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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 25.04.2001
Aktenzeichen: 5 AZR 368/99
Rechtsgebiete: BeschFG 1985, BGB, ZPO, MTV für den Einzelhandel


Vorschriften:

BeschFG 1985 § 2 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 612 Abs. 2
ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 1
Manteltarifvertrag f. den Einzelhandel in Niedersachsen vom 11. August 1993 § 14
§ 2 Abs. 1 BeschFG 1985 ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

5 AZR 368/99

Verkündet am 25. April 2001

In Sachen

hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Griebeling, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge und Kreft, die ehrenamtlichen Richter Anthes und Heel

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 11. Mai 1999 - 16 a Sa 2078/98 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 14. Mai 1998 - 10 Ca 315/97 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.418,00 DM brutto nebst 4 % auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 20. März 1997 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Beklagte zu 36/37 und die Klägerin zu 1/37 zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin.

Die Beklagte betreibt eine Tankstelle. Die Klägerin war bei ihr von März 1994 bis zum 18. August 1996 als Kassiererin und Verkäuferin beschäftigt. Sie war zugleich Studentin der Rechtswissenschaft. Ihre monatliche Arbeitszeit bei der Beklagten lag zwischen 75 und 134 Stunden. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Niedersachsen vom 11. August 1993 (MTV) Anwendung. Dessen § 14 hat folgenden Wortlaut:

"Verwirkung von Ansprüchen

1. ...

2. Gegenseitige Ansprüche aller Art aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlußfrist von 3 Monaten seit Fälligkeit des Anspruchs schriftlich geltend zu machen. Die Ausschlußfrist für Ansprüche aus Eingruppierung in Tarifgruppen beträgt 4 Monate.

3. Unter die Verfallklausel fallen nicht solche Ansprüche eines Arbeitgebers oder eines Arbeitnehmers gegen einen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, die auf eine strafbare Handlung oder eine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB gestützt werden. Für diese Ansprüche gelten die gesetzlichen Vorschriften."

Die Beklagte beschäftigte außerdem Vollzeitkräfte und Arbeitnehmer mit geringfügiger Wochenarbeitszeit. Letztere wurden - wie die Klägerin - zu wechselnden Arbeitszeiten eingesetzt; die Vollzeitkräfte hatten feste Arbeitszeiten.

Die Klägerin erhielt - wie alle Teilzeitkräfte - ursprünglich einen Stundenlohn von 12,00 DM brutto. Er wurde ab September 1995 auf 13,00 DM erhöht. Für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhielt die Klägerin einen Zuschlag von 3,00 DM, ab Januar 1996 von 3,25 DM pro Stunde. Den Vollzeitkräften zahlte die Beklagte einen Stundenlohn von ursprünglich 14,00 DM brutto, ab September 1995 von 15,00 DM; die Zuschläge betrugen für sie zunächst 3,50 DM, ab September 1995 3,75 DM pro Stunde.

Im Februar 1997 erhob die Klägerin gegenüber der Beklagten, gestützt auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen ihrer tatsächlichen Vergütung und derjenigen, die sie als Vollzeitkraft für dieselbe Arbeitszeitmenge erhalten hätte. Der Höhe nach ist der Anspruch unstreitig. Nachdem die Beklagte zuletzt im März 1997 eine Zahlung abgelehnt hatte, erhob die Klägerin im Mai 1997 die vorliegende Klage. Sie hat vorgebracht, ihre Tätigkeit sei mit der von Vollzeitkräften, soweit diese an der Kasse und im Verkauf eingesetzt worden seien, vergleichbar gewesen. Ein sachlicher Grund für ihre geringere Entlohnung habe nicht bestanden. Ihr Vergütungsanspruch sei auch nicht verfallen. Die tarifliche Ausschlußfrist in § 14 MTV gelte nicht für unerlaubte Handlungen. Der Verstoß gegen § 2 BeschFG stelle eine unerlaubte Handlung dar.

