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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.01.2005
Aktenzeichen: 5 AZR 279/01
Rechtsgebiete: AEntG, GG, SGB III


Vorschriften:

AEntG § 1a
GG Art. 12
SGB III § 187
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

5 AZR 279/01

Hinweise des Senats: Im Wesentlichen vergleichbarer Sachverhalt wie im Senatsurteil vom 12. Januar 2005 - 5 AZR 617/01 -

Verkündet am 12. Januar 2005

In Sachen

hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, die Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch und Dr. Linck sowie die ehrenamtliche Richterin Zorn und den ehrenamtlichen Richter Wolf für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Beklagten zu 2) wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 14. Februar 2001 - 15 Sa 2121/00 - zum Teil aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. August 2000 - 52 Ca 4049/00 - zum Teil abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 1.789,71 Euro netto (3.500,37 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Dezember 1999 zu zahlen. Im Übrigen wird die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten zu 2) wird zurückgewiesen.

4. Von den außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits, soweit hierüber durch das Schlussurteil vom 10. August 2000 entschieden wurde, sowie den Kosten der Berufung und Revision haben die Beklagte zu 2) 7/9 und der Kläger 2/9 zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Arbeitsvergütung.

Der in Berlin wohnhafte Kläger war vom 1. Oktober bis zum 9. November 1999 als Bauarbeiter auf einer Baustelle der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2) in Berlin tätig. Diese beauftragte als Generalunternehmerin eine Nachunternehmerin mit Sitz in Berlin, die ihrerseits die Beklagte zu 1) als Subunternehmen einsetzte. Der Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten zu 1).

Der Kläger leistete im Monat Oktober 1999 insgesamt 251 Arbeitsstunden und vom 1. bis zum 9. November 1999 weitere 67 Arbeitsstunden. Nachdem die Beklagte zu 1) am 10. November 1999 keinen Lohn für den Monat Oktober 1999 zahlte und mit Lohnzahlungen auch in absehbarer Zeit nicht zu rechnen war, stellte der Kläger seine Arbeitsleistung unter Berufung auf ein ihm zustehendes Zurückbehaltungsrecht ein.

Der Kläger machte mit Schreiben vom 23. Dezember 1999 und vom 7. Februar 2000 gegenüber der Beklagten zu 1) Vergütungsansprüche für Oktober 1999 und für November 1999 geltend.

In der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe vom 25. August 1999 (BGBl. I S. 1894) ist bestimmt:

"Auf Grund des § 1 Abs. 3a des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG), der durch Artikel 10 Nr. 1d des Gesetzes vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3843) eingefügt worden ist, verordnet das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, nachdem es den in den Geltungsbereich der Rechtsverordnung fallenden Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie den Parteien des Tarifvertrages nach § 1 dieser Verordnung Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben hat:

§ 1

Zwingende Arbeitsbedingungen

Die in der Anlage 1 zu dieser Verordnung aufgeführten Rechtsnormen des Tarifvertrages zur Regelung eines Mindestlohnes im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 26. Mai 1999, abgeschlossen zwischen dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V., Kronenstraße 55-58, 10117 Berlin, und dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., Kurfürstenstraße 129, 10785 Berlin, einerseits sowie der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Bundesvorstand, Olof-Palme-Straße 19, 60439 Frankfurt am Main, andererseits finden auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung, die unter seinen am 1. September 1999 gültigen Geltungsbereich fallen, wenn der Betrieb überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch erbringt. Die Rechtsnormen des Tarifvertrages gelten auch für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und ihre im Geltungsbereich der Rechtsverordnung beschäftigten Arbeitnehmer.

...

§ 4

In- und Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 1. September 1999 in Kraft und am 31. August 2000 außer Kraft.

Anlage 1 (zu § 1)

Rechtsnormen des Tarifvertrages zur Regelung eines Mindestlohnes im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 26. Mai 1999 [Gültig ab 1. September 1999 bis 31. August 2000]

...

§ 2

Lohn der Berufsgruppe VII 2/Mindestlohn

(1) Der Gesamttarifstundenlohn (GTL) der Berufsgruppe VII 2 (Die Definition der Berufsgruppe VII 2 im Anhang zum Bundesrahmentarifvertrag lautet wie folgt: Dies sind Arbeitnehmer, die einfache Bauarbeiten verrichten, in den ersten sechs Monaten ihrer Tätigkeit.) setzt sich aus dem Tarifstundenlohn (TL) und dem Bauzuschlag (BZ) zusammen. Der Bauzuschlag beträgt 5,9 v.H. des Tarifstundenlohnes. Der Bauzuschlag wird gewährt zum Ausgleich der besonderen Belastungen, denen der Arbeitnehmer insbesondere durch den ständigen Wechsel der Baustelle (2,5 v.H.) und die Abhängigkeit von der Witterung außerhalb der gesetzlichen Schlechtwetterzeit (2,9 v.H.) ausgesetzt ist; er dient ferner in Höhe von 0,5 v.H. dem Ausgleich von Lohneinbußen, die sich in der gesetzlichen Schlechtwetterzeit ergeben. Der Bauzuschlag wird für jede lohnzahlungspflichtige Stunde, nicht jedoch für Leistungslohn-Mehrstunden (Überschussstunden im Akkord), gewährt.

(2) Der Tarifstundenlohn, der Bauzuschlag und der Gesamttarifstundenlohn betragen:

 TLBZGTL
DMDMDM

a) 17,47|1,03|18,50

im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, ausgenommen die Gebiete der Länder Brandenburg, Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

b) 15,37|0,91|16,28

im Gebiet der Länder Brandenburg, Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

(3) Der Gesamttarifstundenlohn der Berufsgruppe VII 2 ist zugleich Mindestlohn im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AEntG für alle von dem persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfaßten Arbeitnehmer. Höhere Lohnansprüche auf Grund anderer Tarifverträge oder einzelvertraglicher Vereinbarungen bleiben unberührt.

(4) Der Anspruch auf den Mindestlohn wird spätestens zur Mitte des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist.

..."

