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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.04.2000
Aktenzeichen: 5 AZR 372/98
Rechtsgebiete: EFZG, TVG, ZPO, ArbGG, MTV Arbeiter, MTV Angestellte


Vorschriften:

EFZG § 4 Abs. 1 Satz 1 in der vom 1. Oktober 1996 bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung § 3 Abs. 3
TVG § 9
ZPO § 256
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 1
MTV Arbeiter Nr. 32
MTV Arbeiter Nr. 33
MTV Angestellte Nr. 24
MTV Angestellte Nr. 27
MTV Angestellte Nr. 30
Leitsätze:

1. Der Manteltarifvertrag für die Berliner Holzindustrie vom 12. März 1984 enthält keine konstitutive Regelung der Höhe des im Krankheitsfall fortzuzahlenden Entgelts und des Beginns des Entgeltfortzahlungsanspruchs in neubegründeten Arbeitsverhältnissen.

2. Der Manteltarifvertrag für die Angestellten in Betrieben der holzverarbeitenden Industrie und der Polstermöbelindustrie Berlin vom 12. März 1984 (MTV Angestellte) enthält keine konstitutive Regelung der Höhe des im Krankheitsfall fortzuzahlenden Entgelts und des Beginns des Entgeltfortzahlungsanspruchs in neubegründeten Arbeitsverhältnissen.

Aktenzeichen: 5 AZR 372/98 Bundesarbeitsgericht 5. Senat Urteil vom 12. April 2000 - 5 AZR 372/98 -

I. Arbeitsgericht Berlin - 34 Ca 2548/97 - Urteil vom 15. April 1997

II. Landesarbeitsgericht Berlin - 11 Sa 91 + 133/97 - Urteil vom 20. Januar 1998


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

5 AZR 372/98 11 Sa 91+133/97

Verkündet am 12. April 2000

Metze, der Geschäftsstelle

In Sachen

Beklagter, Berufungsbeklagter, Anschlußberufungskläger und Revisionskläger,

pp.

Klägerin, Berufungsklägerin, Anschlußberufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,

hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Griebeling, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge und Kreft, die ehrenamtlichen Richter Dr. Hann und Mandrossa für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 20. Januar 1998 - 11 Sa 91+133/97 - aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. April 1997 - 34 Ca 2548/97 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5 zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob sich aus den zwischen ihnen als Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Manteltarifverträgen für die Berliner Holzindustrie vom 12. März 1984 (MTV Arbeiter) und für die Angestellten in Betrieben der holzverarbeitenden Industrie und der Polstermöbelindustrie Berlin vom 12. März 1984 (MTV Angestellte) ein Anspruch der Arbeitnehmer auf 100 % Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ergibt und die Frist des § 3 Abs. 3 EFZG gilt.

Die hier interessierenden Bestimmungen des MTV Arbeiter lauten wie folgt:

"Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

32. Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) vom 27. Juli 1969.

Auf die Anzeige- und Nachweispflichten nach § 3 des Lohnfortzahlungsgesetzes wird hingewiesen.

33. Das fortzuzahlende Arbeitsentgelt (Krankenlohn) ist wie folgt zu berechnen:

a) Grundsätzlich gilt abweichend von § 2 Abs. 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes nachfolgende Regelung:

Der Krankenlohn ergibt sich aus dem Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen - bei monatlicher Lohnzahlung der letzen abgerechneten drei Monate - vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Ist der Arbeitnehmer noch nicht so lange im Betrieb, so ist der Durchschnitt aus dem Zeitraum zu errechnen, während dem das Arbeitsverhältnis besteht.

Bei der Errechnung dieses Durchschnittsverdienstes bleiben außer Ansatz zusätzliches Urlaubsgeld, Einstieg in das 13. Monatseinkommen, Gratifikationen, Jahresabschlußzuwendungen, Anwesenheitsprämien, Auslösungen, vermögenswirksame Leistungen, Kurzarbeitergeld, Kurzarbeiterlohn und dergleichen.

Bei der Ermittlung der Teilungszahl für die Errechnung des arbeitstäglichen Durchschnittsverdienstes sind abzusetzen die Krankheitstage des Arbeitnehmers, für die er vom Arbeitgeber keinen Krankenlohn erhalten hat, Arbeitstage, für die der Arbeitnehmer ordnungsgemäß vom Arbeitgeber ohne Lohnfortzahlung von der Arbeit freigestellt ist sowie die Kurzarbeitstage. Dagegen werden nicht abgesetzt pflichtwidrig versäumte Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer der Arbeit unentschuldigt ferngeblieben ist.

