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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 13.02.2002
Aktenzeichen: 5 AZR 713/00
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 242
GG Art. 3 Abs. 1
Im Bereich der Vergütungszahlung kommt der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zur Anwendung, wenn es sich um individuell vereinbarte Löhne und Gehälter handelt und der Arbeitgeber nur einzelne Arbeitnehmer besserstellt (Fortführung von Senat 19. August 1992 - 5 AZR 513/91 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 102 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 52). Ist die Anzahl der begünstigten Arbeitnehmer im Verhältnis zur Gesamtzahl der betroffenen Arbeitnehmer sehr gering (hier weniger als 5 % der insgesamt betroffenen Arbeitnehmer), kann ein nicht begünstigter Arbeitnehmer aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz keinen Anspruch auf Vergütung herleiten.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

5 AZR 713/00

Verkündet am 13. Februar 2002

In Sachen

hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, die Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch und Dr. Linck sowie die ehrenamtlichen Richter Heel und Dittrich für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 4. Oktober 2000 - 8 Sa 52/00 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die effektive Weitergabe einer Tariflohnerhöhung auf das AT-Gehalt des Klägers.

Der Kläger war zunächst seit 1. Juli 1991 bei der Volksfürsorge Deutsche Lebensversicherungs AG (VDL) in der Abteilung Ablauforganisation als Verfahrenstechniker tätig. Seit 1. Januar 1997 erhält der Kläger ein außertarifliches Gehalt. Er wird in Anwendung des zwischen den Betriebspartnern der VDL vereinbarten Gehaltsrahmens für AT-Angestellte nach der Gehaltsgruppe 09 vergütet. Das Bruttogehalt des Klägers beträgt seitdem 7.427,00 DM.

Der Arbeitsbereich, in welchem der Kläger tätig war, wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 1997 auf die Beklagte übertragen. Die Parteien dieses Rechtsstreits gehen übereinstimmend davon aus, bei dieser Übertragung habe es sich um einen Betriebsübergang iSv. § 613 a BGB gehandelt. Die Beklagte hatte vor dem Betriebsübergang noch keinen eigenen Betrieb in Hamburg.

Durch den Gehaltstarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe vom 20. März 1999 wurden mit Wirkung vom 1. April 1999 die Gehälter um 3,2 % erhöht. Die Beklagte erhöhte die Gehälter von vier zwischenzeitlich neueingestellten AT-Angestellten in diesem Umfang, bei den auf die Beklagte übergegangenen weit über 100 AT-Angestellten, darunter dem Kläger, erfolgte keine Gehaltsanhebung.

Mit seiner Klage macht der Kläger für den Zeitraum von April bis Dezember 1999 einschließlich eines 13. und 14. Monatsgehalts den auf der Grundlage eines Monatsgehalts von 7.427,00 DM und einer Tariflohnerhöhung von 3,2 % errechneten und der Höhe nach unstreitigen Differenzbetrag von insgesamt 2.485,43 DM geltend. Er hat die Auffassung vertreten, das Vorgehen der Beklagten verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, weil der Betriebsrat nicht beteiligt worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.485,43 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die vorgenommene Differenzierung zwischen übergegangenen Arbeitsverhältnissen und neueingestellten Arbeitnehmern sei nicht willkürlich. Die neueingestellten Arbeitnehmer erhielten deutlich geringere betriebliche Sozialleistungen. Die Gehaltserhöhung habe daher nur deren Arbeitsverdienst an den der übernommenen Arbeitnehmer angeglichen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung seines AT-Gehalts.

I. Ein Anspruch des Klägers auf die begehrte Gehaltserhöhung folgt nicht aus dem Gehaltstarifvertrag vom 20. März 1999, mit dem die Tariflöhne um 3,2 % erhöht wurden. Die Tariflohnsteigerung bezieht sich ausschließlich auf die tariflichen Löhne und Gehälter. Ein solches tarifliches Gehalt bezieht der Kläger als AT-Angestellter nicht.

II. Ein Anspruch auf Erhöhung des zuletzt bezogenen AT-Gehalts ergibt sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (ständige Rechtsprechung, vgl. Senat 21. Juni 2000 - 5 AZR 806/98 - AP BGB § 612 Nr. 60 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 83; BAG 17. November 1998 - 1 AZR 147/98 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 162 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 79). In jedem Fall erfordert der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz die Bildung einer Gruppe begünstigter Arbeitnehmer.

Im Bereich der Vergütung, also der Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Allein die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer erlaubt noch nicht den Schluß, diese Arbeitnehmer bildeten eine Gruppe. Eine Gruppenbildung liegt nur vor, wenn die Besserstellung nach einem oder mehreren Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt deshalb nicht zur Anwendung, wenn es sich um individuell vereinbarte Löhne und Gehälter handelt und der Arbeitgeber nur einzelne Arbeitnehmer besserstellt (vgl. Senat 19. August 1992 - 5 AZR 513/91 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 102 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 52).

