen bedeuten nicht notwendigerweise eine Minderung der Qualifikationsanforderungen. Der Schularzt muß trotz der gegebenen Beschränkungen in der Lage sein, den Zielvorstellungen der schulärztlichen Untersuchungen gerecht zu werden, dh. Krankheiten und Fehlentwicklungen und den Gesundheits- und Entwicklungsstand des Kindes in seiner Bedeutung für schulische Entscheidungen zu erkennen. Es wird zu klären sein, ob die Erfüllung dieser Funktion der obligatorischen schulärztlichen Untersuchungen ein Maß an spezifischen Kenntnissen und Erfahrungen erfordert, wie es nur ein Facharzt für Kinderheilkunde oder ein Facharzt anderer einschlägiger Ausrichtung hat. Der Einstellungspraxis kann insoweit nur begrenzte Bedeutung zukommen. So kann die Ausschreibung der Stellen von Schulärzten für Fachärzte für Kinderheilkunde möglicherweise nur bedeuten, daß auf Grund der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage für Ärzte die öffentlichen Arbeitgeber die Chance sehen, auch Ärzte mit Facharztqualifikation im Sinne einer nützlichen Qualifikation zu bekommen, obwohl diese Qualifikation nicht erforderlich ist. Umgekehrt kann aus der Beschäftigung von Ärzten ohne Facharztqualifikation als Schulärzte nicht abgeleitet werden, daß diese Qualifikation nicht erforderlich ist. Die frühere Arbeitsmarktlage kann dazu geführt haben, daß die Schularztstellen nicht mit den an sich erforderlichen Fachärzten besetzt werden konnten.
7. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu befinden.
Ende der Entscheidung
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