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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.05.2004
Aktenzeichen: 5 AZR 405/03
Rechtsgebiete: HGB, EGHGB
Vorschriften:
HGB § 160 Abs. 1 | |
EGHGB Art. 35 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 19. Mai 2004
In Sachen
hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, die Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch und Dr. Linck sowie die ehrenamtlichen Richter Heel und Kremser für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Revision des Beklagten zu 2) gegen das Schlussurteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 2003 - 8 (18) Sa 939/02 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte zu 2) als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 3) und wie ein Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 1) verurteilt wird, an den Kläger 15.049,88 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins aus 4.926,30 Euro seit dem 1. Februar 2001 sowie aus jeweils 5.061,79 Euro seit dem 1. Juni 2001 und seit dem 1. Juli 2001 zu zahlen.
2. Der Beklagte zu 2) hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob der Beklagte zu 2) als ausgeschiedener persönlich haftender Gesellschafter der früheren Arbeitgeberin des Klägers - der R KG i.L. (Beklagte zu 1)) - für Entgeltansprüche haftet, die nach dem Ausscheiden des Beklagten zu 2) aus der Kommanditgesellschaft fällig geworden sind.
Der am 19. Mai 1943 geborene Kläger trat am 1. Mai 1960 in die Dienste der am Revisionsverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 1). Er war zuletzt als Prokurist zuständig für das Rechnungswesen, die Transportabwicklung und das Versicherungswesen. Der Beklagte zu 2) war Komplementär der Beklagten zu 1). Am 5. Februar 2002 wurde sein Ausscheiden aus der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen. Weiterer persönlich haftender Gesellschafter der Beklagten zu 1) war der am 13. April 2000 verstorbene Herr H, zu dessen Nachlasspflegerin die am Revisionsverfahren nicht beteiligte Beklagte zu 3) bestellt wurde.
Im August 1999 beschloss die Beklagte zu 1) ihre Liquidation sowie die Stilllegung des Betriebs und kündigte die Arbeitsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer. Nachdem der Kläger gegen die erste Kündigung vom 30. August 1999 erfolgreich Kündigungsschutzklage erhoben hatte, endete das Arbeitsverhältnis auf Grund einer weiteren Kündigung mit Ablauf des 31. Oktober 2001.
Mit seiner am 24. Januar 2002 eingereichten Klage hat der Kläger - soweit in der Revision noch von Belang - von den Beklagten Arbeitsvergütung für die Monate Januar 2001 in Höhe von 4.926,30 Euro sowie Mai und Juni 2001 in Höhe von jeweils 5.061,79 Euro verlangt. Für die Zeit vom 1. Februar bis zum 30. April 2001 bezog der Kläger Insolvenzgeld.
Mit rechtskräftig gewordenem "Teil-Versäumnisurteil" des Arbeitsgerichts vom 18. April 2002 wurde die Beklagte zu 3) gesamtschuldnerisch zur Zahlung verurteilt. Mit einem weiteren rechtskräftig gewordenem "Teil-Versäumnisurteil" des Landesarbeitsgerichts vom 13. Mai 2003 wurde die Beklagte zu 1) zur gesamtschuldnerischen Zahlung mit der Beklagten zu 3) verurteilt.
Der Kläger hat geltend gemacht, der Beklagte zu 2) hafte gem. § 160 Abs. 1 HGB als Komplementär gesamtschuldnerisch für die Entgeltforderungen.
Der Kläger hat, soweit in der Revision noch anhängig, beantragt,
den Beklagten zu 2) gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu 1) und zu 3) zu verurteilen, an ihn 15.049,88 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.926,30 Euro seit dem 1. Februar 2001 sowie aus jeweils 5.061,79 Euro seit dem 1. Juni 2001 und 1. Juli 2001 zu zahlen.
Der Beklagte zu 2) hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, bereits zum 31. März 1999 aus der Gesellschaft ausgeschieden zu sein. Für die vom Kläger erhobenen Klageforderungen hafte er nach der zur Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters entwickelten sog. Kündigungstheorie nicht, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers schon vor deren Fälligkeit zum 31. März 2000 hätte beendet werden können.
Das Landesarbeitsgericht hat durch Schluss-Urteil den Beklagten zu 2) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1) und zu 3) zur Zahlung verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte zu 2) seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Beklagte zu 2) als früherer Komplementär der zu 1) beklagten Kommanditgesellschaft i.L. dem Kläger für die geltend gemachten Entgeltforderungen haftet.
