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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 16.05.2002
Aktenzeichen: 6 AZR 208/01
Rechtsgebiete: MTArb, SR 2 a MTArb
Vorschriften:
Manteltarifvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) vom 6. Dezember 1995 Anlage 1 Nr. 1 | |
SR 2 a MTArb Nr. 12 | |
SR 2 a MTArb Nr. 15 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 16. Mai 2002
In Sachen
hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dr. Peifer, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Armbrüster und Dr. Brühler, die ehrenamtlichen Richter Dr. Augat und Wendlandt für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 6. Juli 2000 - 10 Sa 262/99 - insoweit aufgehoben, als es das Schlußurteil des Arbeitsgerichts Celle vom 16. Dezember 1998 - 2 Ca 472/95 - teilweise abgeändert und der Klage stattgegeben hat.
Insoweit wird die Berufung der Kläger zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits 1/4. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Rechtsmittelkosten, über die im Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 5. Februar 1998 - 10 Sa 481/97 - entschieden wurde, tragen die Kläger.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten in der Revision noch um die den Klägern für die Zeit vom 16. April bis 5. Mai 1996 zustehende Vergütung.
Die Kläger sind als zivile Arbeiter in der 4. Kompanie des Instandsetzungsbataillons 3, Instandsetzungsregiment 1, in Munster beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse findet seit März 1996 der MTArb Anwendung. Zuvor galt der MTB II.
In der Zeit vom 11. bis 31. Januar 1995 und vom 17. April bis 5. Mai 1996 nahm die Einheit der Kläger an Panzer-Manövern auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels/Oberpfalz teil. Die Einheit hatte den Auftrag, in einem von ihr einzurichtenden "SchadMatSaPkt" (Schadens- und Materialsammelpunkt) die während der Übungen beschädigten Fahrzeuge der Panzerlehrbrigade 9 für den weiteren Einsatz in der Kampfübung wieder herzustellen. Der "SchadMatSaPkt" befand sich auf dem Truppenübungsplatz im "Lager Albertshof". Diese Liegenschaft stand nicht unter unmittelbarer "Gefechtseinwirkung" und war infolge eines neuen Instandsetzungskonzepts nicht in unmittelbarer Nähe der "kämpfenden" Einheiten errichtet. Die Kläger führten mit ihrer Einheit in dem "Lager Albertshof" Instandsetzungsarbeiten aus und übernachteten auch dort.
Die Beklagte sah die Tätigkeit der Kläger als Teilnahme an einem Manöver an und zahlte ihnen einen Pauschbetrag nach Anlage 1 zum MTB II iVm. Nr. 19 SR 2 a MTB II für die Übung vom 11. Januar bis 31. Januar 1995 und nach Anlage 1 zum MTArb iVm. Nr. 15 der SR 2 a MTArb für die Übung vom 16. April bis 5. Mai 1996.
In SR 2 a MTArb heißt es:
"Nr. 12
Zu § 38 - Entschädigung bei Dienstreisen, Abordnungen und Dienstgängen
Zu § 39 - Lohn und besondere Entschädigung bei Dienstreisen
Für nachstehende Fälle treten bei einer Verwendung im Inland an die Stelle der §§ 38 und 39 folgende Regelungen: 1), 13)
(1) ...
e) Bei auswärtiger Beschäftigung wird der Lohn für die Dauer der tatsächlichen Arbeitszeit gezahlt.
...
Nr. 15
Zur Anlage 1 - Regelung für die Teilnahme an Manövern
und ähnlichen Übungen 1), 2)
Nr. 12 findet für die Tage der Teilnahme an Manövern und ähnlichen Übungen keine Anwendung.
...
Anlage 1
Regelung
für die Teilnahme an Manövern und ähnlichen Übungen
Nr. 1
Nehmen Arbeiter aus dringenden dienstlichen Gründen an Manövern und ähnlichen Übungen (Übungen) teil, gilt nachstehende Regelung*):
(1) Die tägliche Arbeitszeit des Arbeiters kann während der Teilnahme an der Übung abweichend geregelt werden.
(2) Der Arbeiter erhält für die Dauer seiner Teilnahme als Abgeltung seiner Arbeitsleistungen je Kalendertag einen Pauschbetrag in Höhe des 15fachen des auf eine Stunde entfallenden Anteils des um den im Monatslohntarifvertrag vereinbarten Betrag verminderten Monatstabellenlohns.
...
Protokollnotiz:
Die Anlage findet nur auf den Arbeiter Anwendung, der aus Übungsgründen ständig (Tag und Nacht) unmittelbar an der Übungsbeschäftigungsstelle zur jederzeitigen Arbeitsleistung anwesend sein muss und außerhalb der eigenen Häuslichkeit untergebracht ist."