Erfolgt die Besserstellung unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen (BAG 17. Februar 1998 - 3 AZR 783/96 - BAGE 88, 23, 27). Es fehlt der notwendige kollektive Bezug als Anknüpfungspunkt dafür, einer Ungleichbehandlung entgegenzuwirken. Denn der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen in vergleichbarer Lage befindlichen Arbeitnehmern, er verhindert jedoch nicht die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer (vgl. BAG 3. April 1957 - 4 AZR 644/54 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 4).

2. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze besteht kein Anspruch des Klägers auf die geltend gemachte Gehaltserhöhung.

Die Beklagte hat vier neueingestellten AT-Angestellten die Tariflohnerhöhung von 3,2 % weitergegeben. Diese Begünstigung von weniger als 5 % der außertariflich angestellten Arbeitnehmer läßt nicht den Schluß zu, die Beklagte habe eine entsprechende Gruppe von Arbeitnehmern gebildet. Würde dies zugunsten des Klägers unterstellt, wäre die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Denn die im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte übergegangenen AT-Angestellten verfügen über eine deutlich bessere Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung und erhalten weitere höhere betriebliche Sozialleistungen als die neueingestellten AT-Angestellten. Diese Unterschiede sollen durch die Erhöhung der laufenden Gehälter der neueingestellten AT-Angestellten schrittweise angeglichen werden. Im übrigen verpflichtet der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz einen Arbeitgeber, der durch ein sachlich nicht gerechtfertigtes Merkmal eine außerordentlich kleine Gruppe der Belegschaft bessergestellt hat (hier 4 % zu 96 %), nicht, diesen Vorteil allen Beschäftigten einzuräumen. Das der Pflicht zur Gleichbehandlung zugrunde liegende Gebot der Verteilungsgerechtigkeit (vgl. MünchArbR/Richardi 2. Aufl. § 14 Rn. 8; ErfK/Preis BGB § 611 Rn. 836) trägt diese Ausweitung nicht, weil in Fällen dieser Art die Freiheit des Arbeitgebers in der Bestimmung des Dotierungsrahmens freiwilliger Leistungen besonders nachhaltig verletzt werden würde und zu unverhältnismäßig hohen weiteren finanziellen Belastungen des Arbeitgebers führte (vgl. Lieb, Arbeitsrecht, 7. Aufl., Rn. 105; kritisch auch MünchArbR/Richardi 2. Aufl. § 14 Rn. 36). Dieser Gedanke liegt auch der Rechtsprechung des Ersten Senats zu Verstößen gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bei der Ausgestaltung von Sozialplänen zugrunde. Werden in Sozialplänen Arbeitnehmer unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes benachteiligt, darf dies in Individualprozessen der schlechtergestellten Arbeitnehmer nicht dazu führen, daß die finanzielle Gesamtausstattung des Sozialplans wesentlich erhöht wird. Nur solange einzelne Arbeitnehmer benachteiligt worden sind und die hierdurch verursachten Mehrbelastungen des Arbeitgebers nicht ins Gewicht fallen, kann einem benachteiligten Arbeitnehmer wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes der korrigierte volle Abfindungsbetrag zugesprochen werden (vgl. BAG 26. Juni 1990 - 1 AZR 263/88 - BAGE 65, 199, 207).

Die aus der Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes folgenden finanziellen Belastungen des Arbeitgebers sind in den Fällen, in denen die Gruppe der Bessergestellten außerordentlich klein ist, nur gerechtfertigt, wenn zugleich besondere verfassungsrechtliche oder gemeinschaftsrechtliche Differenzierungsverbote, wie beispielsweise das Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts, verletzt worden sind. Nur durch die Gewährung eines Zahlungsanspruchs für die Gruppe der benachteiligten Arbeitnehmer wird diesen Verboten nachhaltig Wirkung verliehen.

III. Die Klage ist auch nicht wegen unterbliebener Beteiligung des Betriebsrats bei der Gehaltserhöhung der AT-Angestellten begründet.

Selbst wenn die Erhöhung der Gehälter der neueingestellten AT-Angestellten ohne die nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erforderliche Beteiligung des Betriebsrats erfolgt sein sollte, führte dies nicht zu Zahlungsansprüchen des Klägers. Denn bei dem AT-Gehalt des Klägers handelt es sich um ein unabhängig von der tariflichen Gehaltsskala festgelegtes Entgelt. Dies ergibt sich aus dem Gehaltsrahmen für AT-Angestellte, der elf Gehaltsstufen enthält. Dieser Gehaltsrahmen ist von der VDL und dem dort gebildeten Betriebsrat 1996 vereinbart und von der Beklagten übernommen worden. Eine - zugunsten des Klägers unterstellte - Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei der Weitergabe der Tariflohnerhöhung an die vier neueingestellten AT-Angestellten wäre nicht geeignet, Ansprüche zu begründen, die vor der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme nicht bestanden (vgl. BAG 20. August 1991 - 1 AZR 326/90 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 50 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 29; 28. September 1994 - 1 AZR 870/93 - BAGE 78, 74; Senat 15. November 1994 - 5 AZR 682/93 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 121 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 61).

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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