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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 30.09.1998
Aktenzeichen: 5 AZR 690/97
Rechtsgebiete: BBiG, ArbGG
Vorschriften:
BBiG § 10 Abs. 1 | |
ArbGG § 9 Abs. 5 | |
ArbGG § 111 Abs. 2 |
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG ist dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu zahlen. Fehlt eine tarifliche Regelung, kann zur Ermittlung der angemessenen Ausbildungsvergütung auf Empfehlungen von Kammern und Innungen zurückgegriffen werden (Bestätigung von BAG Urteil vom 25. April 1984 - 5 AZR 540/82 - EzB BBiG § 10 Abs. 1 Nr. 45).
2. Liegt die Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % unter den Empfehlungen der zuständigen Kammer - hier Rechtsanwaltskammer -, so ist zu vermuten, daß sie nicht mehr angemessen im Sinne von § 10 Abs. 1 BBiG ist.
3. Bei der Prüfung der Angemessenheit von Ausbildungsvergütungen ist auf den Zeitpunkt der Fälligkeit und nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen.
4. Eine nicht unterschriebene Rechtsmittelbelehrung in dem Spruch eines Schlichtungsausschusses für Ausbildungsstreitigkeiten ist nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 111 Abs. 2 Satz 4, § 9 Abs. 5 ArbGG.
Aktenzeichen: 5 AZR 690/97 Bundesarbeitsgericht 5. Senat Urteil vom 30. September 1998 - 5 AZR 690/97 -
I. Arbeitsgericht Düsseldorf - 11 Ca 5822/96 - Urteil vom 06. Februar 1997
II. Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 9 Sa 532/97 - Urteil vom 15. August 1997
---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Nein Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ----------------------------------------------------------------------
Entscheidungsstichworte: Angemessene Ausbildungsvergütung; ordnungsgemäße Rechtsmit- telbelehrung
Gesetz: BBiG § 10 Abs. 1; ArbGG § 9 Abs. 5, § 111 Abs. 2
9 Sa 532/97 Düsseldorf
Im Namen des Volkes! Urteil
Verkündet am 30. September 1998
Clobes, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
pp.
hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. September 1998 durch den Vorsitzenden Richter Griebeling, die Richter Dr. Reinecke und Kreft sowie durch die ehrenamtlichen Richter Sappa und Dittrich für Recht erkannt:
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. August 1997 - 9 Sa 532/97 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Höhe der Ausbildungsvergütung.
Die Klägerin stand aufgrund eines Ausbildungsvertrags vom 25. Juni 1993 in der Zeit vom 1. Juli 1993 bis zum 30. Juni 1996 bei den beklagten Rechtsanwälten in einem Ausbildungsverhältnis zur Anwaltsgehilfin. Gemäß § 5 des Ausbildungsvertrags war die Vergütung wie folgt geregelt:
1. Ausbildungsjahr DM 550,00
2. Ausbildungsjahr DM 650,00
3. Ausbildungsjahr DM 740,00.
Die vereinbarte Ausbildungsvergütung entsprach den im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Mindestempfehlungen der zuständigen Rechtsanwaltskammer.
Am 28. März 1993 hatte die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf die Mindestempfehlungen für die Ausbildungsvergütung von Anwaltsgehilfinnen für ab dem 1. Juli 1994 abgeschlossene Ausbildungsverträge auf 925,00 DM brutto für das erste Ausbildungsjahr, 1.025,00 DM brutto für das zweite Ausbildungsjahr und 1.125,00 DM für das dritte Ausbildungsjahr angehoben. Die zu diesem Zeitpunkt bereits laufenden Verträge sollten an diese Mindestempfehlungen angepaßt werden.
Mit Schreiben vom 4. Juni 1996 rief die Klägerin den Schlichtungsausschuß bei der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf an mit dem Ersuchen, ihre Ausbildungsvergütung für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 30. Juni 1995 anzupassen. Der Schlichtungsausschuß der Rechtsanwaltskammer in Düsseldorf entsprach dem Antrag der Klägerin durch Entscheidung vom 1. Juli 1996. Die dieser Entscheidung beigefügte Rechtsmittelbelehrung ist nicht unterschrieben. Der begründete Beschluß, der von den Beklagten nicht anerkannt worden ist, wurde am 25. Juli 1996 den Parteien zugestellt.