Die Klägerin hat, soweit noch von Interesse, beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.418,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 20. März 1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, anders als die Vollzeitkräfte habe die Klägerin ihre Arbeitszeit selbst bestimmen können. Dies rechtfertige eine geringere Vergütung. Im übrigen seien die Ansprüche wegen des Ablaufs tariflicher Verfallfristen erloschen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Die Klageforderung ist entstanden und nicht durch Fristablauf erloschen. Selbst wenn der MTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden sollte, beruht die Forderung - auch - auf einer unerlaubten Handlung, so daß die tarifliche Ausschlußfrist in § 14 MTV nicht gilt. Anders als das Landesarbeitsgericht gemeint hat, ist § 2 Abs. 1 BeschFG ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB.

A. Die Revision ist zulässig. Bedenken aus § 554 Abs. 3 Nr. 1 ZPO greifen letztlich nicht durch. Nach dieser Vorschrift muß die Revisionsbegründung einen bestimmten Revisionsantrag, dh. eine Erklärung darüber enthalten, inwieweit das angegriffene Urteil angefochten und dessen Aufhebung begehrt werde. Für die Revision gegen ein klageabweisendes Urteil bedeutet dies, daß erkennbar sein muß, in welchem Umfang eine Verurteilung des Beklagten verlangt werde. Dazu bedarf es eines entsprechenden Sachantrags. Die Klägerin hat einen solchen Antrag in der Revisionsinstanz nicht ausdrücklich gestellt. Sie hat beantragt, das angegriffene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Den Anforderungen des § 554 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist damit gleichwohl genügt. Von dem uneingeschränkten Antrag, das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben, ist dieses Urteil in vollem Umfang erfaßt. Mittelbar ist deshalb auch ein Sachantrag gestellt: Wenn das angefochtene Urteil aufgehoben wird, steht der in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellte Antrag des Revisionsklägers erneut zur Entscheidung (BAG 6. Oktober 1965 - 2 AZR 404/64 - BAGE 17, 313; vgl. auch BAG 16. März 1966 - 1 AZR 446/65 - AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 33 = EzA TVG § 4 Nr. 12). In der Berufungsinstanz hatte die Klägerin zuletzt beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 14. Mai 1998 - 10 Ca 315/97 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.418,00 DM brutto nebst 4 % auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit 20. März 1997 zu zahlen. Dieser Sachantrag ist für den Fall der Aufhebung des Berufungsurteils gestellt. Ob über ihn das Revisionsgericht selbst entscheiden kann (§ 565 Abs. 3 ZPO) oder die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen ist, ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Anträge der Parteien brauchen dazu nicht gestellt zu werden. An gleichwohl gestellte Anträge ist das Revisionsgericht nicht gebunden (BAG 6. Oktober 1965 aaO).

B. Die Revision ist begründet.

I. Die Klageforderung ist gemäß § 612 Abs. 2 BGB entstanden. Der Klägerin stand dieselbe Stundenvergütung zu wie den Vollzeitbeschäftigten der Beklagten. Die mit der Klägerin vertraglich getroffene Vergütungsabrede verstieß gegen den im streitbefangenen Zeitraum noch geltenden § 2 Abs. 1 BeschFG 1985. Dies führte zur Nichtigkeit der getroffenen Abrede. Anstelle der unwirksam vereinbarten Vergütung tritt die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB. Dies ist im Streitfall die anteilige Vergütung der Vollzeitkräfte.

1. Nach § 2 Abs. 1 BeschFG darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Das Gebot der Gleichbehandlung erstreckt sich sowohl auf einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers als auch auf vertragliche Vereinbarungen.

