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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 14.01.2009
Aktenzeichen: 5 AZR 75/08
Rechtsgebiete: BGB, GewO, MTV
Vorschriften:
BGB § 315 | |
GewO § 106 | |
MTV § 7 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 14. Januar 2009
In Sachen
hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom 14. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Laux sowie die ehrenamtlichen Richter Kessel und Hinrichs für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20. September 2007 - 19 Sa 19/07 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über den Umfang der Arbeitszeit und Vergütungsansprüche.
Der 1964 geborene Kläger, von Beruf Werkzeugmachermeister, ist seit 1987 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Sachbearbeiter Produkttechnik-Projektunterstützung tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nord-Württemberg/Nordbaden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. § 7 des Manteltarifvertrags für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nord-Württemberg/Nordbaden (MTV) lautet:
"Regelmäßige Arbeitszeit
7.1 Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 35 Stunden.
7.1.1 Soll für einzelne Beschäftigte die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert werden, bedarf dies der Zustimmung des Beschäftigten.
Lehnen Beschäftigte die Verlängerung ihrer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ab, so darf ihnen daraus kein Nachteil entstehen.
7.1.2 Bei der Vereinbarung einer solchen Arbeitszeit bis zu 40 Stunden erhalten Beschäftigte eine dieser Arbeitszeit entsprechende Bezahlung.
7.1.3 Die vereinbarte Arbeitszeit kann auf Wunsch des Beschäftigten oder des Arbeitgebers mit einer Ankündigungsfrist von 3 Monaten geändert werden, es sei denn, sie wird einvernehmlich früher geändert. Das Arbeitsentgelt wird entsprechend angepasst.
7.1.4 Der Arbeitgeber teilt dem Betriebsrat jeweils zum Ende eines Kalenderhalbjahres die Beschäftigten mit verlängerter individueller regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit mit, deren Anzahl 18 % aller Beschäftigten des Betriebes nicht übersteigen darf.
..."
Der Kläger arbeitete seit Beginn des Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage einer 40-Stunden-Woche. Mit Schreiben vom 30. März 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie gem. § 7.1.3 MTV ab 1. Juli 2006 die wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden ändere.
Der Kläger widersprach der Verkürzung der Arbeitszeit und der damit einhergehenden Verminderung seiner Vergütung. Er hält die einseitige Änderung des Umfangs der Arbeitszeit für unzulässig. Zumindest könne sie nur unter Wahrung billigen Ermessens erfolgen. Für die Verkürzung habe kein Grund bestanden. Auch arbeiteten die mit ihm vergleichbaren Produktionsbetreuer nach wie vor 40 Stunden pro Woche. Der Kläger macht Differenzvergütungsansprüche für die Monate Juli, August und September 2006, geltend.
Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, dass die Festlegung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit gemäß Schreiben der Beklagten vom 30. März 2006 und die damit verbundene Verkürzung von 40 Stunden auf 35 Stunden wöchentlich unwirksam ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.265,70 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Teilbeträgen in Höhe von jeweils 421,90 Euro seit dem 1. August 2006, dem 1. September 2006 und dem 1. Oktober 2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Den Arbeitsvertragsparteien sei nach § 7.1.3 MTV freies Ermessen bei der Kürzung der Wochenarbeitszeit auf die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit von 35 Stunden eingeräumt. Im Übrigen entspreche ihre Maßnahme billigem Ermessen. Sie habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, ab 1. Juli 2006 bisher vom Kläger wahrgenommene Aufgaben entfallen zu lassen. Mit den als Produktionsbetreuern tätigen Ingenieuren sei der Kläger nicht vergleichbar.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Seit Juli 2006 beträgt seine wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden. Er hat keinen Anspruch auf weitere Vergütung für die Monate Juli, August und September 2006.
I. Die Beklagte war gem. § 7.1.3 MTV berechtigt, einseitig die Arbeitszeit des Klägers auf die tarifliche Regelarbeitszeit von 35 Stunden zurückzuführen.
1. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie NordWürttemberg/Nordbaden. Damit finden die jeweiligen tariflichen Regelungen über die Arbeitszeit, insbesondere § 7 MTV, Anwendung. Eine dem Kläger günstigere einzelvertragliche Vereinbarung über eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden haben die Parteien nicht getroffen. Ebenso wenig hat sich der Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers auf 40 Stunden konkretisiert. Vielmehr hatten die Parteien vor dem 1. Juli 2006 von der in § 7.1.1 MTV vorgesehenen Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht und die Arbeitszeit abweichend von der tariflichen Regelarbeitszeit von 35 Stunden auf 40 Stunden wöchentlich festgelegt.
