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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 16.02.2000
Aktenzeichen: 4 AZR 933/98
Rechtsgebiete: MTV NRW


Vorschriften:

Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW vom 29. Februar 1988 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 11. Dezember 1996 (MTV) § 3 Nr. 1, 3, 5
Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW vom 29. Februar 1988 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 11. Dezember 1996 (MTV) § 4 Nr. 1
Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW vom 29. Februar 1988 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 11. Dezember 1996 (MTV) § 5 I Nr. 1
Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW vom 29. Februar 1988 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 11. Dezember 1996 (MTV) § 16
Leitsätze:

1. Mehrarbeit sind nach § 5 I Nr. 1 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW vom 29. Februar 1988 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 11. Dezember 1996 (MTV) die Arbeitsstunden, die der Arbeitnehmer über die für ihn maßgebliche individuelle regelmäßige tägliche Arbeitszeit (IRTAZ) hinaus leistet.

2. Die IRTAZ ist das Ergebnis der Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf die Wochentage.

3. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist entweder die tarifliche nach § 3 Nr. 1 MTV (ab 1. Oktober 1995: 35 Stunden) oder die nach § 3 Nr. 3 MTV mit dem Arbeitnehmer bis zu 40 Wochenstunden vereinbarte individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (IRWAZ).

4. § 3 Nr. 5 MTV macht die Vereinbarung der IRWAZ nicht entbehrlich.

5. Ist keine IRWAZ vereinbart, so ist bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf fünf Tage in der Woche die Überschreitung der siebten Arbeitsstunde je Tag Mehrarbeit iSd. § 5 I Nr. 1 Abs. 1 MTV.

Aktenzeichen: 4 AZR 933/98

Bundesarbeitsgericht 4. Senat Urteil vom 16. Februar 2000 - 4 AZR 933/98 -

I. Arbeitsgericht Oberhausen Teilurteil vom 24. April 1998 - 2 Ca 2924/97 -

II. Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil vom 17. November 1998 - 16 Sa 1046/98 -


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

4 AZR 933/98 16 Sa 1046/98

Verkündet am 16. Februar 2000

Freitag, der Geschäftsstelle

In Sachen

Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin,

pp.

Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter,

hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Schliemann, die Richter am Bundesarbeitsgericht Bott und Dr. Wolter sowie die ehrenamtlichen Richter Winterholler und von Dassel für Recht erkannt:

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. November 1998 - 16 Sa 1046/98 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen !

Tatbestand

Die Parteien streiten um Mehrarbeitszuschläge für Mai 1997.

Die Beklagte, bei der ein Betriebsrat nicht besteht, betreibt ein Stahlbauunternehmen mit 48 Arbeitnehmern (Stand Ende 1998), die sie im Werk Duisburg der Thyssen Stahl AG einsetzt. Die regelmäßige Arbeitszeit der Arbeitnehmer ihrer Auftraggeberin in diesem Betrieb beträgt acht Stunden an den Wochentagen Montag bis Freitag.

Der am 31. Januar 1938 geborene Kläger steht seit dem 1. Oktober 1987 als Meister in den Diensten der Beklagten. Zwischen den Parteien ist die Anwendung der Tarifverträge der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vertraglich vereinbart. Das Tarifgehalt des Klägers im Mai 1997 betrug 6.104,00 DM brutto.

In der Zeit vom 5. Mai 1997 bis 16. Mai 1997 leistete der Kläger 85 Arbeitsstunden. Neben der Grundvergütung für diese Arbeitsleistung erhielt er als "Überstunden-Prozente-versteuert" für sieben Überstunden einen Mehrarbeitszuschlag von 25 % und für sechs Überstunden einen solchen von 50 %.

Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm seien die tariflichen Mehrarbeitszuschläge für die an den Arbeitstagen Montag bis Freitag jeweils über sieben Stunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden zu zahlen. Diejenigen Stunden, für die er Ansprüche erhebt, ergeben sich aus der nachfolgenden Aufstellung:

 Datumgeleistete Arbeitsstundenbezahlt zusätzlich gefordert
  25 %50 %25 %50 %
Montag 5.5.8  1 
Dienstag 6.5.102  1
Mittwoch 7.5.8  1 
Donnerstag 8.5.-(Christi Himmelfahrt)  
Freitag 9.5.91 1 
Samstag 10.5.826  
Montag 12.5.8  1 
Dienstag 13.5.91 1 
Mittwoch 14.5.8  1 
Donnerstag 15.5.8  1 
Freitag 16.5.91 1 
Summe857681

Sein Anspruch - so der Kläger - auf die geforderten weiteren Mehrarbeitszuschläge ergebe sich aus dem Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW vom 29. Februar 1988 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 11. Dezember 1996 - nachfolgend: MTV -. Für Mai 1997 stehe ihm der tarifliche 25 %ige Mehrarbeitszuschlag für weitere acht Stunden (dies sind 80,32 DM brutto) und der 50 %ige Mehrarbeitszuschlag für eine weitere Stunde zu (dies sind 20,08 DM brutto). Somit belaufe sich seine Nachforderung für Mai 1997 auf 100,40 DM brutto. Mit seiner Klage erstrebt er ua. die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieses Betrages.

Diesbezüglich hat der Kläger zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn (für den Monat Mai 1997 als Mehrarbeitszuschläge) 100,40 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei nach der Regelung des MTV zur Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen erst für die montags bis freitags über acht Stunden pro Tag hinaus geleisteten Arbeitsstunden verpflichtet. Dies folge aus § 3 Nr. 5 MTV, wonach die regelmäßige tägliche Arbeitszeit bis zu acht Stunden betrage. Die vom Kläger für richtig gehaltene Auslegung führe im Rahmen des § 16 MTV bei der Berechnung des regelmäßigen Arbeitsentgelts zu unbilligen Ergebnissen. Im übrigen sei die Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag der bei der Fa. Thyssen Stahl AG in Duisburg geltenden Arbeitszeit angeglichen worden, was anders auch gar nicht möglich sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 24. April 1998 - 2 Ca 2994/97 - der Klage - auch wegen eines weiteren Gehaltsanspruchs auf Zahlung von 50,24 DM brutto für Mai 1997 - stattgegeben und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat nach der Einigung der Parteien durch Teilvergleich über den Gehaltsnachzahlungsanspruch die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte für den 5., 7., 9. und 12. bis 16. Mai 1997 Anspruch auf den Mehrarbeitszuschlag von 25 vH für weitere acht Mehrarbeitsstunden und denjenigen von 50 vH für eine weitere Mehrarbeitsstunde am 6. Mai 1997. Dies haben die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei erkannt.

1. Zwischen den Parteien ist der MTV kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung anwendbar. Dieser hat, soweit er für die Entscheidung des Rechtsstreits von Interesse ist, folgenden Wortlaut:

§ 3

Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit/Ausbildungszeit

1. Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt

37 Stunden.

ab 01.04.1993 36 Stunden, ab 01.10.1995 35 Stunden.

...

3. Soll für einzelne Arbeitnehmer die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert werden, bedarf dies der Zustimmung des Arbeitnehmers.

Lehnen Arbeitnehmer die Verlängerung ihrer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ab, so darf ihnen daraus kein Nachteil entstehen.

Bei der Vereinbarung einer solchen Arbeitszeit bis zu 40 Stunden hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine dieser Arbeitszeit entsprechenden Bezahlung.

...

5. Wenn keine andere Regelung getroffen wird, beträgt die regelmäßige tägliche Arbeitszeit bis zu 8 Stunden.

...

§ 4

Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit/Ausbildungszeit

1. Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sowie die regelmäßige wöchentliche Ausbildungszeit können gleichmäßig oder ungleichmäßig grundsätzlich auf 5 Werktage von Montag bis Freitag verteilt werden.

...

§ 5

Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit/Rufbereitschaft; Reisezeit

I. Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

1. Mehrarbeit sind die über die nach §§ 3 und 4 festgelegte individuelle tägliche Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden; hierunter fallen nicht die Arbeitsstunden, die im Rahmen des § 4 Nr. 3 außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zum Ausgleich ausgefallener Arbeitsstunden vor- oder nachgearbeitet werden.

...

§ 6

Zuschläge für Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

1. Der Zuschlag beträgt für

a)

die beiden ersten täglichen Mehrarbeitsstunden 25 vH

von der dritten täglichen Mehrarbeitsstunde an 50 vH

...