§ 2 BeschFG gilt auch im Bereich der Vergütung. Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Entgelt, das dem Verhältnis seiner Arbeitsleistung zu derjenigen eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Allerdings ist § 2 Abs. 1 BeschFG - ebenso wie der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz - im Bereich der Vergütung nur beschränkt anwendbar. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit hat für individuell vereinbarte Löhne und Gehälter Vorrang. Wenn der Arbeitgeber, was ihm die Vertragsfreiheit gestattet, einzelne Arbeitnehmer besserstellt, können daraus andere Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten (BAG 21. Juni 2000 - 5 AZR 806/98 - NZA 2000, 1050; 12. Juni 1996 - 5 AZR 960/94 - BAGE 83, 168). Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist aber anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, wenn er also bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (BAG 12. Juni 1996 aaO mwN). Das ist hier der Fall. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erhielten sämtliche Vollzeitkräfte der Beklagten einen um 2,00 DM höheren Stundenlohn und einen um 0,50 DM - zeitweise sogar um 0,75 DM - höheren Zuschlag als die Teilzeitkräfte.

2. Die Beklagte behandelte die Klägerin "wegen der Teilzeitarbeit" unterschiedlich gegenüber ihren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern. Eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an welches die unterschiedliche Behandlung bei den Arbeitsbedingungen anknüpft (BAG 30. September 1998 - 5 AZR 18/98 - AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 70 mwN). Im Streitfall ist die Teilzeitbeschäftigung das maßgebliche Kriterium für die von der Beklagten getroffenen unterschiedlichen Vergütungsabreden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts differenzierte die Beklagte bei der Höhe der Vergütung ausschließlich danach, ob die Beschäftigten fest angestellt oder lediglich als Aushilfen tätig waren. Als fest angestellt sah sie nur Arbeitnehmer mit festen Arbeitszeiten an, als Aushilfen behandelte sie alle Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit nach dem jeweils geltenden Schichtplan variierte. Feste Arbeitszeiten wiederum hatten nur Vollzeitbeschäftigte. Damit war der Umstand der Teilzeitbeschäftigung maßgeblich für die Höhe der Vergütung. Unterschiede in der Tätigkeit oder in der Ausbildung, soweit sie vorhanden sein sollten, spielten keine Rolle. Einziges Kriterium für die Höhe der Vergütung war die Dauer der Arbeitszeit.

3. Ein sachlicher Grund, der die Ungleichbehandlung der Klägerin als Teilzeitkraft gemäß § 2 Abs. 1 BeschFG rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Allein das unterschiedliche Arbeitspensum berechtigt zu einer unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften nicht. Entsprechende Sachgründe müssen anderer Art sein und zB auf unterschiedlicher Arbeitsbelastung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen (so die Amtliche Begründung für den Regierungsentwurf zum Beschäftigungsförderungsgesetz 1985, BT-Drucks. 10/2102 S 24).

Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin könne deswegen nicht dieselbe Vergütung wie Vollzeitbeschäftigte verlangen, weil sie Umfang und Lage ihrer Arbeitszeit selbst habe bestimmen können. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist die einem Teilzeitbeschäftigten eingeräumte größere Freiheit bei der Arbeitszeitgestaltung kein sachlicher Grund für eine geringere Entlohnung. Die größere Flexibilität bringt nicht nur dem Beschäftigten, sondern auch dem Arbeitgeber Vorteile. Die Arbeitskraft von Teilzeitbeschäftigten ist - anteilig - genauso viel wert wie die der Vollzeitbeschäftigten (BAG 12. Juni 1996 aaO).

Die Beklagte hat ferner vorgebracht, daß zwei ebenfalls als Kassiererinnen und Verkäuferinnen beschäftigte Vollzeitkräfte über diese Tätigkeit hinaus andere Aufgaben wahrgenommen hätten und die Klägerin auch diesem Grunde nicht verlangen könne, wie diese vergütet zu werden. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß sich die Beklagte darauf nicht zu berufen vermag. Sie hat Unterschiede in den Tätigkeiten ihrer Beschäftigten gerade nicht zum Kriterium für eine unterschiedliche Vergütung gemacht. Vielmehr hätte die Klägerin als Vollzeitkraft die erstrebte höhere Vergütung auch dann erhalten, wenn sie keine weiteren Aufgaben wahrgenommen hätte.