Auf der Grundlage dieses Mindestlohns errechnete der Kläger für die Zeit vom 1. Oktober bis zum 22. November 1999 einen Nettolohnanspruch in Höhe von insgesamt 4.591,75 DM, und zwar für Oktober 1999 in Höhe von 2.783,49 DM netto und für November 1999 in Höhe von 1.808,26 DM. Die Beklagte zu 1) hat auf die Vergütungsansprüche des Klägers keine Zahlungen erbracht. Die Beklagte zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht erklärt, sie stelle unstreitig, dass sie dem Kläger aus § 1a AEntG einen Betrag in Höhe von 4.591,75 DM netto schulde, wenn die Norm verfassungsgemäß sei.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte zu 2) hafte als Generalunternehmerin nach § 1a Satz 1 AEntG für seinen Nettoentgeltanspruch aus dem Mindestentgelt, weil die Beklagte zu 1) keine Lohnzahlung geleistet habe.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an den Kläger 4.591,75 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Dezember 1999 zu zahlen.

Die Beklagte zu 2) hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, § 1a AEntG sei verfassungs- und europarechtswidrig. Zur Begründung bezieht sie sich auf Rechtsgutachten deutscher Hochschullehrer.

Der gegen die Beklagte zu 1) erhobenen Klage hat das Arbeitsgericht durch rechtskräftige Versäumnisteilurteile vom 8. März 2000 und 14. Juni 2000 stattgegeben. Die Beklagte zu 2) ist von den Vorinstanzen antragsgemäß verurteilt worden. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte zu 2) ihren Klagabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten zu 2) ist zum Teil unbegründet. Soweit der Klage Lohnansprüche für tatsächliche Arbeitsleistungen des Klägers zugrunde liegen, haben die Vorinstanzen die Beklagte zu 2) zu Recht zur Zahlung verurteilt. Die Revision ist begründet, soweit die Vorinstanzen eine Haftung der Beklagten zu 2) nach § 1a Satz 1 AEntG für Annahmeverzugsansprüche des Klägers angenommen haben.

I. Die auf eine Nettolohnzahlung gerichtete Klage ist nicht wegen mangelnder Bestimmtheit der Forderungshöhe (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unzulässig. Die Beklagte zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht die Höhe der vom Kläger geforderten Nettolohnzahlung unstreitig gestellt, so dass eine konkrete Berechnung des Nettoentgelts nach § 1a Satz 2 AEntG nicht erforderlich ist. Der Bestimmtheit der Nettolohnklage steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die zur schlüssigen Begründung der Klage erforderlichen, für den Tag des Zuflusses des Arbeitsentgelts geltenden Besteuerungsmerkmale nicht im Einzelnen dargelegt hat (vgl. Senat 26. Februar 2003 - 5 AZR 223/02 - BAGE 105, 181). § 1a AEntG enthält eine Sonderregelung, die eine Nettolohnklage in Höhe der sich im Jahr des Tätigwerdens ergebenden Vergütung zulässt.

II. Der Kläger ist im Umfang der erhobenen Forderung klagebefugt. Der Kläger hat zwar mit Schreiben vom 11. Februar 2000 einen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Hierdurch ging nach § 187 SGB III der rückständige Lohnanspruch des Klägers auf die damalige Bundesanstalt für Arbeit über (vgl. BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Wird dem Antrag jedoch nicht oder nur zum Teil stattgegeben, fällt der Anspruch auf Arbeitsentgelt in dem Umfang wieder an den Arbeitnehmer zurück, wie kein Insolvenzgeld bewilligt wird (Senat 10. Februar 1982 - 5 AZR 936/79 - BAGE 38, 1, 6). Für den streitbefangenen Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 22. November 1999 hat der Kläger nach dem vorgelegten bestandskräftigen Widerspruchsbescheid des Arbeitsamts Berlin Südwest vom 9. Juli 2002 in Höhe der geltend gemachten Forderung kein Insolvenzgeld erhalten.

III. Die geltend gemachte Entgeltforderung ist nicht wegen Erfüllung erloschen und auch nicht verfallen.

1. Die Beklagte zu 1) hat die Forderung des Klägers noch nicht erfüllt. Der als Anlage zur Klageschrift vorgelegten "Bestätigung über Entlohnung" kann die Erfüllung der Lohnansprüche nicht entnommen werden. Soweit es darin heißt, der Kläger habe keine offenen Lohnforderungen gegenüber seinem Arbeitgeber, steht dem entgegen, dass der Kläger in der Klageschrift unbestritten geltend gemacht hat, dieses Formular sei ihm am 15. Oktober 1999 vorgelegt und an diesem Tage von ihm unterschrieben worden. Da zu diesem Zeitpunkt die erhobene Forderung größtenteils nicht einmal entstanden war, ist die vorformulierte Erklärung ersichtlich unzutreffend.

2. Der Kläger hat seine Lohnforderung gegen die Beklagte zu 1) innerhalb der Ausschlussfrist des § 16 des Bundesrahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes idF vom 30. Juli 1997 (im Folgenden: BRTV) geltend gemacht.

a) Nach § 16 Abs. 1 BRTV verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Lehnt nach § 16 Abs. 2 BRTV die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

b) Da die Vergütungsansprüche des Klägers für den Oktober 1999 nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung am 10. November 1999 und für November 1999 am 10. Dezember 1999 fällig waren, wurde die Ausschlussfrist des § 16 Abs. 1 BRTV durch die Einwurfeinschreiben vom 23. Dezember 1999 und 7. Februar 2000 und die zweite Stufe der Ausschlussfrist nach § 16 Abs. 2 BRTV durch die am 9. Februar 2000 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage gewahrt.

IV. Die Voraussetzungen der Bürgenhaftung der Beklagten zu 2) nach § 1a AEntG liegen vor.

1. Nach § 1a Satz 1 AEntG haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen iSd. § 211 Abs. 1 SGB III beauftragt hat, für die Verpflichtung dieses Unternehmers oder eines Nachunternehmers zur Zahlung des Mindestentgelts an einen Arbeitnehmer wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Das Mindestentgelt umfasst gem. § 1a Satz 2 AEntG den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an den Arbeitnehmer auszuzahlen ist (Nettoentgelt). Bauleistungen nach § 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

2. Die Beklagte zu 2) ist Unternehmerin iSv. § 1a AEntG.

a) Nach § 14 Abs. 1 BGB ist Unternehmer jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Darunter fallen auch Freiberufler, Handwerker, Landwirte und Kleingewerbetreibende.

b) Der Begriff Unternehmer in § 1a AEntG ist einschränkend auszulegen.

