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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: 5 AZR 699/00
Rechtsgebiete: BRTV-Bau


Vorschriften:

BRTV-Bau § 3
BRTV-Bau § 16
Macht ein Arbeitnehmer einen Anspruch vor Fälligkeit schriftlich geltend, so beginnt bei einer zweistufigen Ausschlußfrist (§ 16 BRTV-Bau) die Frist für die gerichtliche Geltendmachung nicht vor Fälligkeit des Anspruchs.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

5 AZR 699/00

Verkündet am 26. September 2001

In Sachen

hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft und Dr. Linck sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Dombrowsky und Rehwald für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 27. September 2000 - 9 Sa 120/00 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Arbeitsvergütung.

Der Kläger war bei dem beklagten Bauunternehmen als Baumaschinist zu einem Stundenlohn von 21,05 DM brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der für allgemeinverbindlich erklärte Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) vom 3. Februar 1981 in der Fassung vom 13. November 1998 Anwendung.

Zwischen den Parteien war eine Regelung über die betriebliche Arbeitszeitverteilung in einem zwölfmonatigen Ausgleichszeitraum nach Maßgabe von § 3 Nr. 1.4 BRTV-Bau vereinbart. Dementsprechend führte die Beklagte für den Kläger ein individuelles Ausgleichskonto (§ 3 Nr. 1.43 BRTV-Bau). Diesem Ausgleichskonto war die Differenz zwischen dem Lohn für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und dem Monatslohn gutzuschreiben. Nach einer betriebsinternen Absprache mit dem Betriebsrat war die Auszahlung des Guthabens, das nicht mehr durch arbeitsfreie Tage innerhalb des Ausgleichszeitraums ausgeglichen werden konnte, mit der Lohnzahlung für April am 15. Mai des jeweiligen Kalenderjahres zur Auszahlung fällig.

Der Kläger war in der Zeit vom 15. bis zum 23. Februar 1999 arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 8. März 1999 teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:

"Sehr geehrter Mitarbeiter,

im Rahmen der Lohnabrechnung Februar 1999 erfolgte hinsichtlich der Ansparstunden bei einigen MA eine Korrektur.

Diese Korrektur ergibt sich aus der Anrechnung von Ansparstunden bei krankheitsbedingter Abwesenheit und witterungsbedingtem Arbeitsausfall im Schlechtwetterzeitraum. Dh., daß bei Mitarbeitern, die krankgeschrieben waren und gleichzeitig auf den Baustellen aufgrund ungünstiger Witterung nicht gearbeitet werden konnte, für diesen Zeitraum das Ansparstundenkonto belastet wurde.

Somit erfolgt eine Gleichstellung erkrankter und gesunder Mitarbeiter bei Zusammentreffen von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und witterungsbedingtem Arbeitsausfall.

Gesetzliche Grundlage bilden hierfür § 4 Nr. 5.1 BRTV, § 211 Abs. 3 SGB III sowie § 3 Nr. 1.4 BRTV.

Sind nicht genügend Ansparstunden vorhanden, tritt die Fa. mit 50 Stunden in Vorleistung. Diese Stunden werden im April bzw. in den Folgemonaten nachgearbeitet oder werden mit Urlaub verrechnet.

Der Betriebsrat wurde über diese Korrektur unterrichtet und steht Ihnen für Rückfragen zur Verfügung.

..."

In der Lohnabrechnung für Februar 1999 zog die Beklagte 68,5 Arbeitsstunden vom Arbeitszeitguthaben des Klägers ab, das zu dieser Zeit 76,5 Stunden betrug. Sie leistete dafür 1.441,93 DM.

Mit Schreiben seines späteren Prozeßbevollmächtigten vom 19. März 1999 wandte sich der Kläger gegen diese Vorgehensweise der Beklagten und forderte sie auf, das ungekürzte Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto mit dem Gehalt für April 1999 zur Auszahlung zu bringen. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 6. April 1999 ab, das dem späteren Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 7. April 1999 zuging.

Die Lohnabrechnung für April 1999 wies auf dem Ausgleichskonto ein Guthaben von acht Stunden aus, das dem Kläger ausbezahlt wurde.