Auch der Umstand, daß die Klägerin während der Zeit ihrer Beschäftigung bei der Beklagten eingeschriebene Studentin war, rechtfertigt keine geringere Vergütung. Daß die Klägerin Studentin war, stand mit dem Arbeitsverhältnis nicht im Zusammenhang. Der Wert ihrer Arbeitsleistung änderte sich dadurch nicht. Die Gegenleistung für die Arbeit besteht regelmäßig in der Zahlung von Bruttobeträgen durch den Arbeitgeber. Der Betrag ist unabhängig von Steuerklassen, Freibeträgen und Sozialversicherungsbeiträgen und damit auch unabhängig von den privaten Lebensumständen. Diese können die Höhe der Abzüge beeinflussen. Sie erlauben dem Arbeitgeber dagegen nicht, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die zugleich Studenten sind, geringer zu vergüten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer (BAG 12. Juni 1996 aaO).

II. Die Klageforderung ist außerdem gem. § 823 Abs. 2 BGB entstanden. Danach ist, wer gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt, zum Ersatz des daraus herrührenden Schadens verpflichtet.

1. Die Beklagte hat mit dem Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG ein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB verletzt.

a) Das Landesarbeitsgericht hat dies mit der Begründung verneint, zwar gewähre § 2 Abs. 1 BeschFG den Teilzeitbeschäftigten einen individual-rechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung, dabei handele es sich aber um einen arbeitsrechtlichen und deshalb vertraglichen Individualschutz. Der Gesetzgeber habe den Teilzeitbeschäftigten dagegen keinen deliktischen Schadensersatzanspruch gewähren wollen. Der angestrebte arbeitsrechtliche Schutz habe auf das zur Erreichung des beschäftigungspolitischen Zwecks erforderliche Mindestmaß beschränkt bleiben sollen. Mit einer solchen Zielsetzung sei eine deliktische Einstandspflicht des Arbeitgebers nicht zu vereinbaren. § 2 Abs. 1 BeschFG gewähre Teilzeitbeschäftigten deshalb nur einen vertraglichen Anspruch auf Gleichbehandlung und stelle kein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB dar.

b) Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar ist das Landesarbeitsgericht vom herrschenden Verständnis des Begriffs "Schutzgesetz" ausgegangen. Es hat jedoch zu Unrecht gemeint, die Voraussetzungen für die Anwendung des Begriffs seien im Hinblick auf § 2 Abs. 1 BeschFG nicht erfüllt. Der Senat hat mit Urteil vom 12. Juni 1996 (aaO) den Schutzgesetzcharakter von § 2 Abs. 1 BeschFG ausdrücklich bejaht. Daran ist festzuhalten.

aa) Gesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB ist jede Rechtsnorm, die ein bestimmtes Gebot oder Verbot ausspricht. Rechtsnormen, die nur allgemeine Grundsätze aufstellen, scheiden als Schutzgesetz aus (BGH 25. Januar 1977 - VI ZR 79/75 - NJW 1977, 1147; BGB-RGRK-Steffen 12. Aufl. § 823 Rn. 538, 539). Die Gebots- oder Verbotsnorm muß nach Zweck und Inhalt jedenfalls auch dem Individualschutz dienen. Dies bedeutet, daß die Norm auf den Schutz vor einer näher bestimmten Art der Schädigung eines Rechtsguts oder Individualinteresses gerichtet sein muß. Es reicht aus, daß die Gewährung von Individualschutz wenigstens eines der vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Anliegen ist, selbst wenn auf die Allgemeinheit gerichtete Schutzzwecke ganz im Vordergrund stehen (BGHZ 100, 13, 14 f.; BGB-RGRK-Steffen aaO, Rn. 540; MünchKomm-Mertens BGB 3. Aufl. § 823 Rn. 162; Soergel-Zeuner BGB Stand Frühjahr 1998 § 823 Rn. 289 mwN).

