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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 03.11.2004
Aktenzeichen: 5 AZR 73/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 151
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

5 AZR 73/04

Verkündet am 3. November 2004

In Sachen

hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 3. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, die Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch und Dr. Linck sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Müller und Steinmann

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 16. September 2003 - 2 Sa 35/03 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Arbeitsentgelt.

Der Kläger war zunächst bei der Al-AG tätig und bezog dort als leitender Handlungsbevollmächtigter eine außertarifliche Vergütung. Durch schriftliche Nachträge zum Arbeitsvertrag vereinbarten der Kläger und die Al-AG in der Zeit von 1981 bis zum Jahre 2000 wiederholt Gehaltserhöhungen. Diese entsprachen den jeweiligen Steigerungen der Tarifgehälter aufgerundet auf volle 10,00 DM-Beträge. Im Jahre 2000 ging das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über. Diese erhöhte ab 1. Juni 2001 zwar ebenfalls das Gehalt des Klägers im Umfang der Erhöhung der Tarifgehälter, rundete jedoch den sich rechnerisch ergebenden Verdienst von 10.681,00 DM nicht auf.

Zum Ausgleich bzw. zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile im Zusammenhang mit der Integration in den A-Konzern schlossen die Gesellschaften der Al-Gruppe und deren Gesamtbetriebsrat im Jahre 2000 einen Sozialplan. Dort ist zu Ziff. III. 3.1 Folgendes bestimmt:

"Mitarbeiter gemäß Teil II MTV, denen kein gleichwertiger Arbeitsplatz im Sinne von § 5 Rationalisierungs-Schutzabkommen angeboten werden kann, die sich aber bereit erklären, einen Arbeitsplatz anzunehmen, der mit einer niedrigeren Vergütung versehen ist, behalten ihren finanziellen Besitzstand.

Mitarbeiter des Innendienstes, die aufgrund der Maßnahmen des Interessenausgleichs eine neue Stelle/Aufgabe übernehmen, behalten auch bei Ausübung einer unter dem derzeitigen Gehaltsniveau liegenden Tätigkeit ihre bisherige tarifliche Eingruppierung einschließlich evtl. Tätigkeitszulagen und aller außertariflichen Zulagen. Dies gilt entsprechend für "Tarifangestellte", die nicht tariflich eingruppiert sind und "Außertarifliche Angestellte".

...

Werden allgemein über- oder außertarifliche Gehälter und Zulagen bei allgemeinen Tariferhöhungen angepaßt, wird der von den voranstehenden Regelungen betroffene Personenkreis nicht ausgenommen.

Für mit Titeln verbundene vertragliche Zusatzleistungen gilt Besitzstandswahrung."

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte sei aus betrieblicher Übung und aus dem Sozialplan verpflichtet, die Gehaltsanpassungen jeweils auf volle 10 DM-Beträge bzw. seit der Währungsumstellung auf volle 5 Euro-Beträge nach oben zu runden.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 64,42 Euro brutto zu zahlen,

2. festzustellen, dass sein monatliches Bruttogehalt bei der Beklagten

a) vom 1. Juni 2001 bis 31. Dezember 2001 10.690,00 DM,

b) vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2002 5.465,71 Euro betragen hat,

c) ab 1. Juli 2002 5.660,00 Euro beträgt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Aufrundung habe lediglich einen Abrechnungsmodus dargestellt und keine betriebliche Übung begründet.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Soweit der Kläger die Feststellung der Höhe früherer Gehaltsansprüche begehrt, ist die Klage unzulässig. Im Übrigen ist die Klage nicht begründet.

I. Die vom Kläger zu Ziff. 2 a) und b) begehrte Feststellung der Höhe des ihm in der Vergangenheit zustehenden Gehalts ist unzulässig. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nur erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Vergangene Rechtsverhältnisse können nur dann zulässiger Gegenstand der Feststellungsklage sein, wenn sich aus ihnen nach dem Klagevortrag noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft ergeben (Senat 6. November 2002 - 5 AZR 364/01 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 78 = EzA ZPO § 256 Nr. 68; 15. Dezember 1999 - 5 AZR 457/98 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 59 = EzA ZPO § 256 Nr. 52). Der Kläger hat solche Rechtsfolgen nicht dargelegt. Er hat nur vorgetragen, dass sich die Betriebsrente nach der Höhe des vor dem Ausscheiden bezogenen Gehalts bemisst. Dies begründet jedoch kein rechtliches Interesse an der beantragten Feststellung, weil sich aus dem zu Ziff. 1 erhobenen Zahlungsantrag bereits die dem Kläger zustehende Arbeitsvergütung ergibt.

II. Der auf die Feststellung der Höhe des derzeitigen Arbeitsentgelts gerichtete Antrag Ziff. 2 c) ist zulässig. Er entspricht dem Antrag einer Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. Senat 17. April 2002 - 5 AZR 400/00 - AP ZPO § 322 Nr. 34; BAG 10. Dezember 1997 - 4 AZR 264/96 - BAGE 87, 272, 279, zu I der Gründe). Eine solche Klage ist nicht nur im Bereich des öffentlichen Dienstes, sondern auch für die Privatwirtschaft anerkannt (BAG 30. November 1994 - 4 AZR 901/93 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 27).

III. Soweit zulässig, ist die Klage nicht begründet. Der Kläger hat weder aus betrieblicher Übung (dazu 1.) noch aus dem Sozialplan (dazu 2.) einen Anspruch auf Aufrundung des Arbeitsentgelts.