Mit ihrer beim Arbeitsgericht am 14. August 1996 anhängig gemachten Klage verlangt die Klägerin von den Beklagten für das zweite und dritte Ausbildungsjahr die Differenz zwischen der ihr gezahlten Ausbildungsvergütung und 80% der von der Kammer am 28. März 1993 empfohlenen Sätze, also für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 30. Juni 1995 die monatlichen Differenzbeträge zwischen 650,00 DM und 820,00 DM brutto und für die Zeit vom 1. Juli 1995 bis zum 30. Juni 1996 die monatlichen Differenzbeträge zwischen 740,00 DM und 900,00 DM brutto. Sie hält mindestens 80 % der empfohlenen Beträge für angemessen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei rechtzeitig erhoben, da wegen der fehlenden Unterschrift unter der Rechtsmittelbelehrung nicht die Zweiwochenfrist des § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, sondern die Jahresfrist des § 9 Abs. 5 ArbGG maßgebend sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an sie gesamtschuldnerisch 3.960,00 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben die Auffassung vertreten, die Klage sei nicht fristgerecht erhoben worden, da die Zweiwochenfrist des § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG nicht gewahrt worden sei. Die vereinbarte Vergütung sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, auf den es allein ankomme, angemessen gewesen, da sie den damaligen Kammerempfehlungen entsprochen habe. Daher habe der Ausbildungsvertrag nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Eine berufsständische Kammer wie die Rechtsanwaltskammer sei auch nicht berechtigt, Mindestsätze für die Ausbildungsvergütung festzulegen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung war erfolglos. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben. Die Beklagten sind gesamtschuldnerisch verpflichtet, der Klägerin für das zweite Ausbildungsjahr pro Monat jeweils 170,00 DM und für das dritte Ausbildungsjahr jeweils 160,00 DM brutto nebst Zinsen nachzuzahlen.
I. Die Klage ist zulässig.
Ihr ist die Verhandlung vor dem von der Kammer gebildeten Ausschuß vorangegangen (§ 111 Abs. 2 Satz 1, 5 ArbGG). Die Klage ist auch rechtzeitig erhoben worden. Nach § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG kann, wenn der vom Ausschuß gefällte Spruch nicht innerhalb einer Woche von beiden Parteien anerkannt wurde, nur "binnen zwei Wochen nach ergangenem Spruch Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden". Gemäß § 111 Abs. 2 Satz 4 ArbGG gilt § 9 Abs. 5 ArbGG entsprechend. Nach dieser Vorschrift enthalten alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen die Belehrung über das Rechtsmittel; die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur dann, wenn die Partei ordnungsgemäß schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels regelmäßig nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 1. März 1994 - 10 AZR 50/93 - BAGE 76, 62 = AP Nr. 10 zu § 9 ArbGG 1979) ist die Rechtsmittelbelehrung nur dann ordnungsgemäß im Sinne von § 9 Abs. 5 ArbGG, wenn sie von den Richtern unterschrieben ist. Die Unterschrift muß den zu unterzeichnenden Text abschließen. Sie wird daher im Regelfall unter den fertigen Text gesetzt. Dies ist durch eine andere Handhabung wie z. B. die Anheftung der nicht unterschriebenen Rechtsmittelbelehrung an die Urteilsbegründung nicht sichergestellt.
Für die dem Spruch des Ausschusses beizufügende Rechtsmittelbelehrung kann nichts anderes gelten. Die Unterschrift unter der Rechtsmittelbelehrung soll auch hier sicherstellen, daß diejenigen, die entschieden haben, die Verantwortung für die Rechtsmittelbelehrung übernehmen. Daran fehlt es im Streitfall. Die daher maßgebliche Jahresfrist hat die Klägerin gewahrt.
II. Die Klage ist auch begründet. Der Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Differenzbeträge ergibt sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG. Nach dieser Vorschrift hat "der Ausbildende ... dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren". Dieser Anspruch ist nach § 18 BBiG unabdingbar. Die der Klägerin gezahlte Ausbildungsvergütung war nicht angemessen. Der Arbeitsvertrag ist insoweit, als niedrigere Vergütungssätze vereinbart wurden, nach § 134 BGB unwirksam.