Erforderlich ist ferner, daß die Norm dazu bestimmt ist, gerade vor Schädigungen der eingetretenen Art zu schützen, der jeweilige Schaden also von ihrem Schutzzweck umfaßt wird. Zu fragen ist, ob es nach Maßgabe des Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden zu knüpfen (BGH 29. Juni 1982 - VI ZR 33/81 - BGHZ 84, 312, 314 mwN; ähnlich MünchKomm-Mertens aaO Rn. 163). Dazu muß der Geschädigte zu dem geschützten Personenkreis gehören, muß er in einem Rechtsgut oder Interesse verletzt worden sein, dessen Schutz die Norm zu dienen bestimmt ist, und muß sich mit dem Schädigungsvorgang eine Gefahr verwirklicht haben, die durch das Gesetz gerade abgewendet werden soll (Soergel-Zeuner aaO Rn. 290 mwN aus der Rspr. des RG und des BGH). Das setzt voraus, daß die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs, auch soweit sie nicht schon erkennbar vom Gesetz erstrebt wird, in den betreffenden Fällen sinnvoll und im Lichte des haftpflichtrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint, um die Gefahr auszuschließen, daß die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine allgemeine Haftung für Vermögensschäden unterlaufen wird (BGH 8. Juni 1976 - VI ZR 50/75 - BGHZ 66, 388, 390; Knöpfle NJW 1967, 697).

bb) Nach diesen Grundsätzen stellt § 2 Abs. 1 BeschFG ein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB dar. Die Vorschrift enthält ein Verbot der sachlich nicht gerechtfertigten Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten. Mit ihm verfolgt der Gesetzgeber jedenfalls auch den individuellen Schutz der Teilzeitkräfte. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung soll ua. "durch einen besseren arbeitsrechtlichen Schutz die Teilzeitarbeit auch für solche Arbeitnehmer attraktiv gemacht werden, die heute vollbeschäftigt, aber an Teilzeitarbeit interessiert sind. Teilzeitarbeitnehmer sollen daher im Arbeitsverhältnis vor einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Vollzeitarbeitnehmern geschützt werden" (BR-Drucks. 393/84 S 15, unter A I 2). Ferner heißt es in der Begründung, das Gesetz solle "zur Förderung der Teilzeitarbeit beitragen. Hierzu bedarf es keiner umfassenden gesetzlichen Regelung der Teilzeitarbeit. Dem genannten Zweck ist vielmehr ein Gesetz angemessen, das sich auf die notwendigen Vorschriften zum Schutz von Teilzeitarbeitnehmern in den Bereichen beschränkt, in denen sich in der Praxis ein besonderes Schutzbedürfnis ergeben hat. Der Gesetzesentwurf zielt darauf ab, die Teilzeitarbeit sozial verträglicher zu gestalten und auf diesem Wege zu ihrer weiteren Ausbreitung beizutragen. So kann eine wirksame arbeitsrechtliche Absicherung der Teilzeitarbeit vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern den Übergang zur Teilzeitarbeit erleichtern und damit zusätzliche Teilzeitarbeitsplätze schaffen. ... Teilzeitarbeit wird arbeitsrechtlich grundsätzlich ebenso abgesichert wie Vollzeitarbeit. ..." (BR-Drucks. 393/84 S 17, unter A II 2 a, b).