aa) Nach der Gesetzesbegründung soll mit § 1a AEntG eine Haftung des Generalunternehmers eingeführt werden. Er soll darauf achten, dass seine Subunternehmer die nach dem AEntG zwingenden Arbeitsbedingungen einhalten (BT-Drucks. 14/45 S. 17 f.). Eine Belastung kleiner und mittlerer Betriebe ist dabei nach Auffassung der Bundesregierung nicht zu befürchten, weil sie davon ausgeht, die Generalunternehmer würden in Zukunft wieder verstärkt Aufträge an zuverlässige kleine und mittlere Unternehmen vergeben, von denen sie wüssten, dass sie die gesetzlichen Bestimmungen einhalten (Plenarprotokoll 14/14, Verhandlung des Deutschen Bundestages vom 10. Dezember 1998 S. 868 D). Die Durchgriffshaftung trifft nach Auffassung der Regierungskoalition die Generalunternehmer, die wüssten, dass die von den Nachunternehmern angeboten Preise mit vernünftigen Arbeitsbedingungen überhaupt nicht zu erbringen seien. § 1a AEntG richte sich gegen Schmutzkonkurrenz und diene damit dem Schutz kleiner Betriebe, die in der Vergangenheit vom Markt gedrängt worden seien (so eine Vertreterin der Regierungskoalition, Plenarprotokoll 14/14 aaO S. 877 C, D).

bb) Der Gesetzgeber wollte nicht jeden Unternehmer iSv. § 14 Abs. 1 BGB, der eine Bauleistung in Auftrag gibt, in den Geltungsbereich des § 1a AEntG einbeziehen. Ziel des Gesetzes ist vielmehr, Bauunternehmer, die sich verpflichtet haben, ein Bauwerk zu errichten, und dies nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigen, sondern sich zur Erfüllung ihrer Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmen bedienen, als Bürgen haften zu lassen, damit sie letztlich im eigenen Interesse verstärkt darauf achten, dass die Nachunternehmer die nach § 1 AEntG geltenden zwingenden Arbeitsbedingungen einhalten. Da diesen Bauunternehmen der wirtschaftliche Vorteil der Beauftragung von Nachunternehmern zugute kommt, sollen sie für die Lohnforderungen der dort beschäftigten Arbeitnehmer nach § 1a AEntG einstehen (ebenso Franzen SAE 2003, 190, 192).

Die Ziele des Gesetzes treffen nicht auf andere Unternehmer zu, die als Bauherren eine Bauleistung in Auftrag geben. Diese Unternehmer beschäftigen keine eigenen Bauarbeitnehmer. Sie beauftragen auch keine Subunternehmer, die für sie eigene Leistungspflichten erfüllen. Bauherren fallen daher nicht in den Geltungsbereich des § 1a AEntG (ebenso ErfK/Schlachter § 1a AEntG Rn. 2; Franzen SAE 2003, 190, 192; Meyer NZA 1999, 121, 127; aA Dörfler Die Nettolohnhaftung nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz S. 22; Koberski/Asshoff/Hold AEntG § 1a Rn. 11; Rieble/Lessner ZfA 2002, 29, 39; unklar Däubler/Lakies TVG § 5 Anhang 2, § 1a AEntG Rn. 8 f.).

cc) Die Beklagte zu 2) hat als Generalunternehmerin eine Nachunternehmerin mit der Erbringung von unstreitigen, aber nicht näher bezeichneten Bauleistungen beauftragt. Diese wiederum hat die Beklagte zu 1) als weitere Nachunternehmerin beauftragt. Bei dieser war der Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte zu 1) hat als Nachunternehmerin und Arbeitgeberin des Klägers für die Beklagte zu 2) Bauleistungen erbracht. Die Beklagte zu 2) haftet deshalb nach § 1a AEntG wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) verzichtet hat, in Höhe des Nettomindestlohns, der dem Kläger für erbrachte Arbeitsleistungen gegen die Beklagte zu 1) zusteht. Die Beklagte zu 2) kann die Zahlung an den Kläger nicht mit der Begründung ablehnen, er habe bislang noch nicht ohne Erfolg die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts gegen die Beklagte zu 1) versucht.

V. § 1a AEntG verstößt nicht gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit. Die in § 1a AEntG geregelte Bürgenhaftung greift zwar in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, wonach alle Deutschen das Recht haben, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit ist jedoch durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.

1. § 1a AEntG berührt die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit.

a) Art. 12 Abs. 1 GG ist eine besondere Ausprägung des umfassenderen, in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Er schützt die freie berufliche Betätigung und gewährleistet dem Einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen. Von diesem Schutzbereich her ist zu beurteilen, ob eine gesetzliche Vorschrift die besondere Freiheitsverbürgung dieses Grundrechts berührt und daher an ihm gemessen werden kann. In aller Regel kommt Art. 12 Abs. 1 GG als Maßstabsnorm nur für solche Bestimmungen in Betracht, die sich gerade auf die berufliche Betätigung beziehen und diese unmittelbar zum Gegenstand haben. Dieser unmittelbare Bezug zu der beruflichen Betätigung besteht namentlich bei solchen Vorschriften, die in Form von Zulassungsvoraussetzungen die Ausübung eines Berufs bei ihrem Beginn oder bei ihrer Beendigung regeln oder die als sogenannte reine Ausübungsregelungen die Art und Weise bestimmen, wie die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im Einzelnen zu gestalten haben (BVerfG 30. Oktober 1961 - 1 BvR 833/59 - BVerfGE 13, 181).

Die berufliche Betätigung muss nach der Rechtsprechung des BVerfG jedoch nicht unmittelbares Regelungsobjekt einer Norm sein, um sie an Art. 12 Abs. 1 GG messen zu können. Wie das BVerfG im Apotheken-Urteil ausgesprochen hat, muss angesichts des Wertes der freien menschlichen Persönlichkeit die Berufswahl als ein Akt der wirtschaftlichen Selbstbestimmung des Einzelnen von Eingriffen der öffentlichen Gewalt möglichst unberührt bleiben (BVerfG 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377, 403, 405). Der Schutz des Einzelnen vor Beschränkungen seiner freien Berufswahl wäre nur unvollkommen gewährleistet, wollte man nur solche Vorschriften am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich prüfen, die die berufliche Betätigung unmittelbar zum Gegenstand haben. Der besondere Freiheitsraum, den Art. 12 Abs. 1 GG sichern will, kann auch durch Vorschriften berührt werden, die infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet sind, die Freiheit der Berufswahl mittelbar zu beeinträchtigen, obwohl sie keinen unmittelbar berufsregelnden Charakter tragen (vgl. BVerfG 13. Juli 2004 - 1 BvR 1298/94 ua. - NJW 2005, 45). Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ist bei Vorschriften ohne berufsregelnde Zielsetzung nach der Rechtsprechung des BVerfG berührt, wenn diese eine objektive Tendenz zur Regelung unternehmerischer Tätigkeiten haben (BVerfG 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74 und 1 BvR 439/79 - BVerfGE 55, 7).