Mit Schriftsatz vom 13. Juli 1999, der beim Arbeitsgericht am 15. Juli 1999 einging, hat der Kläger Zahlungsklage erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit könne er von der Beklagten Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verlangen. Die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung von Guthabenstunden des Ausgleichskontos sei unzulässig. Wäre er nicht arbeitsunfähig gewesen, hätte er in der Werkstatt arbeiten können. Dies habe er auch in der Zeit vom 13. Januar bis zum 11. Februar 1999 getan. Im übrigen bestreite er, daß im Zeitraum vom 15. bis zum 23. Februar 1999 bei der Beklagten witterungsbedingt nicht gearbeitet worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.441,93 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 15. Mai 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der geltend gemachte Anspruch sei verfallen, weil der Kläger die Ausschlußfrist des § 16 BRTV-Bau nicht eingehalten habe. Im übrigen hätte der Kläger nicht in der Werkstatt gearbeitet. Insbesondere wäre im Februar 1999 die Anwesenheit des Klägers in der Werkstatt weder erforderlich noch geplant gewesen. Die Schwarzdeckenkolonne, zu welcher der Kläger gehört habe, habe in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Klägers witterungsbedingt nicht gearbeitet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist begründet. Über die Begründetheit der Klage kann jedoch nicht abschließend entschieden werden, weil das Landesarbeitsgericht noch nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen hat.

I. Der Arbeitsentgeltanspruch des Klägers ist nicht nach § 16 BRTV-Bau verfallen.

1. Der kraft Allgemeinverbindlicherklärung auf das Arbeitsverhältnis anwendbare BRTV-Bau in der Fassung vom 13. November 1998 bestimmt - soweit für den Streitfall von Bedeutung - folgendes:

"§ 3

Arbeitszeit

...

1.4 Betriebliche Arbeitszeitverteilung in einem zwölfmonatigen Ausgleichszeitraum

1.41 Durchführung

Durch Betriebsvereinbarung oder, wenn kein Betriebsrat besteht, durch einzelvertragliche Vereinbarung kann für einen Zeitraum von zwölf zusammenhängenden Lohnabrechnungszeiträumen (zwölfmonatiger Ausgleichszeitraum) eine von der tariflichen Arbeitszeitverteilung abweichende Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Werktage ohne Mehrarbeitszuschlag vereinbart werden, wenn gleichzeitig ein Monatslohn nach Nr. 1.42 gezahlt wird.

...

1.43 Arbeitszeit- und Entgeltkonto (Ausgleichskonto)

Für jeden Arbeitnehmer wird ein individuelles Ausgleichskonto eingerichtet. Auf diesem Ausgleichskonto ist die Differenz zwischen dem Lohn für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und dem nach Nr. 1.42 errechneten Monatslohn für jeden Arbeitnehmer gutzuschreiben bzw. zu belasten. ...

Das Arbeitszeitguthaben und der dafür einbehaltene Lohn dürfen zu keinem Zeitpunkt 150 Stunden, die Arbeitszeitschuld und der dafür bereits gezahlte Lohn dürfen zu keinem Zeitpunkt 50 Stunden überschreiten. Wird ein Guthaben für 150 Stunden erreicht, ist der Lohn für die darüber hinausgehenden Stunden neben dem Monatslohn auszuzahlen.

Auf dem Ausgleichskonto gutgeschriebener Lohn darf nur zum Ausgleich für den Monatslohn, als Winterausfallgeld - Vorausleistung für bis zu 120 Stunden bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall in der Schlechtwetterzeit, bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall außerhalb der Schlechtwetterzeit, am Ende des Ausgleichszeitraums oder bei Ausscheiden des Arbeitnehmers bzw. im Todesfall ausgezahlt werden.

Das Ausgleichskonto soll nach zwölf Kalendermonaten ausgeglichen sein. Besteht am Ende des Ausgleichszeitraums noch ein Guthaben, das nicht mehr durch arbeitsfreie Tage ausgeglichen werden kann, so sind die Guthabenstunden abzugelten. ...

Besteht am Ende des Ausgleichszeitraums eine Zeitschuld, so ist diese in den nächsten Ausgleichszeitraum zu übertragen und in diesem auszugleichen. Bei Ausscheiden des Arbeitnehmers sind etwaige Guthaben oder Schulden auszugleichen.

...

§ 16

Ausschlußfristen

1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von zwei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens."

2. Der Kläger hat mit dem Schreiben seines späteren Prozeßbevollmächtigten vom 19. März 1999 den von ihm behaupteten Zahlungsanspruch aus § 3 Nr. 1.43 Unterabs. 4 BRTV-Bau geltend gemacht und damit die erste Stufe der zweistufigen Ausschlußfrist des § 16 Nr. 1 BRTV-Bau gewahrt. Der Wirksamkeit der Geltendmachung steht nicht entgegen, daß der Anspruch auf Auszahlung des Guthabens auf dem Ausgleichskonto erst zum 15. Mai 1999 fällig war. Der Warnfunktion der Ausschlußklausel ist vielmehr auch dann genügt, wenn der Gläubiger seinen Anspruch vorzeitig geltend macht (Senat 22. Februar 1978 - 5 AZR 805/76 - BAGE 30, 135 = AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 63; BAG 27. März 1996 - 10 AZR 668/95 - AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 134 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 123). Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß der Beklagten durch das Schreiben des Prozeßbevollmächtigten des Klägers hinreichend deutlich erkennbar wurde, daß der Kläger mit der Auszahlung des Lohns für 68,5 Stunden von dem Ausgleichskonto anstelle der begehrten Entgeltfortzahlung nicht einverstanden war und diesen Betrag als Guthaben im Mai ausbezahlt bekommen wollte.