Aus der Gesetzesbegründung folgt, daß das Gesetz das beschäftigungspolitische Ziel der Förderung der Teilzeitarbeit durch die Stärkung der arbeitsrechtlichen Position der Teilzeitkräfte erreichen will. Mit Hilfe von § 2 Abs. 1 BeschFG soll den Teilzeitbeschäftigten ein besonderer individueller Vermögensschutz zuteil werden. Die Vorschrift will sie vor dem bewahren, was die Klägerin im Streitfall hat hinnehmen müssen, nämlich bei gleichwertiger Arbeit schlechter vergütet zu werden als Vollzeitkräfte. § 2 Abs. 1 BeschFG will diese Benachteiligung dadurch verhindern, daß die Teilzeitkräfte sich gegen eine Schlechterstellung durch die Erhebung von Gleichbehandlungsansprüchen selbst sollen wehren können. Die durch eine Ungleichbehandlung eingetretenen Vermögensnachteile sollen durch die Bereitstellung von Individualansprüchen ausgeglichen werden. In der Möglichkeit dieser Selbsthilfe besteht der vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte arbeitsrechtliche Schutz. Dieser Schutz der Teilzeitkräfte ist nicht auf die Gewährung von Erfüllungsansprüchen begrenzt. Auch deliktische Schadensersatzansprüche sind geeignet, die individuelle arbeitsrechtliche Position von Teilzeitbeschäftigten zu schützen und zu stärken. Mit der Gewährung deliktischer Ansprüche wird angesichts des gewollten Vermögensschutzes auch nicht das haftpflichtrechtliche Gesamtsystem und die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine allgemeine Haftung für Vermögensschäden mißachtet (aA offenbar ErfK-Preis 2. Aufl. BeschFG § 2 Rn. 3). Zu Unrecht hat deshalb das Landesarbeitsgericht den vom Gesetz beabsichtigten arbeitsrechtlichen Schutz mit einem bloß vertraglichen Schutz gleichgesetzt. Für eine solche Beschränkung der Funktion des § 2 Abs. 1 BeschFG geben die Gesetzesmaterialien nichts her. Sie enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber den Schutz von Teilzeitbeschäftigten und die Herbeiführung von Gleichbehandlung durch die Eröffnung deliktischer Ansprüche hat ausschließen wollen. Daß der gewünschte Vermögensausgleich auch über § 612 Abs. 2 BGB durch die Erhöhung von Vergütungsansprüchen erreicht werden kann, steht der Gewährung eines deliktischen Ausgleichsanspruchs über § 823 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Im übrigen ist auch der Anspruch aus § 612 Abs. 2 BGB, der an die Stelle des Anspruchs aus der nach § 2 Abs. 1 BeschFG iVm. § 134 BGB unwirksamen vertraglichen Vergütungsabrede tritt, kein vertraglicher, sondern ein gesetzlicher Anspruch (BAG 19. August 1992 - 5 AZR 513/91 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 102).

§ 2 Abs. 1 BeschFG läßt den Weg zur Sicherung der gebotenen Gleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten offen. Die Vorschrift schließt die Sicherung durch deliktische Ansprüche nicht aus. § 2 Abs. 1 BeschFG ist Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB. Der Umstand, daß gegen das Verbot in § 2 Abs. 1 BeschFG nur ein Arbeitgeber verstoßen und davon nur ein Arbeitnehmer betroffen sein kann, daß also Schädiger und Geschädigter nur die Parteien eines Arbeitsvertrags sein können, steht dem nicht entgegen. Es ist nicht notwendig, daß jedermann Schädiger oder Geschädigter im Sinne der verletzen Norm sein kann (aA offenbar Adomeit NJW 1997, 2295). Auch gegen § 266 a StGB kann nur der Arbeitgeber verstoßen; Verstöße gegen § 618 BGB, §§ 78, 78 a BetrVG, § 14 Abs. 1 SchwbG können ebenfalls nur von Arbeitgebern begangen werden und wirken sich nur gegenüber Arbeitnehmern aus. Gleichwohl werden auch diese Vorschriften als Schutzgesetze iSd. § 823 Abs. 2 BGB angesehen (BGHZ 133, 370 - zu § 266 a StGB; RG JW 1907, 829 - zu § 618 BGB; BAG DB 1975, 1226 - zu §§ 78, 78 a BetrVG; BAG 12. November 1980 - 4 AZR 779/78 - BAGE 34, 250 - zu § 11 Abs. 2 Satz 1 SchwbG aF; BAG NZA 1992, 27 - zu § 14 Abs. 2 SchwbG).

2. Die Beklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft. Sie hätte erkennen müssen, daß die schlechtere Bezahlung der Klägerin gegen § 2 Abs. 1 BeschFG verstößt. Diese Vorschrift ist am 1. Mai 1985 in Kraft getreten und galt im Anspruchszeitraum weiterhin. Sie mußte der Beklagten bekannt sein. Ein möglicher Rechtsirrtum vermöchte sie nicht zu entschuldigen.