b) § 1 a AEntG ist keine unmittelbar berufsregelnde Norm. Die Bürgenhaftung berührt jedoch die Berufsfreiheit des auftraggebenden Unternehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG, indem sie die eigenverantwortliche Gestaltung unternehmerischen Tätigwerdens eingrenzt. Der Generalunternehmer muss im eigenen Interesse verstärkt darauf achten, dass seine Nachunternehmer die nach § 1 AEntG geltenden zwingenden Arbeitsbedingungen einhalten und erfüllen (BT-Drucks. 14/45 S. 17 f.). Das Gesetz beeinflusst über die Begründung der Haftungsfolgen die Auswahlentscheidungen von Generalunternehmern und Nachunternehmern, die ihrerseits mit der Ausführung von Bauleistungen weitere Nachunternehmer beauftragen. Eine objektive Tendenz zur Regelung unternehmerischen Handelns liegt damit vor. § 1a AEntG hat berufsausübungsregelnden Charakter.

2. Ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung ist nur nach Maßgabe von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zulässig. Nach dieser Bestimmung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes die Berufsausübung eingeschränkt werden. Erforderlich ist, dass die in das Grundrecht eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen worden ist, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfG 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86 und 1 BvL 48/87 - BVerfGE 81, 156, 188 f.; 10. November 1998 - 1 BvR 2296/96 und 1 BvR 1081/97 - BVerfGE 99, 202; 11. Februar 2003 - 1 BvR 1972/00 und 1 BvR 70/01 - BVerfGE 107, 186). Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) § 1a AEntG ist kompetenzgemäß erlassen worden. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG.

b) Der durch § 1a AEntG bewirkte Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.

aa) Das Grundgesetz lässt dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit Berufsausübungsregelungen ein erhebliches Maß an Freiheit und räumt ihm bei der Festlegung der zu verfolgenden arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen Ziele eine ebenso weite Gestaltungsfreiheit wie bei der Bestimmung wirtschaftspolitischer Ziele ein (vgl. BVerfG 5. März 1974 - 1 BvL 27/72 - BVerfGE 37, 1, 21; 17. November 1992 - 1 BvR 168/89 ua. - BVerfGE 87, 363; 9. Juni 2004 - 1 BvR 636/02 - AP GG Art. 12 Nr. 135). Je enger der Bezug von Vorschriften zu einem Schutzgut ist, desto eher lassen sich Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit verfassungsrechtlich rechtfertigen. Steht dagegen die grundrechtliche Beschränkung nur in einem entfernten Zusammenhang zum Gemeinschaftsgut, so kann dieses nicht generell Vorrang vor der Berufsausübungsfreiheit beanspruchen (BVerfG 11. Februar 2003 - 1 BvR 1972/00 und 1 BvR 70/01 - BVerfGE 107, 186). Der Gesetzgeber darf bei der Verwirklichung seiner Ziele auch Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit in den Vordergrund stellen. Seine Gestaltungsfreiheit ist in den Fällen noch größer, in denen die Regelung - wie hier - keinen unmittelbar berufsregelnden Charakter hat (BVerfG 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86 und 1 BvL 48/87 - BVerfGE 81, 156; 15. Dezember 1987 - 1 BvR 563/85 ua. - BVerfGE 77, 308).

Es ist vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen sowie unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Gebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG muss der Gesetzgeber zwischen dem Nutzen der Regelung für das Gemeinwohl und den die Berufstätigen belastenden Vorkehrungen abwägen. Die gesetzlich angeordnete Maßnahme muss dabei einen hinreichenden Bezug zum geschützten Gemeinschaftsgut haben (BVerfG 11. Februar 2003 - 1 BvR 1972/00 und 1 BvR 70/01 - BVerfGE 107, 186). Bei der Prognose und Einschätzung gewisser der Allgemeinheit drohender Gefahren, zu deren Verhütung der Gesetzgeber glaubt tätig werden zu müssen, billigt ihm das BVerfG einen Beurteilungsspielraum zu. Diesen überschreitet er, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlbar sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können. Dies gilt entsprechend für die Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele (BVerfG 6. Oktober 1987 - 1 BvR 1086/82 ua. - BVerfGE 77, 84). Bei Regelungen, die den Teilarbeitsmarkt des Baugewerbes betreffen, ist bei der verfassungsrechtlichen Nachprüfung nach Auffassung des BVerfG besondere Zurückhaltung geboten, weil der Gesetzgeber bei der Wiederherstellung einer gestörten Ordnung in diesem Bereich auf besonders komplexe, schwer überschaubare und im Einzelnen unklare Verhältnisse einwirken müsse (vgl. BVerfG 6. Oktober 1987 - 1 BvR 1086/82 ua. - aaO, S. 107).

bb) § 1a AEntG dient der wirksamen Durchsetzung des § 1 AEntG (BT- Drucks. 14/45 S. 17).

(1) Die verschuldensunabhängige Bürgenhaftung des Bauunternehmers soll diesen veranlassen, verstärkt darauf zu achten, dass seine Nachunternehmer die nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz zwingenden Arbeitsbedingungen einhalten und tatsächlich erfüllen. Hierzu gehören insbesondere die verbindlichen Mindestlöhne, die nach § 1 Abs. 1 AEntG auch für ausländische Unternehmen gelten, die nach Deutschland Arbeitnehmer entsenden. Die Bürgenhaftung soll in Deutschland mehr Arbeitsplätze schaffen und Schwarzarbeit in der Bauwirtschaft verhindern (vgl. BT- Drucks. 14/45 S. 17). Eine Belastung kleiner und mittlerer Betriebe ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht zu befürchten, da nach deren Annahme die Generalunternehmer zukünftig verstärkt Aufträge an zuverlässige kleine und mittlere Unternehmen vergeben, von denen sie wüssten, dass sie die gesetzlichen Bestimmungen einhielten (Plenarprotokoll 14/14, Verhandlung des Deutschen Bundestages vom 10. Dezember 1998 S. 868 D). Razzien auf Baustellen seien dagegen zur Bekämpfung von Lohndumping und illegaler Beschäftigung ungeeignet, weil sie die Opfer und nicht die Täter träfen. Die Bürgenhaftung trifft nach Auffassung der Regierungskoalition die Generalunternehmen, die wüssten, dass die von den Nachunternehmern angebotenen Preise mit vernünftigen Arbeitsbedingungen überhaupt nicht zu erbringen seien. § 1a AEntG richte sich gegen Schmutzkonkurrenz und diene damit dem Schutz kleiner Betriebe, die in der Vergangenheit vom Markt gedrängt worden seien (Plenarprotokoll 14/14 aaO S. 877 C, D).