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, ihnen stehe Vergütung für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu, und - soweit der Anspruch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - beantragt,
1. über den sich zu Gunsten der Kläger aus dem Truppenübungsplatzaufenthalt vom 16. April bis 5. Mai 1996 ergebenden Lohn abzurechnen;
2. den sich zu Gunsten der Kläger ergebenden Nettolohn auszuzahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Tätigkeit der Kläger auf dem Truppenübungsplatz in Hohenfels sei Teilnahme an einem Manöver gewesen. Den Klägern stehe daher ein Pauschbetrag nach Anlage 1 zum MTArb zu.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Schlußurteil abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landesarbeitsgericht das Schlußurteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte für den Zeitraum vom 16. April bis 5. Mai 1996 zur Zahlung von Lohn unter Zugrundelegung der Nr. 12 Abs. 1 Buchstabe e SR 2 a MTArb verurteilt, im übrigen die Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der Senat durch Beschluß vom 22. Februar 2001 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts zugelassen. Die Beklagte beantragt, die Wirkungen des Schlußurteils wiederherzustellen. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts, soweit dieses das Schlußurteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben hat, zur Zurückweisung der Berufung der Kläger in vollem Umfang.
I. Soweit es noch Gegenstand der Revision ist, hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Kläger Anspruch auf Abrechnung und Zahlung von Lohn für ihren Einsatz auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels vom 16. April bis zum 5. Mai 1996 nach Nr. 12 Abs. 1 Buchstabe e SR 2 a MTArb haben. Nach dieser Tarifbestimmung stehe den Klägern für ihren Einsatz in Hohenfels Lohn für die Dauer der tatsächlichen Arbeitszeit zu. Diese Regelung werde nicht durch Nr. 15 SR 2 a MTArb verdrängt. Der Begriff der "Teilnahme an Manövern und ähnlichen Übungen" sei in der SR 2 a MTArb nicht definiert. Nach der Protokollnotiz zu Anlage 1 des MTArb könne als Übungsbeschäftigungsstelle nur das unmittelbare Übungsgebiet angesehen werden. Da die Einheit der Kläger aber ihre Tätigkeit an einem vom eigentlichen Übungsgeschehen etwas abgesetzten Ort verrichtet habe, hätten die Kläger lediglich ihre normale Arbeit verrichtet und sich deshalb nicht aus Übungsgründen auf dem Truppenübungsplatz aufgehalten.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden.
II. Die Klage ist auch insoweit unbegründet, als sie noch Gegenstand der Revision ist. Die Kläger haben für ihre Tätigkeit auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels im "Lager Albertshof" keinen Anspruch auf Zahlung von Lohn nach Nr. 12 Abs. 1 Buchstabe e SR 2 a MTArb. Diese Bestimmung wird durch Nr. 15 SR 2 a MTArb für die Tage der Teilnahme an Manövern und ähnlichen Übungen ausdrücklich ausgeschlossen.
1. Nach Nr. 1 Abs. 2 Buchstabe a der Anlage 1 zum MTArb erhält der Arbeiter für die Dauer seiner Teilnahme an einem Manöver oder ähnlichen Übungen als Abgeltung seiner zusätzlichen Arbeitsleistungen neben seinen monatlichen Bezügen einen täglichen Pauschbetrag. Dieser schließt die Vergütung für Überstunden, für die Inanspruchnahme nach Nr. 12 der SR 2 a MTArb ein. Nach der Protokollnotiz zu Anlage 1 zum MTArb findet diese Anlage auf den Arbeiter Anwendung, der aus Übungsgründen ständig (Tag und Nacht) unmittelbar an der Übungsbeschäftigungsstelle zur jederzeitigen Arbeitsleistung anwesend sein muß und außerhalb der eigenen Häuslichkeit untergebracht ist. Diese Voraussetzungen erfüllten die Kläger. Sie haben an dem Einsatz ihrer Einheit teilgenommen, indem sie Instandsetzungsarbeiten in dem "Lager Albertshof" ausgeführt und auch dort übernachtet haben. Unerheblich ist, daß das "Lager Albertshof" nicht unter unmittelbarer "Gefechtseinwirkung" stand und sich nicht unmittelbar bei den "kämpfenden" Einheiten befand. Dies ergibt eine Auslegung der Tarifvorschrift.
2. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages, zu dem auch die von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Protokollnotizen gehören, folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu ermitteln ist darüber hinaus der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden kann (st. Rspr. des Senats vgl. 28. Mai 1998 - 6 AZR 349/96 - AP BGB § 611 Bühnenengagementvertrag Nr. 52 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 5, zu II 2 a der Gründe; 26. April 2001 - 6 AZR 2/00 - AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 37, zu I a der Gründe).