2. Der Anspruch des Klägers auf die geforderten Mehrarbeitszuschläge folgt aus § 6 Nr. 1 a in Verb. mit § 5 I Nr. 1 erster Absatz MTV.

a) Mehrarbeit im Sinne des MTV sind nach § 5 I Nr. 1 Abs. 1 die Arbeitsstunden, die über die individuelle regelmäßige tägliche Arbeitszeit (IRTAZ) hinaus geleistet werden, sofern es sich nicht um Vor- oder Nacharbeit handelt. Die IRTAZ ist das Ergebnis der Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Kalendertage (Ziepke/Weiss Kommentar zum MTV Metall NRW 4. Aufl. § 5 Anm. 1 unter 2). Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers nach dem MTV ist entweder die tarifliche Regelarbeitszeit nach § 3 Nr. 1 MTV (ab 1. Oktober 1995 35 Stunden) oder die - verlängerte - individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (IRWAZ) nach § 3 Nr. 3 MTV.

b) Beim Kläger ergibt sich die IRTAZ aus der Verteilung der 35stündigen tariflichen wöchentlichen Regelarbeitszeit nach § 3 Nr. 1 MTV auf die einzelnen Kalendertage. Denn das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, daß er einer Verlängerung seiner IRWAZ die dafür nach § 3 Nr. 3 Abs. 1 MTV erforderliche Zustimmung erteilt hat. Diese 35stündige tarifliche wöchentliche Regelarbeitszeit nach § 3 Nr. 1 MTV ist Grundlage für die Feststellung, wann beim Arbeitnehmer nach dem MTV Mehrarbeit vorliegt (Ziepke/Weiss aaO § 3 Anm. 2 unter 2).

Die Auffassung der Beklagten, da nach § 3 Nr. 5 Abs. 1 MTV die regelmäßige tägliche Arbeitszeit bis zu acht Stunden betrage, wenn keine andere Regelung getroffen worden sei, bestehe ein Anspruch auf den tariflichen Mehrarbeitszuschlag von 25 vH erst bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als acht Stunden, geht fehl. Die Beklagte verkennt, daß diese Norm die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit für den Fall des Fehlens einer anderen Regelung nicht selbst regelt. Vielmehr bestimmt sie, daß die regelmäßige tägliche Arbeitszeit "bis zu 8 Stunden" beträgt, ohne aber eine konkrete Stundenzahl festzulegen (Ziepke/Weiss aaO § 3 Anm. 21). Bei der von der Beklagten vertretenen Auslegung ergäbe sich, "wenn keine andere Regelung getroffen wird", eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers nach § 3 Nr. 5 MTV von 56 Stunden in der Woche, was weder mit § 3 Nr. 1 MTV noch mit § 3 Nr. 3 MTV zu vereinbaren ist. Die Norm enthält damit keine Regelung der IRTAZ, bei deren Überschreitung nach § 5 I Nr. 1 Abs. 1 MTV Mehrarbeit vorliegt.

c) Gegen diese Auslegung der §§ 3, 5 MTV läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten kein Gegenargument aus § 16 MTV herleiten, der die Berechnung des regelmäßigen Arbeitsentgelts regelt. Bei ihren diesbezüglichen Ausführungen übersieht die Beklagte, daß nach § 16 Nr. 1 a MTV ab 1. Januar 1997 Mehrarbeitsstunden in die "Berechnung des regelmäßigen Arbeitsentgelts" nicht mehr einzubeziehen sind, wie dies auch die Beklagte will. Diese tarifliche Regelung ist jedenfalls hinsichtlich der Mehrarbeitszuschläge, um die es hier allein geht, urlaubsrechtlich unbedenklich (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG in der ab 1. Oktober 1996 geltenden Fassung).

3. Die vertraglich geschuldete Arbeitszeit des Klägers von 35 Stunden in der Woche ist in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen gleichmäßig auf die Werktage Montag bis Freitag verteilt, so daß seine IRTAZ an diesen Tagen jeweils sieben Stunden beträgt. Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt eine ungleichmäßige Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers behauptet. Vielmehr geht auch sie von der gleichmäßigen Verteilung seiner wöchentlichen Arbeitszeit auf die genannten Werktage aus, versteht allerdings als IRTAZ des Klägers an diesen Tagen eine Arbeitszeit von acht Stunden.

4. Die Berechnung des Nachzahlungsanspruchs durch den Kläger ist zutreffend und von der Beklagten auch nicht bestritten.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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