Die durch § 1a AEntG gesicherten Mindestlöhne im Baugewerbe sollen insbesondere Wettbewerbsvorteile ausländischer Unternehmer aus Ländern mit deutlich niedrigerem Lohnniveau ausgleichen und so die Bautätigkeit in Deutschland den inländischen Arbeitslosen zugute kommen lassen (BT-Drucks. 13/2414 S. 7). Weiterhin soll die Tarifautonomie gesichert werden. Diese sah die Gesetzgebung gefährdet, weil sich die Vertragsbedingungen der aus dem Ausland entsandten Bauarbeitnehmer nicht nach deutschem Tarifrecht gestalteten. Der vermehrte Einsatz ausländischer Arbeitnehmer auf deutschen Baustellen führte nach der Gesetzesbegründung zu einer bedrohlichen Verdrängung der Geltung deutschen Arbeitsrechts. Weiterhin sollte durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz einer Verschlechterung der Situation der Klein- und Mittelbetriebe der deutschen Bauwirtschaft entgegengewirkt werden. Deren wirtschaftliche Existenz war gefährdet, weil sie bei Bauausschreibungen wegen der in Deutschland bestehenden hohen Lohnkosten häufig keine Aufträge erhielten (vgl. BT- Drucks. 13/2414 S. 7).

§ 1a AEntG ermöglicht Arbeitnehmern, im Falle der Insolvenz oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihres Arbeitgebers die Nettovergütungsansprüche beim Generalunternehmer oder einem anderen Vorunternehmer durchzusetzen. Diese haften auch für Lohnforderungen, die über den Drei-Monats-Zeitraum der Gewährung von Insolvenzgeld (§ 183 Abs. 1 SGB III) hinausreichen. § 1a AEntG bewirkt zugleich eine finanzielle Entlastung der Bundesagentur für Arbeit. Soweit sie Insolvenzgeld leistet, erhält sie wegen des Übergangs der Arbeitsentgeltansprüche (§ 187 SGB III) mit dem Generalunternehmer oder anderen Nachunternehmern solvente Schuldner, bei denen sie sich schadlos halten kann (vgl. auch Rieble/Lessner ZfA 2002, 29, 77).

Die Sicherung des Mindestlohns durch die Bürgenhaftung nach § 1a AEntG führt schließlich auch zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen entsandter ausländischer Arbeitnehmer. Diese verdienen bei einer Entsendung nach Deutschland oftmals deutlich mehr als in ihren Heimatländern und erhalten für ihre Nettolohnansprüche einen weiteren Schuldner in Deutschland. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeitnehmer ist allerdings in der Gesetzesbegründung nicht als Gesetzeszweck genannt und damit nur notwendige Folge der Haftungsregelung.

(2) Die Verfolgung dieser gesetzgeberischen Ziele dient dem Gemeinwohl. Die Wiederherstellung der aus Sicht des Gesetzgebers gestörten Ordnung auf dem Teilarbeitsmarkt des Baugewerbes mit dem Ziel der Sicherung eines geordneten Arbeitsmarkts und einer stabilen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Situation abhängig Beschäftigter ist ein hervorragend wichtiges Gemeinschaftsgut. Mit § 1a AEntG werden auch nicht nur Einzelinteressen weniger Unternehmer verfolgt, sondern die Interessen zahlreicher Klein- und Mittelbetriebe der Bauwirtschaft in Deutschland. Angesichts der großen beschäftigungspolitischen Bedeutung, die diese Betriebe haben, dient deren Schutz dem Wohl der Gemeinschaft.

Bis zur Einführung des tariflichen Mindestlohns im Baugewerbe verdiente ein heimischer Bauarbeiter in der niedrigsten Lohngruppe 20,24 DM/Stunde. Der Stundenlohn entsandter portugiesischer Arbeitnehmer auf deutschen Baustellen lag demgegenüber zwischen 6,00 und 7,00 DM, der Lohn britischer oder irischer Arbeitnehmer zwischen 14,00 und 15,00 DM (Koberski/Asshoff/Hold AEntG Einl. Rn. 16). Auch im Jahre 2000 wurden noch Fälle mit Stundenlöhnen von 5,00 bis 8,00 DM entdeckt (Pressemitteilung der Bundesanstalt für Arbeit NZA 2001 Heft 7, IX). Dies macht deutlich, dass ohne die Einführung eines für alle Bauarbeiter verbindlichen Mindestlohns und dessen Absicherung durch die Haftungsregelung des § 1a AEntG tariftreue inländische Bauunternehmen angesichts des hohen Lohnkostenanteils bei der Ausschreibung von Bauleistungen ausländischen Mitbewerbern geradezu hoffnungslos unterlegen wären.

Mit dem Schutz des inländischen Baugewerbes geht das weitere arbeitsmarktpolitische Ziel des Gesetzes unmittelbar einher, die Arbeitslosigkeit in diesem Bereich abzubauen. Ein Gemeinwohlbelang von ebenfalls großer Bedeutung ist die Sicherung der finanziellen Stabilität der Träger der Sozialversicherung. Darüber hinaus darf der Gesetzgeber das Interesse an der Stärkung der Effektivität tariflicher Normsetzung berücksichtigen (BVerfG 6. Oktober 1987 - 1 BvR 1086/82 ua. - BVerfGE 77, 84, 107). Dies folgt schon aus Art. 9 Abs. 3 GG, der das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, für jedermann und für alle Berufe gewährleistet.