Fällt in die Zeit der Arbeitsunfähigkeit eine tarifliche Besserstellung, so ist diese vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an bei der Berechnung des Krankenlohnes zu berücksichtigen.

b) Wird im Betrieb verkürzt gearbeitet und würde deshalb das Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers im Falle seiner Arbeitsfähigkeit gemindert, so erfolgt die Berechnung des Krankenlohnes nach den Absätzen 1 und 2 von § 2 des Lohnfortzahlungsgesetzes (Lohnausfallprinzip).

c) Soweit ein Akkordarbeiter im Falle seiner Arbeitsfähigkeit Zeitlohn nach Ziff. 59 dieses Vertrages erhalten würde, ist der Krankenlohn nach § 2 Abs. 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes zu berechnen (Lohnausfallprinzip)."

Die maßgeblichen Bestimmungen des MTV Angestellte haben folgenden Wortlaut:

"Arbeitsausfall und Tod

24. In Fällen unverschuldeter mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit oder während eines von einem Versicherungsträger bewilligten Heilverfahrens ist das Gehalt bis zur Dauer von sechs Wochen weiterzuzahlen.

...

27. In folgenden Fällen der Behinderung an Arbeitsleistung hat der Angestellte Anspruch auf volle Gehaltszahlung:

für 2 Arbeitstage bei

eigener Eheschließung, nach einjähriger Betriebszugehörigkeit;

für 1 Arbeitstag bei

a) eigener Eheschließung;

b) Eheschließung eigener Kinder nach einjähriger Betriebszugehörigkeit;

c) Todesfällen in der Familie (Ehegatte, Eltern, Kinder, Geschwister, soweit sie in der Hausgemeinschaft lebten);

d) Teilnahme an der Beerdigung der unter c) genannten Angehörigen, auch soweit sie nicht in der Hausgemeinschaft lebten, sowie der Schwiegereltern;

e) Niederkunft der Ehefrau am Tage der Entbindung oder am nächstfolgenden Arbeitstag;

f) eigener Silberhochzeit;

g) Goldener Hochzeit der Eltern und Schwiegereltern;

h) Wohnungswechsel beim Vorliegen eines eigenen Hausstandes mit eigener Möbelausstattung am Umzugstag einmal im Kalenderjahr.

...

30. Die Berechnung des Gehaltes für die nach den vorstehenden Bestimmungen zu bezahlende Zeit erfolgt nach dem Ausfallprinzip."

Die klagende Gewerkschaft hat die Auffassung vertreten, Nr. 32 MTV Arbeiter enthalte eine statische Verweisung auf die Vorschriften des Lohnfortzahlungsgesetzes vom 27. Juli 1969. Nr. 33 MTV Arbeiter regele die Höhe des fortzuzahlenden Entgeltes eigenständig und abweichend vom Gesetz.

Nr. 24 MTV Angestellte begründe bereits nach dem Wortlaut einen Anspruch auf ungekürzte Fortzahlung des Gehaltes im Krankheitsfall.

Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung hat die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, daß die Ziff. 32, 33 des Manteltarifvertrages für die Berliner Holzindustrie vom 12. März 1984 (MTV) so auszulegen sind, daß die durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996, Bundesgesetzblatt I, Nr. 48 vom 27. September 1996, S. 1476) in Art. 3 geänderten Vorschriften des § 3 Abs. 3 und § 4 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes n.F. auf tarifgebundene Arbeitsverhältnisse keine Anwendung finden,