I. Nach § 161 Abs. 2, § 128 Satz 1 HGB haftet der Komplementär einer Kommanditgesellschaft für Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern persönlich. § 160 Abs. 1 HGB erstreckt diese Haftung auf die Zeit nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft für bis dahin begründete Verbindlichkeiten, sofern sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig werden und innerhalb dieser Frist bestimmte Unterbrechungstatbestände wie zB die gerichtliche Geltendmachung der Forderung eintreten. Diese Vorschrift ist gemäß Art. 35 EGHGB auch auf vor dem 26. März 1994 entstandene Verbindlichkeiten anzuwenden, wenn das Ausscheiden des Gesellschafters nach dem 26. März 1994 in das Handelsregister eingetragen wird und die Verbindlichkeiten nicht später als vier Jahre nach der Eintragung fällig werden. Im vorliegenden Fall sind die vom Kläger geltend gemachten Forderungen spätestens Ende Juni 2001 und damit vor der Eintragung des Ausscheidens des Klägers aus der Kommanditgesellschaft (5. Februar 2002) fällig geworden. Die Haftung des Klägers richtet sich deshalb nach § 160 Abs. 1 HGB in der Fassung des Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes vom 18. März 1994 (BGBl. I S. 560).
II. Umstritten ist, ob die Nachhaftungsfrist des § 160 Abs. 1 HGB stets erst mit dem Tag der Eintragung des Ausscheidens des Komplementärs in das Handelsregister zu laufen beginnt und es bis dahin bei der Haftung nach §§ 161, 128 HGB bleibt oder ob bei einem früheren Ausscheiden aus der Gesellschaft und Bekanntgabe des Ausscheidens an die Gläubiger der Tag des Ausscheidens maßgeblich ist (vgl. Habersack in Großkomm. HGB § 160 Rn. 16; Altmeppen NJW 2000, 2529, 2530 ff.; Hofmeister NJW 2003, 93, 96 f.). Diese Frage bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst wenn der Beklagte zu 2) bereits am 31. März 1999 iSv. § 160 Abs. 1 Satz 2 HGB aus der Kommanditgesellschaft ausgeschieden wäre, haftet er für die vom Kläger geltend gemachten Vergütungsansprüche der Monate Januar, Mai und Juni 2001 nach § 160 Abs. 1 HGB.
1. Bei der Entgeltforderung des Klägers handelt es sich um eine vor dem Ausscheiden des Beklagten zu 2) aus der Kommanditgesellschaft "begründete" Verbindlichkeit der Beklagten zu 1) iSv. § 160 Abs. 1 HGB.
a) Die streitgegenständliche Forderung des Klägers ist eine Verbindlichkeit der zu 1) beklagten Kommanditgesellschaft. Auf Grund des gegen die Kommanditgesellschaft ergangenen rechtskräftigen "Teil-Versäumnisurteils" des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 2003 steht fest, dass die Beklagte zu 1) dem Kläger das Arbeitsentgelt schuldet (§ 129 HGB). Im Übrigen hat der Beklagte zu 2) gegen die in der Revision noch geltend gemachten Ansprüche des Klägers nach Grund und Höhe keine Einwendungen erhoben.
b) Die Forderung des Klägers wurde vor dem Ausscheiden des Beklagten zu 2) aus der Kommanditgesellschaft begründet.
aa) Bei Dauerschuldverhältnissen ist die Rechtsgrundlage für die einzelnen Schuldverpflichtungen bereits in dem Vertrag selbst angelegt. Sie sind damit begründet iSv. § 160 Abs. 1 HGB, auch wenn die weiteren Voraussetzungen ihres Entstehens erst später erfüllt werden (BGH 27. September 1999 - II ZR 356/98 - BGHZ 142, 324 = AP HGB § 160 Nr. 1; Stuhlfelner in HK-HGB § 128 Rn. 11, 14; Baumbach/Hopt HGB § 128 Rn. 29; Schaub ArbR-Hdb. § 81 Rn. 191; Hörstel in Sudhoff Personengesellschaften II M Rn. 20; Karsten Schmidt Gesellschaftsrecht § 51 I 3.). In einem unbefristeten Dauerschuldverhältnis wie dem Arbeitsverhältnis verpflichtet sich der Arbeitnehmer zu Leistungen im Vertrauen darauf, dass die Gegenleistung ebenfalls auf Dauer erbracht wird. Durch die Haftung des Gesellschafters nach §§ 128, 160 HGB wird das Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit und die vorhandene Haftungsmasse bei Abschluss des Vertrags geschützt. Deshalb kommt es auf die Begründung des Dauerschuldverhältnisses und nicht auf das Entstehen und die Fälligkeit der einzelnen Forderungen an (ebenso bereits BAG 28. November 1989 - 3 AZR 818/87 - BAGE 63, 260).