1. Die Ausbildungsvergütung hat regelmäßig drei Funktionen. Sie soll zum einen dem Auszubildenden bzw. seinen Eltern zur Durchführung der Berufsausbildung eine finanzielle Hilfe sein, zum anderen die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und schließlich eine Entlohnung darstellen (schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit, BT-Drucks. V/4260, S. 9; Urteile des Senats vom 8. Dezember 1982 - 5 AZR 474/80 - BAGE 41, 142, 149 f. = AP Nr. 1 zu § 29 BBiG und vom 11. Oktober 1995 - 5 AZR 258/94 - BAGE 81, 139 = AP Nr. 6 zu § 10 BBiG = EzA BBiG § 10 Nr. 3). Nach ständiger Rechtsprechung ist daher eine Vergütung angemessen, wenn sie hilft, die Lebenshaltungskosten zu bestreiten und zugleich eine Mindestentlohnung für die Leistungen des Auszubildenden darstellt (Urteile vom 8. Dezember 1982 und vom 11. Oktober 1995, aaO; Urteil vom 10. April 1991 - 5 AZR 226/90 - BAGE 68, 10 = AP Nr. 3 zu § 10 BBiG = EzA BBiG § 10 Nr. 2, zu II 2 der Gründe; LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 16. Juni 1982 - 2 Sa 121/82 - Fredebeul, Berufliche Bildung vor Gericht, Entscheidungssammlung, Bd. 3, § 10 BBiG, 16. Juni 1982; ähnlich BVerwGE 62, 117 = NJW 1981, 2209; BVerwG Urteil vom 20.5.1986 - 1 C 12.86 - EzB BBiG § 10 Abs. 1 Nr. 48; BayVGH Urteile vom 30. April 1975 - 117 VI 74 - EzB BBiG § 10 Abs. 1 Nr. 10 und vom 31. Juli 1975 - 116 VI 74 - BayVBl. 1976, 210; OVG Münster Urteil vom 20. Mai 1985 - 4 A 1555/83 - Fredebeul, aaO, Bd. 3, § 10 BBiG, 20. Mai 1985).
2. § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG enthält jedoch nur eine "Rahmenvorschrift" (BT-Drucks. V/4260, S. 9). Es ist zunächst Sache der Vertragsparteien, die Höhe der Vergütung festzulegen, sofern nicht bei Tarifbindung beider Parteien oder bei Allgemeinverbindlichkeit die tariflichen Sätze maßgebend sind. Die Vertragsparteien haben einen Spielraum. Daraus folgt, daß sich die Überprüfung nur darauf erstreckt, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die noch als angemessen anzusehen ist (BAG Urteile vom 10. April 1991 und 11. November 1995, aaO; BayVGH, aaO). Dabei kommt dem Revisionsgericht - ebenso wie bei § 315 BGB (BAGE 47, 238, 249 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht, zu A II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 29. August 1991 - 6 AZR 593/88 - AP Nr. 38 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu III 1 a der Gründe) - ein unbeschränktes Überprüfungsrecht zu.
3. Welche Vergütung angemessen ist, kann nur unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festgestellt werden. Dabei ist auf die Verkehrsanschauung abzustellen. Wichtigster Anhaltspunkt dafür sind die einschlägigen Tarifverträge, da sie von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt sind und anzunehmen ist, daß die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, stets als angemessen anzusehen (Urteil vom 18. Juni 1980 - 4 AZR 545/78 - BAGE 33, 213, 219 = AP Nr. 4 zu § 611 BGB Ausbildungsverhältnis; Urteil vom 8. Dezember 1982, aaO; Urteil vom 25. April 1984 - 5 AZR 540/82 - Fredebeul, aaO, Bd. 3, § 10 BBiG, 25. April 1984; BAG Urteil vom 11. Oktober 1995, aaO). Mit Urteil vom 10. April 1991 hat der Senat entschieden, daß vertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütungen jedenfalls dann nicht mehr angemessen im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG sind, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 % unterschreiten (BAGE 68, 10 = AP Nr. 3 zu § 10 BBiG = EzA BBiG § 10 Nr. 2).
Fehlt eine tarifliche Regelung, so kann - wie der Senat in seinem Urteil vom 25. April 1984 (- 5 AZR 540/82 - EzB BBiG § 10 Abs. 1 Nr. 45) ausgesprochen hat - auf branchenübliche Sätze zurückgegriffen oder eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Industriezweiges entsprechende Vergütung zugrundegelegt werden. Weiter kann auch auf die von Handwerkskammern oder Handwerksinnungen herausgegebenen Empfehlungen zurückgegriffen werden (vgl. Knopp/Kraegeloh, BBiG, 4. Aufl., 1998, § 10 Rz 2). Für Empfehlungen anderer Kammern wie z. B. von Rechtsanwaltskammern kann nichts anderes gelten. Derartige Empfehlungen sind zwar nicht verbindlich (BVerwGE 62, 117). Sie sind jedoch ein wichtiges Indiz für die Angemessenheit der empfohlenen Sätze. Allerdings kann die angemessene Vergütung im Einzelfall auch darunter oder - insbesondere bei lange Zeit nicht geänderten Empfehlungen - auch darüber liegen.
