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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 13.06.2007
Aktenzeichen: 5 AZR 849/06
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG 1972, EFZG
Vorschriften:
BGB § 611 | |
BetrVG 1972 § 77 | |
EFZG § 2 Abs. 1 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 13. Juni 2007
In Sachen
hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch und die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Laux sowie die ehrenamtlichen Richter Kessel und Kremser für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. Juni 2006 - 18 Sa 1485/05 - aufgehoben.
2. Die Berufung der Revisionsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 16. Juni 2005 - 2 Ca 2004/04 - wird zurückgewiesen.
3. Die Revisionsbeklagten haben die Kosten der Berufung und der Revision zu je 1/17 zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in ihrer Personaleinsatzplanung die freien Tage auf gesetzliche Wochenfeiertage legen darf.
Die Klägerinnen und Kläger (im Folgenden Kläger) sind im Fuhrpark bzw. im Lager der ein Einzelhandelsunternehmen betreibenden Beklagten beschäftigt. Am 17. Mai 2001 schloss diese mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit für alle Voll- und Teilzeitbeschäftigten im Bereich Lager und Fuhrpark (im Folgenden Betriebsvereinbarung), in der ua. geregelt ist:
"...
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte richtet sich - wie einzelvertraglich vereinbart - nach dem gültigen Manteltarifvertrag für den Einzelhandel NRW in seiner jeweiligen Fassung und beträgt derzeit 37,5 Stunden pro Woche. Die Arbeitszeit wird montags bis samstags geleistet, wobei vorbehaltlich der nachfolgenden Regelungen grundsätzlich ein Tag in der Woche arbeitsfrei bleibt.
..."
Die Beklagte bestimmt die Lage der Arbeitszeit durch ihre Personaleinsatzplanung. Nach Abschluss der Betriebsvereinbarung nahm die Beklagte die gesetzlichen Feiertage zunächst von der Einsatzplanung aus und gewährte in den Kalenderwochen, in denen ein Feiertag auf einen Werktag fiel, den dienstplanmäßig freien Arbeitstag an einem anderen Werktag. Für den Feiertag leistete sie Entgeltfortzahlung an Feiertagen.
Ab November 2003 versuchte die Beklagte vergeblich, mit dem Betriebsrat eine Regelung über die Beschäftigung und Vergütung an Feiertagen herbeizuführen. Ende April 2004 führte sie eine Schichtplanung ein, nach der die dienstplanmäßige Freistellung der Arbeitnehmer auf einem festen Schema beruhte, das von der Feiertagsruhe unabhängig war. Arbeitnehmer, deren freier Tag auf einen gesetzlichen Wochenfeiertag fiel, erhielten keinen zusätzlichen freien Arbeitstag. Im Durchschnitt bedeutete dies für jeden Arbeitnehmer ein bis zwei freie Tage pro Jahr weniger.
Mit der Klage begehren die Kläger das Festhalten der Beklagten an der feiertagsabhängigen Einsatzplanung und die Gewährung der sich daraus ergebenden freien Tage auch in den Wochen, in denen ein gesetzlicher Feiertag auf einen Werktag fällt. Sie haben die Auffassung vertreten, ihr Anspruch folge aus betrieblicher Übung.
Die Kläger haben der Sache nach zusammengefasst zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
ihnen als Ausgleich für den an einem jeweils konkret benannten gesetzlichen Feiertag nicht gewährten freien Tag einen Tag unbezahlte Freizeit zu gewähren,
hilfsweise,
ihnen als Ausgleich für den an einem jeweils konkret benannten gesetzlichen Feiertag nicht gewährten freien Tag einen Tag bezahlte Freizeit zu gewähren,
und festzustellen,
dass die Beklagte verpflichtet ist, zukünftig in Wochen, in denen ein gesetzlicher Feiertag auf einen Werktag fällt, den freien Arbeitstag zusätzlich zu dem gesetzlich freien Feiertag zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Eine betriebliche Übung habe sie nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Hauptanträgen mit der Maßgabe stattgegeben, dass ein künftiger Anspruch für die Dauer der Geltung der Betriebsvereinbarung bestehe. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Beibehaltung einer feiertagsabhängigen Personaleinsatzplanung und Gewährung eines zusätzlichen freien Arbeitstags in den Kalenderwochen mit gesetzlichem Wochenfeiertag. Die Beklagte ist berechtigt, im Rahmen ihrer Schichtplangestaltung freie Tage, die sie nach der Betriebsvereinbarung jeweils gewähren muss, auf gesetzliche Wochenfeiertage zu legen.
I. Die Berufung ist trotz Antragsänderung zulässig.
1. Die Zulässigkeit der Berufung stellt eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung für das gesamte Verfahren nach Einlegung der Berufung dar (st. Rspr., vgl. BAG 11. März 1998 - 2 AZR 497/97 - BAGE 88, 171; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 -, zu I 1 der Gründe). Die Berufung ist nur dann zulässig, wenn der Berufungskläger die aus dem erstinstanzlichen Urteil folgende Beschwer bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch beseitigen will. Dies setzt voraus, dass er den in erster Instanz erhobenen Streitgegenstand zumindest teilweise weiterverfolgt (BAG 10. Februar 2005 - 6 AZR 183/04 - EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 40, zu 1 a der Gründe; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 -, zu I 2 der Gründe).
2. Die Kläger haben ihr erstinstanzliches Begehren jedenfalls mit dem in die Zukunft gerichteten Feststellungsantrag weiterverfolgt. Insoweit ist von einer fortdauernden Beschwer auszugehen.