3. Der zu ersetzende Schaden besteht in der Unterbezahlung der Klägerin im Vergleich zu Vollzeitkräften. Er entspricht der von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsdifferenz.

III. Die Klageforderung ist nicht untergegangen.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Klageanspruch sei verwirkt, weil die Klägerin ihre Forderungen auf Zahlung der Vergütungsdifferenz nicht rechtzeitig innerhalb der Frist des § 14 Nr. 2 MTV geltend gemacht habe. Dem ist nicht zu folgen.

1. Es ist bereits fraglich, ob der MTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien überhaupt Anwendung findet. Gemäß § 1 seiner Vorschriften gilt er fachlich "für alle Betriebe des Einzelhandels". Die Beklagte betreibt eine Tankstelle. Laut Briefkopf ihres Schreibens vom 21. Februar 1997 handelt es sich um eine Markenbenzin-SB-Station mit "SB-Waschanlage, Reifendienst, Kfz-Service, Wagenpflege, elf-Boutique". Das Landesarbeitsgericht hat keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die es zuließen, den Betrieb der Beklagten eindeutig dem Einzelhandel zuzuordnen. Tarifverträge für den Einzelhandel in anderen Bundesländern zeigen, daß die Tarifvertragsparteien nicht als selbstverständlich davon ausgehen, es gehöre der Betrieb einer Tankstelle stets zum Einzelhandel. So heißt es in § 1 Nr. (3) d MTV Einzelhandel Nordrhein-Westfalen ausdrücklich, der Tarifvertrag gelte "auch in Betrieben des Tankstellen- und Garagengewerbes". § 1 b des MTV Einzelhandel für Rheinland-Pfalz erklärt, der Tarifvertrag gelte "für alle Betriebe des Einzel- und Versandhandels ... sowie für alle Betriebe des Floristen-, Tankstellen- und Garagengewerbes". § 1 Nr. 2 des MTV Einzelhandel in Bayern sieht vor, daß der Tarifvertrag "für die Betriebe des Einzelhandels und des Versandhandels aller Branchen und Betriebsformen einschließlich ihrer Hilfs- und Nebenbetriebe (zB Kundendienst, Tankstellen usw.)" gilt. Von einem feststehenden Begriffsverständnis kann deshalb keine Rede sein.

Im Tatbestand seines Urteils hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, das Arbeitsverhältnis unterfalle dem allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Niedersachsen vom 11. August 1993. Dies ist keine tatsächliche Feststellung iSv. § 561 Abs. 2 ZPO, an die der Senat gebunden wäre. Die Frage der Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis ist eine Rechtsfrage. Gebunden sein kann das Revisionsgericht nur an die ihrer Beurteilung durch das Landesarbeitsgericht zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände wie etwa die Anzahl der in den jeweiligen Betriebsteilen beschäftigten Arbeitnehmer, den Umfang der dort insgesamt jeweils geleisteten Arbeitsstunden usw. Dazu haben weder die Parteien vorgetragen noch das Landesarbeitsgericht Feststellungen getroffen.

2. Die Klageforderung ist auch dann nicht erloschen, wenn zugunsten der Beklagten die Anwendbarkeit des MTV unterstellt wird. Zwar wäre dann mit dem Landesarbeitsgericht davon auszugehen, daß Vergütungsansprüche der Klägerin aus § 612 Abs. 2 BGB gemäß § 14 Nr. 2 MTV verfallen sind; Bedenken könnten sich allenfalls aus § 8 TVG ergeben. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 2 Abs. 1 BeschFG sind jedoch solche aus einer unerlaubten Handlung. Für sie gelten nach § 14 Nr. 3 MTV lediglich die gesetzlichen Vorschriften. Diese stehen der Klageforderung nicht entgegen. Die Beklagte hat sich auch für Schadensersatzansprüche der Klägerin aus den Monaten März bis Mai 1994 auf eine Verjährung nach § 852 BGB nicht berufen.

Ende der Entscheidung

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