4. Diese Grundsätze gelten entgegen der Auffassung der Revision auch dann, wenn die im Ausbildungsvertrag vereinbarten Vergütungssätze zur Zeit des Vertragsschlusses noch angemessen waren. Die Vergütung muß während der gesamten Ausbildungszeit angemessen sein (Götz, Berufsausbildungsrecht, 1992, Rz 251). Das ergibt sich - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - bereits aus dem unmißverständlichen Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 1 BBiG, aber auch aus Sinn und Zweck der Bestimmung. Diese stellt nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab. Vielmehr ist eine jeweils angemessene Vergütung zu gewähren. Was angemessen ist, kann sich ändern. Bei Dauerschuldverhältnissen, wie dem Berufsausbildungsverhältnis, kann sich die Prüfung der Angemessenheit sinnvollerweise nur auf die jeweiligen Zeitabschnitte und nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses beziehen.
5. Der Auszubildende genügt seiner Darlegungslast im Regelfall damit, daß er sich auf einschlägige tarifliche Vergütungssätze oder - falls es solche nicht gibt - auf Empfehlungen von Kammern oder Innungen stützt und darlegt, daß die ihm gezahlte Vergütung mehr als 20 % darunter liegt. Der Ausbildende kann sich dann nicht auf den Vortrag beschränken, die von ihm gezahlte Vergütung sei angemessen. Er hat vielmehr unter Angabe des Maßstabes darzulegen, warum dies der Fall sein soll.
6. Für den Streitfall ergibt sich daraus folgendes:
Es spricht viel dafür, daß die im Berufsausbildungsvertrag vereinbarten Vergütungssätze bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr angemessen waren. Das bedarf hier aber keiner Entscheidung, da die Parteien nur um die Vergütung im zweiten und dritten Ausbildungsjahr, also ab 1. Juli 1994, streiten. Spätestens seit diesem Zeitpunkt war die von den Beklagten gezahlte Vergütung nicht mehr angemessen, da sie mehr als 20 % unter den Mindestempfehlungen der zuständigen Rechtsanwaltskammer lag.
a) Die Klägerin hat sich auf die Empfehlungen der Kammer bezogen und die Differenzbeträge zu 80 % der empfohlenen Sätze eingeklagt. Bereits damit hat sie ihrer Darlegungslast genügt.
Die Klägerin hat weiter - durch Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 31. Mai 1994 (- 3 K 290/94 -) - vorgetragen, die Rechtsanwaltskammer habe sich bei ihrer Empfehlung von den tariflichen Vergütungen in vier verwandten Büroberufen leiten lassen, die allesamt einen aussagekräftigen Querschnitt der Büroberufe darstellten, und zwar des Bankgewerbes, des Versicherungsgewerbes, des Einzelhandels und der Steuerfachgehilfin. Die Empfehlungen der Rechtsanwaltskammer entsprächen genau den für Steuerfachgehilfinnen ab 1. Januar 1993 geltenden tariflichen Vergütungssätzen. Die tariflichen Regelungen in diesen vier Bereichen spiegelten in ihrer Gesamtheit die nach der Verkehrsauffassung angemessene Vergütung wieder. Dieses Vorgehen der Kammer war sachgemäß. Die Bedeutung der Empfehlungen von Kammern für die Angemessenheit der Vergütung wird dadurch bestätigt.
b) Die Einwendungen der Beklagten sind nicht stichhaltig. Sie haben geltend gemacht, es stelle einen Verstoß gegen Denkgesetze und Gesetze der Logik dar, wenn im Rahmen der Angemessenheit auf verwandte Berufe, insbesondere Bankgewerbe, Versicherungsgewerbe und Einzelhandel verwiesen werde. Denn der Unterschied zwischen den vorgenannten Berufssparten zeige sich bereits in der Einkommensstruktur. Nur die Rechtsanwälte seien an eine Gebührenordnung gebunden. Diesen wesentlichen Unterschied habe das Landesarbeitsgericht verkannt. Damit haben die Beklagten ihrer Darlegungslast nicht genügt. Zum einen haben sie übersehen, daß sich die Kammer bei ihren Empfehlungen insbesondere an den tariflichen Vergütungssätzen im Bereich Steuerfachgehilfen orientiert hat. Zum anderen haben sie nicht dargetan, welche Maßstäbe statt dessen für die Angemessenheitsprüfung gelten sollen. Dies gilt um so mehr, als die Klägerin nicht die vollen Sätze, sondern nur 80 % der Mindestempfehlungen der Rechtsanwaltskammer verlangt.
Die im Ausbildungsvertrag der Parteien vereinbarten Vergütungssätze unterschreiten die Kammerempfehlungen für das zweite Ausbildungsjahr um mehr als 36 % und für das dritte Ausbildungsjahr um mehr als 34 %. Sie sind daher unangemessen. Geschuldet ist anstelle der vereinbarten Vergütung die angemessene Vergütung. Diese liegt mindestens bei den von der Klägerin zugrunde gelegten 820,00 DM monatlich für das zweite Ausbildungsjahr und 900,00 DM für das dritte Ausbildungsjahr.
Ende der Entscheidung
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