2. Nach § 7.1.3 MTV kann die so vereinbarte Arbeitszeit auf Wunsch des Beschäftigten oder des Arbeitgebers und damit einseitig mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten geändert werden, es sei denn, sie wird einvernehmlich früher geändert. Das Arbeitsentgelt wird entsprechend angepasst.
a) § 7.1.3 MTV räumt beiden Arbeitsvertragsparteien das Recht ein, die nach § 7.1.1 MTV individuell verlängerte Arbeitszeit einseitig auf die tarifliche Regelarbeitszeit zu kürzen. Mit der Ausübung dieses Rechts gilt nach Ablauf der Ankündigungsfrist automatisch die Regelarbeitszeit, ohne dass es einer Zustimmung der Gegenseite bedarf. Dieses tarifvertraglich begründete Bestimmungsrecht führt die Änderung des Arbeitsvertrags unmittelbar herbei. Der MTV ermöglicht damit beiden Arbeitsvertragsparteien einen Eingriff in die vertraglich geregelten Hauptleistungspflichten. Während die einzelvertragliche Verlängerung der tarifvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit auf mehr als 35 Stunden wöchentlich der Einigung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedarf, ist die Rückführung auf die regelmäßige Wochenarbeitszeit für beide Arbeitsvertragsparteien voraussetzungslos ausgestaltet.
b) Die Tarifregelung ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Diese Regelung verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG, denn die Absenkung der Arbeitszeit um fünf Stunden verändert die Hauptleistungspflichten lediglich um 12,5 %, so dass von einem vertretbaren Eingriff in die Leistungsaustauschbeziehung der Arbeitsvertragsparteien auszugehen ist (vgl. hierzu Senat 7. Dezember 2005 - 5 AZR 535/04 - Rn. 44 f., BAGE 116, 267; 11. Oktober 2006 - 5 AZR 721/05 - Rn. 23, AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6; 8. Oktober 2008 - 5 AZR 707/07 -). Die tarifvertraglich eröffnete Absenkungsmöglichkeit stellt den Arbeitnehmer nicht schlechter als den Beschäftigten, bei dem von vornherein die tarifliche Wochenarbeitszeit gilt. Auf eine dauerhafte Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit (und des damit proportional erhöhten Entgelts) kann aufgrund der tarifvertraglichen Regelung keine der Arbeitsvertragsparteien vertrauen. Zur Anpassung der im Hinblick auf die Erhöhung getroffenen Dispositionen des Vertragspartners dient die Ankündigungsfrist von drei Monaten.
3. Die Ausübung des tarifvertraglich begründeten Rechts zur Absenkung der regelmäßigen Arbeitszeit ist nicht am Maßstab von § 315 Abs. 3 BGB, § 106 GewO zu messen (im Ergebnis ebenso LAG Baden-Württemberg 20. April 2005 - 13 Sa 49/04 -; vgl. auch LAG Berlin 7. März 2002 - 13 Sa 72/03 - LAGE BGB § 315 Nr. 12; aA LAG Rheinland-Pfalz 13. August 2003 - 10 Sa 513/03 -).
a) Dem Wortlaut des § 7.1.3 MTV kann nicht entnommen werden, dass eine Änderung der individuell verlängerten Arbeitszeit nur bei Abwägung der wesentlichen Umstände und unter angemessener Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien erfolgen kann. Allein der Wunsch einer Vertragspartei reicht. Die Formulierung "kann auf Wunsch ... geändert werden" ist dahin zu verstehen, dass bei Einhaltung der Ankündigungsfrist von drei Monaten bereits durch die Äußerung des Änderungswunsches durch Arbeitnehmer oder Arbeitgeber ohne Weiteres die angestrebte Arbeitszeitreduzierung bewirkt wird.
b) Dies ergibt sich auch aus dem systematischen Zusammenhang des § 7.1.3 MTV sowie dem Sinn und Zweck der Regelung. § 7.1.3 MTV ist eine Einzelregelung im Kontext der tarifvertraglichen Bestimmungen zur regelmäßigen Arbeitszeit. Nach § 7.1 MTV gilt die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden. Diese kann nach § 7.1.1 MTV auf bis zu 40 Stunden verlängert werden. Dies gilt allerdings nach § 7.1.4 MTV lediglich für einen kleinen Teil der Belegschaft und auch nur dann, wenn beide Arbeitsvertragsparteien damit einverstanden sind. Dieser Zusammenhang zeigt, dass grundsätzlich die tarifliche Arbeitszeit von 35 Stunden/wöchentlich eingehalten und eine Verlängerung der Arbeitszeit nur unter engen Voraussetzungen ermöglicht werden soll. Folgerichtig wird die Rückführung einer individuell vereinbarten längeren Wochenarbeitszeit dieser Intention entsprechend an keine erschwerenden Voraussetzungen geknüpft und ist auch ohne billigenswerte Gründe "auf Wunsch" möglich.
II. Die Änderung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit des Klägers ist nicht aus anderen Gründen unwirksam. Der Arbeitgeber ist zwar auch bei der Ausübung freien Ermessens gehalten, die allgemeinen Schranken der Rechtsausübung, insbesondere den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, die Willkür- und Maßregelungsverbote sowie den Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten. Der Kläger hat aber keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich eine willkürliche, treuwidrige oder gleichheitswidrige Rechtsausübung der Beklagten ergibt. Gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei mit den Produktbetreuern, die weiterhin 40 Stunden tätig sind, nicht vergleichbar, hat der Kläger keine Verfahrensrüge erhoben.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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