c) Der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG entspricht noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

aa) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, wenn die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist, die mit dem Gesetz verfolgten Ziele zu erreichen (BVerfG 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82 und 1 BvR 174/84 - BVerfGE 80, 1). Eignung liegt schon dann vor, wenn eine Maßnahme die Möglichkeit der Zweckerreichung in sich birgt und den gewünschten Erfolg fördert (vgl. BVerfG 1. Oktober 2004 - 1 BvR 2221/03 - AP SGB IX § 72 Nr. 1 mwN). Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen jedoch nicht weiter gehen, als es die sie legitimierenden öffentlichen Interessen erfordern (vgl. BVerfG 14. Dezember 1965 - 1 BvL 14/60 - BVerfGE 19, 330, 337). Erforderlich ist ein Eingriff in die Berufsfreiheit nur dann, wenn ein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit weniger fühlbar einschränkendes Mittel fehlt (vgl. BVerfG 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 ua. - BVerfGE 75, 246, 269; 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82 und 1 BvR 174/84 - aaO). Der Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ist schließlich angemessen, wenn eine hinreichende Verantwortungsbeziehung zwischen dem Handeln des Bauunternehmers und seiner Haftung nach § 1a AEntG besteht (vgl. dazu BVerfG 10. November 1998 - 1 BvR 2296/96 und 1 BvR 1081/97 - BVerfGE 99, 202) und der Grundrechtseingriff nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck steht. Bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe muss die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt sein. Je empfindlicher die Berufsausübenden in ihrer Berufsfreiheit beeinträchtigt werden, desto stärker müssen die Interessen des Gemeinwohls sein, denen diese Regelung zu dienen bestimmt ist (BVerfG 16. März 1971 - 1 BvR 52/66 ua. - BVerfGE 30, 292, 316).

bb) Die in § 1a AEntG geregelte Bürgenhaftung ist zur Erreichung der gesetzlichen Ziele geeignet.

Die Sicherung des Mindestlohnanspruchs durch § 1a AEntG ist geeignet, Klein- und Mittelbetriebe der Bauwirtschaft vor Wettbewerbsverzerrungen zu schützen und die Arbeitslosigkeit in der Baubranche zu bekämpfen. Die Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren bewegen sich jedenfalls im Rahmen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. Soweit die Revision meint, § 1a AEntG nehme den Druck vom Nachunternehmer, den Mindestlohn zu zahlen, trifft dies nicht zu. Denn die Bürgenhaftung führt nicht zu einer Befreiung von der Lohnzahlungspflicht. Dem Bürgen ist vielmehr ein Rückgriff auf den Nachunternehmer möglich. Diesen Rückgriff geeignet zu sichern, ist eine Frage der privatautonomen Gestaltung der vertraglichen Beziehungen zwischen General- und Nachunternehmer.

cc) Die Haftungsregelung ist zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele erforderlich. Ein anderes gleich wirksames Mittel, das weniger einschränkend wirkt, steht nach der nicht zu beanstandenden Auffassung des Gesetzgebers nicht zur Verfügung.

Der von der Beklagten zu 2) aufgezeigte Weg eines gesetzlichen Abzugsverfahrens, bei dem der Hauptunternehmer bei jeder Werklohnzahlung an den Nachunternehmer einen bestimmten Teil in Abzug bringt und an die Sozialkasse der Bauwirtschaft auszahlt, hat nicht die gleiche Wirksamkeit wie § 1a AEntG. Er ist mit einem erheblichen Verwaltungsmehraufwand und damit einhergehenden Kosten verbunden. Auch die weiteren von der Beklagten zu 2) dargestellten Alternativen zur Bürgenhaftung stellen die Erforderlichkeit der gesetzlichen Regelung nicht in Frage. In Betracht kommen eine Verstärkung und Ausweitung der Baustellenkontrollen durch die Gewerbeaufsicht, eine gesetzliche Regelung, die den Generalunternehmer nur bei Verschulden haften lässt und ihm die Exkulpation bei fehlendem Verschulden ermöglicht sowie eine Regelung, die die Nettolohnhaftung für den Fall der Insolvenz des Vertragsarbeitgebers ausschließt, oder den Generalunternehmer nur im Wege der Ausfallbürgschaft haften lässt. Diese zwar denkbaren, das Grundrecht der Berufsfreiheit weniger einschränkenden Maßnahmen sind jedoch nach Einschätzung des Gesetzgebers nicht in gleicher Weise wie die verschuldensunabhängige Nettolohnhaftung geeignet, die gesetzgeberischen Ziele zu verwirklichen.

Die Auffassung des Gesetzgebers, die Bußgeldbewehrung einzelner Verstöße durch § 5 AEntG führe ebenso wenig zu einer effektiven Durchsetzung der Normen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes wie eine Ausweitung der Baustellenkontrollen (BT-Drucks. 14/45 S. 26), hält sich im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative. Sie ist jedenfalls nicht offensichtlich verfehlt. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die mit der Haftungsregelung bezweckte sorgfältigere Auswahl und Kontrolle der Nachunternehmer mittelfristig zu einem Rückgang der Auftragsvergabe an unzuverlässige oder unbekannte Unternehmen führt und damit die staatlichen Kontrollen auf den Baustellen ergänzt. Hinzu kommt, dass die Bürgenhaftung unmittelbar dem Arbeitnehmer zugute kommt und damit der in § 1 AEntG geregelte Mindestlohnanspruch im Baugewerbe zugunsten des durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz geschützten Personenkreises effektiver ausgestaltet wird als bei den von der Beklagten zu 2) aufgezeigten Regelungsalternativen, die rein ordnungsrechtlich ausgestaltet sind. Nicht zu beanstanden ist auch die weitere Annahme des Gesetzgebers, die zum 1. Januar 1998 erfolgte Anhebung des Bußgeldrahmens für die Nichtgewährung zwingender Arbeitsbedingungen habe in der Praxis bislang noch nicht in genügendem Maße zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften geführt. Der Gesetzgeber hat hier in zulässiger Weise von der ihm zustehenden wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Entschließungsfreiheit Gebrauch gemacht. Schließlich hält es sich im Rahmen der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative, eine verschuldensunabhängige umfassende Bürgenhaftung zur wirksamen Durchsetzung des Mindestlohnanspruchs für erforderlich zu halten.

dd) Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist verhältnismäßig im engeren Sinne. Da § 1a AEntG die Berufsausübungsfreiheit nicht unmittelbar regelt, sondern nur mittelbar berührt, hat der Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Es besteht eine hinreichende Verantwortungsbeziehung zwischen dem Handeln des Bauunternehmers und seiner Haftung nach § 1a AEntG. Der durch die Bürgenhaftung bewirkte Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG steht in einem noch angemessenen Verhältnis zu dem mit dieser Regelung verfolgten Zweck. Für die von § 1a AEntG erfassten Bauunternehmer bestehen auch ausreichende rechtliche Möglichkeiten, das Haftungsrisiko einzugrenzen.