3. Die Regelung der Anlage 1 und der dazugehörigen Protokollnotiz zum MTArb stellt nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang eine erschöpfende tarifliche Regelung des Lohns von Arbeitern für Zeiten ihrer Teilnahme an Manövern dar. Der Arbeiter erhält nach diesen Vorschriften während seiner Teilnahme an Manövern und ähnlichen Übungen als Abgeltung seiner zusätzlichen Arbeitsleistung neben seinem monatlichen Lohn allein einen täglichen Pauschbetrag in Höhe der Vergütung. Weitergehende Ansprüche auf Freizeitgewährung oder Überstundenvergütung bestehen nicht. Diese Grundsätze gelten einheitlich für Werktage, Sonn- und Feiertage (BAG 22. März 1978 - 4 AZR 636/76 - BAGE 30, 203, 213). Damit ist es auch unerheblich, ob der Arbeiter an den Manövertagen nach dem für ihn geltenden Dienstplan zur Arbeit verpflichtet gewesen wäre oder dienstfrei gehabt hätte (vgl. BAG 29. Juni 1989 - 6 AZR 666/87 - ZTR 1989, 484 zu der insofern inhaltsgleichen Vorschrift der SR 2 e I BAT).
a) Die Kläger waren während der Zeit ihrer Teilnahme an dem Panzermanöver auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels/Oberpfalz außerhalb der eigenen Häuslichkeit untergebracht.
b) Sie waren auch aus Übungsgründen ständig (Tag und Nacht) unmittelbar an der Übungsbeschäftigungsstelle zur jederzeitigen Arbeitsleistung anwesend. Der Einsatz der Kläger auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels in dem "Lager Albertshof" war ausschließlich bedingt durch die Teilnahme der Einheit der Kläger an dem Panzermanöver auf dem dortigen Truppenübungsplatz. Das "Lager Albertshof" war während der Teilnahme der Kläger an dem Panzermanöver deren Übungsbeschäftigungsstelle. Die Kläger waren aus Übungsgründen unmittelbar an der Übungsbeschäftigungsstelle zur jederzeitigen Arbeitsleistung anwesend. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen haben sich die Kläger bei ihrer Tätigkeit im Rahmen des neuen Instandsetzungskonzepts aus Übungsgründen auf dem Truppenübungsplatz aufgehalten und dort an ihrer Übungsbeschäftigungsstelle ihre Tätigkeit ausgeübt. Daß das "Lager Albertshof" und damit die Übungsbeschäftigungsstelle der Kläger nicht unter unmittelbarer "Gefechtseinwirkung" stand und infolge des neuen Instandsetzungskonzepts nicht unmittelbar bei den "kämpfenden" Einheiten errichtet war, steht dem nicht entgegen. Diese Voraussetzung läßt sich der Protokollnotiz der Anlage 1 zum MTArb nicht entnehmen, auch nicht der Überschrift der Anlage 1 zum MTArb. Diese bestimmt nur eine Regelung für die Teilnahme an Manövern und ähnlichen Übungen. Teilnahme an einem Manöver oder an einer ähnlichen Übung setzt nicht voraus, daß der Arbeiter seine Tätigkeit unter "Gefechtseinwirkung" zu erbringen hat oder unmittelbar bei den "kämpfenden" Einheiten untergebracht ist. Entscheidend ist, wie sich aus dem Wortlaut der Protokollnotiz der Anlage 1 zum MTArb ergibt, daß die Arbeiter "aus Übungsgründen" an der wegen des Manövers eingerichteten Übungsbeschäftigungsstelle zur jederzeitigen Arbeitsleistung anwesend sein müssen.
Zu Recht hat die Revision ausgeführt, daß "aus Übungsgründen" nicht nur anwesend ist, wer selbst militärisch übt, sondern jede Person, deren Anwesenheit ihren Grund in der militärischen Übung hat, die stattfindet. Auf das Personal, das zur Instandsetzung defekter Panzerfahrzeuge während einer Panzerübung an Ort und Stelle und nicht im ständigen Standort der Einheit eingesetzt wird, trifft dies offenkundig zu. Schon der Wortlaut der Anlage 1 und der dazu ergangenen Protokollnotiz sprechen dafür, jede Person, die an der Verwirklichung des Manöverplanes auf dem Truppenübungsplatz beteiligt ist und deren Anwesenheit der Durchführung des Manövers dient, als Übungsteilnehmer anzusehen, unabhängig davon, ob sie innerhalb des Gefechtsfeldes tätig wird oder nicht. Dieses Ergebnis wird durch den Zweck der Regelung für die Teilnahme an Manövern/Übungen bestätigt: Die Anlage 1 soll eine Grundlage dafür schaffen, für Arbeiter, die aus dringenden dienstlichen Gründen an Manövern/Übungen teilnehmen müssen, übungskonforme Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Die Arbeit unter Manöverbedingungen folgt anderen Anforderungen als die reguläre Arbeit. Der Arbeitsbedarf gerade im Bereich der Instandsetzung ist nicht vorhersehbar. Ausgefallene Fahrzeuge müssen aber, damit die Durchführung der Manöverbewegungen möglich bleibt, so schnell wie möglich instandgesetzt und wieder in die Truppenbewegungen eingegliedert werden. Die Belastungen der Manöverteilnahme - ständige Anwesenheit an der Übungsbeschäftigungsstelle, Gemeinschaftsunterkunft, Gemeinschaftsverpflegung - treffen jeden Teilnehmer unabhängig von dem Ausmaße des wirklichen Arbeitseinsatzes.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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