bb) Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Gesetzesbegründung bestätigt. Danach soll sich die Neuregelung nicht auf Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen beschränken (BT-Drucks. 12/1868 S. 8). Demgegenüber sprach sich der Bundesrat für eine Beschränkung der Enthaftung auf Dauerschuldverhältnisse aus (BT-Drucks. 12/1868 S. 12), was die Bundesregierung in der dazu erfolgten Gegenäußerung ausdrücklich ablehnte (BT-Drucks. 12/1868 S. 15).
c) Der Nachhaftung des Beklagten zu 2) steht nicht die früher vertretene sog. Kündigungstheorie entgehen. Nach dieser vom Bundesgerichtshof zur Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes vom 18. März 1994 (BGBl. I S. 560) entwickelten Theorie beschränkte sich die Haftung des ausscheidenden Gesellschafters für Verbindlichkeiten aus einem vor seinem Ausscheiden begründeten Dauerschuldverhältnis auf den Zeitraum bis zum ersten auf das Ausscheiden folgenden Kündigungstermin (BGH 19. Dezember 1977 - II ZR 202/76 - BGHZ 70, 132). Diese Theorie ist vor dem Hintergrund der bis zum In-Kraft-Treten des Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes geltenden Rechtslage entwickelt worden, wonach bei langfristigen Schuldverhältnissen ein ausscheidender Gesellschafter unter Umständen zeitlich unbegrenzt weiter haftete. Im Anschluss an die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz im Jahre 1994 eine umfassende Regelung des Problems der Nachhaftungsbegrenzung vorgenommen und dabei die bis dahin ergangene Rechtsprechung gesehen und berücksichtigt hat. Im Interesse der Rechtssicherheit hat er für alle Verbindlichkeiten einheitlich den Weg einer klar festgelegten Ausschlussfrist gewählt. Mit diesem Weg hat er zugleich die Interessen der Beteiligten in einer Weise berücksichtigt und ausgeglichen, die zwar Härten mit sich bringt, aber letztlich für keinen der jeweils Beteiligten als unzumutbar anzusehen ist. Deshalb ist nach dem In-Kraft-Treten des Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes eine weitere Haftungsbegrenzung im Sinne der zur früheren Rechtslage entwickelten Kündigungstheorie nicht mehr gerechtfertigt (BGH 27. September 1999 - II ZR 356/98 - BGHZ 142, 324 = AP HGB § 160 Nr. 1; 29. April 2002 - II ZR 330/00 - BGHZ 150, 373 = NJW 2002, 2170). Auch wenn die Ablösung der Kündigungstheorie bei der Haftung für Verbindlichkeiten aus vor dem Zeitpunkt des Ausscheidens begründeten Arbeitsverhältnissen zu einer Haftungserweiterung geführt hat, liegt kein unverhältnismäßiger Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Positionen des Beklagten zu 2) vor.
2. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze haftet der Beklagte zu 2) für die geltend gemachten Forderungen des Klägers nach § 160 Abs. 1 HGB. Das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Kommanditgesellschaft wurde am 1. Mai 1960 und damit vor dem Ausscheiden des Beklagten zu 2) aus der Gesellschaft begründet. Die vom Kläger verlangte Vergütung für die Monate Januar, Mai und Juni 2001 ist innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist fällig geworden, auch wenn man von einem Ausscheiden des Beklagten zu 2) aus der Kommanditgesellschaft zum 31. März 1999 ausgeht.
3. Der Beklagte zu 2) haftet nach § 128 Satz 1, § 161 Abs. 2 HGB gesamtschuldnerisch mit dem weiteren früheren Gesellschafter und wie ein Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1) (vgl. dazu BGH 29. Januar 2001 - II ZR 331/00 - BGHZ 146, 341, zu B der Gründe).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht seinen Klageantrag neu gefasst und einen Teil der Klage zurückgenommen hat, ist dies in seinem wirtschaftlichen Wert so geringfügig gewesen, dass es sich auf die Kostenentscheidung nicht ausgewirkt hat.
Ende der Entscheidung
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