(1) § 1a AEntG liegt eine besondere Verantwortungsbeziehung zwischen dem Handeln des Bauunternehmers und seiner Haftung zugrunde (zweifelnd Franzen SAE 2003, 190, 193; ErfK/Schlachter § 1a AEntG Rn. 3). Die Bürgenhaftung beruht auf der Überlegung, dass der Nachunternehmer eine Verbindlichkeit des Generalunternehmers erfüllt und damit für ihn tätig wird. Da den Generalunternehmen der wirtschaftliche Vorteil der Beauftragung von Nachunternehmen zugute kommt, sollen sie für die Lohnforderungen der dort beschäftigten Arbeitnehmer einstehen. Zwischen Generalunternehmer und Nachunternehmer besteht keine zufällige Rechtsbeziehung, sondern eine vertragliche Vereinbarung. Insoweit ist das Haftungsrisiko des Generalunternehmers zwar nicht gänzlich auszuschließen, aber in wesentlichen Teilen beherrschbar. Dies gilt auch bei Nachunternehmerketten. Der Generalunternehmer kann hier durch vertragliche Vereinbarungen und Überprüfung der Einhaltung dieser Regelungen Vorsorge treffen. Dass es hierbei in der praktischen Durchführung zu Schwierigkeiten kommen kann, steht der Annahme einer besonderen Verantwortungsbeziehung zwischen dem Tätigwerden des Generalunternehmers und der Bürgenhaftung nicht entgegen. Entscheidend ist, dass der Generalunternehmer, der für einen Bauherren Bauleistungen zu erbringen hat, durch die Beauftragung von Nachunternehmen die an sich ihm obliegende Pflicht zur Vergütung der Arbeitnehmer in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns, auf die ausführenden Nachunternehmen verlagert. Durch diese vom Generalunternehmer selbst gewählte Vertragskonstruktion entsteht erst das Risiko der Nichtbeachtung des gesetzlichen Mindestlohns. Hierfür hat er nach § 1a AEntG wie ein Bürge zu haften.

(2) Für die von § 1a AEntG erfassten Bauunternehmer bestehen auch ausreichende rechtliche Möglichkeiten, das Haftungsrisiko einzugrenzen. Im Rahmen der Privatautonomie können Generalunternehmer und Nachunternehmer die Vorlage geeigneter Nachweise über die Erfüllung der Lohnforderungen der eingesetzten Arbeitnehmer für einzelne Monate vereinbaren. Bis zur Vorlage der Erfüllungsnachweise könnte nach entsprechender Vereinbarung ein Teil des vom Nachunternehmer zu beanspruchenden Werklohns einbehalten werden. Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Nachunternehmer ist auch die Absicherung eines Teils des Haftungsrisikos des Generalunternehmers durch eine vom Nachunternehmer beizubringende Bankbürgschaft nicht ausgeschlossen. Vertraglich regelbar ist ferner ein Zustimmungsvorbehalt des Generalunternehmers für die Beauftragung weiterer Nachunternehmer durch den ersten Nachunternehmer. Denkbar ist weiterhin eine Regelung, wonach sich der erste Nachunternehmer bei einer Nachunternehmerkette verpflichtet, den Generalunternehmer von Forderungen der Arbeitnehmer weiterer Nachunternehmer auf Zahlung des Mindestlohns freizustellen. Durch Kontrollen der Bauleiter und Poliere des Generalunternehmens auf den Baustellen kann schließlich festgestellt werden, ob auf der Baustelle auch tatsächlich Arbeitnehmer des jeweils verpflichteten Nachunternehmers tätig sind. Dies gilt umso mehr, als auf größeren Baustellen sowohl der Generalunternehmer als auch etwaige Nachunternehmer in der Regel ständig anwesend sein werden, um die ordnungsgemäße Durchführung der Bauleistungen zu organisieren und zu überwachen.

(3) Auch wenn die verschuldensunabhängige Haftung des Unternehmers durch keine noch so sorgfältige Auswahl und Überwachung der Nachunternehmer ausgeschlossen werden kann, führt dies nicht zur Unverhältnismäßigkeit dieser Haftungsregelung. Die Revision verkennt, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert ist, Gefährdungs- oder Garantiehaftungstatbestände für Sachverhalte oder Betätigungen einzuführen, von denen besondere Risiken für schutzbedürftige Gemeinwohlinteressen ausgehen. Ein übergeordnetes, auch den Gesetzgeber bindendes Rechtsprinzip der verschuldensabhängigen Haftung gibt es nicht (vgl. BVerfG 10. März 1976 - 1 BvR 355/67 - BVerfGE 42, 20, 36 f., zu einer Gefährdungshaftung für die Beschädigung öffentlicher Straßen und Wege nach Landesrecht).

(4) Der Beklagten zu 2) ist einzuräumen, dass durch § 1a AEntG ein nicht unbeachtlicher Kontroll- und Verwaltungsmehraufwand verursacht wird. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Generalunternehmer über § 1a AEntG auch das Insolvenzrisiko der Nachunternehmer trägt. Der Bundesagentur für Arbeit wird bei Insolvenz eines Nachunternehmers ein Rückgriff gegen den Generalunternehmer ermöglicht, wenn sie nach §§ 183 ff. SGB III Insolvenzgeld leistet. Alle diese Beeinträchtigungen führen jedoch bei einer Gesamtabwägung nicht zur mangelnden Verhältnismäßigkeit des § 1a AEntG. Die Beklagte zu 2) berücksichtigt nicht genügend, dass wegen der aufgezeigten Auswahl- und Kontrollmöglichkeiten des Unternehmers einerseits, dem wirtschaftlichen Interesse an der Auftragsvergabe und dem Wissen um die teilweise offensichtliche Missachtung der Mindestlohnbestimmungen andererseits eine besondere Verantwortungsbeziehung des Generalunternehmers zum Nachunternehmer und dessen Arbeitnehmern besteht. Hinzu kommt, dass die Bürgenhaftung auf Entgeltansprüche für tatsächlich geleistete Arbeit beschränkt ist und weder Annahmeverzugsansprüche noch Nebenforderungen erfasst (vgl. unter IX der Gründe). Alle diese Umstände lassen die vom Gesetzgeber gewählte Bürgenhaftung zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele trotz der für Generalunternehmer verbleibenden Haftungsrisiken als noch angemessen erscheinen.