2. festzustellen, daß die Ziff. 24, 30 des Manteltarifvertrages für die Angestellten in Betrieben der holzverarbeitenden Industrie und der Polstermöbelindustrie Berlin vom 12. März 1984 (MTV) so auszulegen sind, daß die durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996, Bundesgesetzblatt I, Nr. 48 vom 27. September 1996, S. 1476) in Art. 3 geänderten bzw. neu eingefügten Vorschriften des § 3 Abs. 3 und § 4 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes n.F. auf tarifgebundene Arbeitsverhältnisse keine Anwendung finden.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die Tarifvertragsparteien seien zum Zeitpunkt des Abschlusses der Tarifverträge davon ausgegangen, daß der Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall und bei vergleichbaren Fallgestaltungen aus dem Gesetz entstehe, so daß es einer eigenständigen Regelung dieses Punktes in den Tarifverträgen nicht bedurft habe. Uneinigkeit habe nur darin bestanden, ob dieses Regelungsziel durch wörtliche Übernahme des Gesetzestextes in den Tarifvertrag oder durch eine kurze Bezugnahme auf das damals geltende Gesetz habe erreicht werden sollen. Den Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung könne lediglich deklaratorischer Charakter beigemessen werden. Die Einführung des Referenzperiodensystems lasse nicht darauf schließen, daß eine eigenständige Regelung beabsichtigt gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich der noch rechtshängigen Teile abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich der noch rechtshängigen Streitgegenstände zu Recht als unbegründet abgewiesen. Weder der Manteltarifvertrag für die Arbeiter noch der Manteltarifvertrag für die Angestellten enthalten konstitutive Regelungen der fortzuzahlenden Entgelthöhe im Krankheitsfall sowie des Beginns des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im neubegründeten Arbeitsverhältnis. Die Berufung der Klägerin ist deshalb zurückzuweisen.

I. Die Klage ist zulässig. Das Feststellungsinteresse der Klägerin iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben. Der Streit der Parteien stellt eine Verbandsklage iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, § 9 TVG dar. Streitgegenstand einer solchen Klage muß nicht das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrags als Ganzes sein. Es genügt, wenn die Klage die Gültigkeit und die Auslegung einer einzelnen Tarifnorm betrifft. Ein solcher Auslegungsstreit ist in aller Regel nur als Feststellungsklage möglich (BAG 28. September 1977 - 4 AZR 446/76 - AP TVG 1969 § 9 Nr. 1; Germelmann/Matthes/Prütting Arbeitsgerichtsgesetz 3. Aufl. § 2 Rn. 16, 17). Das erforderliche Interesse an der begehrten Feststellung folgt regelmäßig aus § 9 TVG und der dort vorgesehenen Bindungswirkung. Durch sie werden im Interesse der Prozeßökonomie Leistungsklagen zwischen den Arbeitsvertragsparteien vermieden (BAG 30. Mai 1984 - 4 AZR 512/81 - AP TVG 1969 § 9 Nr. 3). Die Mitglieder des Beklagten haben Entgeltfortzahlung erst nach Erfüllung der vierwöchigen Wartezeit und lediglich in Höhe von 80 % geleistet und erklärt, daß sie abhängig vom Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits etwaige weitere Ansprüche erfüllen würden. Damit ist das Feststellungsinteresse der Klägerin nach wie vor gegeben.

II. Der Manteltarifvertrag für Arbeiter enthält keine eigenständige Regelung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts. Eine solche, gegenüber dem Gesetz günstigere Regelung ist tarifvertraglich nicht geschaffen worden. Nr. 32 des Manteltarifvertrages für Arbeiter enthält eine dynamische Verweisung auf die Bestimmungen des Lohnfortzahlungsgesetzes bzw. des Entgeltfortzahlungsgesetzes, nicht aber eine eigenständige Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dieser MTV verweist in Nr. 32 Satz 1 auf die gesetzlichen Bestimmungen mit folgendem Wortlaut:

"Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) vom 27. Juli 1969."

Mit dieser Klausel ist nicht der Wortlaut des Lohnfortzahlungsgesetzes in seiner Ursprungsfassung vom 27. Juli 1969 Inhalt des Tarifvertrages geworden. Als Tarifnorm im Sinne einer statischen Verweisung auf die Vorschriften des Lohnfortzahlungsgesetzes ausschließlich in seiner ursprünglichen Fassung vom 27. Juli 1969 kann Nr. 32 des Manteltarifvertrages für Arbeiter nicht verstanden werden. Es handelt sich vielmehr entweder um einen Hinweis auf das geltende Gesetzesrecht, bei dem schon jeglicher Normsetzungswille der Tarifvertragsparteien fehlt, oder um eine Tarifnorm, die jedoch als dynamische Verweisung auch für die Tarifunterworfenen nur die jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften für anwendbar erklärt. Dies ergibt die Auslegung der Bestimmung.