1. Bei der Beklagten besteht nicht die betriebliche Übung, Gehaltserhöhungen der außertariflichen Angestellten auf volle 10 DM-Beträge bzw. volle 5 Euro-Beträge aufzurunden.

a) Unter betrieblicher Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), entstehen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte (st. Rspr., vgl. zB Senat 16. Januar 2002 - 5 AZR 715/00 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37; BAG 21. Januar 1997 - 1 AZR 572/96 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 64 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 36). Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer davon ausgehen musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt (Senat 16. Januar 2002 aaO; BAG 4. September 1985 - 7 AZR 262/83 - BAGE 49, 290). Eine bereits vor Betriebsübergang begründete betriebliche Übung bindet auch den neuen Arbeitgeber (ErfK/Preis § 613 a BGB Rn. 74).

b) Eine betriebliche Übung der Erhöhung der Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung kommt grundsätzlich nur bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber in Betracht. Bei bestehender Tarifbindung will der Arbeitgeber dagegen nur die Tarifregelungen umsetzen und keine weitergehenden Bindungen eingehen. Es erfolgt Normvollzug. Eine betriebliche Übung kann nur angenommen werden, wenn es im Verhalten eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers deutliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass er auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Erhöhungen übernehmen will. Grundsätzlich will sich ein solcher Arbeitgeber nicht der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien unterwerfen. Mit den in Anlehnung an Tariflohnerhöhungen erfolgenden freiwilligen Lohnsteigerungen entsteht lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung dieses erhöhten Lohns, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch künftige Tariflohnerhöhungen weiterzugeben (Senat 13. März 2002 - 5 AZR 755/00 - EzA ZPO § 259 Nr. 1; 16. Januar 2002 - 5 AZR 715/00 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37; BAG 20. Juni 2001 - 4 AZR 290/00 - EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 45). Soweit ein Arbeitgeber nicht der Tarifbindung unterliegt, will er regelmäßig seine Entscheidungsfreiheit für die künftige Lohn- und Gehaltsentwicklung behalten. Der Arbeitgeber muss bei der Frage, ob und ggf. in welcher Höhe er Gehaltserhöhungen vornehmen will, jeweils eine Fülle von auf die gesamtwirtschaftliche Lage, auf die wirtschaftliche Situation und die Gehaltspolitik seines Unternehmens sowie auf das Arbeitsverhältnis des einzelnen Arbeitnehmers bezogenen Gesichtspunkten in Betracht ziehen und gegeneinander abwägen. Diese Abwägung des Arbeitgebers mag über einen längeren Zeitraum hinweg tatsächlich zu jeweils gleichartigen Ergebnissen führen. Allein hieraus dürfen jedoch die Arbeitnehmer mangels abweichender konkreter Anhaltspunkte nicht schließen, der Arbeitgeber habe sich verpflichten wollen, auch in Zukunft stets dieselben Bemessungsfaktoren beizubehalten, also die Gehälter stets in gleicher Weise wie bisher zu erhöhen, und sich dadurch der Möglichkeit begeben wollen, veränderten Umständen in freier Entscheidung Rechnung zu tragen. Darin unterscheidet sich ein solcher Sachverhalt von der betrieblichen Übung bei der Gewährung von Zulagen oder Jahressonderzahlungen. Hierbei entstehen zwar auch weitere Kosten. Diese sind aber statisch und damit vorhersehbar und nicht unüberschaubar dynamisch ausgestaltet (Senat 13. März 2002 - 5 AZR 755/00 - EzA ZPO § 259 Nr. 1).

c) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze besteht der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht.

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die praktizierte Gehaltsanpassung habe der Kläger nicht als Erklärung werten dürfen, die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin, die Al-AG, wolle sich für die Zukunft zu weiteren Erhöhungen verpflichten. Hierfür hat der Kläger keine erheblichen Anhaltspunkte vorgetragen. Allein aus den in der Vergangenheit wiederholt erfolgten Gehaltserhöhungen folgt keine betriebliche Übung, zumal keiner der zahlreichen Nachträge zum Anstellungsvertrag erwähnt, dass es sich bei der Gehaltserhöhung um eine Anpassung entsprechend der Tariferhöhung handele.

bb) Soweit die Revision die Erhöhung entsprechend der Tarifentwicklung einerseits und die Aufrundung des sich daraus ergebenden Betrags andererseits als zwei unterschiedliche Vorgänge sehen und damit einen Anspruch auf die Aufrundung begründen will, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Nachträge zum Arbeitsvertrag geben lediglich das erhöhte Gehalt an, ohne weitere Hinweise auf die Berechnungsgrundlage. Es liegen einheitliche Gehaltserhöhungen vor, die sich rechnerisch an die Tarifentwicklung angelehnt haben und in der Vergangenheit auf volle 10 DM-Beträge gerundet worden sind. Aus dieser Berechnungsmethode lassen sich jedoch nicht zwei unterschiedliche Ansprüche herleiten.

2. Auch aus Ziff. III. 3.1 des Sozialplans lässt sich der Anspruch des Klägers nicht herleiten. Der Kläger hat die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Sozialplanbestimmung nicht dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass ihm im Zuge des Betriebsübergangs auf die Beklagte kein gleichwertiger Arbeitsplatz angeboten werden konnte (Ziff. III.3.1 Abs. 1). Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus der Besitzstandswahrung "für mit Titeln verbundene vertragliche Zusatzleistungen" iSv. Ziff. III. 3.1 Abs. 6 des Sozialplans. Wie der Kläger selbst vorträgt, soll die Aufrundung allen außertariflichen Angestellten zugute gekommen sein; sie war also nicht mit dem "Titel" eines leitenden Handlungsbevollmächtigten verbunden.

IV. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.



Ende der Entscheidung

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