VI. Die Regelung in § 1a AEntG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Bürgenhaftung erfasst - wie oben ausgeführt (IV 2 der Gründe) - nur Bauunternehmer. Die von der Beklagten gerügte sachwidrige Gleichstellung von Bauherren und Bauunternehmern liegt damit nicht vor. Ein Verstoß gegen Art. 14 und Art. 2 GG kommt nicht in Betracht. Art. 12 Abs. 1 GG ist insoweit das speziellere Grundrecht (BVerfG 12. Oktober 1994 - 1 BvL 19/90 - BVerfGE 91, 207).

VII. Eine verfassungskonforme Einschränkung des Umfangs der Bürgenhaftung ist nicht geboten. § 1a AEntG verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Soweit im Schrifttum eine Begrenzung der Haftung auf zumutbare Erkennungs- und Abwehrmaßnahmen vertreten wird (ErfK/Schlachter § 1a AEntG Rn. 3), fehlen für eine solche Reduktion der Norm die notwendigen Voraussetzungen. Eine verfassungskonforme Auslegung findet dort ihre Grenzen, wo sie dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes widerspricht. Im Wege der Auslegung darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen sowie deren Sinn und Zweck jedoch mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist diese geboten (BVerfG 11. April 2000 - 1 BvL 2/00 - AP ArbGG 1979 § 26 Nr. 2). Eine Beschränkung auf zumutbare Erkennungs- und Abwehrmaßnahmen widerspricht sowohl dem Wortlaut des Gesetzes als auch dem Zweck der Regelung. Der Gesetzgeber wollte Generalunternehmer für die Lohnforderungen von Arbeitnehmern der Nachunternehmer gerade als selbstschuldnerische Bürgen haften lassen, um die von ihm festgestellten Missstände im Baugewerbe effektiv zu bekämpfen (BT-Drucks. 14/45 S. 17 f.).

VIII. Die Beklagte zu 2) ist nicht in der durch Art. 49, 50 EG geschützten Dienstleistungsfreiheit beeinträchtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sind die Art. 49, 50 EG nicht auf Betätigungen anwendbar, die nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen. Die Art. 49, 50 EG finden auf Tätigkeiten ohne jeden Auslandsbezug keine Anwendung (vgl. EuGH 23. April 1991 - Rs. C-41/90 - EuGHE I 1991, 1979; 16. Januar 1997 - Rs. C-134/95 - EuGHE I 1997, 195; 17. Juni 1997 - Rs. C-70/95 - EuGHE I 1997, 3395 mwN). Ob dies der Fall ist, hängt von den jeweiligen tatsächlichen Feststellungen ab, die das innerstaatliche Gericht zu treffen hat.

2. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kann sich die Beklagte zu 2) nicht auf den Schutz der Art. 49, 50 EG berufen. Die Beklagte zu 2) hat zunächst eine Nachunternehmerin mit Sitz in Berlin beauftragt, diese wiederum hat die Beklagte zu 1), die Arbeitgeberin des Klägers, mit der Ausführung der Bauleistungen beauftragt. Sowohl die Beklagte zu 2) als auch die beiden Nachunternehmen haben ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Es fehlt deshalb im Hinblick auf die durch die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49, 50 EG geschützten Betätigungen an einem grenzüberschreitenden Sachverhalt.

3. Die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49, 50 EG oder die Niederlassungsfreiheit nach Art. 39 EG ist im vorliegenden Fall auch nicht dadurch berührt, dass der Kläger möglicherweise Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates ist. Die Vorinstanzen haben hierzu keine näheren Feststellungen getroffen. Selbst wenn der Kläger portugiesischer Staatsangehöriger wäre, ist weder im Verhältnis zwischen den Parteien noch zwischen diesen und der Beklagten zu 1) die Frage der Dienstleistungsfreiheit berührt, weil im vorliegenden Fall keine grenzüberschreitenden Betätigungen stattgefunden haben. Ebenso wenig ist der Kläger, der seinen Wohnsitz in Berlin hat, in seiner Niederlassungsfreiheit nach Art. 39 EG berührt, da er in keinem der nach Art. 39 Abs. 3 EG geschützten Rechte betroffen ist.

IX. Die Beklagte zu 2) haftet nach § 1a AEntG für den Mindestlohn, den der Arbeitnehmer für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen von seinem Arbeitgeber verlangen kann. Eine weiter gehende Haftung für Annahmeverzugsansprüche besteht nicht (zu Verzugszinsen vgl. Senat 12. Januar 2005 - 5 AZR 617/01 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

1. Die Bürgenhaftung bezieht sich allein auf den Mindestlohnanspruch nach § 1 Abs. 1 AEntG. Dieser wird ausschließlich für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen geschuldet, weil die Rechtsnormen des für allgemeinverbindlich erklärten TV Mindestlohn vom 26. Mai 1999 nur insoweit international zwingend iSv. Art. 34 EGBGB sind (vgl. Koberski/Asshoff/Hold AEntG § 1 Rn. 209 und § 1a Rn. 19). Die Ansprüche auf Annahmeverzugslohn gehören hierzu nicht.

2. Demzufolge schuldet die Beklagte zu 2) dem Kläger nicht die von ihm geltend gemachten Annahmeverzugsansprüche für die Zeit vom 10. bis zum 22. November 1999. Auf die Zeit vom 1. bis zum 9. November 1999 entfallen 67 Arbeitsstunden, auf die Zeit vom 10. bis zum 22. November 1999 insgesamt 102 Arbeitsstunden. Nach der vom Kläger vorgelegten Abrechnung für November 1999 beträgt sein nach der Tageslohnsteuertabelle ermittelter Nettolohnanspruch für November 1999 insgesamt 1.808,26 DM. Hiervon entfallen 102/169 auf die Zeit vom 10. bis zum 22. November 1999, so dass die Klage in Höhe von 1.091,38 DM (= 558,01 Euro) unbegründet ist.

Der Forderungsberechnung sind diese vom Kläger vorgetragenen Zahlen zugrunde zu legen, nachdem die Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 10. August 2000 den Nettolohnbetrag unstreitig gestellt hat. Die Erklärung enthält jedoch kein vom Schuldgrund losgelöstes Anerkenntnis der Forderung. Hiergegen spricht bereits die Formulierung, der Betrag von 4.591,75 DM werde "unstreitig" gestellt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Prozessvertreter einen weitergehenden Erklärungswillen nicht behauptet.

X. Der Zinsanspruch folgt aus § 284 Abs. 2 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB aF.

XI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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