Nr. 32 des Manteltarifvertrages richtet sich nicht an die Tarifvertragsparteien selbst, sondern an die Tarifunterworfenen. Die Auslegung der Nr. 32 betrifft deshalb nicht den schuldrechtlichen, sondern den normativen Bereich des Tarifvertrages. Dessen Auslegung richtet sich nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung (ständige Rechtsprechung; BAG 21. August 1997 - 5 AZR 517/96 - NZA 1998, 211). Mit einer Verweisung auf geltende - ohnehin anwendbare - gesetzliche Vorschriften bringen die Tarifvertragsparteien in aller Regel zum Ausdruck, daß nur das Gesetz und nicht der Tarifvertrag maßgeblich sein soll. Ob sich die Verweisung als bloßer Hinweis oder als Tarifnorm im Sinne einer dynamischen Verweisung darstellt, kann dabei im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen sein. Individualrechtlich sind die Rechtsfolgen die gleichen (BAG 16. Dezember 1998 - 5 AZR 351/98 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Wäre in Nr. 32 ausschließlich auf das Lohnfortzahlungsgesetz verwiesen worden, wäre diese Vorschrift ohne weiteres dahin auszulegen, daß das Lohnfortzahlungsgesetz bzw. das dieses ablösende Entgeltfortzahlungsgesetz in seiner jeweiligen Fassung maßgeblich sein solle. Ohne nähere Kennzeichnung besteht ein Gesetz, auf das verwiesen wird, stets aus denjenigen Vorschriften, die aktuell gelten. Daß eine zukünftige Änderung des Gesetzes von der Verweisung ausgenommen sein sollte, ließe sich dem Wortlaut der Vorschrift in diesem Falle nicht entnehmen. Des ausdrücklichen sprachlichen Zusatzes, es sollten die "jeweiligen" Vorschriften des Gesetzes gelten, bedarf es dafür nicht (BAG 16. Dezember 1998 - 5 AZR 351/98 - aaO). Die Angabe des Datums rechtfertigt keine andere Auslegung. Durch die Nennung des Verkündungsdatums wird ein Gesetz lediglich präzise bezeichnet. Auch bei einer so formulierten Verweisung sind künftige Änderungen des Gesetzes keineswegs von ihr ausgenommen. Die Bezeichnung des Gesetzes bleibt weiterhin korrekt. Aus dem Manteltarifvertrag selbst sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Tarifvertragsparteien eine statische Verweisung auf das Lohnfortzahlungsgesetz in seiner Ursprungsfassung beabsichtigt hätten. Zwar kann sich der Wille zur Schaffung einer eigenständigen Regelung auch bei Verweisungsvorschriften nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergeben. Doch fehlt es im Manteltarifvertrag für Arbeiter an entsprechenden Anhaltspunkten. Insbesondere kann kein entsprechender Schluß aus dem im Abs. 2 der Nr. 32 enthaltenen Hinweis auf die sich aus § 3 des Lohnfortzahlungsgesetzes ergebenden Anzeige und Nachweispflichten gezogen werden. Der Tarifvertrag geht von der Geltung der gesetzlichen Lohnfortzahlungsregelungen aus, die er in Nr. 33 hinsichtlich der Berechnung modifiziert, und weist lediglich auf den sich aus dem Gesetz ergebenden Aspekt der Nebenpflichten besonders hin.

Ein abweichendes Ergebnis folgt auch nicht aus Nr. 33 des Manteltarifvertrages. Diese die Berechnung des Krankenlohnes regelnde Bestimmung des Manteltarifvertrages enthält keine Vorgaben für die Gewährleistung einer Entgeltfortzahlung in voller, hundertprozentiger Höhe. Vielmehr beschränkt sich Nr. 33 des Manteltarifvertrages auf die nähere Regelung der Bemessungsgrundlage. Diese Bemessungsgrundlage muß jedoch auch bei einer Entgeltfortzahlung in Höhe von 80 % berechnet werden. Die tarifliche Bestimmung der Berechnung des Lohnfortzahlungsanspruches enthält nicht zugleich die "zwangsläufige" Festlegung einer hundertprozentigen Entgeltfortzahlung. Vielmehr gibt der Tarifwortlaut (insbesondere Nr. 33 Eingangssatz) ausdrücklich zu erkennen, daß die "Berechnung" Gegenstand der Regelung ist. Die Gewährleistung eines bestimmten materiellen Ergebnisses der Berechnung ist dem Manteltarifvertrag nicht zu entnehmen. Dementsprechend haben die an diesen Tarifvertrag gebundenen Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine höhere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, als sie das Entgeltfortzahlungsgesetz jeweils vorgesehen hat und vorsieht.