3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger mit seiner am 15. Juli 1999 eingereichten Zahlungsklage die zweite Stufe der Ausschlußfrist des § 16 Nr. 2 BRTV-Bau gewahrt. Die Zweimonatsfrist des § 16 Nr. 2 BRTV-Bau beginnt bei einer vorzeitigen schriftlichen Geltendmachung nicht schon mit der vor Fälligkeit des Anspruchs erklärten Ablehnung oder dem Fristablauf von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, sondern erst mit dessen Fälligkeit.

a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die zweite Stufe der Ausschlußfrist des § 16 Nr. 2 BRTV-Bau beginne mit dem Zugang des Ablehnungsschreibens der Beklagten am 7. April 1999. Dem stehe der Zweck der Ausschlußfrist nicht entgegen, weil zu diesem Zeitpunkt der vom Kläger erhobene Anspruch für beide Parteien sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach festgestanden habe. Dagegen spreche auch nicht, daß der Kläger diesen Anspruch mangels Fälligkeit in der Zeit vom 7. April bis zum 14. Mai 1999 nicht habe geltend machen können, weil der Kläger entweder eine Klage auf zukünftige Leistung oder aber ab dem 15. Mai 1999 eine Zahlungsklage habe erheben können.

b) Dem kann nicht gefolgt werden. Das Landesarbeitsgericht hat den Zweck der zweistufigen Ausschlußfrist nicht hinreichend beachtet. Dieser besteht darin, den Arbeitnehmer dazu zu veranlassen, durch rechtzeitige Klageerhebung Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs zu schaffen. Ein solcher Zwang ist allerdings nur sinnvoll, wenn der Arbeitnehmer die in der zweiten Stufe geforderte Klage auch durchsetzen kann (so bereits Senat 22. Februar 1978, aaO sowie BAG 27. März 1996, aaO). Dies ist bei nicht fälligen Ansprüchen in der Regel nicht möglich. Einer Klage auf zukünftige Leistung steht hier entgegen, daß diese während des vereinbarten Ausgleichszeitraums erfolglos wäre, weil ein Zeitausgleich nach § 3 Nr. 1.43 Unterabs. 3 BRTV-Bau noch bis zum Ende des Ausgleichszeitraums unter den dort genannten Voraussetzungen vorgenommen werden konnte und damit die konkrete Geldforderung noch nicht endgültig feststand.

Der Kläger kann auch nicht darauf verwiesen werden, daß er Gelegenheit hatte, nach Fälligkeit des Anspruchs auf Auszahlung des Lohnguthabens am 15. Mai 1999 unter Wahrung der Ausschlußfrist des § 16 Nr. 2 BRTV-Bau bis zum 7. Juni 1999 Klage zu erheben. Hierbei wird übersehen, daß der Anspruchsteller nach § 16 Nr. 2 BRTV-Bau grundsätzlich zwei Monate Zeit haben soll, darüber zu entscheiden, ob er einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auch tatsächlich im Wege einer Klage geltend machen will. Eine Verkürzung dieser Frist scheidet aus Gründen der Rechtssicherheit aus, weil sich nicht bestimmen läßt, wann die verkürzte Frist noch angemessen ist. Eine an Sinn und Zweck ausgerichtete Auslegung des Tarifvertrags führt damit zu dem Ergebnis, daß die Zweimonatsfrist des § 16 Nr. 2 BRTV-Bau nicht vor der Fälligkeit des Anspruchs in Lauf gesetzt wird (so bereits Senat vom 22. Februar 1978 aaO zu der vergleichbaren Klausel des § 16 BRTV-Bau Berlin). Die am 15. Juli 1999 beim Arbeitsgericht eingereichte Zahlungsklage hat damit die Ausschlußfrist gewahrt. Etwaige Ansprüche sind nicht verfallen.

II. Ob das Zahlungsbegehren des Klägers begründet ist, kann nicht abschließend beurteilt werden. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Ausgangspunkt aus konsequent - nicht festgestellt, ob in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 15. bis zum 23. Februar 1999 dessen Arbeit witterungsbedingt ausfiel. Wäre in diesem Zeitraum die Arbeit des Klägers witterungsbedingt ausgefallen, so wäre die Beklagte nach § 3 Nr. 1.43 Unterabs. 3 BRTV-Bau berechtigt gewesen, auf dem Ausgleichskonto gutgeschriebenen Lohn im Umfang von 68,5 Stunden auszuzahlen.

Ende der Entscheidung

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