II. Unter Aufhebung des Berufungsurteils ist die Berufung der Kläger als unbegründet zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Die Beklagte hat weder für die Vergangenheit Ausgleichstage zu gewähren noch ist sie zukünftig verpflichtet, an der feiertagsabhängigen Personaleinsatzplanung festzuhalten und in den Kalenderwochen, in denen ein gesetzlicher Feiertag auf einen Werktag fällt, den Arbeitnehmern zusätzlich freie Tage zu gewähren. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus einer entsprechenden betrieblichen Übung.
a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Inhalt einer betrieblichen Übung kann jeder Gegenstand sein, der arbeitsvertraglich geregelt werden kann (BAG 21. Januar 1997 - 1 AZR 572/96 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 64 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 36, zu II 2 b bb der Gründe). Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob die Arbeitnehmer davon ausgehen durften, die Leistung werde vom Arbeitgeber über seine gesetzlichen, kollektivrechtlichen und vertraglichen Pflichten hinaus erbracht. Die Anforderungen an den Erklärungswert bestimmen sich nach der Art des Verhaltens des Vertragspartners, das eine betriebliche Übung begründen soll. Je intensiver eine Regelung das Funktionieren eines Betriebs in seiner Gesamtheit betrifft, umso eher müssen die Arbeitnehmer davon ausgehen, dass sich der Arbeitgeber mit einem bestimmten Verhalten nicht individualrechtlich binden wolle. Eine vertragliche Bindung kann nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer begründen (vgl. Senat 7. Dezember 2005 - 5 AZR 535/04 - AP TzBfG § 12 Nr. 4 = EzA TzBfG § 12 Nr. 2, zu B II 1 der Gründe; BAG 21. Januar 1997 - 1 AZR 572/96 - aaO).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte keine betriebliche Übung zur feiertagsabhängigen Personaleinsatzplanung begründet.
aa) Die Schichtplangestaltung betrifft die Organisation des Betriebs. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers, den konkreten Einsatz der Arbeitnehmer im Rahmen der vorgegebenen Wochenarbeitszeit zu planen und zu bestimmen. Der Personaleinsatz wird üblicherweise durch Ausübung des Direktionsrechts oder auf kollektiver Ebene geregelt und ist schwerpunktmäßig der Organisation des Betriebs zuzurechnen. Eine objektive und nachvollziehbare Regelung ist für das Funktionieren des Betriebs in seiner Gesamtheit unumgänglich. Die feiertagsabhängige Einsatzplanung der Beklagten, nach der sie vom 17. Mai 2001 bis Ende April 2004 Wochenfeiertage von dienstplanmäßig freien Tagen ausnahm und die dienstplanmäßig freien Tage an anderen Werktagen gewährte, betraf unmittelbar die Organisation des Betriebs.
bb) Wegen der Auswirkungen der Personaleinsatzplanung auf das Funktionieren des gesamten Betriebs konnten die Kläger ohne das Vorliegen besonderer Umstände nicht annehmen, die Beklagte wolle sich mit der feiertagsabhängigen Einsatzplanung individualrechtlich binden. Eine Regelung der Arbeitszeit aller Arbeitnehmer kann sinnvollerweise nur betriebseinheitlich erfolgen und nicht vom Zustandekommen und Fortbestand einer Vielzahl einzelvertraglicher Absprachen abhängen. Besondere Umstände für einen entsprechenden Erklärungswert des Verhaltens der Beklagten mit der Folge, dass die Personaleinsatzplanung künftig einer kollektivrechtlichen Gestaltung oder der Ausübung des Direktionsrechts entzogen sein sollte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die unveränderte Gewährung des zusätzlichen freien Arbeitstags vom 17. Mai 2001 bis Ende April 2004 führte insbesondere nicht bereits wegen des abgelaufenen Zeitraums zur Annahme einer entsprechenden betrieblichen Übung. Allein daraus, dass ein Arbeitgeber eine bestimmte Personaleinsatzplanung über einen längeren Zeitraum hinweg beibehält, kann ein Arbeitnehmer nicht auf den Willen des Arbeitgebers schließen, diese Planung auch künftig unverändert beizubehalten und sich gegenüber den Arbeitnehmern insoweit individualvertraglich zu binden. Zudem wollte die Beklagte bereits seit 1. November 2003, nämlich als erstmalig ein Feiertag auf den für die Kläger in der Regel freien Samstag fiel, erkennbar nicht mehr an der feiertagsabhängigen Planung festhalten.
cc) Weitere Anhaltspunkte für einen vertraglichen Bindungswillen der Beklagten waren ihrem Verhalten nicht zu entnehmen. Soweit die Kläger bis Ende April 2004 in Einzelfällen ausdrücklich auf freie Tage "verzichteten", willigten sie wegen der feiertagsabhängigen Personaleinsatzplanung in die Leistung von Mehrarbeit ein, denn der nach § 2 Abs. 1 EFZG vergütete Arbeitsausfall am gesetzlichen Feiertag war gleichfalls Arbeitszeit. Gerade aus der Notwendigkeit des Einsatzes trotz dienstplanmäßig freier Tage konnten die Kläger erkennen, dass die Beklagte mit der feiertagsabhängigen Personaleinsatzplanung ihren Bedarf an Arbeitskräften nicht decken konnte.
2. Weitere mögliche Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
3. Die Klage ist sowohl hinsichtlich der mit den Hauptanträgen geforderten freien Arbeitstage ohne Vergütung als auch der mit den Hilfsanträgen geltend gemachten vergüteten freien Arbeitstage unbegründet. Der Feststellungsantrag ist unbegründet, weil die Beklagte auch in Zukunft keine feiertagsabhängige Personaleinsatzplanung schuldet.
III. Die am Rechtsstreit noch beteiligten Kläger haben gemäß §§ 91, 97, 100 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu gleichen Kopfteilen zu tragen.
Ende der Entscheidung
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