III. Der Manteltarifvertrag für Angestellte enthält gleichfalls keine eigenständige Regelung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts. Eine solche, gegenüber dem Gesetz günstigere Regelung ist tarifvertraglich nicht geschaffen worden.

1. Der Senat hat einen tariflichen Anspruch auf Fortzahlung von 100 % des Arbeitsentgelts dann bejaht, wenn die Tarifvertragsparteien eine umfassende, rechnerisch lückenlose Regelung über die Bemessung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall getroffen haben, sie also nicht nur Berechnungsmethode und -grundlagen, sondern auch das Ergebnis der Berechnung vorgegeben haben. Solche Formulierungen lauten etwa, daß der Arbeitnehmer im Krankheitsfall Anspruch auf 1/22 des Monatsverdienstes oder 1/65 des durchschnittlichen Vierteljahresverdienstes hat (BAG 26. August 1998 - 5 AZR 769/97 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen und - 5 AZR 740/97 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Wille zur Schaffung einer eigenständigen Regelung zur Höhe der Entgeltfortzahlung kann aber auch in anderen Formulierungen zum Ausdruck kommen, die über eine bloße inhaltsgleiche Wiedergabe der zur Zeit des Tarifvertragsabschlusses geltenden Gesetzeslage hinaus gegangen sind. Während sich bei der Formulierung, bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sei das Gehalt bzw. der Lohn "fortzuzahlen" oder "weiterzuzahlen", noch die weitere Frage stellen läßt, in welcher Höhe das Entgelt fortzuzahlen ist, so ist dies bei der Formulierung Anspruch auf Bezahlung des "vollen" Gehaltes bzw. Lohnes nicht mehr der Fall. In diesem Fall können die Normunterworfenen den Tarifvertrag nur dahin verstehen, daß Entgeltfortzahlung in voller Höhe, also in Höhe von 100 % zu leisten ist (BAG 5. Mai 1999 - 5 AZR 530/98 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

2. Nach dem Wortlaut der Nr. 24, die insofern allein in Betracht zu ziehen ist, ist das Gehalt in Fällen unverschuldeter mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit oder während eines von einem Versicherungsträger bewilligten Heilverfahrens bis zur Dauer von sechs Wochen weiterzuzahlen. Weitere Bestimmungen trifft der Tarifvertrag nicht.

Allein in der tariflichen Bestimmung der "Weiterzahlung" des Gehaltes ohne Hinzutreten weiterer die Entgelthöhe bestimmender Zusätze ist keine eigenständige Regelung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts zu sehen (BAG 8. September 1999 - 5 AZR 671/98 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

In Nr. 24 wird der Begriff "Gehalt" nicht näher bestimmt und kein Anzeichen für eine konstitutive Regelung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts gesetzt. Maßgebliche Aussage der Bestimmung ist vielmehr die Dauer der zu leistenden Entgeltfortzahlung, die im Geltungsbereich des § 616 BGB für Angestellte tarifdispositiv ausgestaltet war.

Die in Nr. 30 des Manteltarifvertrages enthaltene Berechnungsregelung beinhaltet gleichfalls kein Anzeichen für eine konstitutive Regelung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts. Die Tarifbestimmung ordnet lediglich die Berechnung nach dem Ausfallprinzip an. Vielmehr kann aus Nr. 27 des Manteltarifvertrages geschlossen werden, daß die Tarifvertragsparteien sich sehr wohl über die Möglichkeit im klaren waren, auch die Höhe der fortzuzahlenden Vergütung regeln zu können, indem sie für die in Nr. 27 aufgeführten Ausfallzeiten die "volle" Gehaltszahlung angeordnet haben. Eine entsprechende Regelung fehlt in Nr. 24.

IV. Weder der MTV Arbeiter noch der MTV Angestellte enthalten eine konstitutive Regelung des Beginns der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im neubegründeten Arbeitsverhältnis. Es findet deshalb in den Geltungsbereichen beider Tarifverträge § 3 Abs. 3 EFZG Anwendung.

Ende der Entscheidung

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